Montag, 12. Juni 2017

Hassrede: Wenn die Opfer zurückschlagen - wie bei Charlie Hebdo

Hass-Karikaturen sind immer wieder Ursache für tödliche Angriffe von Opfern, die sich verhöhnt fühlen.
Oft ist gerade bei den großen Verbrechen der Menschheit, die viel Aufsehen erregen und nicht nur direkt Betroffene beschäftigen, auch nach vielen Monaten noch unklar, wer Täter und wer Opfer war. Verschwörungstheoretiker nutzen diese Fälle, um herumzuspekulieren. War Jörg Haider schwul? Musste Barschel deshalb sterben? Steckte die CIA hinter 911? Und hinter dem Weihnachtsmarkt von Berlin der MAD?


Zum Glück gibt es die Wissenschaft, die kühl und gelassen untersucht, analysiert und schließlich zu endgültigen Urteilen kommt. So, wie das der gerade mit dem Karlspreis geehrte britische Historiker Timothy Garton Ash jetzt mit dem Terroranschlag auf die Redaktion des Pariser Spaßblattes „Charlie Hebdo“ getan hat. Der galt bisher als Werk fundamentalistischer Islamisten, die sich im Heiligen Krieg und in den Karikaturisten ein legitimes Ziel ihres Feldzuges für mehr Intoleranz, Engstirnigkeit und Steinzeit-Religiosität. Aber so was es nicht, stellt Garton Ash fest: „Hassrede, Beschimpfungen, Morddrohungen, alle meist anonym, können massive Folgen haben, wie man bei dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ sehen konnte“, sagt er.

Neuer Blick auf den Terrorismus


Klare, mutige Worte, die die Verhältnisse zurechtrücken, ein neuer, frischer Blick auf die Dinge, die sich in der Welt verändert haben. Wer über den Propheten lacht, der hasst, der beschimpft dessen Gläubige – und spürt dann eben irgendwann die „massiven Folgen“, ja. Das ist, sagt Ash, „die vernetzte Welt“, die „viele unbeabsichtigte Folgen“ habe. Eine Mohammed-Karikatur, früher ein harmloses Späßchen in abendländischen Salons, fallen heute auch dort auf, wo Glaube noch eine ernste Angelegenheit ist. Vier arabische Großeltern, zwei arabische Eltern, da weiß man gleich, wo Gott ein feste Burg hat!

Das kann zu Terror führen, oder doch wenigstens zu Handlungen, die aus Sicht der Behandelten an Terror erinnern würden, wäre da nicht das auslösende Moment. Eines „davon ist in diesem Fall die Fragmentierung der Medienlandschaft“, formuliert Garton Ash weltgewandt, „dadurch entsteht ein starker Echokammer-Effekt“.

Damit sind wir dort, wo alles herkommt, wo Trump entstand, das Gerücht, Edathy sei ein Kinderschänder, Schäuble habe Kohls Geldkoffer getragen und Scharping nicht gegen Naziumtriebe bei der Bundeswehr getan. „In diesen Echokammern können die sogenannten alternativen Fakten, Fake News oder, einfach gesagt, Lügen wirksam werden“, warnt Ash, „Sie werden wiederholt, aber ihnen wird nicht widersprochen“. Terror? Oder doch Tierschutz?

Wer verächtlichmacht, der wird bestraft


Das Ende vom Lied, da kann man den herausragenden Geschichtsforscher seiner Generation nur noch einmal zitieren, sind Hassrede, Beschimpfungen, Morddrohungen mit massiven Folgen wie man bei dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Tote, zu verantworten von den Kritzlern irriger Karikaturen, von Schmähern des derzeit erfolgreichsten Glaubensgründers, von Verächtlichmachern der großen Friedensbotschaft Allahs. Timothy Garton Ash zeigt hier beispielhaft, was er im Kampf gegen Trump als Waffe empfiehlt: „Es bedarf eines Gegennarrativs, das auch in die Seelen der Menschen Eingang findet“.




1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ebenfalls sehr lesenswert und passend zum Thema:

Gehört es zum normalen Lebensrisiko, in die Luft gesprengt zu werden?
http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/gehoert-es-zum-normalen-lebensrisiko-in-die-luft-gesprengt-zu-werden/

Adebar