Montag, 19. Juli 2021

Mississippi burning: Ende einer Weltmacht

 
Irgendwann sprachen die Indianer Englisch, weil Frankreich nach Hause gegangen war.

Es ist immer ein Gerangel gewesen, auffällig aber sind die Zeitverläufe, die den Kampf um den Posten als Weltmacht prägten. Immer nur einer war ganz oben, zuweilen dicht gefolgt von einem einzigen Konkurrenten wie Spanien, das Portugal im Nacken hatte. Ehe die Niederlande kamen, sich von der spanischen Herrschaft befreiten und selbst Chef auf dem Globus wurden.
 
Keine Dauerstellung für das kleine Volk mit den sprichwörtlichen Holzschuhen. Schon Ende des 17. Jahrhunderts verloren die Niederländer ihre amerikanische Gründung Nieuw Amsterdam und damit  auch ihre Vormachtstellung als Finanz- und Expansionsmotor in Europa. Zwei bis dahin kaum als außenpolitisch erfolgreich aufgefallene Staaten waren plötzlich auf Augenhöhe: Frankreich und Großbritannien. Zunächst sah es auch ganz so aus, als würden die Franzosen das Rennen machen. Der französische König hatte mehr Untertanen als der englische, er hatte eine größere und erfahrenere Armee und viel mehr Steuereinnahmen. Warum also waren es nicht die Franzosen, die Indien, Australien, Neuseeland, Kanada und - zeitweise - die USA eroberten?

Lektion in Weltpolitik

 
Die Geschichte ist eine Lektion in Weltpolitik und darin,welche Bedeutung die Finanzmärkte haben. Die nämlich vertrauten damals den Briten, nicht den Franzosen. Und schuld daran war eigentlich eine einige Aktie, die zum Wirecard-Skandal der damaligen Zeit wurde. Und letztenendes dafür sorgte, dass Frankreich sich heute für groß hält, in Wirklichkeit aber nur eine Regionalmacht ist, deren Sprache nahezu niemand spricht und deren Geld nur etwas wert ist, weil Nachbarländer dafür bürgen.
 

Dabei fing alles als Traum von märchenhaftem Reichtum an. Im  Jahr 1717 machte sich die französische Mississippi-Kompanie an die Besiedlung des Mississippi-Deltas in den heutigen USA. Man gründete die Stadt New Orleans, ein Versprechen auf ewigen Aufschwung und Prosperität. Um die Unternehmung zu finanzieren, verkaufte die Gesellschaft, die über beste Beziehungen zum Hof Ludwigs XV. verfügte, Aktien an der Börse von Paris. John Law, der Direktor der Gesellschaft, war nebenbei Direktor der Französischen Zentralbank und Finanzminister, das war sehr günstig, denn so saß die Regierung immer mit am Tisch wie Peter Altmaier und Heiko Scholz bei den großen deutschen Investmentabenteuern.
 

Die Alligatoren-Aktie


Gut, im Jahr 1717 hatte der Mississippi wenig mehr zu bieten als Sümpfe und Alligatoren. Aber wie Wirecard verstand es auch die Mississippi-Kompanie, mit schöner Propaganda über unbegrenzte Möglichkeiten, fließende Honigströme und explosives Wachstum die Verlockung in viele Köpfe zu pflanzen. Französische Adelige, Unternehmer und Bürger gingen dem Märchen auf den Leim, man kaufte Aktien, die Kurse der Mississippi-Kompanie schossen in die Höhe. 
 
Die Aktien waren zu einem Stückpreis von 500 Livres ausgegeben worden. Am 1. August 1719 wurde sie bereits zum Preis von 2.750 Livres gehandelt. Am 30. August stand der Kurs bei 4.100 Livres und am 4. September bei 5.000 Livres. Am 2. Dezember 1719 knackte die Aktie die 10.000er-Marke. "Dausend" würde später mal ein Börsenjournalist rufen, das hier aber war mehr. Die Franzosen waren euphorisch. Mancher verkaufte, was er hatte, und nahm Kredite auf, um Mississippi-Aktien zu erwerben. Wie heute beim Bitcoin träumten alle davon, über Nacht reich zu werden.

Doch schon wenige Tage nach dem Höchststand kam Panik auf. Einige Spekulanten wollten ihre Gewinne mitnehmen und sie verkauften. Keine schlechte Idee, glaubten andere, und folgten. Als immer mehr Mississippi-Aktien angeboten wurden, sank der Kurs. Und nun wurden noch mehr Aktien angeboten. Und als andere Anleger das sahen, wollten sie ihre Aktien ebenfalls loswerden. Und so weiter.

Ein Crash wie Wirecard

 
Ein Crash, der für sich genommen nur individuellen Schaden angerichtet hätte. Wäre nicht der französische Staat angetreten, genau das zu verhindern. Um die Preise zu stabilisieren, ließ der Chef der französischen Zentralbank Mississippi-Aktien kaufen, immer mehr. Bis seiner EZB das Geld ausging. Doch warum ist man Staat? Weil man sich Geld drucken kann, wenn es fehlt. Also gab der Finanzminister Anweisung, genau das zu tun, denn als Direktor der Zentralbank konnte er das. Und als Direktor der Mississippi-Kompanie schien ihm das notwendig. 
 
Nun endlich ergriff der Schlamassel das gesamte staatliche Finanzsystem Frankreichs. Denn so viele Aktien auch gekauft wurden, immer noch mehr wurden angeboten.  Die Blase platzte, der Aktienkurs stürzte von 10.000 zunächst auf 1.000 Livres, um dann vollends einzubrechen und das gesamte französische Finanzsystem mit sich in die Tiefe zu reißen. Die großen Spekulanten waren noch gut rausgekommen. Viele kleinere Anleger verloren dagegen alles, manche begingen deshalb sogar Selbstmord.
 

Ende einer Weltmacht


Die Mississippi-Blase war der Wirecard-Skandal ihrer Zeit, nur viel spektakulärer und größer. Denn das königliche Finanzsystem Frankreichs erholte sich nie mehr von diesem Schlag. Angesichts der Schamlosigkeit, mit der die Mississippi-Kompanie ihren politischen Einfluss genutzt hatte, um die Aktienkurse zu manipulieren und die Spekulation noch weiter anzuheizen, verlor die Öffentlichkeit jedes Vertrauen in die grande nation. Großbritannien wurde in den darauffolgenden Jahren eine Weltmacht, denn den verlässlichen Briten, die immer pünktlich zurückzahlten und Gerichte hatten, an die man sich wenden konnte, wenn das nicht der Fall war, boten die Banken gern günstige Kredite. Von Frankreich aber hielt sich jeder fern, der sein Geld wiedersehen wollte. Bis heute zahlt das Land im Grunde genommen die Zinsen für die damaligen Fehlentscheidungen

 


5 Kommentare:

Volker hat gesagt…

"Von Frankreich aber hielt sich jeder fern, der sein Geld wiedersehen wollte. Bis heute zahlt das Land im Grunde genommen die Zinsen für die damaligen Fehlentscheidungen"

Alter Trick. Funktioniert immer wieder.
So um die anderthalb Jahrhunderte vorher hat Spanien sich mit dem gleichen Trick von seiner Rolle als Weltmacht verabschiedet. Die hatten ein ähnliches Finanzgebaren wie später die Franzosen, was dazu führte dass die Geldmenschen dann lieber an die Niederlande verliehen hatten.

Anonym hat gesagt…

Die Briten können auch jetzt wieder zusehen, wie der Kontinent wegen unfähiger Fürsten krachen geht und dann auf die Angebote warten.

Jodel hat gesagt…

Wie würde ein heutiger Börsenguru diese lehrreiche und zeitlose Geschichte kommentieren?
"Diesmal ist alles ganz anders." Bis die Wirklichkeit eines schönen Tages dann doch sagt:
"Nein ist es nicht". Dann ist der Katzenjammer groß, aber eine Generation später geht es wieder von vorne los. Unsere Spezies kann normal jegliches Wissen an die nächste Generation weiter geben, nur wenn Gier und menschliche Dummheit im Spiel sind, funktioniert das aus irgendwelchen Gründen nicht.

Hase, Du bleibst hier ... hat gesagt…

Lederstrumpf, der alte Franzosen und Irokesen- Killer hatte nur eine Währung, Waschbärfelle. Mein Opa sah das später ähnlich. 1 KG Rindfleisch gibt ne gute Suppe. Will damit sagen, die beste Anlage ist eine schöne Zeit zwischen den Windeln.

Anonym hat gesagt…

Der Fehler, größere Mengen Staatsgeld in schwächelnde Unternehmen zu versenken, kommt häufiger vor. Bei den Franzosen zum Beispiel
vor 40 Jahren