Sonntag, 16. April 2023

Kunstkahn Citizenship: Kein Schiff wird kommen

Ein Nachbau des Floßes aus "Fluss ohne Wiederkehr", aber mit mehr Signalwirkung: Die "Citizenship", hier beim Versuch, von einem Rennruderboot gezogen zu werden.

Es ist weniger ein Schiff, aber mehr ein Floß, es sieht nach Vergangenheit aus, ein später Nachbau der hölzernen Plattform aus "Fluss ohne Wiederkehr" mit Marilyn Monroe und Robert Mitchum, aber genau zur rechten Zeit gestartet, um von Berlin zur Documenta nach Kassel zu fahren. Unterwegs sollte das "Citizenship" demonstrieren, dass Wassertransporte weder fossile Motoren noch Schornstein oder Ruder braucht. Im Sommer vergangenen Jahres startete das schwimmende Signal für nachhaltiges Wasserwandern in Berlin, um die Kunststadt Kassel zu erreichen. Dort war "am Hiroshima-Ufer der Fulda" (HNA) bereits ein Steg aufgebaut, an dem die "Staatsbürgerschaft" anlegen würde, um der "documenta fifteen" ein Glanzlicht aufzusetzen.

Eine pfiffige deutsche Erfindung

Das kunstsinnige Publikum wartete dann aber vergebens auf die pfiffige Erfindung des "Zentrums für Kunst und Urbanistik (ZK/U)". Das Boot, das dank einer in Deutschland entwickelten revolutionären Technologie mit Solarenergie und einer von Fahrrädern angekurbelten Schiffsschraube fortbewegt, strandete zuerst, weil der Wasserstandes der Weser eine Weiterfahrt über Rinteln hinaus nicht zuließ. Dann erforderte ein Wassereintritt im Schiffsunterbau "einige Tage in Reparatur und Pflege". Und als dann endlich wieder genug Wasser unter dem Kiel gewesen wäre, ergaben Berechnungen, dass selbst Sonne und menschliche Trittfestigkeit zusammen nicht ausreichen würden, Mannschaft und Bretterplattform rechtzeitig ans Ziel zu bringen.

Ein tragisches Scheitern, das allerdings nicht die einmalige Technik zu verschulden hat. Zwar schafft die Citizenship gegen die Strömung lediglich ein bis zwei Kilometer, so dass die 150 Kilometer bis Kassel die Künstlerinnen und Künstler an Bord drei bis sechs Tage 24-Stunden-Dienst gekostet hätten. Hauptverantwortlich aber war offenbar eine Weigerung des Wasser- und Schifffahrtsamt, einen Schlepper zu stellen, der die Kunstschaffenden in Terminnot noch vor dem Ende der Weltkunstausstellung dorthin hätte bringen könne, wo der große Auftritt als "Botschafter der Kultur"(Tagesspiegel) geplant gewesen war.

Versunken in Vergessenheit

Den Boykott verschwiegen die bis dahin protokollführenden Organe rücksichtsvoll. Da außer Kunst, die kein Verfallsdatum hat, nichts Wichtiges an Bord war, kam es auf nur darauf an, die weltweite Klimaerhitzung für das Scheitern auf offener Strecke verantwortlich zu machen. "Die Klimaerwärmung erreicht den Kulturbetrieb", rekapitulierte der hauptstädtische "Tagesspiegel" abschließend. 

Danach versank das Lastenrad für Wasserstraßen in gnädigem Vergessen. Scheitern sei auch "Teil der Botschaft" teilten die Initiatoren mit. Immerhin sei das Projekt, bei dem es auch um den Nachweis ging, das nachhaltige Mobilität möglich ist, letztlich durch die Dürre aufgehalten worden. Zum Glück habe es sich nicht um ein Raumschiff gehandelt, das mit Menschen an Bord unterwegs sei, um einen Asteroiden abzufangen, der droht, die Menschheit zu vernichten, kommentierten Zyniker bei Eloan Musks Hetzportal Twitter.

Kunstschiff geht wieder auf Fahrt

Die aber werden nun schlucken müssen, denn wenn der Sommer kommt und die nächste Dürre, soll das Kunstschiff wieder losmachen. Das Ziel der Weiterreise wird diesmal vorsichtshalber als "unbestimmt" beschrieben. Vielleicht geht es weiter Richtung Kassel, vielleicht zurück nach Berlin, vielleicht dreht man nur eine Runde auf dem See. Auch die Geheimniskrämerei ist Teil der Installation, Teil der Mahnung an die gesamte Menschheit und die verantwortliche Politik, den Wasserstand im Auge zu behalten.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Macht nichts. Das Budget ist verfrühstückt, auf zum nächsten Sperrmüll.

Volker hat gesagt…

In meiner Jugendzeit hatte ich mal ne zeitlang Wasserfahrsport betrieben. Einige Jahre recht intensiv.
Aus dieser Erfahrung kann man so einigermaßen abschätzen, was man täglich schafft.
Als Trainierter oder Untrainierter.
Mit einem Sportboot, das auf Geschwindigkeit optimiert ist (nicht auf Stabilität) - oder mit einem Gutelaunefreizeitkahn, der auf Stabilität ausgelegt ist (nicht auf Geschwindigkeit).

555km ist ne Hausnummer. Mit dem 18 Tonnen schweren Triirgendwas 15 bis 20 Kilometer pro Tag?
Es könnte klappen - bei ausschließlich Kanal oder stromab, bei Flaute oder Rückenwind, mit der Bereitschaft zu Überstunden (die Schwächlinge?).
Bei Gegenwind braucht man mit dieser Schrankwand gar nicht erst abzulegen.
Gegen den Strom mit Muskelkraft und Solarenergie? Selten so gelacht.

Diese Leute retten die Welt, das können die.
Und sind hoffnungslos überfordert mit einer Bootsfahrt auf den Binnengewässern.

Als Add-On gab´s noch ein Späßle.
Die auf dem Tridingsbums sind mit dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa verbandelt, das später irgendwie die documenta mit Antisemitismus im Kunstfeld überschatten tat.

Anonym hat gesagt…

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"In den Schulen wollte man uns die indigene Kultur und Sprache rauben. Notfalls mit Gewalt", erzählt Harry, während er in Aupe durch das Dickicht aus Farnen stapft. Dabei muss er stets aufpassen, wohin er tritt, denn die überwucherten Trampelpfade sind übersäht mit Bärenkot.
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Anonym hat gesagt…

Es ist schon eine Weile her, da gab es auf Arte mal eine Doku über Solarflugzeuge. Kann man alles
machen,wenn man viel Zeit hat und natürlich jede Menge Geld.

Anonym hat gesagt…

Ein paar kräftige Fachkräfte hätten die Lösung sein können.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ilia_Efimovich_Repin_(1844-1930)_-_Volga_Boatmen_(1870-1873).jpg