Samstag, 20. März 2021

Doku Deutschland: So war meine erste Corona-Party

Eine Corona-Party findet meist unter freiem Himmel statt, ist aber nach den aktuellen Eindämmungsverordnungen illegal, sobald sich der fünfte Gast einfindet.

Diese Maßnahmen, ja, das ist richtig. Wir haben zwölf Monate lang daran geglaubt. Und mitgemacht. Maske auf selbst dort, wo es noch gar nicht vorgeschrieben war. Abstand halten selbst zu den besten Freunden. Auf die Impfung hoffen. Auf die Regierung. Auf das nächste Hilfspaket und die EZB und die EU und Frau von der Leyen. Wir hatten doch alle das Gefühl, dass es im Angesicht der Pandemie, die drohte, die menschliche Rasse vom Antlitz des Planeten zu wischen, nicht mehr darauf ankam, wer was glaubte, wer wen wählte und was einer beruflich tat. Mitmachen beim Menschheitsretten, das war unsere Aufgabe, dachten wir.  

Händewaschen mit Ursula

Und wir haben das ernst genommen. Monatelang. Händegewaschen wie Ursula von der Leyen, singend. Einkaufswagen desinfiziert wie die die Leibwächter von Angela Merkel. Maske getragen wie Jens Spahn. Und uns im Gegensatz zu dem wirklich nicht infiziert. Wir sind nicht im Urlaub gewesen und haben unsere Kinder trotzdem nicht geschlagen, jedenfalls nicht mehr als sonst. Einkaufen war auch nicht, aber dank der steigenden Preise und der Nullzinsen haben wir auch nichts gespart. Und haben wir gemeckert? Gejammert vielleicht, ganz bestimmt sogar, denn ich glaube, mich deutlich an solche Momente zu erinnern.

Aber davon abgesehen: Wir waren dabei, wir waren engagiert, wir haben vom Balkon geklatscht und wir hätten die Kanzlerin wiedergewählt, wäre heute schon Bundestagswahl. Es war ja immer noch kein schlechtes Leben, das wir geführt haben mitten im Weltuntergang, den wir aus Büchern so anders kannten. Sterben bei Stephen King oder Justin Cronin wenigstens 95 Prozent aller Menschen, sind es bei Corona allenfalls zwei. Und dazu aber muss die Zahl der bedauerns- und betrauernswerten  Opfer auch schon tapfer hochgerechnet werden. Zudem geschieht alles in Zeitlupe, eine chinesische Wasserfolter, kein Flächenbrand der vorrüberrast. Selbst die Maßnahmen, die im Drei-Wochen-Rhythmus erlassen wurde, krochen immer auf dem Zahnfleisch in unser Leben.

Wellenbrecher-Weihnachten

Ich glaube, es war schon kurz vor Weihnachten, als ich den Überblick verloren haben. Ich wusste nicht mehr, mit wie vielen Menschen ich mich nicht treffen wohin ich nicht gehen und welches Fest es gerade war, auf dass ich hoffen durfte, wenn ich fleißig war beim Befolgen aller Vorschriften. Mental befand ich mich noch in den vier Wochen Wellenbrecher-Lockdown, als ich plötzlich das Gefühl hatte, man drehe mir eine Dauerwelle, obwohl ich wegen testosteronbedingen Haarausfalls einen sogenannten Scholz auf dem Kopf trage.

Es war noch vor dem heiligen Abend, als ich plötzlich spürte, dass ich Karl Lauterbach zwar noch hören konnte, ich verstand sogar, in welcher Sprache er zu kommunizieren versuchte. Aber verstehen konnte ich ihn  nicht, nicht auf der emotionalen Ebene, auf der er mit Leichenbergen und unendlichem Leid argumentierte. Aber auch nicht auf der wissenschaftlichen, in die ich mich längst eingelesen hatte. Spikeprotein, Mutante, B.117. Es wehte an mir vorüber, an uns als Familie sogar. Ohren auf Durchzug. Am Silvestermorgen erwachte ich und mir war klar, ich hatte den Glauben verloren.

Entfremdet von der Macht

Nun, damals hielt ich das für ein individuelles Problem. Man entfremdet sich von der Macht und stürzt in die Ohnmacht eines Individuums, das mit dem Wissen leben muss, in Verhältnisse geworfen zu sein, die es selbst nicht ändern kann. Ich nahm die Pressekonferenzen der Kanzlerin, ihre TV-Adienzen, ihre Ankündigungsgottesdienste zur Kenntnis wie Kabarettabende. Bessere Pointen als die in Jens Spahns Manuskripten hatte ich zuvor zuletzt in den 80er Jahren gehört, als die bundesdeutschen Satiriker noch nicht bemüht waren, dem Volk die Richtigkeit der Regierungspolitik in einem Witz beizubiegen, sondern ihre Profession so verstanden, dass sie Zweifel an der Lauterheit, Ehrlichkeit und Zurechnungsfähigkeit der Regierenden schürten.

Das taten die nun selbst. Hüh und Hott. Und auf und zu. Und rauf und runter. Und R-Wert und Inzidenz. Und was nicht passt, wird passend gemacht. Die Tageswahrheit änderte sich in einem solchen Höllentempo, dass die Tageszeitung von morgen immer nur fake news enthielt. Wir telefonierten trotzdem nur mit Familie und Freunden. Wir sind nicht die Menschen, die wegen irgendwas auf die Straße gehen, das man nicht im laden kaufen kann. 

Ohne Test und Quarantäne

Aber als es dann hieß, wir dürften jetzt wieder nach Mallorca fliegen und ohne Test oder Quarantäne zurückkommen, aber nicht in die Sächsische Schweiz und die Eifel, jedenfalls nicht über Nacht, hatte ich den Eindruck, als zerbreche etwas in mir. Wir dürfen uns nur mit  der Hälfte eines anderen Haushalts treffen und der sich nur mit der Hälfte von unseren? Aber die Schüler sitzen zu 30sigst in einem Raum, ohne Abstand, ohne Maske wie beim CDU-Parteitag oder bei "Anne Will"? 

Ich habe alle angerufen. Alle, die wir seit Monaten nicht mehr gesehen haben. Und alle waren an einem ähnlichen Punkt. Arschlecken, sagte einer unfein. Die können uns mal, bestätigte eine andere. Mir reicht es auch, stimmt ein dritter zu. Der Rest ging schnell: Wir suchten uns einen Gastgeber, Dreiseitenhof im  Brandenburgischen, recht abgelegen und im Moment auch frei zugänglich für Fahrzeuge mit auswärtigem Kennzeichen. Dort haben wir uns getroffen, alle Mann, 17 insgesamt, wie früher. Kofferräume voll geistiger Getränke. Gute Laune bis zum Abwinken. Lagerfeuer und Musik, Gelächter durch die ganze Nacht. Es wurden Merkelwitze erzählt und wir fühlten uns wohl. Als ich gegen zwei Uhr morgens pinkeln war, lauschte ich hinaus in die Stille der Landschaft.

Und von links, ein paar Kilometer entfernt, dort, wo der Lichtschein eines Lagerfeuern den Himmel erhellte, hörte ich eine andere Corona-Party zu lauter Musik singen. 


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr schön geschrieben. Die Geschichte hat mich an disem frostigen Morgen mit innerer Wärme erfüllt!

Hase, Du bleibst hier ... hat gesagt…

Warum zur Hölle, habe ich keine Einladung bekommen ? Der Kasten Bier als Eintrittskarte ist immer im Kofferraum.

Die Anmerkung hat gesagt…

Fahrt mal nach Holland auf Party.

https://twitter.com/LasseHallstrom/status/1371344599902519299

https://twitter.com/SimoneSays123/status/1371197790039252993

https://twitter.com/JornLuka/status/1371408011634294790

https://twitter.com/GruberAnonymous/status/1371892298003447817

https://twitter.com/TheHagueWill/status/1372134507885780995

Die Anmerkung hat gesagt…

Was ist schon eine Corona-Party gegen diese Schlagzeile.

HANSA ROSTOCK – HALLESCHER FC
Ganz Deutschland sieht auf dieses Spiel

https://www.bild.de/sport/fussball/fussball/hansa-rostock-hallescher-fc-ganz-deutschland-sieht-auf-dieses-spiel-75800652.bild.html

Anonym hat gesagt…

Och, es gibt Bematschte genug, die a l l e s glauben. Kannste glauben!