Donnerstag, 8. Dezember 2022

Wirecard: Wie niemand von nichts wusste

Die Hoffnung lebt weiter, dass Jan Marsalek sich eines Tages selbst stellt.

Ein Wirtschaftsmärchen, ein Hightechwunder, ein Beweis dafür, dass Deutschland immer noch mithalten kann, da oben in der Weltspitze der Fortschrittsnationen. Vielleicht gibt es hierzulande kein Google, kein Amazon, kein TSMC, kein Apple, kein Intel, Alibaba, Oracle oder sonst irgendeine Firma von Bedeutung, die irgendetwas tut, das sie nicht auch schon vor 70 Jahren getan hat. Aber, Bundesfinanzminister Olaf Scholz war stolz: Deutschland hatte Wirecard, einen Riesen aus Finanzdings und Technologiewumms, der immer schneller wuchs, je größer er wurde.

Riese aus Finanzdings und Technologiewumms

Endlich einmal etwas, mit dem man hausieren gehen konnte. Und das man entsprechend schützte, als Neider im Ausland eine Kampagne lostraten, um den inzwischen mit all seinen Verästlungen in den arabischen Raum und nach Südostasien in den Dax aufgestiegenen Wirecard-Konzern madig zu machen. Selbst die beste Bundesregierung, als die die der Angela Merkel seinerzeit noch galt, konnte niemand zwingen, die Aktie mit der Wertpapierkennnummer 747206 zu kaufen. Aber wenigstens ließ sich dafür sorgen, dass niemand mehr die Aktie verkaufen und damit den schönen Kurs drücken konnte.

Die Bank der neuen Art, wertvoller als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen, sie war eine echtes deutsches Gemeinschaftsprojekt. Das "Handelsblatt" lobte "Deutschlands Antwort auf Google, Apple und Co., der "Spiegel" enthüllte die Hintergründe der miesen Machenschaften der ausländischen Leerverkäufer. Ein "Exempel" für einen Markteingriff, der die FAZ zu einer Hymne inspirierte: Ein "Novum" gegen "manipulative Spielchen", mit dem die Finanzaufsicht, die Staatsanwaltschaft und die Politik nicht nur schützen, was  vielen Tausend Kleinanlegern die Rente sichern soll. Sondern auch das große Marktvertrauen darin, dass hierzulande ordentliche Verhältnisse herrschen, alles geprüfte Sicherheit.

Niemand war jemals dabei

Als das Licht anging und Wirecard sich als Scheinriese entpuppte, eine dünne Hülle nur, aufgepumpt mit Nichts und wieder Nichts, war allerdings niemand mehr verfügbar, der jemals irgendetwas mit der Firma zu tun gehabt hatte. Von einem Tag auf den anderen hatte kein Politiker jemals etwas von Firmenchef Markus Braun und seinem Adlatus Jan Marsalek gehört. Weisungsgebundene Staatsanwälte waren auf eigene Faust in die falsche  Richtung galoppiert, der Finanzaufsicht tat es leid, eine einsame Jagd auf "die Falschen" (Die Zeit). Kein Leitmedium und kein Gebührenfunker hatte jemals vom "Aufstieg des geheimnisvollen Zahlungsabwicklers" (FAZ) geschwärmt, Firmenchef Braun als "zähen Typen" gelobt und mitgefeiert, als der Börsenwert der Firma, von der niemand sagen konnte, was sie eigentlich genau tut, den der alten Deutschen Bank überholte.

Der Skandal holte niemanden ein, nicht in Hamburg, nicht in München und erst recht nicht in Berlin. Von den Wirtschafts- und Politikseiten wanderte der größte deutsche Firmenzusammenbruch ins Vermischte, niemand hatte damit zu tun, zu tun gehabt oder würde zu tun haben werden. Markus Braun, noch über das Ende seiner Laufbahn als "Mr. Fintech" (Handelsblatt) hinaus bereit, die Illusion vom smarten Geldhaus mit Weltgeltung aufrechtzuerhalten, ging in U-Haft. Jan Marsalek aber verschwand spurlos und nahm die Schuld mit sich: Das vermeintliche Hirn hinter dem Börsenwunder Wirecard entpuppte sich nun als Softwaregenie, das nebenher nicht nur Verkaufswunder, Partytiger und Einflüsterer der österreichischen Innenpolitik, sondern nebenher auch Geheimdienstagent, russische Fünfte Kolonne, Geheimdokumentenschmuggler und Inhaber einer unbekannten Anzahl gefälschter Pässe war.

Ein idealer Hauptverdächtiger

Ein geradezu idealer Hauptverdächtiger, nach dem seit Sommer 2020 wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gesucht wird. Zum Glück nicht nur für Marsalek aber reicht der Arm der deutschen Sicherheitsbehörden bis Schloss Waidmansheil und ins Frankfurter Westend, aber nicht viel weiter darüber hinaus. Wie soll man jemanden finden, von dem man nicht weiß, wo er ist? Richtig, das Bundeskriminalamt klebte Plakate, womöglich würde der Flüchtige sich ja melden, wenn er sich selbst erkennt und einsieht, dass ein Leben auf der Flucht auf Dauer zu gefährlich ist, weil man jederzeit erwischt werden kann. 

Über den Rest der coolen Gang macht sich ab heute das Oberlandesgericht in München ein Bild, es geht um Untreue, Marktmanipulation und bandenmäßigen Betrug, von dem die drei Angeklagten allerdings behaupten, sie seien doch selbst betrogen worden. Mit tiefgreifenden Erkenntnissen rechnet niemand, mit einem langen Prozess hingegen schon, in dem sich die Peinlichkeit allmählich in Luft auflösen wird, dass eine Firma, die mit Luft handelte, mit Luftbuchungen Umsätze generierte und aus Luft Sicherheiten herstellte, um ihre Luftpumpen immer weiter in Gang zu halten, in Deutschland bis in den höchsten deutschen Aktienindex aufsteigen konnte. 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wirecard-das-perfekte-verbrechen-unter-den-augen-des-staates-li.292860

Der Artikel beschreibt es recht gut.

Anonym hat gesagt…

der Herr Dr. Masaleck wohnt im moskauer Hotel Monopol und plant dort die nationalbolschewistisch-royalistische Revolution im Reichsburgenland . Bitte nicht stören