Freitag, 7. September 2018

Kontinuität und Erneuerung: Weber wird Juncker

Alt und neu: Manfred Weber (r.) will Jean-Claude Juncker beerben, dem sein Ischias zuletzt zu schaffen machte.
 "Never change a winning Jean", hieß es in Europa über viele Jahre, wenn ein Spitzenposten zu besetzen war. Jean-Claude Juncker war immer der passende Kompromisskandidat: Luxemburger, aber gut in Deutsch, aus einem kleinen Land, deshalb auch im Süden akzeptabel. Und als Ministerpräsident über Jahre beispiellos geschickt im Festzurren von Abkommen, die Luxemburg ganz vorn in der Hitparade der Steuersparparadiese etablierten.

Fünfmal war Juncker sein eigener Nachfolger als Chef der Euro-Gruppe, er eilte erfolgreich von Rettung zu Rettung und verdiente sich so die Chance, gegen den späteren SPD-Gottkanzler Martin Schulz bei der EU-Wahl antreten zu dürfen. Ein legendäres Fernsehduell der beiden Freunde, die sich vor einem Millionenpublikum von vorbereiteten Zetteln vorbereitete Statements vorlasen, geann Juncker. Schulz hatte zuvor die Nerven verloren und in Deutschland völkische Anzeigen schalten kleben lassen: "Nur wenn Sie Martin Schulz wählen, kann ein deutscher Präsident der EU-Kommission werden", drohte der Mann aus Würselen. Die Kampagne schlug über das Internet bis nach Süden durch, dort wandten sich prompt viele Wähler ab.

Schulz` Rollenspiel als Nationalist


Der Versuch, am rechten, nationalistischen Rand auf Stimmenfang zu gehen, scheiterte. Europa wählte, die Hinterzimmer aber entschieden sich danach nicht für den Deutschen, sondern für den Luxemburger. Zu groß war damals, 2014, noch die Angst der Mit-Europäer vor deutscher Dominanz und Berliner Diktat. Der deutsche Kandidat wurde mit einem Zeitvertrag für den Posten des Präsidenten des europäischen Parlaments abgefunden und er musste sich notgedrungen damit abfinden. Europa war noch nicht bereit für deutsche Führung, wie sie der streng geheime Hades-Plan von 1991, seinerzeit noch geschmiedet im Bonner Kanzlerbungalow, perspektivisch vorsieht.

Vier Jahre später aber, auf dem Höhepunkt ihrer Macht, geht Kanzlerin Angela Merkel das Vorhaben noch einmal an. Martin Weber, ein  Ingenieur aus Bayern, der mit 30 beschloss, Politiker zu werden,  soll die Europäische Volkspartei in die Wahlschlacht des kommenden Jahres führen. dann wird es um alles gehen, Freiheit oder Tod, das Ende aller Dinge, Weiterso oder Untergang, Weber oder Rechtspopulismus.

Der Unbekannte aus Niederhatzhofen


Manfred Weber ist trotz seiner europatechnisch gesehen auffallenden Jugendlichkeit - der Mann aus Niederhatzhofen ist erst 46 - ein profunder Kenner der EU. Am Wahltag wird er 15 Jahre lang Europaabgeordneter sein - sein Vorgänger hatte nur fünf Jahre echte EU-Erfahrung, als er sein Interesse an der Übernahme des Chefpostens in der Kommission  öffentlich machte. Weber kommt also aus eigener Sicht wie auch aus der seiner Heimatpartei und des Kanzleramtes verhältnismäßig frisch rüber: Niemand in Deutschland kennt den langgedienten Chef der sogenannten EVP-Fraktion im Europaparlament, der unter seiner Fuchtel auch so menschenfeindliche und rechtpopulistische Parteien hat wie Victor Orbans Fidesz aus Ungarn und die ehemalige Berlusconi-Partei Forza Italia.

Doch wenn die Flut steigt, kann man sich nicht aussuchen, was man in die Sandsäcke füllt. Angela Merkels Personalvorrat ist nach den unendlichen Jahren ihrer Kanzlerschaft erschöpft, der matte Versuch, ihren treuen Eckermann Peter Altmaier  für den Posten ins gespräch zu bringen, scheiterte nicht an Widerspruch, sondern am demonstrativen Desinteresse nicht nur in der Partei, sondern auch bei den Zeitungen, von Dissidenten nicht nur außerhalb der Partei schon als "treue Merkelmedien" verhöhnt. Einen eigenen Vorschlag zu machen und mit ihm in die berühmten Hinterzimmer zu ziehen, in denen Demokraten traditionell ausklüngeln, wer nach welchem Tauschgeschäft wohin gewählt werden soll, ersparte sich die Kanzlerin. Jeder, den sie genannt hätte, wäre verbrannt gewesen.

Am linken Rand des rechten Randes


Eine Chance für Manfred Weber, der am linken Rand des rechten Randes positioniert ist, als Deutscher aber zugleich den Vormachtsanspruch verkörpern kann, den der Hades-Plan als "sanfte Dominanz" beschrieben hatte.  70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik könnte Europa soweit sein und sich einen Deutschen an seiner Spitze gefallen lassen. Emmanuel Macron, der Partner in Paris, wird es Angela Merkel etwas kosten lassen, die Weichen auf einen deutschen Kommissionspräsidenten zu stellen. Doch wenn die Kanzlerin ihm dafür Prokura gibt, den Chefposten der EZB mit einem Mann seines Vertrauens zu besetzen, steht nur noch der Wähler einer Neubesetzung nach den Planungen der Achse Berlin-Paris im Wege.

Weber  sieht sich selbst als Aufbrecher, als Mann für den Neuanfang, als jemand, der Europa "neu startet" und "zurück zu den Menschen bringt". Dazu zieht der Christsoziale die üblichen Register: "Europa ist am Wendepunkt", es gehe "um die Selbstbehauptung Europas" und die "Verteidigung unserer Werte", ">die "von innen und außen angegriffen" würden. Wie bei Juncker wird es also auch bei Weber ums Überleben gehen, um kriegsrhetorik, um wir gegen die, um "wir müssen das, deshalb ist es demokratisch". Es wird eine neue Zeit, die absehbar weitergeht wie die alte. Junckers letztes verzweifelt-populistisches Projekt, die Umstellung der Zeitumstellung auf dauerhaft gleiche Zeit, wird Weber dann gleich als erstes beerdigen können.

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