Mittwoch, 4. Juni 2025

Grenzschutz vor Gericht: Gekommen, um zu bleiben

Open range Refugees Europe
Mit dem Verwaltungsgerichtsurteil aus Berlin bliebt alles, wie es ist: In ist, wer drin ist.

Demonstrativ bis zur entmenschten Brutalität vergangener Zeiten. Selbstbewusst rechtswidrig selbst noch nach der Verurteilung durch ein deutsches Gericht. Und offenbar ohne jedes Schuldbewusstsein und Verantwortungsgefühl, obwohl sonnenklar ist, dass die Zurückweisungen von Asylsuchenden an der deutschen Grenze, die Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) Anfang Mai anordnete, für Rechtspopulisten im In- und Ausland ein gefundenes Fressen sein werden. Wenn Europas zentraler Vorbildstaat das tut, so wird es bei den Figos, Orbans, Fredriksens und Melonis heißen, dann müssen wir uns nicht mehr zurückhalten.

Zeitenwende vor Gericht 

Ausgerechnet die Grenzschließungen als einziges seiner zentralen Wahlkampf-Versprechen umsetzen zu wollen, stellt sich für den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz als fatale Fehlentscheidung heraus. Seit das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilbeschluss auf Antrag der Organisation Pro Asyl entschieden, dass drei in Frankfurt (Oder) aufgegriffene Somalier, die illegal aus Polen eingereist waren, nicht in das sichere Nachbarland hätten zurückgeschickt werden dürfen. Die beiden Männer und eine Frau hätten das Recht auf eine Prüfung ihres Asylbegehrens, so das Berliner Verwaltungsgericht - bundesweit eines von 51 Verwaltungsgerichte, die die erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit bilden. 

Ein Urteil wie Donnerhall. Ehe eine Abschiebung nach Polen erfolgen könne, sei ein Verfahren nach der Dublin-3-Verordnung der EU notwendig, in dem aufwendig und juristisch mehrfach  anfechtbar zunächst der EU-Staat festgestellt wird, der für das Asylverfahren zuständig ist. 

Dieser Staat muss dann förmlich um Rücknahme des Geflüchteten gebeten werden. Erklärt er sich in einem seltenen Fall dazu bereit, ist der Betroffene zur freiwilligen Ausreise aufzufordern. Weigert er sich, folgt bei Weiterzahlung der vollen Sozialhilfebezüge eine in der Regel mehrere Jahre dauerndes Verfahren zur Ausweisung, das in seltenen Fällen bis zu einer vorübergehenden Inhaftierung gehen kann, wenn ausreichend Haftplätze verfügbar sind. 

Im dritten Versuch 

Die drei "So­ma­lie­r:in­nen" (Taz) hatten es bei ihrem dritten Einreiseversuch bis nach Frankfurt an der Oder geschafft, in eine frühere Industriestadt, die heute vor allem dafür bekannt ist, zu den Gemeinden Brandenburgs mit der größten Schuldenlast zu zählen. Erstmals, berichten Medien, hätten sie bei diesem Einreiseversuch ein Asylbegehren geäußert - seit Jahren der mächtige Zauberspruch, der in mehr als 90 Prozent der Fälle zur dauerhaften Wohnsitznahme in Deutschland berechtigt. 

Unglücklicherweise aber scheint der neue Innenminister Alexander Dobrindt entschlossen, seine angekündigte harte Linie gegen Schutzsuchende dauerhaft zu demonstrieren: Am 7. Mai hatte er die Bundespolizei angewiesen, Asylsuchende an der deutschen Grenze abzuweisen, so dass sie gegen ihren Willen in dem Nachbarland verbleiben müssen, aus dem sie auszureisen versuchen. Kritiker zweifeln, dass die Personenfreizügigkeit, die dem Schengen-Raum nach dem Willen seiner Gründer innewohnen sollte, solche drastischen Einschränkungen zulässt. 

Abweisung nur außerhalb 

Allerdings befindet sich Dobrindt in solchen Fällen auf sicherem Boden: So lange ein Schutzsuchender deutschen Boden nicht betreten hat, kann er deutschen Behörden gegenüber kein Asylbegehren äußern. Das hat das Verwaltungsgericht auch im Fall der drei Somalier ausdrücklich bestätigt. Zuständig bleibt dann der Staat, in dem er sich aufhält - im Falle der drei Somalier wäre das Polen gewesen.

Kein guter Ort, um schwarz zu sein, erst recht nicht nach der Wahl vom Sonntag. Um also nicht wieder vor dem Grenzübertritt abgewiesen zu werden, begaben sich die Schutzsuchenden unerkannt über die Grenze ins Sehnsuchtsland aller Flüchtenden. Erst im Zug nach Frankfurt wurden sie aufgegriffen und umgehend nach Polen zurückgebracht - eine Zurückweisung, ausgesprochen auf deutschem Gebiet, die nachvollziehbarerweise rechtswidrig war. Bei der Taz wird das mit der Zeile gefeiert, "die Zurückweisung Asylsuchender an der deutschen Grenze sei rechtswidrig. Näher an den Tatsachen ist die "Tagesschau", die die "Zurückweisung Asylsuchender hinter Grenze rechtswidrig"nennt. 

Keine andere Wahl 

denn zwischen "an" und "hinter" liegt ein kleiner, aber entscheidender Unterschied. Die Berliner Verwaltungsrichter, inzwischen wegen einer Nähe zu den Grünen heftig angegriffen, hatten gar keine andere Wahl, als zu befinden, dass deutsche Behörden in Deutschland aufgegriffene Asylbewerber nicht einfach abschieben dürfen. Deutsches wie EU-Recht schreibt für diesen Fall vor, dass geklärt werden muss, welcher EU-Staat nach den komplizierten und immer wieder geänderten gemeinsamen EU-Regeln für ihren Asylantrag zuständig ist.

Die zentrale Lage Deutschlands, die über Jahre ein Segen war, weil sie verhinderte, dass allzu viele  Bewerber um einen dauerhaften Aufenthalt eintrafen, sie bleibt damit der große Nachteil des Landes, das seit 2015 rund 2,5 der insgesamt 6,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, die sich nach Europa aufmachten. 

Seit die Randlagestaaten an den Außengrenzen angesichts des "Zustroms" (Merkel) beschlossen hatten, neuankommende Flüchtlinge durchzuwinken, statt die eigentlich vorgeschriebenen Asylverfahren in dem Land zu starten, in dem sie zuerst EU-Boden betreten, wandert alles durch. Bis es in der Mitte ankommt. Dort, wo Deutschland liegt, das zudem mit den besten Aufnahmebedingungen aller 27 Mitgliedstaaten lockt.

8.500 Kilometer, acht sichere Herkunftsstaaten

Der Weg von Somalia nach Frankfurt/Oder ist 8.500 Kilometer lang, er führt auf kürzestem Weg durch acht sichere Herkunftstaaten und kennt doch nur ein legitimes Ziel: Deutschland gilt am Horn von Afrika, eine Region, die US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit unter großem Protest als Heimat von "shithole countries" bezeichnet hatte, als das gelobte Land für jeden, der schafft, es zu erreichen. Den drei Somaliern gelang das über Belorusslanddasfrühereweißrussland. Von dort reisten sie nach Litauen. Dann nach Polen. Ihr Ziel aber war Deutschland.

Hier gab es in den zurückliegenden zehn Jahren  keine zwei Handvoll Abschiebungen nach Somalia. Mehrere Kläger erreichten gar ein gerichtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5. AufenthG, weil  die "schlechte humanitäre Lage in Somalia zwar keinen Anspruch auf subsidiären Schutz" begründe, die Situation im Land auch "nicht durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung" ausgesetzt sei und selbst die "schlechte humanitäre Situation in Somalia bei einer wertenden Gesamtschau nicht dazu" führe, dass eine Rückführung "generell ausgeschlossen" wäre (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 8/22).

Aber eben doch 

Aber nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und der Berücksichtigung der individuellen Situation stellte sich eben doch meist heraus, dass das "erforderliche Mindestmaß an Schwere" bei einer Rückkehr nach Somalia erreicht würde. Und der Kläger demnach das Recht habe, subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zu erhalten - keine Rückkehr nach Somalia, nie mehr. Somalier stellen heute nach Syrern, Afghanen, Türken und Irakern die fünfgrößte Gruppe an ZufluchtsuchendenNach den Angaben von Laenderdaten.info, wurden im Jahr 2025 bereits 5.301 Erstanträge auf Asyl von Somaliern in Deutschland gestellt. Im gesamten vergangenen Jahr waren es mit knapp über 6.000 kaum mehr.

In ist, wer drin ist. Auch wenn das Verwaltungsgerichtsurteil politisch missbraucht wird, um die behauptung aufzustellen, "Zurückweisungen bei Grenzkontrollen sind rechtswidrig", wie es der Grünen-Politiker Konstantin von Notz tut, ändert das nichts an der Sachlage: So lange Asylsuchende vor dem Übertreten der deutschen Grenze abgewiesen werden, steht das im Einklang mit dem EU-Recht und Artikel 16a des Grundgesetzes. Die basiert auf der Annahme, dass niemand, der sich in einem sicheren Drittstaat befindet, einen Anspruch darauf hat, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.

Faesers langes Sträuben 

Die von seiner Vorgängerin Nancy Faeser erst nach langem Sträuben angeordneten Grenzkontrollen, die Dobrindt verschärft hat, sollen genau solche Fälle wie den der drei Somalier verhindern: Auf eine illegale Einreise folgt ein Asylantrag. Der allein berechtigt meist zu einem jahrelangen Aufenthalt. Und selbst wenn eines Tages der Moment kommt, an dem die Richtlinie 2008/115/EG – Normen und Verfahren zur Rückführung illegal aufhältiger Nicht-EU-Bürger zum Tragen kommen müsste, findet sich der eine oder andere Weg, der "Beendigung des illegalen Aufenthalts" (EU) auszuweichen.

Die entsprechende Vorschrift des Europäischen Parlaments und des Rates stammt vom 16. Dezember 2008 und sie ist so bestimmt wie lebensfremd. In mehr als zwei Jahrzehnten seitdem haben mehrere EU-Kommissionen, mehrere EU-Parlamente und viele Dutzend Regierungen der Mitgliedsstaaten immer wieder nachgeschärfte Flüchtlingspläne und Eindämmungsstrategien vorgelegt -  von der "Mutter aller Gipfel" 2018 bis zur "durchdachten und gemeinsame Lösung bei Migration" im vergangenen Jahr.  

Weder noch 

Herausgekommen ist nichts, nicht einmal aus dem zehnten Zehn-Punkte-Plan, in dem Ursula von der Leyen im Oktober 2024 "innovative Ideen" vorstellt, um "die Zahl der in Europa ankommenden Migranten zu vermindern und abgelehnte Asylbewerber schneller zur Ausreise zu zwingen". Friedrich Merz' hatte dagegen die einfache Lösung versprochen: Wenn keine Asylsuchenen mehr nach Deutschland einreisen dürfen, muss weder ein Asylverfahren noch ein Dublin-Verfahren zur Feststellung des EU-Staats, der für das Asylverfahren zuständig ist, in Deutschland durchgeführt werden.

Zudem macht der bisherige Endabnahmestaat Deutschland Druck auf die Durchwinkeländer: Was die reingelassen haben, werden sie künftig nicht mehr los. Das Kalkül des Kanzlers ist eine Asylwende, die er am Ende nicht selbst vollziehen muss. Mehr noch als die demonstrative Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze war die Ankündigung solcher Zurückweisungen wichtig. Bedeutender noch als niemanden mehr zurückzuweisen, ist die symbolische Botschaft an fremde Länder und ferne Gestade, dass Deutschland jetzt tut, was Ungarn seit zehn Jahren macht. 

Merz und Dobrindt wird die Aufregung  um das Berliner Urteil recht sein. Sie gibt ihnen Gelegenheit, sich als harte Männer zu inszenieren, die nicht beim ersten bisschen Gegenwind umfallen. 


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Reiner Zufall, dass es aus dem gleichen Kochbuch zu stammen scheint, mit dem man Entscheidungen von Trump zu torpedieren versucht. Es gibt in den USA fast 700 Bezirksrichter, und gekaufte Nobodies gehen zu irgendeinem (geschmierten) Richter und können Trump per einstweiliger Anordnung blockieren.

Anonym hat gesagt…

Auch jede illegal importierte Messerfachkraft ist für unsere lahmende Volkswirtschaft goldwert, denn die sichert deutsche Arbeitsplätze im Rettungsfdienst und im Krankenhaus. Von dem mit deren Vollversorgung befassten Bürokratenheer mal ganz zu schweigen. Und auch unsere Justiz kann sich an vielen Prozessen beruflich laben. Lediglich der einfache Industrie-Arbeiter hat Pech, denn sein weltweit spendabler Sozialstaat stellt ihm diese globalen Wohltaten brutal in Rechnung.

Doch gewählt ist nun mal gewählt, und der Volkswille bestimmt in der Demokratur ... äh ... Dämokratie nun mal die Prioritäten. Soll man laut Medien zumindest glauben. Die gerichtlich reingeleassenen Somalier haben also eine wichtige Bereicherungsaufgabe vor sich, um unser multikulturelles Buntheitsparadies Wirklichkeit werden zu lassen.

Wieso nur klappt das in deren Heimatländern so schlecht?
Eventuell doch eine Folge des Glaubens dort, also des Islam?
Und warum sollte der hier dann besser sein?

Anonym hat gesagt…

Wieso nur klappt das in deren Heimatländern so schlecht?

"Vergessen sie nicht das rassische Moment" ergänzte Knack, "die wertmäßigen Unterschiede der Völker, die rassischen Triebkräfte ..."
Studienrat Knack hatte es besser erfasst, als Martin Sellner z.B.

Anonym hat gesagt…

...stellt sich für den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz als fatale Fehlentscheidung heraus ...

Nix da Fehlentscheidung: F.-F. hat überhaupt nichts zu entscheiden. Wie Alberich. Der Große Sanhedrin entscheidet, was soll.