Montag, 4. April 2022

Spritpreiserregung: Verdacht auf Verschwörungstheorie

Nicht an jedem Tag, aber am Ende doch: Ölpreis und Benzinpreis kommen nie von einander los.

Sie waren einer ganz großen Sache auf der Spur, alle zusammen und das wie immer exklusiv. Von der "Tagesschau" bis zu den Stuttgarter Nachrichten, vom "Spiegel" bis zum Reichsnachrichtendienst und der Autofahrerpostille "Autobild" witterten kurz nach Kriegsbeginn alle dieselbe Verschwörungstheorie: "Spritpreis hoch, Ölpreis niedrig - kassieren die Ölkonzerne nun ab?" Natürlich, denn der Ölpreis sinke, doch der Sprit bleibe teuer! Da mache doch jemand "Kasse mit dem teuren Sprit!", argwöhnte die amtliche "Tagesschau".  

Nur der Finanzminister kassiert nicht

Und es war nicht der Finanzminister, der nachweislich wirklich nur ein ganz klein wenig von höheren Benzin- und Dieselpreisen profitiert, weil zehn bis 20 Milliarden für einen Staatshaushalt, der auf mehr als 800 Milliarden Euro Steuereinnahmen im Jahr hoffen darf, gar nicht so bedeutsam sind. Sondern die kapitalistischen Großkonzerne, die die prekäre Versorgungssituation dreist für sich ausnutzten. Raffinerien hielten "den Preis künstlich hoch" (Nordkurier). Die Opec steckte auch dahitler, aber bald schon nicht mehr so ganz, weil ein einheimisches "Spritpreis-Kartell" (News.de) sich Milliarden in die Tasche wirtschaftete.  

Die Stimmen, die in den astronomischen Preisen eine Chance für Natur, Umwelt, Klima, Artenschutz und CO2-Reduktionsziele sahen, waren rar. Das Entsetzen von Pendlern, Ausflüglern und Sonntagsfahrern über Benzinpreise oberhalb von 2,20 Euro übersetzte sich in einen wilden medialen Furor, der bei der Suche nach Schuldigen keine Gefangenen machte. Die Raffinerien waren es. Die Ölmultis. Die Spekulanten. Die Amerikaner. Die Saudis. Die Manager. Die Autofahrer. Die Raser. Die Russen sowieso. 

Verschwörungstheorien aus der Spitzenpolitik

Angeführt von Politikern wie Baden-Württembergs grünem Finanzminister Danyal Bayaz machten Verschwörungstheorien die Runde: Da der Öl-Preis doch nach dem explosiven Hoch zu Kriegsbeginn deutlich gefallen sei, die Kraftstoffpreise an den Tankstellen aber nicht, liege der "Verdacht nahe, dass sich die Mineralölkonzerne die Taschen im Angesicht der Krise vollmachen". Selbsternannte Experten zählten eins und eins zusammen und sie kamen auf 11: Wenn Superbenzin bei einem Ölpreis von 78 US-Dollar pro Barrel 1,92 Euro kostete, bei bei 132 Dollar dann aber 2,28, dann könne der Sprit doch bei 112 Dollar für ein Fass Öl nicht 2,12 Euro kosten. Oder?

Nein, nein, nein, dieser Preisanstieg lasse sich nicht allein mit dem gestiegenen Ölpreis erklären und schon gar nicht mit dem später wieder gefallenen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mutmaßte Auswirkungen einer "Oligopolsituation am deutschen Kraftstoffmarkt", die "seit Langem ein strukturelles Problem" sei, wie er dem früheren Nachrichtenmagazin Der Spiegel verriet, jetzt, wo er endlich darüber sprechen durfte.

Das verschwundene Spritpreis-Kartell

Kein Zweifel, ein Spritpreis-Kartell war am Werk, das "den Staat mit dem Ukraine-Krieg verarschte", wie das sächsische Klickbait-Portal News.de unnachahmlich formulierte. Ein "Fall fürs Kartellamt", denn die Preismuster gäben klare "Hinweise auf Marktmanipulation" (Klimareporter.de). Habeck reagierte und berief diesmal keinen jener "Benzingipfel" ein, mit denen seine Vorgänger stets gegen Wellen von Spritpreiserregung vorgegangen waren, und er lancierte auch keine neuen Benzinpreiskontroll-App, wie sie sich in der Vergangenheit bereits als hilfreich für die Beruhigung der Gemüter erwiesen hatte. 

Habeck flankierte die von seinem Ministerkollegen Christian Lindner angestoßene Diskussion um mögliche und unmögliche, später durchführbare und eines Tages ganz sicher kommende "Entlastungen" (Lindner) vielmehr mit einer Anzeige beim Kartellamt: Es wurde eng für die Ölfirmen, die Blutsauger an der Benzinleitung des Volkes, denen nun bald kräftig auf die diebischen Pfoten geschlagen werden würde. Die großen Medienhäuser waren es zufrieden. 

Geheime Mächte, die alles bestimmen 

Landauf, landab glaubten nun Millionen an die aufgedeckten Milliarden-Manipulationen. Eine einzige kollektive Aufwallung, gemeinsam betrieben von Hobby-Analysten, politischen Taschenspielern und Verschwörungsgläubigen in den Leitmedien hatte dafür gesorgt, dass Bürgerinnen und Bürger zur Überzeugung gelangt waren, dass geheime Mächte über ihr Schicksal bestimmen. Preise, das hatten sie gelernt, entstehen nicht auf Märkten, auf denen Angebot und Nachfrage den Kurs von Waren bestimmen. Sondern in düsteren Hinterzimmern, nach klandestinen Absprachen gewissenloser Kreise aus namenlosen Managern.

Seit sich die Situation normalisiert, hat sich das Interesse deutlich gelegt. Es wäre natürlich von Anfang an einfacher gewesen, auf den unlösbaren Zusammenhang zwischen Ölpreis und Benzinpreis zu verweisen, der beide Produkte seit Jahrzehnten im Gleichschritt marschieren lässt: Nicht jeden Tag, auch nicht jede Woche. Aber schließlich eben doch, weil sich Benzin ohne Öl so wenig herstellen lässt wie sich Öl ohne Umwandlung in Benzin an Autofahrer verkauft. 

Frei erfundenes Phänomen

Währungseinflüsse, Knappheitsausschläge und Nachfragedellen durch Pandemien schlagen mal nach hier und mal nach da aus, mal ist Benzin gemessen am Ölpreis billig wie seit 2015 in Europa, mal ist es Öl gemessen am Benzinpreis wie bis 2015. Wer behauptet, Öl sei 2008 viel teurer, Benzin aber viel billiger gewesen, muss gezielt vergessen, dass der Euro seitdem ein Viertel seines Wertes verloren hat, gemessen in Dollar, der Öl-Einkaufswährung. Geglättet aber zeigt ein langfristiger Chart (oben), wie es Politik und Medien im Angesicht der Spritpreiserregung von Mitte März gelang, den bei zwei Dritteln des Preises liegenden Staatseinfluss mit Hilfe einer frei erfundenen Verschwörungstheorie aus der Debatte zu nehmen und alle Augen auf Phänomen zu lenken, das man sich selbst ausgedacht hatte.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ist ja bekannt, dass Unternehmen mit den Milliarden, die sie einnehmen, nur Unfug anstellen, zum Beispiel re-investieren oder Löhne ausbezahlen (von denen dann wieder 50% direkt beim Staat landen). Pfui! Oder sie schmieren Politiker. Das geht in Ordnung.

Anonym hat gesagt…

Moralweltmeister Deutschland kennt nur noch ein Thema: Massaker in Butscha!

Angeblich sollen die Russen dort schlimmste Kriegsverbrechen begangen haben, weil längst heilig gesprochene nkrainische Unschuldslämmer sowas ja niemals nicht tun würden.

Da braucht nur dieser von einem Oligarchen ins Präsidentenamt geschmierte Schauspieler seine Version erzählen, und der deutsche Medienpöbel glaubt jedes Wort. Und auch beide Klitschkos (einer reicht wohl nicht) erklären uns in der Glotze laufend einseitig die dortige Lage, und der Michel übernimmt das, als wäre das sein neues Evangelium. Diese Kerle waren schließlich mal bewunderte Boxweltmeister und sind somit fast gottgleiche Prediger.

Ukrainer sind im besten aller Schlands einstimmig die Guten, die man jetzt mit noch mehr Waffen und durch noch schärfere Sanktionen unterstützen muss.

Keine medial hysterisch gegen Putin kläffende Westtöle käme auf die Idee bzw. darf das nicht, dass es in einem Krieg auch Tote gibt, die auf der Straße rumliegen, weil jeder von der Regierung mit einer Kleinwaffe bestückt als Partisan gegen eine Atommachtarmee befohlen wurde. Die unterliegen dann nicht dem Kriegsrecht, sondern gelten als Freiwild. Arme Schweine, die von der regulären Ukrainearmee als ziviles Kanonenfutter zur Front gejagt und dort sicher keine besondere Gnade erwarten dürfen, nachdem die kriminellen Schüsse auf russische Gefangene bekannt wurden.

Interessiert im geifernden Westen aber keine Propagandasau, denn allein der Russe ist der Teufel, der unschuldige Lämmer schlachtet. False-Flag-Aktionen zur Russendiffamierrung können deutsche Rechthabereifanatiker sich nicht mal ansatzweise vorstellen, weil sie sich ignorant auf eine Seite geschlagen haben.

Wir mögen unter Preissteigerungen leiden müssen, doch die sind hausgemacht, sind blöde Heimarbeit eines leicht manipulierbarten Narrenvolkes und dessen neuer Hampelkollision unter Cum-Ex-König Olaf, Märchenschreiber Rooobäärt und Koboldprinzessin Annalena, von den anderen Kreaturen mal zu schweigen.

Die angedachten 300 Euro Linderung der Preisexplosionen für den Bürger habe unsere Volksvertröter sich lieber selber eingesteckt, weil's so im Gesetz steht. Tolle Gesetze habe die sich gebastelt, doch der Piefke findet all das supitoll.

Und nun haben sie mit Putin und seinen Russen neue Sündenböcke ernannt, denen man das eigene Totalversagen unterjubeln kann. Welch ein schäbiges Drecksvolk!

Für eigene arme Kinder und Alte haben sie nix über, aber für jeden ausländischen Verbrecher darf es dann grenzenlose Freigiebigkeit sein. Widerliche Köterrasse!

Anonym hat gesagt…

Ich habe kürzlich einige Analysten (aus dem asiatischen Raum, sowie US und Arabien) sagen hören, dass Europa und insbesondere Deutschland die bei weitem am stärksten kontrollierte Medienmaschinerie der Welt hat. Man sei immer wieder erstaunt, wie schnell und gleichförmig die "Informationen" an den Mann fließen und es dabei eine fast 100%ige Homogenität gäbe. Der Informationsfulss in Deutschland sei so gut reguliert, dass selbst China da nicht mithalten könne.

Ich muss den Herren recht geben. Der Westen als Imeprium der Lügen und Deutschland als sein am strengsten abgeschottetstes Stück Land, in dem kaum einer wirklich weiß, was sich außerhalb tatsächlich abspielt. Ein wahres Meisterstück, ein Land zu schaffen, welches von sich glaubt, die totale Freiheit zu genießen....

Unknown hat gesagt…

Sehr interessant wirds im juni juli. Denn wenn man flugpreise von südamerika her mit dem vorjahr vergleicht ( von 1000 auf 2500 euro) wird ( flug)benzin in europa wohl teuer... wenn man aber ueber die usa ( mit umweg ) fliegt sind wir bei 1500.... ab herbst isses wieder normal. Mein fazit: benzin wird im.sommer in europa sehr teuer...in usa nicht.
Und im herbst ist auch die urkraine krise vorbei..und eir haben ein.paar unmögliche gesetze mehr welcher niemand wollte... poitik ist ein vielseitiges handwerk...