Dienstag, 20. Februar 2024

Demokratie-Radar: Knallharte Schranken für Schmäher

"Wähl billigen Strom" plakatierten die Grünen vor geraumer Zeit im Wahlkampf.
"Wähl billigen Strom" plakatierten die Grünen vor geraumer Zeit im Wahlkampf. Das Plakatmotiv wurde allerdings inzwischen zurückgezogen und darf öffentlich seitdem nicht mehr gezeigt oder kommentiert werden.

Gar nicht fair, überhaupt nicht gerechtfertigt und damit eben nicht legal, sei gewesen, was ein bestimmter bayrischer Unternehmer sich vor einiger Zeit in Sachen Grünen-Hass geleistet habe. Janet Friedrichmöller ist da ganz entschieden, Widerspruch bügelt die Vorsitzende des Neubrandenburger Vereins zur Durchsetzung der Demokratie (VDDD) mit einer Geste ab. "Er hätte vorher wissen können, was passiert", betont sie, "der Rechtsstaat hat in jedem Jahr mindestens einmal erkennen lassen, dass er sich von seinen Feinden nicht in die Suppe spucken lässt."

Durchsuchungen statt Anklagen

Friedrichmöller, ausgebildete Grundschullehrerin und neben ihrer Arbeit beim VDDD in zahlreichen anderen Bereichen engagiert, spielt auf den alljährlichen Aktionstag zur Bekämpfung von Hasspostings an, den die Behörden schon seit Jahren zum Anlass nehmen, koordiniert und mit großem öffentlichen PR-Getöse gegen Verdächtige vorzugehen. Durchsuchungsaktionen wegen Facebook-Posts, Beschlagnahmungen für X-Kommentare - weil sich in den zurückliegenden Jahren herausgestellt habe, sagt Friedrichmöller, dass es schwer sei, Meinungsäußerungen wirklich vor Gericht abstrafen zu lassen, habe ihr Verein bereits 2017 vorgeschlagen, die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Polizei in Ermittlungsverfahren stärker zu nutzen, um Menschen einzuschüchtern.

Dass es nicht bei einem" Tag gegen den Hass" bleiben kann, deutet sich schon länger an. Im Netz hagelt es Mordaufrufe, die Keulung von Menschen wird gefordert. Dabei hatte das Bundeskabinett mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD bereits im Sommer 2016 beschlossen, dass Hass keine zulässige Emotion mehr ist. Er müsse raus aus den Köpfen und wenn das nicht gehe, dann müssten die Menschen wenigstens begreifen, dass sie ihren Hass für sich zu behalten haben. Janet Friedrichmöller sieht das als "nicht ideale, aber für uns akzeptable Möglichkeit". Solche Maßnahmen aber dürften freilich nicht durch juristische Bedenken angekränkelt werden.

Schmähplakate in Bayern

Erfreut habe der Vereinsvorstand deshalb auch auf die Nachrichten aus Bayern reagiert: Ein Geschäftsmann hatte dort sogenannte "Schmähplakate" gegen Grünen-Politiker aufgehängt, unter anderem, um sich über Spitzenpolitikerinnen und -politiker der Grünen lustig zu machen. Die alarmierte Polizei stellte Berichten zufolge am Tatort eine "Ricarda Lang als Dampfwalze", einen "Cem Özdemir mit Möhren in den" Ohren und dazu "derbe Sprüche" fest. 

Nach früherer Rechtslage, an die sich viele vor allem ältere Menschen noch erinnern, seien solche Ausfälle womöglich grundrechtskonform gewesen, erklärt Janet Friedrichmöller, doch auch schon vor der umfassenden Einführung der neuen Meinungsfreiheitsschutzparagraphen - etwa gegen legale, aber gleichwohl staatswohlgefährdende Ansichten - habe gesellschaftlich Konsens darüber bestanden, dass mutmaßlichen Gefährder und Aufhetzer bei Durchsuchungen und durch Ermittlungsverfahren die Instrumente des Rechtsstaates gezeigt werden können, um erzieherisch einzuwirken.

Harte Schranken für Schmäher

Zuweilen griffen Gerichte ein, etwa nach der Hausdurchuchung in der Hamburger "Pimmelgate"-Affäre, die sich im Nachhinein als rechtswidrig herausstellte. Für die Aktivisten des VDDD ist das kein Beinbruch, denn, sagt Friedrichmöller, "das Ziel eines Durchsuchungsbeschluss in einem Hass- oder Hohnverfahren ist ja erreicht, wenn dem Verdächtigen klar wird, dass er vor Gericht vielleicht ungestraft davonkommt, aber zuvor jede Menge Ärger und Kosten haben wird." Das schrecke ab, das zügele bei vielen das Maß, in dem sie bereit sind, die von den Behörden bereitgestellte Meinungsfreiheit auszunutzen. "Wir kämpfen dafür, dass es harte Schranken für Schmäher gibt."

Auch das Verfahren gegen den verleumderischen Unternehmer aus Bayern hält die VDDD-Vorsitzende vor diesem Hintergrund für ein "gutes Signal an die Zivilgesellschaft". Wenn jemand die Frage stelle, ob ein Minister "bis drei zählen" könne und diese Provokation auch noch mit alten, längst obsoleten Wahlversprechen garniere, sei die Grenze überschritten. "Hier muss der Staat wegen Beleidigung eingreifen."

Keine Sonderrechte für Reiche

Auch ein wirtschaftlich gutgestellter Herr aus dem feinen Gmund am Tegernsee habe keine Sonderrechte, auch er dürfe schon nach heutiger Rechtslage keine Plakate am Zaun seines Grundstücks aufgehängen, die sich über Spitzenpolitiker der Grünen lustig machen. "Zwar scheint uns als Verein ein Strafbefehl über 6.000 Euro wegen Beleidigung von Personen des politischen Lebens äußerst milde", sagt Janet Friedrichmöller, "aber wir würden es angesichts der bereits angekündigten Nachschärfungen im Moment dabei belassen."

Die Hoffnungen der VDDD-Mitglieder ruhen auf dem neuen 13-Punkte-Plan der Bundesinnenministerin, die den Hass mit Unterstützung von Verfassungsschutz und BKA in Kürze gänzlich ausgemerzt haben will. Für Friedrichmöller vor allem eine Erziehungsfrage, denn bei Bürgerinnen und Bürgern seien wegen der früheren Zustände im Lande einfach viele Maßstäbe verrutscht.

Verbotene Zitate

"Es ist oft kein böser Wille, dass sie über die Stränge schlagen", zeigt sie Verständnis. Ein Plakat, das den beliebten Klimawirtschaftsminister Robert Habeck vor typischem Grün und dem Sonnenblumenlogo der Partei zeige und daneben seinen berühmten Satz "Unternehmen gehen nicht insolvent, sondern hören nur auf zu produzieren", könne auch "lieb gemeint" sein, verspritze aber eben unzulässigen Hohn durch den Kommentar: "Kann er überhaupt bis drei zählen?" Auch die anderen Ausfälle passen nach Auffassung von Staatsanwaltschaft und VDDD nicht mehr in die Zeit.

"Wenn Ricarda Lang vor eine Deutschlandfahne platziert, Robert Habeck mit leeren Hosentaschen porträtiert und Annalena Baerbocks Kopf auf dem Körper eines Kleinkinds montiert wird, hört der Spaß auf." Für den VDDD hätte es die vom Verdächtigen aufgebrachten Sprüche "Wir machen alles platt" und "Bündnis 90 Grüner Mist" nicht einmal gebraucht, um ein Hassverbrechen nachzuweisen. "Dass der Verdächtige sich nun wehrt, sich harmlos gibt und beteuert, wie überrascht er über die harte Reaktion des Staates auf seine unterirdischen Anwürfe sei, passt ins Bild." 

Hohes Maß an Freiheit

Oft wertschätzten Bürgerinnen und Bürger das hohe Maß an Meinungsfreiheit, das ihnen in Deutschland weiterhin gewährt werden, einfach nicht ausreichend. "Wir weisen dann stets darauf hin, wie großzügig das in Deutschland immer noch gehandhabt wird", erklärt Janet Friedrichmöller, "oft hilft es schon, wenn den Menschen klargemacht wird, dass sie für dieselbe Tat im Iran gesteinigt werden würden und in Russland für Jahre in ein Arbeitslager in Sibirien eingewiesen.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sagt auch der Danisch immer. Die Ermittlungen, das juristische Theater sind die Strafe. Bei einen Normalbürger, der wenig Zeit- und Geldressourcen hat, ist das ausreichend.
Für einen Neubürger auf Stütze, der alles gestellt kriegt, spielt es keine Rolle. Der zahlt nichts, muss sich um nichts kümmern und in den Knast geht er nie.
Und wenn es für rechtswidrig erklärt wird, nützt das dem Opfer nichts und für die Initiatoren der illegalen Aktionen gibt es keine Konsequenzen. Ein perfektes Unterdrückungssystem.

Spaziergänger hat gesagt…

@Anonym
So sah es auch schon der Spitzbart: "Es soll demokratisch aussehen, aber wir müssen alles unter Kontrolle haben."

Anonym hat gesagt…

Solange die sich um Hass kümmern, bin ich mit meiner Verachtung auf der sicheren Seite.