Mittwoch, 25. Juni 2025

Kurzer Prozess mit der Nato: Wunschkonzert für Trump

2018 Merkel belehrt Trump
Das Bild, das vor sieben Jahren um die Welt ging. Donald Trump (r.) hat daraus gelernt.
 

Er hat von der Besten gelernt. Donald Trump saß wie ein Schuljunge auf seinem Stühlchen, als ihm Angela Merkel die Leviten las. Der Mann, der als Führer der freien Welt zum G7-Gipfel nach Kanada gekommen war, sah sich unversehens einem übermächtigen Gegner gegenüber. Die Arme in Abwehr verschränkt, das Gesicht geballt und unwillig, die Führungskraft der Deutschen anzuerkennen, reiste Trump wütend ab. Der US-Präsident war sauer und wütend. Aber er hatte seine Lektion gelernt.

Ende der Diskussion 

Der Gipfel in La Malbaie, an dem an jenem historischen Tag vor sieben Jahren die USA, Deutschland, Frankreich, Kanada, Großbritannien, Italien und Japan teilnahmen, hat Trumps Verhältnis zur Welt geändert. Nicht aber das Verhältnis der Welt zu Trump. Der US-Präsident war damals in die Stadt nahe Quebec gekommen, um den G7-Partnern eine gemeinsame Zone ohne Zölle und Subventionen vorzuschlagen. "Keine Zölle, keine Barrieren. Das ist die Weise, wie es sein sollte", sagte er.

Die Idee war unter den Staats- und Regierungschef der anderen Staaten etwa so beliebt wie Trump selbst. Nicht einmal eine ablehnende Antwort bekam der Amerikaner, ehe er nach Singapur weiterflog, um sich mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un zu treffen. Kaum hatte er Kanada verlassen, gingen die übrigen Gipfelteilnehmer zur Tagesordnung über. Zölle sind doch eine gute Sache, das war Konsens. Und bei den Rüstungsausgaben sollte man es nicht übertreiben, das ist globaler Konsens von Berlin bis Tokio.

Heute ist alles umgekehrt 

Beim Nato-Gipfel sieben Jahre danach ist alles umgekehrt. Es sind die - meistenteils ausgetauschten - Staats- und Regierungschefs der 32 Mitgliedstaaten, die schon im Vorfeld eifrig Bücklinge vor dem Thron Trumps vollführten. Hat er 3,5 Prozent für Rüstung gesagt? Aber ja, gern doch. Nein, fünf will er? Auch kein Problem. Getrieben von der Furcht, die USA als Schutzmacht zu verlieren, sind alle bereit, dem Präsidenten alles zu geben: Seinen Willen, ihr Geld, Applaus und das Gefühl, sie hätten sich endgültig und aus tiefer Einsicht heraus unterworfen. "Heute Abend fliegst Du zu einem weiteren großen Erfolg", lobte der nach seinem Scheitern als niederländischer Ministerpräsident erst im Herbst neu installierte Nato-Generalsekretär Mark Rutte den US-Präsidenten.

Der Mann, der noch vor einem halben Jahr Nazi war, Faschist, der neue Hitler, der Mörder der Menschheit und Zerstörer der Zivilisation, hat seine Gegner mit der schieren Macht Amerikas an die Wand gedrückt. Die zarten Aufstandsbewegungen Europas, in dem immer wieder Politiker von einer Weltmacht EU mit eigener Armee träumen, der überall auf der Welt Respekt entgegengebracht wird, sind erstickt worden von der Wirklichkeit. 

Es folgt dem Vorbild niemand 

Brüssel kann noch so viele Pläne zur Errichtung eines Weltreiches vorlegen, sie alle scheitern am Unvermögen, 27 Staaten mit widerstreitenden Interessen auf einen Weg zu zwingen. Berlin kann noch so oft versuchen, durch Dulden, Leiden und demonstrative Zurückhaltung ein Beispiel dafür zu geben, wie sich eigene Interessen zum eigenen Schaden hinter die der Gemeinschaft zurückstellen lassen. Es folgt dem Vorbild niemand. Und Paris? Mehrfach hatte der französische Präsident versucht, Europa mit kernigen Reden aufzuwecken und unter der Trikolore zu versammeln. Seit Napoleon aber misstrauen die meisten Europäer französischer Führung. Dann lieber doch Amerika.

Für Trump ist dieser Nato-Gipfel ein Sieg auf ganzer Linie noch ehe er richtig begonnen hat. Das Abschlusspapier, das am Ende der sogenannten "Beratungen" veröffentlicht werden wird, ist glücklich vorab vereinbart. Alle früheren Streitpunkte sind ausgeräumt - Europa hat sich mit allem einverstanden erklärt, was Washington fordert. Rund um das Schloss des niederländischen Königs, in das Galadinner zum Auftakt stattfand, kursieren Gerüchte, dass die Europäer Trump im Ernstfall auch Menschenopfer gebracht hätten. Und selbstverständlich hätte ihm nach alter europäischer Tradition das "Ius primae noctis" zugestanden, wären von seinem Team entsprechende Wünsche geäußert worden.

Völkerrecht hin, Völkerrecht her 

Trump macht beim Nato-Gipfel kurzen Prozess mit der Illusion der Europäer, beim Militärbündnis handele es sich um eine Versammlung von Mitgliedern, die unterschiedliche Rollen spielen, verschieden hohe Beiträge zahlen, aber dessen ungeachtet gleiche Rechte haben. Vom Völkerrecht war vorab viel die Rede, vor allem in Deutschland, der einmal mehr am schlimmsten betroffenen Region. Statt die EU ein weiteres Jahrzehnt geduldig mit Teheran verhandeln zu lassen, während die Mullahs an ihrer Atombombe bauen, hatte Trump Bomber geschickt und dem Spuk ein - zumindest vorläufiges - Ende gemacht. Ob er das durfte, ob er das hätte wollen sollen, wen er hätte fragen müssen und wieso die gesamte europäische Wertegemeinschaft nicht einen einzigen solchen Bomber besitzt? 

All diese Fragen wurden mit Leidenschaft diskutiert, ehe Schadenfreude aufkam: Trumps mit "shock and awe" herbeigebombter Waffenstillstand halte ja nun gar nicht, freuten sie sich in der ARD. Trump wolle mit dem Auslandseinsatz von B-2 und GBU-57 von seiner schlimmen Gesamtbilanz ablenken. Nicht einmal den Krieg in der Ukraine habe er wie versprochen nach 24 Stunden beendet. Und der Zollstreit mit der EU sei auch noch nicht beigelegt, weshalb die Geldanleger die USA in Scharen fliehen und vor den "erratischen Kurswechseln Trumps" (Tagesspiegel) Zuflucht suchen im sicheren Hafen Europa.

Gefolgsleute im Gebüsch 

Kaum hatte der US-Präsident seinen kurzen Krieg mit dem Iran gewonnen, versammelten sich die Gefolgsleute wider Willen hinter ihm. Aus dem Gebüsch, in das sie sich zuvor geschlagen hatten, warnten Merz, Macron und Starmer Teheran, jetzt bloß keine "weiteren Maßnahmen zu ergreifen, die die Region destabilisieren könnten". Sonst nämlich. Die einstigen Weltmächte, in den Tagen vor der gefürchteten "Eskalation" (Tagesschau) als irrelevante Zaungäste der Weltkriegsspiele enttarnt, sehen nur einen Weg aus der Bredouille: Der Iran müsse "Verhandlungen über ein Abkommen aufnehmen, das alle Bedenken zu seinem Atomprogramm ausräumt".

Mit wem, worüber und wo der Unterschied läge zu den augenscheinlich völlig ergebnislosen Verhandlungen, die zum von der EU vermittelten großen Iran-Deal führten, den Teheran insgeheim zur Tarnung seines Atomprogrammes nutzte, beschrieben der Bundeskanzler, der Präsident und der Premierminister nicht. Ihre Erklärung diente einzig dem Zweck, im Nachhinein in eine Art Alliiertenkostüm zu schlüpfen: Kein Applaus für Trump, da ist doch zu viel Völkerrecht im Spiel. Aber doch irgendwie gut, dass er so entschlossen gehandelt hat.

Der Kampf geht weiter 

Es sind die deutschen Medien, die noch nicht aus ihrer in den vergangenen zehn Jahren antrainierten Rolle fallen wollen. Seit 2015, als die Wahrscheinlichkeit aufschimmerte, dass Donald Trump eines Tages mehr sein könnte als ein protziger Immobilienmilliardär und Showmaster mit überaus ungewöhnlichen Angewohnheiten, hängt der 79-Jährige als Zielscheibe des Volkszorns der schreibenden Zunft in sämtlichen Redaktionen. Sie haben ihn dafür gehasst, dass er als Präsidentschaftskandidat antrat, dass er die Vorwahlen seiner Partei gewann, dass er bei den Wahlen zweimal siegte und überhaupt. 

Jetzt fürchten sie ihn in einem so hohen Maße, dass die theatralisch übertriebenen  Unterwerfungsgesten der eigenen Obrigkeit nicht einmal wahrgenommen werden. Stattdessen wird nach Haaren in der Suppe gesucht, nach gebrochenen Versprechen und zurückgezogenen Zusagen. Geht es nach den deutschen Leitmedien, hat Trump im Nahen Osten einerseits ausschließlich aus innenpolitischen Gründen interveniert. Andererseits hat er sich damit schwere Probleme mit dem pazifistischen und isolationistischen Teil seiner Maga-Bewegung eingebrockt, so dass er das alles in Bälde noch bereuen wird. 

Der wahre Endgegner 

Ganze Divisionen von Militär- und Strategieexperten marschieren durch deutsche Fernsehstudios, um zu erklären, wie das alles richtig hätte gemacht werden müssen, wie vernünftig und im Einklang mit dem Völkerrecht zu erledigen gewesen wäre. 

Kein Zweifel besteht daran, wer der wahre Endgegner der Redaktionen bleibt: Unverkennbar ist die klammheimliche Freude über Nachrichten, nach denen das Atomprogramm der Mullahs nur "verzögert, nicht zerstört" sei. Ruttes Brief an Trump, der den US-Präsidenten gnädig stimmen sollte, wird zum neuen Beweis dafür, dass Trump nicht zu trauen ist. "Europa wird auf GROSSE Art und Weise Geld ausgeben, so wie es sein sollte, und das wird Dein Sieg sein", hatte Rutte dem Präsidenten geschrieben, um keine Zweifel daran zu lassen, dass in Den Haag alles für ein Wunschkonzert vorbereitet ist.

Weniger interessant scheint deutschen Medien dagegen die Analyse der Gründe zu sein, die zur dramatischen Kehrtwende der Europäer bei den Rüstungsausgaben geführt haben. Der Ukrainekrieg, das liegt auf der Hand, war es nicht: Der lief drei lange Jahre, in denen sich die europäischen Nato-Mitglieder trotzig gegen jede Überlegung wehrten, dauerhaft mit höheren Rüstungsausgaben und Wehretats auf die veränderte Situation zu reagieren. Der Nahe Osten war es auch nicht, der alles änderte. Die Drecksarbeit dort, so ist es abgesprochen und so hat es Friedrich Merz eben erst bestätigt, erledigt Israel.

Bereitwillig und dienstbar geben sich die Führungskräfte des alten Europa seit dem Besuch des ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus. Im März hatten Trump und Vance den Trittbrettfahrern der militärischen Stärke der USA drastisch klarmachten, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Kein Schutzschirm mehr ohne Gegenleistung. Kein Trittbrettfahren mehr für Verbündete, deren Führer es sich zur Methode gemacht haben, Amerika zu belehren, den amerikanischen Präsidenten einen "Hassprediger" oder "Irren" zu nennen und seine Vorschläge und Forderungen etwa beim Zwei-Prozent-Ziel der Nato oder zum Abbau gegenseitiger Zölle ins Leere alufen zu lassen. 

Angela Merkel musste sich vor sieben Jahren vor ihrem Haus- und Hoffotografen wie eine Feldherrin inszenieren, um den Eindruck zu erwecken, Deutschland habe Trump etwas zu sagen. Trump braucht solche Bilder nicht. Die Ergebnisse erzählen die ganze Geschichte. 


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Trump spielt vielleicht kein 5D-Schach, aber er bombt den König um, während die Spieler in Europa über den ersten Zug abstimmen.