Dienstag, 21. April 2020

Öffnungsdiskussionsorgien: Im Geisterspiel um die Kanzlerschaft

In der Corona-Krise kämpft Deutschland wie ein Mann gegen die Ausbreitung des Virus. Nur einige wenige schießen quer.

Angela Merkel führt von vorn, seit sie ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn die Viruskrise weggenommen und die Rettung der Alten, Kranken und Risikobehafteten vor Corona zur Chefsache gemacht hat. Gelegentlich zeigt die Kanzlerin sich im Fernsehen, sie trägt dabei stets blau und sie hält Ansprachen wie sonst nur zu Weihnachten. Merkel zeigt, dass sie auch das kann: Als Frau ruhig und bestimmt agieren, ohne die Hysterie eines Donald Trump und ohne die Verlogenheit des Chinesen Xi. Merkel ist plötzlich wieder, was man ihr schon abgesprochen hatte: Die Führerin der freien Welt, ohne die eine Überleben der Zivilisation schlechterdings unmöglich scheint.

Spreizen und Reizen


Wut weckt das bei denen, die nun fürchten. Merkel könnte auf den Geschmack kommen und sich tatsächlich als die einzig infragekommende Trümmerfrau sehen, die die Last schultern kann, das verheerte Deutschland nach dem Ende von Kontaktverbot und Konsumsperre wieder aufbaut. Armin Laschet und Markus Söder, die beiden nach dem Ausscheiden von Friedrich Merz und Norbert Röttgen  verbliebenen Rivalen im Kampf um die Merkelnachfolge im kommenden Jahr, spreizen sich und reizen deshalb, wo immer sie können. Corona ist aus der Phase der beiden Bewerber um die Kanzlerkandidatur der Union die Phase der Markenbildung, hier erfährt der Bürger, was bekommt, wenn sein Kreuz wo macht.

Doch für Merkel, die zeitlebens allein, allenfalls mit dem jeweiligen französischen Präsidenten zusammen, gerettet hat, was zu retten war, ist das ein Ärgernis. All die Stimmen, die Eifersüchteleien! Dass der Umgang mit der Corona-Krise bis in ihr ad hoc ausgedachtes Corona-Kabinett für Kontroversen sorgt, hat die Frau, der die Deutschen vertrauen, nun so verärgert, dass sie in der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) eigens einen Begriff bestellte, um das ewige Durcheinanderreden, Miteinanderdiskutieren und auf Lösungssuche um die Häuser ziehen als hinderliche Blockade im Ringen um den Kurs von Bund und Ländern anzuprangern.

Helmutkohlhafte Umfragewerte


"Öffnungsdiskussionsorgien" legt den Finger in eine Wunde, an der Deutschland aus Sicht von Angela Merkel zu verbluten droht. Die Verdopplungsraten und Reproduktionszahlen, eben erst und auch mit Hilfe einer ganzen Serie von Schließungen von "Fieberzentren" gedrückt, könnten wieder ansteigen. Laschet und Söder, die ihre Wetten auf die eigene Zukunft auf zwei unterschiedliche Corona-Strategien platziert haben, könnten beide verlieren. Dann, so fürchtet Merkel von vorn, verliert die Bevölkerung, die sich bisher weitgehend ohne zu Murren mit Fake News, Halbwahrheiten und der Verheißung von Hilfsmilliarden hatte abspeisen lassen, die Geduld mit einer von Krisenbekämpfung und gleichzeitigen Ränkespielen sichtlich überforderten politischen Klasse. Und die beinahe schon helmutkohlhaften Umfragewerte der Union wären Geschichte.

Statt ausufernder Orgien über eine Öffnung von Läden, Gaststätten, Hotels und Bars, wie sie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Bemühen feiert, sich von Markus Söder abzusetzen, der in seiner Rolle als harter Hund große Erfolge feiert,  braucht Deutschland in Phase III des  Zusammenbruchs von Wirtschaft und Zivilgesellschaft ein Virusausbreitungsverlangsamungsgesetz (VAVG), das auf gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern abzielt, indem es je nach Ausgangslage bremst und zugleich beschleunigt. Erst gleiche Durchseuchung erlaubt gleiche Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, Angst könnte endlich überall gleichermaßen regieren und die befürchtete zweite Virenwelle würde gemeinsam abgeritten und als kollektive Erfahrung aufs Erinnerungskonto gebucht.

Diskussionen sind dazu nicht nötig, sie sind "nicht hilfreich", wie Angela Merkel schon bei anderer Gelegenheit erklärt hat. Mit einer Debattenstoppverordnung Corona (DSVC), die Gespräche etwa über  "Geisterspiele" in der Fussballbundesliga oder eine wegen eines globalisierungsbedingten Mangels an Masken nicht mögliche Maskenpflicht verbietet, würden Zeit und Kraft gewonnen,  sich wieder den großen Menschheitsfragen zuzuwenden: Die Neubesetzung der Parteispitze. Die Machtverhältnisse in der Union. Die Merkelnachfolge.




1 Kommentar:

Erich Gennat hat gesagt…

Irgendwelche "Orgien" im Zusammenhang mit der Kanzlerin: Kotz!