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Deutscher Stahl hat seine besten Zeiten hinter sich. Aber die Erfolge geben der Strategie recht. |
Sie sollte zäh wie Windhunde sein, hart wie Leder und flink wie Kruppstahl, die deutsche Stahlindustrie der Zukunft. Geschmolzen mit klimafreundlicher Energie, ausstoßfrei im Abgang und in der Anlassfarbe grün ausgeliefert, war die alte Montanbranche auserkoren, die traditionellen Hochburgen der Schwerindustrie weitere Jahrhunderte lang mit Wohlstand aus dem Hochofen zu versorgen. Zudem sollte der an der großen Klimawende zunehmend zweifelnden Welt ein leuchtendes Beispiel gegeben werden, wie sich wettbewerbsfähiger Stahl mit Hilfe eines Energieträgers schmelzen lässt, der fünfmal teurer ist als der, den die Konkurrenz benutzt.
Billig schon gar nicht
Einfach würde es nicht werden und billig schon gar nicht. Wasserstoff aus Überstrom, wie ihn die deutschen Wind- und Solaranlagen produzieren, ist drei bis fünfmal teurer als Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird. Der wiederum ist deutlich teurer als Erdgas selbst. Eine Menge Gründe, warum die bereits im Jahre 2006 von Angela Merkel gegründete "NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" so erfolglos blieb, dass sie 2021 ihre Aufgabenbezeichnung verlor und seitdem als NOW Gmbh für alle "emissionsfreien Technologien in einem integrierten Energiesystem" zuständig ist.
Der Traum vom grünen, klimaneutralen Wasserstoff, dem "Champagner der Energiewende", lebte fort. 300.000 Euro im Jahr ließen sich die Bundesregierungen aller Farbspiele allein die Geschäftsführergehälter der Now-Chefs kosten. Dazu kommen inzwischen rund 200 Mitarbeiter, darunter Ingenieurtechnik-, Geografie-, Betriebswirtschafts-, Politik-, Sozial- und Kommunikationswissenschaftsexperten, "die Aufträge von Bundesministerien zur Umsetzung und Koordination von Förderprogrammen im Bereich nachhaltige Mobilität und Energieversorgung" annehmen. Wasserstoff sichert hier bereits viele gute Jobs: Vor fünf Jahren musste Now noch mit schmalen 30 Mitarbeitern auskommen.
Der interessanteste Energieträger
Aber die Erfolge geben der Strategie recht. Der "vielleicht interessanteste Energieträger" (Merkel, 2006), umweltfreundlich herstellbar, umweltfreundlich nutzbar, ein Segen ohne jede Einschränkung, der Energie speichern kann wie ein Netz und mit kostenlosem Abfallstrom gefüttert wird wie das DDR-Schwein mit Essensresten aus der Specki-Tonne, erlebte in den Ampel-Jahren ein fantastisches Comeback. Nicht das Netz würde der Speicher sein, sondern H2. Ein flüchtiger, hochexplosiver Stoff, dessen niedriger Wirkungsgrad durch die vorgesehene mehrfache Umwandlung von Strom in Gas, Gas in anderes Gas und Gas in Strom ihn für große Aufgaben prädestinierte.
Robert Habeck war da sehr entschieden. "Das Gas soll eine zentrale Rolle in der nichtfossilen Zukunft spielen – als chemischer Grundstoff etwa in der Stahlindustrie, als klimaneutrale Energiequelle und als Speichermedium" (Taz). Persönlich drehte der Minister 2023 einen "Wasserstoff-Hahn" (n-tv) auf. Ein Signal an die Schwerindustrie, jetzt aber mal schnell "eine echte Wasserstoffwirtschaft aufzubauen". Getreu dem alten Kinderlied: "Ein Mops kam in die Küche / und Stalin kocht ein Ei". Koste es, was es wolle.
Aus dem Fenster
Es würde nicht das Geld der Unternehmen sein, das aus dem Fenster geworfen wird. Mit Milliarden versprachen Bund und Länder den Auf- und Umbau neuer Netze zu fördern. Ein erster Meilenstein war erreicht, als die Bundesnetzagentur im Herbst kurz vor Ampelende den Bau des deutschlandweiten Wasserstoff-Kernnetzes genehmigte. Bis 2032, so viel war klar, würde mitten in Deutschland das "größte" und absolut einzige Wasserstoffnetz Europas entstehen - ein "wichtiger Pfeiler des klimaneutralen Energiesystems der Zukunft", wie die Vereinigung der Fernleitungsbetreiber den anstehenden "Markthochlauf" im Rahmen der "nationalen Wasserstoffstrategie" (Bundesnetzagentur) euphorisch begrüßte.
Doch der Kobold liegt im Detail. Das Energiewunder aus dem Reststrom, dessen Hersteller angeblich keine Rechnung schreiben, sollte Wohnungen heizen und die Industrie antreiben, Stahl kochen und Braunkohle- wie Kernkraftwerke ersetzen. Doch genau betrachtet rechnet sich das für niemanden: Die, die den Wasserstoff verbrauchen sollen, könnten ihn gar nicht bezahlen. Und die, die ihn liefern müssten, haben keine Ahnung, woher sie die benötigten Mengen beziehen sollten.
Arbeitsgruppe mit Indien
Eine gemeinsame Roadmap mit Indien, abgeschlossen in der Abenddämmerung der Ampel, um den internationalen Hochlauf von grünem Wasserstoff voranzutreiben und den Champagner "langfristig wirtschaftlich rentabel" zu machen, hatte ihre Schlagzeilen. Doch danach war nie wieder von der "dauerhaften Arbeitsgruppe für grünen Wasserstoff im Rahmen der bestehenden deutsch-indischen Energiepartnerschaft" zu hören. Das Projekt Indo-German Energy Forum (IGEF) lauf Homepage bis Ende 2024. Ein offizielles Begräbnis gab es nicht, dafür eine "Felicitation Ceremony" honouring exceptional women who are driving real change in innovation, leadership, and impact.
Mit den Grünen gingen die eifrigsten Verfechter einer Technologie, die im Angesicht ohnehin hoher Energiepreise in Deutschland versprach, alles noch viel teurer zu machen. Ein Kilogramm Flüssigerdgas kostet heute 85 Cent, ein Kilo grauer Wasserstoff weniger als drei Euro, grüner Wasserstoff fünf. Die lange Herstellungskette berücksichtigt, liegt der Wirkungsgrad des Hoffnungsträgers nicht weit über dem einer - in der EU verbotenen - herkömmlichen Glühbirne.
Restenergie zur Nutzung
Bei der Umwandlung der elektrischen Energie in Wasserstoff geht ein erstes Drittel der Energie verloren, bei der nächsten Umwandlung, wenn der grüne Wasserstoff verwendet wird, um daraus Strom zu machen, geht ein weiteres Drittel verloren. verschwindet ein weiteres Drittel. 80 Prozent der Energie, die ursprünglich da waren, gehen ungenutzt verloren. Nur 20 Prozent bleiben, um Stahl zu schmelzen, einen Bus anzutreiben oder eine Wohnung zu heizen.
Dem indischen Stahlriesen ArcelorMittal sind das keine vielversprechenden Aussichten mehr. Vor einem Jahr noch hatte Robert Habeck der Unternehmensführung feierlich einen Förderbescheid über 1,3 Milliarden Euro überreicht, mit dem das "vierte große Projekt zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie durchstarten" (Habeck) sollte. Der "Meilenstein bei der Transformation unserer Industrie" zeige, sende "das klare Signal: Klimaschutz, Industrie und Arbeitsplätze können gemeinsam gelingen!", freute sich der Klimawirtschaftsminister über den Einstieg in die "Transformation der Stahlhersteller als die größten CO2-Emmitenten im Land zur CO2-Neutralität".
Riesiger Beitrag zum Klimaschutz
Ein "riesiger Beitrag zum Klimaschutz", der inzwischen verspricht, noch viel größer zu werden. Die Familie Mittal rechnete die Aussichten noch einmal durch. Und kam nicht allzu überraschenderweise zum Schluss, dass es keine Aussicht auf Profitabilität eines Versuches gibt, mit umweltfreundlich produzierten Stahl auf dem Weltmarkt zu bestehen. Eine CO2-reduzierte Stahlproduktion, wie sie für die beiden Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt geplant gewesen sei, rechnet sich nicht einmal, wenn der deutsche Steuerzahler mehr als die Hälfte der Investitionskosten übernimmt.
Die beiden ArcelorMittal-Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt werden nun doch nicht auf klimaneutrale Wasserstofftechnologie umgerüstet. "Die Rahmenbedingungen ermöglichen aus unserer Sicht kein belastbares und überlebensfähiges Geschäftsmodell", erklärte Reiner Blaschek, Chef der europäischen Flachstahlsparte von ArcelorMittal. Wegen der hohen Produktionskosten und der wachsenden Konkurrenz durch chinesische Stahlkocher plant der zweitgrößte Stahlhersteller der Welt vielmehr die Verlagerung einiger seiner europäischen Geschäftsbereiche nach Indien.
Für Deutschland ein Glücksfall
Für Deutschland ein Glücksfall. Zwar beteuern die drei anderen großen deutschen Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel, Salzgitter und die Stahl-Holding-Saar (SHS) störrisch, sie würden den "eingeschlagenen Weg der Transformation hin zur Produktion von CO2-reduziertem Stahl" fortsetzen: Die Börsenkurse der früheren Weltkonzerne allerdings versprechen, dass es dazu nicht kommen wird. Thyssenkrupp erwirtschaftete im letzten Geschäftsjahr einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro gemacht, Salzgitter 300 Millionen und Saarstahl kam laut des letzten Geschäftsberichtes im Jahr 2023 auf minus 75 Millionen.
Deutlich höher ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland seine größten CO2-Erzeuger trotz des neuen "Stahl-Bosses" (Bild) Heiko Maas in Kürze ganz los ist. Entsprechende Überlegungen hat Grünen-Chef Felix Banaszak schon öffentlich gemacht. Der neue Kurs der Grünen soll härter zufassen und klarer kommunizieren. "Wer von der Zerstörung des Klimas profitiert und bislang kaum an den Kosten beteiligt war, muss in die Verantwortung gezogen werden", kündigte der Eckkneipengänger in der Süddeutschen Zeitung klare Kante gegen Konzerne "mit fossilen Geschäftsmodellen und immensen Gewinnen" an.
Konturierter und schärfer
Glück für die Stahlkocher, dass sie keine haben und absehbar nie wieder welche haben werden. Banaszak distanzierte sich damit erneut deutlich vom Kurs des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck, der das Thema Klimaschutz im Bundestags-Wahlkampf aus Furcht vor den Wählern kaum mher erwähnt hatte.
Banaszak will die Grünen wieder "konturierter, schärfer" auf industriellen Rückbau ausrichten und um unweigerlich auftretende höhere Belastungen nicht mehr herumreden. Seine Partei dürfe keine Angst davor haben, "mit der ehrlichen Benennung der ökologischen Wirklichkeit Menschen zu verprellen", sagte der Grünen-Chef. Man müsse sich nicht zwischen inhaltlicher Klarheit und breiten Mehrheiten entscheiden.
Das Geld ist noch da
Die Mehrheiten sind für den Moment ohnehin utopisch, der Wunsch, mit Wasserstoff und Überstrom Volkspartei zu werden, wird mit jedem abgesagte Großprojekt und jeder aufgegebenen "Keimzelle für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft" unerreichbarer.
Das Gute daran: Die 1,3 Milliarden Fördermittel sind diesmal noch da, die übrigen 4,3 Milliarden, die Salzgitter Thyssenkrupp und SHS zugesagt bekommen haben, noch nicht verbaut. Wenn ArcelorMittal seine deutschen Werke schlösse, profitiert das Weltklima mehr als teuren Umstellung aus emissionsfreien Stahl. Schließen sich die drei anderen Unternehmen an, fiele der Effekt noch größer aus. Frei werdende Fachkräfte könnten dann nach dem Vorbild der freiwerdenden Mitarbeiter der großen Autokonzerne in die Rüstungsindustrie wechseln.
1 Kommentar:
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte am Donnerstag gesagt, die Landesregierung unternehme alles, um zusammen mit den Beschäftigten, dem Bürgermeister, dem Unternehmen sowie allen Beteiligten die Arbeitsplätze im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt zu schützen.
Er könne die Entscheidung der Konzernspitze nachvollziehen, sagte Betriebsratschef Vogeler. Das Projekt hätte nicht funktioniert. Der Umbau zum „grünen“ Stahl sei aber nicht abgesagt. „Wir müssen einen anderen Weg finden und eine andere Zeitschiene.“ Die Bundesregierung müsse aktiv werden, damit die deutsche Stahlindustrie überleben könne.
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Dann kannste die Hütte gleich in die Altmetalltonne treten, wenn die solche Betriebesräte haben. Dumm wie Stulle und dann noch vergessen, daß der beste deutsche Physiker aller Zeiten seit gut drei Jahren auf Pensionsphysik macht und nur noch Beiträge zur zeit liefert, wenn man dem Nachnachfolger ins Schienbein treten kann.
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