Mittwoch, 7. April 2021

Knüppel aus der Gosse: Rezo, der Zerstörer

Damals im Mai vor der Seuche konnte ein Mann mit blauen Haaren noch richtig für Aufregung sorgen. "Rezo" musste nicht einmal seinen bürgerlichen Namen sagen, um die letzte deutsche Volkspartei bis aufs Blut zu peinigen. "Die Zerstörung der CDU" war danach zwar nicht vollendet. Zu viele Schicksale und nicht zuletzt das der deutschen Demokratie hingen vom Fortbestand ab. Doch ein kostbares Tabu war gebrochen: Ein im Grunde digital dahergelaufener Youtuber hatte den Parteizentralen, den Medienhäusern, den Firmen, Behörden und Institutionen die Instrumente gezeigt.  

Antwortvideos für den Giftschrank

Die einen holten den Feind anschließend ins Haus, oder besser seine Reichweite. Die anderen drehten Antwortvideos, die im Giftschrank verschwanden. Rezo gehörte nun jedenfalls zum Personal des bundesdeutschen Polit-Puppentheaters, ein ganz normaler Selbstdarsteller wie die anderen auch, mit einer Repertoire an Tricks, die schon im zweiten Anlauf kaum mehr beim Publikum ankamen. Die CDU überlebte, so schien es wenigstens.

Die Methode Rezo dagegen war tot, der tut keinem was, der will nur spielen, Petitionen unterstützen, das Gute fördern, soweit er es versteht. Rezo setzte sich für eine CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln ein, er ist selbstverständlich für die Vermeidung von Plastikmüll, die Seenotrettung von Flüchtlingen und ein Wahlrecht ab dem 16. Lebensjahr. Das ist alles sehr gut gemeint, aber ohne jeden Belang, Rezo, der ausschließlich unter seinem Künstlernamen auftritt, hat nichts Neues oder Originelles beizutragen. Und wie es ist im sink or swim-Kosmos der Influencer: Bis du nicht mehr da, bist du auch schon weg.

Mit Corona aus dem Bedeutungsloch

Es hat gedauert, bis Rezo aus dem Bedeutungsloch kroch, aber das Management gab ihm die Zeit. Und der Medien liebster Polit-Influencer hat sie genutzt: In "Die Zerstörung der Corona-Politik" fasst Rezo die Erkenntnisse zusammen, die die deutschen Medien in den vergangenen vier Wochen gewonnen haben. Es läuft nicht gut in Deutschland, es läuft sogar so schlecht, dass es erlaubt ist, Kritik an der Regierung zu äußern. Nach elf Monaten eiserner Front an der Seite der Kanzlerin, die Triumphtrompete an den stets gespitzten Lippen, um eine Ruhmeshymne auf die mächtigstes Frau der Welt und das Pandemieparadies Deutschland zu spielen, ist der so lange unterdrückte Ärger  über die Lügen, fake news und Fehleinschätzungen  von Bundes- und Landesregierungen hoffähig geworden.

Eine gute Zeit für den handzahmen Rebellen Rezo mit seinem Bauchkasten an Erkenntnissen aus "Zeit"-, "Taz"- und "Spiegel"-Artikeln auf der vierten Welle zu surfen, die aus all denen besteht, die von Regierungssoldaten im unermüdlichen Sondereinsatz zur Vereinheitlichung des Volkswillen zu mutigen Fragestellern nach Impfversagen, Maskenlüge und Digitalisierungspleite geworden sind. Rezo ist ihr Hohepriester, ein passendes Gesicht des Eingeständnisses, all die ganzen Monate still mitgemacht und Applaus geklatscht zu haben, statt von Anfang an auf Fehler und Verfehlungen hinzuweisen.

Gossensprache als Heldentat

Wo es aber nun so angesagt ist, tut Rezo so, als habe er das getan. Und er tut es in einer Sprache, die den allgemeinen Kulturabbau zugleich belegt und feiert: Im 13-minütigen Vortrag - die CDU gab seinerzeit noch Material für 55 Minuten her - schimpft und geifert der Abrechenkünstler, er rantet, wie das im Websprech heißt, nörgelt, hetzt und lässt seinem Hass auf die demokratischen Institutionen freien Lauf. "Beschissen im Kopf", "Low-Bot-Verein", "unfähig", "fucking Bundesregierung" und "inkompetende Dullis" und "am Arsch" - sprudelt es hier wie eine Quelle aus der Gosse. Gäbe es den Piep aus dem US-Fernsehen, würde es hier dauerpiepsen.

Eine gute Zustandsbeschreibung. Rezo, der eine steinzeitliche Vorstellung von "Wissenschaft" als monolithischem Block pflegt, dem man irgendwie nur zuhören müsse, um stets zu wissen, was zu tun wäre, ist der Knüppel aus der Gosse. Ein Opportunist, der gestern noch "auf Bibis Brust- und Nasen-OP reagiert" (Rezo) hat und in einem Video "zur aktuellen Lage" mitten auf dem Höhepunkt der 3. Corona-Welle seine neue Kanalstrategie bei Youtube vorstellte. Heute aber beweist, dass es weder Stil noch die deutsche Sprache noch tiefere Kenntnis braucht, um in seriösen Medien, streng geführten Kampfblättern und früheren Nachrichtenmagazinen gleichermaßen als tapferer Held notwendiger offener Worte gefeiert zu werden. 

Kenntnisfrei auf Augenhöhe

Dazu muss Rezo nicht argumentieren, keine Belege anführen und auch nicht erklären, woher er, der elf Monate lang keinen kritischen Ton gegen irgendeine Grundrechtseinschränkung hat hören lassen, nun plötzlich die moralische Rechtfertigung nimmt, einen Minister, der sich nicht mit AstraZeneca impfen lassen will, "menschenfeindlich" zu nennen, und als den Job von Politikern vollkommen kenntnisfrei die Aufgabe auszumachen, die Gesellschaft "zu lenken". Da ist einer auf Augenhöhe mit seinen Gegnern. Die regieren mit Versuch und Irrtum. Er pöbelt wie ein Autofahrer, der meint, ihm sei die Vorfahrt geschnitten worden.



15 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Es ist niederschmetternd für einen 30jährigen Mann, wenn die beste Aussage über ihn noch ist, er habe blaue Haare, er trage damit seine Innerstes zu Markte.

Anonym hat gesagt…

-Na Kinder, was habt ihr heute von dem kreischenden Clown im Internet gelernt?
-Nichts.
-Brav. Und immer schön weitergucken und liken und subskriben. Ihr wollt doch mal werden wie er.

Protip: Ton aus und nur Untertitel lesen, geht auch mit 1.75-fachem Speed.

Das M-Wort (M wie Merkel) hat er nicht gewagt zu benutzen bzw. sein Arbeitgeber hat es nicht freigegeben. Bei Seehofer und Lascho war Schluss mit Namen.

Knüppel mit Sack hat gesagt…

Ein Skandal. Ein Sakrileg!

Ganz Deutschland wartet im down gelockten Haare-schön-haben-wollen-Modus verzweifelt auf einen Friseurtermin und dieser rotzfreche Gossenjunge Rezo kann mit leuchtend blauer Locke glänzen. Kein Wunder, dass da auch hier die sonst so distinguierte foine Gesöllschaft sich über ihn echauffieren zu müssen meint, weil er den Kniggefeingeist bei seiner rustikalen Politkkritik sträflich vernachlässigt.

Kann unser allweises Parlament nicht Gesetze erlassen, die solche provokanten Einfärbungen verbieten? Wenn schon Tönung, dann entweder kondolenzschwarz, blutrot, dekadenzgelb oder giftgrün. Aber um Gottes Willen kein blau, denn das ist die Farbe Satans, der derzeit einzigen Alternative zum herauf dämmernden Gottesstaat.

Knüppel mit Sack hat gesagt…

@ Die Anmerkelung

Ulkig, dass ausgerechnet der Zurschausteller des Konterfeis von Trottelmeister Mr.Bean hier drüber schwadroniert, Rezo würde damit sein Innerstes zu Markte tragen.

Anonym hat gesagt…

@Knüppel mit Sack


Na Rezo, wie läuft's. Kacke, ich weiß.
Im Übrigen scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Das Video enthält keine Politikkritik, auch keine rustikale. Wenn dem so wäre, wäre Rezo nämlich schon auf Jobsuche.

Die Anmerkung hat gesagt…

Was den Knüppel mit Schrumpelsack von Rowan Atkinson unterscheidet.

https://www.youtube.com/watch?v=BiqDZlAZygU

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich befürchte aber, dass der junge Mann, um den es in dem Blog-Eintrag geht, alle Voraussetzungen mitbringt, um Diversity-Manager bei der Bundesworthülsenfabrik zu werden.

Carl Gustaf hat gesagt…

apropos: Wenn ich den Typen reden höre, dann beschleicht mich das Gefühl, dass die gendergerechte Sprache nicht zur Gleichstellung von Frau und Mann geschaffen worden ist, sondern nur allein dafür, dass der Dumpfbacke das Denken beim Reden nicht mehr so schwer fällt.

Knüppel mit Sack hat gesagt…

@ Die Anmerkelung 2

Ulkiger Versuch, die aus der Filmepisode Demon Barber stammende Kunstfigur Mr. Bean nun in die auch von mir geschätzte Privatperson Rowan Atkinson zu verwandeln, um sich selber aufzuwerten.

Der Schuss ist aufgrund der Flaschen im Hintergrund und des grellgrünen Friseurhemdchens also ins Leere bzw. in die Hose des Schützen gegangen.

Zudem ist der verletzen wollende Begriff "Schrumpelsack" doch genau das, was dem Rezo hier herablassend vorgeworfen wird: primitiver Gossenslang.

Wie war das noch mit dem Splitter und dem Balken im Auge?

Die Anmerkung hat gesagt…

@Knüppel mit dem Schrumpelsack

Ich kann mich da nur wiederholen. Geh woanders pinkeln.

Anonym hat gesagt…

>Wie war das noch mit dem Splitter und dem Balken im Auge?

Wir sind hier weniger bibeltreu, als es dem flüchtigen Betrachter scheinen mag.
Gehen Sie doch wieder Rezo schauen, Sie machen großartige Fortschritte.

Anonym hat gesagt…

hab davon gehört aber nie gesehen - der Tag hat nur 24h .

Reichseffizienzwart Dr.Zipp La Dousch

Anonym hat gesagt…

Werter Blogwart, aufgewacht, und erkenne Deine Macht: Alle Trolle schweigen still, wenn es Dein Krabbelfinger will.

ppq hat gesagt…

bekannt ist doch meine langmut auch denen gegenüber, die sich nicht zu benehmen wissen

Die Anmerkung hat gesagt…

Sag ich doch.
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Die bürgerliche Demokratie wird womöglich nicht den Rechten oder den Linken zum Opfer fallen, sondern in den sozialen Netzwerken untergehen, mit Tattoos und blauen Haaren. Der notorisch seine Individualität inszenierende Influencer ist die verhängnisvolle Figur unserer Zeit.

Jan Grossarth

https://www.welt.de/kultur/plus229212181/Influencer-Die-Demokratie-wird-an-euren-Selfies-sterben.html