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Lars Klingbeil beklatscht die Aufrüstungsforderung von Trump. |
Es gibt keine Wahrheit in der Politik, die nicht veränderbar ist. Es gibt keine festen Positionen, keine stabilen Überzeugungen, keine Sturheit, die ungeachtet brausender Gegenwinde darauf beharrt, trotzdem recht zu haben, wenn alle anderen anderer Ansicht sind. Politik ist menschliche Mechanik, bei der unendlich viele bewegliche Teile miteinander interagieren, damit die Maschine reibungslos läuft. Prinzipien sind der Sand im Getriebe der Machtturbinen. Was gerade noch Grundkonsens war, kann einen Moment später schon kriminell sein. Und andersherum.
Rüstung gegen Renten
Als die Union vor sieben Jahren öffentlich erkennen ließ, dass sie ihren Widerstand gegen Forderungen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump nach höheren deutschen Rüstungsausgaben aufgeben könnte, wenn sie müsste, war die SPD-Führung sofort auf den Barrikaden. "Die Union beklatscht die Aufrüstungsforderungen von Trump", schoss die ehemalige Arbeiterpartei mit scharfem Geschütz. Und eingedenk ihrer neuen Zielgruppe - die Älteren vor allem - verband der Vorstand der Partei den Vorwurf umgehend mit dem, CDU und CSU wollten aber "nichts für langfristig stabile Renten in Deutschland tun".
Den Zusammenhang herzustellen, war tatsächlich "absurd". Ähnlich naheliegend wäre es gewesen, die Erfüllung des magischen Zwei-Prozent-Zieles der Nato - 2002 vom SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder mitbeschlossen und unterschrieben - unter den Vorbehalt eines höheren Mindestlohnes, höherer Rundfunkbeiträge oder einer zuvor zwingend nötigen Erreichung aller Klimaziele zu stellen.
Die Macht, Prioritäten zu setzen
In der Politik gibt es keine Ziele, die nicht von anderen abhängen. Aber nur die Politik hat die Macht, Prioritäten zu setzen. Sie tut das in der Regel, indem sogenannte Säue durchs Dorf getrieben werden: Heute dies, morgen das, mal Klia, mal Migration, mal Messer, mal Terror, mal Schulden, mal die Wirtschaft, mal die Rechten.
Irgendwas ist immer, aber nie ist es so wichtig, dass es übermorgen noch Bedeutung hat. In den meisten Fällen geht alles hier rein und da raus. Nach Berechnungen von Medienwissenschaftlern verpassen Auslandsurlauber, die zwei Wochen eine "Tagesschau" sehen, exakt 1,57 sogenannte Themenwellen. Wer günstig fliegt und am richtigen Tag zurückkehrt, kommt um komplette zwei Aufregungswallungen herum.
Speerspitze der Technik-Revolution
Unversehens ändern sich unterwegs durch die Zeit Ansichten, ohne dass es dazu einer Einsicht bedarf. Legendär ist der Wandel der Grünen von der Partei, die selbst die betuliche ISDN-Technik ablehnte, zu einer Organisation, die sich als Speerspitze der technischen Revolution sieht. Dieselbe Partei lehnt Gene derzeit zwar noch ab, aber in fünf, zehn oder 15 Jahren wird sich auch das geändert haben müssen, wenn die Schoneinmalbeinahevolkspartei dann noch mitreden will.
Problematisch wäre eine Räumung der angestammten Position für eine grüne Parteiführung nicht. Abgesehen von der Ablehnung des Atoms als solchem, zumindest so lange es auf deutschem Boden gespaltet wird, steht Grün Jahrgang 2025 komplett für Gegenteil dessen, was Grün 1995 für alternativlos hielt.
An die Merkel-Wurzel
Da geht es den Menschen wie den Leuten, denn so schwer sich die CDU damit tut, sich die Merkel-Wurzel auszureißen, so eifrig ist sie bemüht, öffentlich möglichst eifrig zu jäten. Wir schaffen das. Dann ist das nicht mehr mein Land. Das freundliche Gesicht. Alles muss raus, und keiner darf mehr rein. Rein symbolisch. Die Beliebtheitswerte des Kanzlers steigen, die Umfragezahlen der Partei klettern hinterher. Richtiger kann niemand regieren und raffinierter kein Neuanfang inszeniert werden.
Bloß keine Fehlerdiskussion. Der Einzug in neue Stellungen wird nicht erklärt, weil dazu manche überraschende Volte aus der Vergangenheit noch einmal auf die Bühne müsste. Besser ist es, komplett neu anzufangen. Gestern war es so richtig, dabei bliebt es auch, aber das haben alle ohne vergessen. Heute ist es aber alles so zu sehen: "Wenn es heißt 3,5 Prozent, dann machen wir 3,5 Prozent", hat Lars Klingbeil die Aufrüstungsforderung von Trump beklatscht.
Frieden war die Antwort
Der heutige Chef der deutschen Sozialdemokratie war 2018 Generalsekretär der Partei, die die Ablehnung des Nato-Zieles seinerzeit als eines ihrer essentials betrachtete. Russland stand seit vier Jahren auf der Krim, das Nato-Ziel war noch sechs Jahre und eine Verdopplung der Militärausgaben entfernt. Führende Sozialdemokraten tingelten als Friedensengel durch die Lande und schworen, die europäische Idee sei die "Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart" und mit Europa werde es quasi automatisch "mehr Frieden in der Welt" geben.
Eine der damals aktiven Realpolitiker sind abgetreten, andere in hübschen neuen Ämtern geparkt worden. Die meisten der Protagonisten aber sind noch da, nur seit der Zeitenwende und dem Tag, an dem Trump die Instrumente auf den Tisch legte, in einem neuen Kostüm, ganz olivgrün. Das trägt man jetzt bei Hofe, das macht sich gut nach außen hin. Nur wer sich anpasst, bleibt sich treu und an der Macht, denn es gibt keine Wahrheit in der Politik, die nicht veränderbar ist. Und keinen Politiker, der sich bei der Wahl zwischen Prinzipien und einer Position für erstere entscheidet.
4 Kommentare:
<<< Er (Khomeini) überwand dadurch den vorher weit verbreiteten Quietismus vieler Schiiten, demzufolge das Erscheinen des Imam-Mahdi nicht durch Menschenwerk (d. h. durch die Politik) beschleunigt werden könne. >>> (Bei Danisch)
Bei der, ebenfalls vorhautlosen, Konkurrenz sind auch welche, und zwar schon länger, derart unterwegs, dass man das Erscheinen des Erlösus* aktiv beschleunigen könne - und müsse. Die stramm Orthodoxen wiederum halten dieses, Jahwe sei Dank, für sündhaft.
*Dann wird jeder Jodler 1650 (so etwa, aus dem Gedächtnis, geraten) Sklaven haben - das sind wir(!) - der Rest kann weg.
Bartolomäus Blödmann: "Trotz der Zusammensetzung der Netanjahu-Regierung aus Extremisten und religiösen Fanatikern ..."
Man bloß gut, dass dahingegen die iranische Führung aus höchst weisen Priestern besteht.
<<< Die Beliebtheitswerte des Kanzlers steigen, die Umfragezahlen der Partei klettern hinterher. >>>
Das glaube ich gerne: Wen die "Medien" preisen, dem huldigt der Pöbel mit feuchtblanken Augen, und sei es der P-Pianist. Wen sie aber schmähen, verdammt der mündige Bürger (har, har) in den tiefsten Tartaros. Dreht seine "Meinung" aber auch in kürzester Zeit um 180° - und zurück.
In der Schule hier lernen die Kinder, wie man einen Bogen mit Pfeil und eine Armbrust baut. Natürlich nur kleine Prinzipstudien mit Wollfaden als Sehne. Trotzdem nett nach Jahrzehnten mit den pazifistischen Kreischweibern auf allen Kanälen.
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