Samstag, 6. April 2019

Streitgespräch: Der linke Künstler und der rechte Vordenker

Zum Streitgespräch mit Philipp Ruch (Bildmitte) kam Götz Kubitschek (rechts vorn) in Gummistiefeln.
Der eine ist ein linker Politkünstler, berühmt für seine umstrittensten Kunstaktionen. Der andere gilt als rechter Neonazi, der auf einem Gutshof in Dunkeldeutschland lebt und für die neue Rechte vordenkt.

Philipp Ruch und Götz Kubitschek sind Provokateure von eigenen Gnaden, die die Gesellschaft immer wieder mit ihrer öffentlich ausgestellten Bereitschaft spalten, bei Kongressen, Messen und Diskussionsrunden aufzutreten. Meist kann das verhindert werden, so wurde Kubitschek zuletzt im letzten Moment von der Studienstiftung des Deutschen Volkes ausgeladen. Ruch dagegen, Gründer des "Zentrums für politische Schönheit", wurde vom Bundesinnenministerium daran gehindert, einen geplantem Auftritt am Kongress der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) in Leipzig zu absolvieren.

Den einen beobachtet der Verfassungsschutz wegen Rechtsintellektualität, gegen den anderen ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Monaten wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Erstmals haben sich beide Aktionskünstler für PPQ nun an einen Tisch gesetzt, um ihre Sicht auf die staatliche Verhinderung ihrer Einflussnahme auf die Gesellschaft zu diskutieren. Ruch, konfrontiert mit dem Vorwurf, die Methoden seines Zentrums für politische Schönheit könnten nicht "staatlich finanziert legitimiert" werden, ist entsetzt von der Emotionslosigkeit in der Politik. Kubitschek wertet jede Absage als Erfolg seiner Spaltungsstrategie. Bei sind einig, dass es noch viel mehr Ausgrenzung braucht und eine gespaltene Gesellschaft wünschenswert wäre.


PPQ: Herr Ruch, Herr Kubitschek, Sie beiden wollten sich eigentlich erst nicht miteinander hinsetzen und reden. Jeder von ihnen beiden hatte im Vorfeld verlangt, der andere dürfe nicht kommen, sonst würden Sie selbst absagen. Wie kam es zum Sinneswandel?

Ruch: Nachdem in der "Welt" ein Beitrag zu meinem Kongressverbot durch das Innenministerium stand, in dem mir empfohlen wurde, ich solle durch durch Klofenster einbrechen, um meine geplante rede zu halten, dachte ich, Herr Kubitschek hat das sicher auch gelesen. Also wird er wohl auf jeden Fall kommen.

Kubitschek: Ja, ich habe drüber nachgedacht, das zu tun. Aber nicht in Leipzig, sondern in Berlin, wo Herr Ruch wohl zu völlig überteuerten Mieten wohnt. ich hätte ihm dann persönlich zur Rede gestellt.

PPQ: Aber Sie wollten doch auch nicht mit ihm zusammen an einem Tisch sitzen.

Kubitschek: Nicht prinzipiell. Aber wenn er sich weigert, mit mir zu sprechen, weigere ich mich natürlich, mit ihm zu reden., Es geht immer um Deutunghoheit, wer-wen, wie Lenin sagte. Schon die Frage, wer absagt, entscheidet darüber, wer die Macht hat.

Ruch: Es geht nicht nur um Politik und Gefühle, sondern um Politik als Symbol für das richtige Leben in der Kunst. Wenn ich mit Kubitschek rede, rede ich mit ihm. Wenn ich mich weigere, macht das Schlagzeilen.

PPQ: Nun sitzen Sie beide doch hier. Was geht nun in Ihrem Kopf vor?

Kubitschek: Ich fühle mich bisher wohl. Ruch ist ja ein interessanter Typ, ein echter Quertreiber, der dem verrotteten Altsystem den Spiegel vorhält. Auf seine Weise arbeitet er auf dasselbe Ziel hin wie ich: Eine Spaltung der Gesellschaft als Vorstufe zu deren Zusammenbruch, so dass Platz wird, sie neu aufzubauen.

Ruch: Kubitschek verwechselt hier etwas. Seine Traumgesellschaft ist nicht meine. Dass ich nun genauso verboten worden bin wie er sich fühlt, macht uns nicht zu Kampfgefährten. ich lehne alles, wofür er steht, radikal ab.

PPQ: Aber im politischen Berlin munkelt man doch schon, es gebe keinen weiteren ähnlichen Fall außer ihre beiden. Zwei Männer im besten Alter, eingesponnen in einen Kokon aus radikalen Ideen, denen es gelingt, von der Ablehnung der Gesellschaft zu leben.

Ruch: Das sind Unterstellungen. Dass mich jetzt der bayrische Ungeist erwischt hat, der jetzt in das politische Berlin weht und dem wir auf jeden Fall Einhalt gebieten müssen, heißt doch nicht, dass er Kubitschek nicht zu Recht erwischt hat. Dass ein Ministerium, eine Behörde, eine Universität, die selber Reden und Kongresse bezahlen, Leute per Erlass von Auftritten abhalten, ist in Kubitscheks Fall aus meiner Sicht völlig berechtigt. Sollte denn eine demokratisch Institution jemandem eine Plattform geben, der diese nutzt, um die Demokratie infrage zu stellen?


Kubitschek: Ruch unterliegt hier einem großen Missverständnis, auf das Linke immer wieder hereinfallen, obwohl viele von ihnen kluge Menschen sind, die selber denken könnten. Aber sie tun es nicht, sie folgen einer ideologischen Dienstaufsicht, die ihnen die Auflage macht, es richtig zu finden, dass Andersdenkende zum Schweigen zu bringen sind. Dienstaufsicht – das spricht Bände: klingt nach kleinen Kindern, die man ständig überwachen muss. Das ist eine Gängelung, die es im Ostblock immer gab, die ich seit Jahren erfahre, von der andere Geschichten erzählen können. Für Herrn Ruch aber beginnt die Empörung erst, wenn es ihn selbst trifft. Das amüsiert mich stark.

Ruch: Das glaube ich Ihnen sogar. Und schon deswegen ist es falsch, weil sie es richtig finden. Dabei sind Sie ein Vordenker, ich mache ja nur radikale politische Kunst. Wenn die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen sogar Pegida einlädt, damit die der Bundesregierung ihre Forderungen diktieren können, dann darf sich die extreme Rechte ja wohl nicht beschweren. Ich dagegen werde ausgegrenzt, da gibt es Bedenken. Wenn es um puren, reinen Humanismus ohne Geschäftszweck geht, wird es offenbar kritisch.

PPQ: Aber Sie leben doch beide nicht schlecht in ihren Schützengräben der Intoleranz.

Kubitschek: Total! Wie Sie wissen, besitze ich ein Rittergut und einen Verlag. Diesbezüglich finde ich es auch gut, dass wir eine tolerante Gesellschaft sind, die Menschen wie mich nicht toleriert, so dass wir eine Chance haben, durch provokatives Denken und Schreiben ein Auskommen zu finden. Unsere Ware ist die Kraft, Öffentlichkeit dadurch zu erreichen, dass bestimmte Kreise genau das verhindern wollen.

Ruch: Vom Mechanismus her gesehen ist das so. Aber was Götz noch lernen muss: Wir sind eine tolerante Gesellschaft und tolerieren trotzdem nicht jede Art von Terrorismus. Wir sind eine tolerante Gesellschaft und tolerieren trotzdem nicht in alle Ewigkeit Pädophilie. Und wir sind eine tolerante Gesellschaft, die seine kruden Thesen rundheraus ablehnt, weshalb er eben nicht in Talkshows eingeladen wird, um dort für seine empörenden Ansichten zu werben. Da zeigt unsere Toleranz ihre Grenze. das geht nicht anders. Wir müssen die bei Demokratiefeinden wie ihm ziehen. Wir leben in einem Zeitalter der Demokratiefeindlichkeit, das so brandgefährlich ist, weil es ganz schnell gehen kann, dass Kubitschek im Fernsehen spricht, un ein paar Minuten später stehen schon Millionen vor dem Studio, um mit ihm unsere demokratischen Institutionen zu schleifen.

Kubitschek: Das glauben Sie wirklich? Nun, dann habe ich offenbar vieles richtig gemacht.

PPQ: Könnten Sie das konkretisieren?

Ruch: Sein Zynismus ist abstoßend. Aber gut. Wir wissen aus der Geschichte, wie fürchterlich schnell es gehen kann: 1928 bis 1932, wo die NSDAP von 2,6 Prozent auf über 37 Prozent der Stimmen hochschnellte. In nur vier Jahren! Jetzt hat die AfD schon 12, 14, teilweise 32 Prozent. Rechnen Sie das hoch! In vier Jahren könnte diese Partei, hinter der Kubitschek die Fäden zieht, die absolute Mehrheit haben.

Kubitschek: Die haben mich nicht mal aufgenommen, als ich wollte.

Ruch: Ein Tarnmanöver, zweifellos.

Kubitschek: Gegen festen Glauben wie ihren ist jedes bestätigte Wissen erfolglos.

PPQ: Sie beide profitieren auf dieselbe Weise von der Leidenschaftslosigkeit, mit der Politik unter Angela Merkel ausgeübt wird wie eine pflichtgemäße Übung zur Körperreinigung. Können Sie sich das, was ihnen da in die Hände spielt, als positiv empfinden?

Kubitschek: Gefühle haben in der Politik immer eine große Rolle gespielt, auch Gefühlsmanagement, Framing, die Behauptung von Politiker, es gehe ihnen nicht zuvörderst um Machterhalt, sondern um Mitgefühle und Mitmenschlichkeit. Neu ist nur die wütende Verteidigung gegen jeden, der behauptet, das sei so. Damit wird eine Leidenschaft vorgespielt, die tatsächlich nicht vorhanden ist.

Ruch: Unser alter Idealismus, das Erbe der Aufklärung zu verteidigen, geht langsam verloren. Wir tun so, als wäre der Humanismus nur eine Position unter vielen. So als sei es dasselbe, das Grundgesetz zu vertreten, wie für seine Abschaffung zu "streiten" wie das auf verschiedene Weise getan wird. Vieles ist klar verfassungsfeindlich und wir müssen es nicht ächten, sondern anklagen, denn solche Handlungen sind verboten.

PPQ: Nur dass das niemanden zu scheren scheint.

Kubitschek: Unsere Regierung leidet seit mindestens 15 Jahren unter Emotionslosigkeit, kombiniert mit dem klaren Fokus darauf, an der Macht zu bleiben. Man ist dazu bereit, alle Prinzipien pragmatisch anzupassen, und das ist gut so, denn was wir brauchen, ist mehr Spaltung, mehr Zwist, mehr Ausgrenzung Andersdenkender. Nur so kann ein Neuanfang gelingen.

Ruch: Kubitschek hat recht. Wir müssen Institutionen schaffen, die befinden, was einer Demokratie würdig ist. Damit wir lernen, zwischen Kräften zu unterscheiden, die für die Verfassung und die Menschenrechte kämpfen, und Kräften, die dagegen arbeiten. Und bei denen, die dagegen arbeiten, bin ich der Meinung, dass es einer Demokratie würdig ist, sie auszuschließen. Wir brauchen mehr Ausgrenzung! Aber wir brauchen keine Ausgrenzung in der Hinsicht, dass humanistische Positionen oder Menschenrechte als links oder gefährlich dargestellt werden. Das sind sie nicht. Auch Linke wie Stalin, Mao oder Honecker, denen nicht alles gelungen ist, haben es immer gut gemeint und die richtigen Ziele verfolgt.

PPQ: Sie werden von Kritikern oft als rechtsradikal bezeichnet. Fühlen Sie sich so?

Kubitschek: Nein, Gott sei Dank eher selten. Die meisten wissen das auch, dass ich tief im Herzen ein Linker bin. Ich meine das allgemein.

Ruch: Nach seinen Maßstäben ist er das sicher. Nach meinen bin ich doch auch ein Konservativer. Wenn in Chemnitz hunderte oder tausende Journalisten angegriffen werden, dann wird so getan, als ob es das von "der anderen Seite" auch gäbe. Ich kann mich nicht erinnern, dass beim G20-Gipfel in Hamburg Journalisten auch nur ansatzweise so bedroht wurden wie auf den Straßen von Chemnitz. Man muss da immer nach gusto relativieren. Klar ist, es darf keine Kompromisse geben.

PPQ: Sie haben bereits Flüchtlingsbegräbnisse inszeniert, ein Holocaust-Mahnmal vor dem Haus von AfD-Politiker Björn Höcke installiert und zur Soko-Chemnitz aufgerufen. Kubitschek dagegen hat hetzerische Bücher geschrieben, schreckliche Pamplete veröffentlicht, die der zum Schutz der Bevölkerung von der Bestsellerliste nehmen musste. Heiligt für Sie der Zweck die Mittel?

Ruch: Ja, sicher. Davon bin ich zutiefst überzeugt, zumindest so lange es um den Kampf zur Verteidigung der Menschenrechte geht.

Kubitschek: Der Zweck heiligt die Mittel. Nur weil er womöglich vergebens ist, können wir diesen Kampf nicht nicht führen. Was unsere Aktionen verkörpern, ist die kompromisslose Art, für Menschenrechte zu kämpfen. Es geht um den Kampf um die letzte politische Utopie, die uns auf dem Schlachtfeld der Ideen des 20. Jahrhunderts geblieben ist. Früher hat auch keiner gesagt: 'Mr. Churchill, könnten Sie bitte nicht so die Welt spalten'.

PPQ: Die Menschen treibt ja meist die Sehnsucht nach einem harmonischen Zusammenleben, nach Ruhe und Frieden. Sie beide schüren hingegen Unruhe und sie verweisen auf die NS-Zeit, als die Gesellschaft gleichgeschaltet war. Wäre eine gespaltene Gesellschaft aus ihrer Sicht wünschenswert?

Ruch: Ja, das ist richtig. Als ich jung war, galt Kunst als etwas völlig Machtloses. Und jetzt wirft uns das Innenministerium vor, dass wir mit radikaler Kunst eine ganze Gesellschaft polarisieren. Daraus spricht eigentlich eine größere Wertschätzung der Macht der Kunst, als man sie einem Mann wie Horst Seehofer überhaupt zugetraut hätte.

Kubitschek: Ich möchte noch anmerken, dass Demokratiefeinde genauso polarisieren wie die verteidiger einer Demokratie, von der nur sie selbst definieren, bis wohin sie reicht. Da kommt es darauf an, zurückzupolarisieren.

PPQ: Durchsucht man Bilddatenbanken nach Ihnen, Herr Ruch, fällt auf, dass sie häufig mit schwarzer Asche im Gesicht auftreten. Wieso tun Sie das?

Ruch: Die Asche besteht aus den verbrannten Hoffnungen Deutschlands. Wir leben in einer Zeit, in der die großen Hoffnungen abgebrannt sind und nur noch als qualmende Reste daliegen, die ich immer wieder löschen muss.

PPQ: Sie, Herr Kubitschek, tragen oft Stiefel.

Kubitschek: Vielleicht weil der Boden noch feucht ist, wo nach Herrn Ruchs Brandstifterei gelöscht werden musste.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ruch kriegt ganz unironisch die Fresse poliert wenn er sich im "Einstein" blicken lässt , das weiß er auch

Gernot hat gesagt…

Ich denke schon, dass hier ein ähnliches Niveau vorliegt wie bei der IB/Sellner-Verfolgung.
Die real existierende Demokratie wird von ihren Sachwaltern zum Mitteextremismus missbraucht.
Mir scheint es zweitrangig, ob Rechts Links und Mitte, Links Rechts und Mitte oder Mitte Rechts und Links unterdrückt und mit nicht zu rechtfertigenden Mitteln verfolgt.
Aus der Geschichte könnte man gelernt haben, dass solche Art Verfolgung das Übel ist, nicht die Ideale oder die Gesinnung, die jemand hat, es sei, sie bestünde aus Lust an solcher Art der Machtausübung.