Montag, 1. Juli 2013

Geheimdienst dritter Klasse

Wiedermal ein "eklatantes Versagen der Sicherheitsbehörden", wiedermal totalste Enttäuschung über die Leistungen deutscher Spione. Nur eineinhalb Jahre nach dem Auffliegen des Verfassungsschutzes als im Ernstfall untaugliche Behörde, drei nicht einmal mehr auf der Flucht befindliche selbsternannte Nazi-Desperados zu finden, legt der deutlich größere und mit einem jährlichen Etat von einer halben Milliarde Euro auch deutlich besser ausgestattete Bundesnachrichtendienst nach. In Woche zwei des NSA-Überwachungsskandals bleibt der angebliche deutsche Auslandsnachrichtendienst dabei, von der größten Überwachungsaktion der Menschheitsgeschichte nichts bemerkt zu haben.

Im Gegensatz etwa zum "Spiegel", der "neue geheime Dateien der NSA" zu "500 Millionen Verbindungen" monatlich hochgerechnet hat, statt gleich die Zahl 6000 Millionen für die jährlich erfassten Verbindungen offenzulegen. Der US-Geheimdienst habe "in Deutschland systematisch und massenhaft Internet- und Telekommunikationsdaten" überwacht und die Deutschen in einer Präsentation zudem herabwürdigend als "Partner dritter Klasse" bezeichnet, empört sich die Illustrierte.

Der BND, seit Jahren vor allem damit beschäftigt, auf der Berliner Zickenwiese eine neue, prächtige und direkt mit den NSA-Speichern verbundene Zentrale zu errichten, blieb arglos. 6000 Spione, von denen nach derzeitigem Kenntnisstand des neuen BND-Präsidenten Gerhard Schindler "viele im Ausland tätig" sind, fielen auf die Behauptung der Amerikaner herein, in den deutschen Diensten Verbündete im Kampf gegen den Terror zu sehen. Hinterrücks durchsuchten sie jedoch Mailverkehr, SMS-Nachrichten und Internetchats nach Hinweisen auf geplante Terroranschläge.

Im Unterschied zum Verfassungsschutz-Versagen im Fall der NSU, das von einer breiten Koalition aus mutigen Medienkämpfern und tapferen Politikern begeistert angeprangert wurde, bleibt die große Empörungswelle bislang aus. Nicht der BND, dessen Aufgabe es gewesen wäre, von der millionenfachen Ausspähung deutscher Staatsbürger zu wissen und Gegenmaßnahmen zu treffen, sondern die Bundeskanzlerin selbst steht im Mittelpunkt des Protestgeschreis, das nicht direkt an die Adresse der Amerikaner geht.

Dass "Echelon" einen Wikipedia-Eintrag hat - nicht bemerkt. Dass die NSA Daten direkt in Deutschland abfing - übersehen. Dass der Nato-Partner das "von der Verfassung garantierte Post-, Brief und Fernmeldegeheimnis" (Stern) systematisch ausgehöhlt hat, ohne dass der deutsche Dienst Alarm schlug - geschenkt. Dass es hier nicht um ein Dutzend Anschläge Durchgeknallter geht, sondern um Millionen Anschläge staatlicher Stellen - na, und. Es gibt Partner dritter Klasse. Und es gibt ein Versagen zweiter.

Wer Google und Co. wirklich gründete: Unternehmen Honigtopf
Zettel zu Orwell in der Hitparade
Die Anmerkung: Steinbrück greift ein

13 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Im Internet gilt doch schon immer "Lasset die Daten zu mir kommen", der feuchte Traum aller Bürokraten. Nie wieder das Büro verlassen, um Dinge in Augenschein nehmen zu müssen, es sind ja so oft häßliche dabei! Nie wieder das Büro verlassen, um mit den Menschen da draußen reden zu müssen, die sagen ja sowieso nie die ganze Wahrheit! Dafür glasklare Daten in der Kuchengraphik, eindeutige, unbestechliche Daten, die alles verraten - wir kennen das aus der Medizin, wissen wir doch erst seit heute mit absoluter Sicherheit, daß der Verzehr von fettem Fisch das Brustkrebsrisiko senkt.
Und da wundert sich noch einer?

ppq hat gesagt…

nein, wundern nicht. es geht nur darum, dass es im protokoll steht

totalversagen für 500 millionen im jahr. der BND weiß von nichts. das hätte man auch billiger haben können

FDominicus hat gesagt…

Habe mich gleich auf diesen Eintrag gestürzt. Danke PPQ.

Cordt hat gesagt…

Habe auch soeben diese merkwürdige Stille bemerkt und mich gefragt, ob nicht doch einer meiner Mitstudenten laut demonstrierte, wenn der derzeitige US-Präsident nicht dieser nette Politikerdarsteller, sondern ein böser alter weißer Mann wäre.

eulenfurz hat gesagt…

Wer ist verantwortlich für dieses Totalversagen des BRD-Geheimdienstes? Da rotieren bestimmt schon die Aktenschredder.

c hat gesagt…

Andererseits ist die Resignation angesichts der Machtlosigkeit gegenüber den Strukturen für das politische System gefährlich. Das Engagement für das Münchner Hunger-Camp u. ä. ist dabei Schattenboxen.

Cordt hat gesagt…

@eulenfurz

Sie meinen die planmäßige umweltschonende Entsorgung redundanten Materials?

ppq hat gesagt…

ich glaube, die frage, wer verantwortlich ist, stellt diesmal einfach niemand. wer weiß, was sonst geantwortet würde

derherold hat gesagt…

@cordt, vielleicht liegt der Fall umgekehrt. Man hat den lieben schwarzen Mann gewählt, um ganz ungebremst ein paar Kleinigkeiten wie gezielte Morde und Überwachung ganz offiziell durchzuführen.

Sind diese "Enthüllungen", die wie gehabt über die üblichen verdächtigen Medienpublikationen laufen, vielleicht eine Art "gezielte Sprengung" ?

Wie man ihre Kommilidings an die Kandarre genommen hat, konnte man 2009 erkennen: die Piraten trommelten noch fleißig (weisungsgemäß) gegen "Zensursula", nahmen aber vom Vorstopf der damaligen Justizministerin, "den Haß aus dem Internet zu vertreiben" überhaupt keine Kenntnis.

Es gibt eine ziemlich großflächige Überwachung und es gibt Leute, die davon profitieren. Daß die radikale Linke mit diesen Erscheiungen ein größeres Problem hätte, sehe ich nicht.

derherold hat gesagt…

Sry, man hat den braven schwarzen Hinterbänkler wählen lassen.

ppq hat gesagt…

so viel plan gibt es da nicht. jeder von denen tut, was notwendig ist. da gibt es keine moral, allerhöchstens als tapete.

und dass staaten einander bespitzeln... ja, ich bitte euch. hat jemand was anderes angenommen?

wartet mal, bis rauskommt, was die israelis alles abgezapft haben. war doch immer "der beste geheimdienst der welt", oder?

Anonym hat gesagt…

Was der "der beste geheimdienst der welt" alles angezapft hat, dürfte genau wegen dessen so lautender bezeichnung kaum herauskommen.- und sollte dennoch etwas herauskommen, so dürfte die medienmacht seiner stammesgenossen weltweit zu alsbaldigen abdichtung möglicher quellen schreiten. und sollte dann immer noch etwas nach aussen dringen, werden diese stammesgenossen ebenfalls zu verhindern wissen, dass es in negativem licht ercheint.

usb hat gesagt…

Eh das ist doch total lächerlich unsere Geheimdienste sind schon gut die lernen auch von den beiden größten der Welt.
Die sind sogar so gut dass wir ihnen glauben dass drei junge durchschnittliche Desperados zehn Jahre lang machen können was sie wollen.
Ist keinem aufgefallen dass bis zu letzt es niemals auch nur Hinweise in die rechte Szene gegeben hat ?
"Dönermorde" oder von Mafia war die Rede sonst wären die gemästeten Schlacht Objekte vielleicht zeitig dahinter gekommen dass es sowas nicht gibt wie zehn Jahre Narrenfreiheit und zwar im Polizei und Überwachungsstaat.
Falls doch dann nur zur einem sehr hohen Preis.
Es war ein Spiel die wollten dem großen Onkel zeigen wie sie ein Land beherrschen und lenken können.
Alles nach Wunsch und in beliebiger Richtung eben was der Kunde so wünscht.
"Ihr müsst es mir glauben der Teufel existiert nicht"