Samstag, 10. November 2012

Weltfriedensprojekt vor dem Fiscal Cliff

In der Stunde der Not zeigt sich, wie dringend die Europäische Union eine einheitliche Leitung und Führung benötigt. Trotz seit Monaten anhaltender Beteuerungen nahezu aller führenden Politiker nahezu aller europäischen Bruderländer sind das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen um einen Nachtragshaushalt für 2012 und die anstehenden Haushaltsplanungen für das Jahr 2013 in offenen Streit geraten.
Die Vertreter der 27 EU-Regierungen und des Europaparlaments konnten sich nach Angaben des "Spiegel" nicht darüber einigen, wer die von der Kommission zur Bezahlung offener Rechnungen angeforderten neun Milliarden Euro nach Brüssel liefern sollte. "Auch eine Hilfe aus dem EU-Solidaritätsfonds in Höhe von 670 Millionen Euro für italienische Erdbebenopfer", die offenbar bereits ausgezahlt wurden, wollten die Regierungschef der EU-Kommission nur erstatten, wenn diese das Geld im Nachtragshaushalt für 2012 an anderer Stelle einspart.

Die EU-Kommission, die demnächst in Stockholm stellvertretend für alle aufrechten Europäer mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden wird, wenn sich noch Geld für die notwendigen Flugtickets findet, lehnt das ab. In den Kassen sei überhaupt kein Geld mehr, nicht einmal mehr lächerliche 670 Millionen.

Das Weltfriedensprojekt ist in akuten Nöten, eine Einigung, die bis kommenden Dienstag erfolgen müsste, damit die 50.000 Mitarbeiter der EU Anfang kommenden Monats ihr Weihnachtsgeld bekommen können, scheint nicht in Sicht. Das europafeindliche Großbritannien dringt auf Kürzungen im EU-Etat, Frankreich und Italien dagegen wollen, das die Briten mehr EU-Beiträge bezahlen. Deutschland und einige andere Länder wollen die Kommission zwingen, bei den Ausgaben trotz der Notwendigkeit einer ständigen und verstärkten weiteren Integration in Richtung einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung extrem krass zu sparen. So soll der Anstieg des Haushalts im Jahr 2013 nur rund 2,8 Prozent betragen.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, einst absprachegemäß ins Amt gescheitert, forderte wegen der Schwierigkeiten Europas, sich das zum weiterwursteln notwendige Geld zu verschaffen, Sonderregeln für Integrationsverweigerer in der EU. "Für Länder, die sich langfristig aus bestimmten Gemeinschaftspolitiken ausgeklammert haben oder dies beabsichtigen, müssen ganz sicher Prozeduren gefunden werden", sagte der SPD-Politiker. Denkbar wären Daumenschrauben, eine Nichtberücksichtigung bei geilen Posten wie Kommissar, Fachminister und Richter beim Europäischen Gerichtshof oder auch demokratische Redeverbote im EU-Parlament.

Damit geht Schulz allerdings nicht so weit wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die vorgeschlagen hatte, dass über Themen, die nur bestimmte Länder betreffen, auch nur Abgeordnete aus diesen Staaten abstimmen sollten. Dieses Konzept war früher in vielen Nationalstaaten gebräuchlich gewesen, konnte aber mit dem erfolgreichen Aufbau der EU überwunden werden.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Haha, ich bin gar nicht schadenfroh.

Anonym hat gesagt…

Die hehren Visionen vom geeinten Europa scheitern an popeligen Kleingeistern und am schnöden Mammon. Wie erbärmlich.

Jenningen hat gesagt…

Klasse! Aber ist diese Politkommissar-EU nicht auch so fesselnd wie ein Splatter-Movie? Martin Schulz ist sicher eine der größten Gefahren für die Freiheit der Bürger Europas ¬– aber er ist somit natürlich auch (um mit dem Bundestagspräsidenten Jenninger zu sprechen) ein „Faszinosum“. Praktisch alles was dieser Mann anfasst, zerfällt zu Staub: Abitur Buchhandlung, Spassbad, Demokratie, Logik, Zivilisation, Sprache.
Schaurig schön finde ich z.B. das Wort „Integrationverweigerer“. Oder „Prozeduren“, für Leute, die ihre Kohle und Freiheit nicht an den Spassbad-Tycoon von Würselen rausrücken. Was bei mir Faszination für die Banalität des Blöden (E. Henscheid ?) und des Bösen (H. Arendt) auslöst, wird bei Spiegel-Praktikanten (also der gesamten Redaktion) zu besinnungsloser Bewunderung. Schulz’ Prozeduren als „Sonderregeln“ zu übersetzen ist einfach nur schön. Warum nicht „Sonderbehandlung“? An der Kenntnis der historischen Bedeutung des Wortes kann es ja mangels Kenntnis nicht liegen.

derherold hat gesagt…

"...wird bei Spiegel-Praktikanten..."

Man sollte sich mal davon trennen, daß es sich um "unforced errors" handelt. Das ist DER Journalismus.

... zwar in "auf Kooperation setzenden Gesprächen und Handlungen" herbeigeführt aber das IST er.

Auch ein Schulz ist ja nur ein ausführendes Organ. So wie nicht GS, sondern die EU, also Berlin und Paris, entschieden haben, daß (u.a.) GRE die "Bilanzen fälscht".

Das einzig wirklich Fragliche ist, ob da überhaupt noch irgendjemand den Durchblick hat (und den superfiesen Masterplan umsetzen will) oder ob die nur noch durch Herumwursteln versuchen, die Karre am Laufen zu halten

ppq hat gesagt…

herumwursteln, eineindeutig

Thomas hat gesagt…

"herumwursteln, eineindeutig"

Oder vielmehr K&K-haftes "Wimmeln", wie es der Hans Moser unzweideutig getauft hat.