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Den Moment der Befreiung, in dem Klingbeil, Merz und Dobrindt mit dem fertigen 80-Punkte-Plan beschwingt vor die Weltpresse traten, hat der junge Maler Kümram mit spitzem Stift festgehalten. |
Jetzt geht die Party richtig los! Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Minister waren noch gar nicht richtig zurück aus der Berliner Villa Vino, wo sich die verkrachten Koalitionäre noch einmal das Ehrenwort gegeben hatten, Deutschland ab jetzt doch zu retten, da hagelte es eine gute Nachricht. Seit der offiziellen Ankündigung der "Made for Germany"-Initiative der neuen Deutschland AG haben sich 44 weitere Unternehmen dem Vorhaben angeschlossen, mit Milliarden die von der "KleiKo" (Felix Banaszak) anvisierte Merzens "Wirtschaftswende" in Gang zu bringen.
Immer mehr Milliarden
Aus 631 frischen Milliarden innerhalb von drei Jahren sollen jetzt sogar 735 Milliarden werden, knapp 135 Milliarden weniger als Friedrich Merz am Freitag noch angekündigt hatte. Dafür aber ist die Zahl der Mitmach-Firmen von "mehr als 61" im Sommer auf genau 105 gestiegen. Sie alle setzen mit einer Erklärung ein deutliches Zeichen: "Wir stehen zum Standort, wir ziehen kein Kapital ab, sondern investieren und gestalten damit aktiv die Zukunft Deutschlands".
Ein Silberstreif am düsteren Stimmungshorizont, den Vizekanzler Lars Klingbeil für die Malaise der prekären Gesamtlage verantwortlich macht. "Im Prinzip ist unser Hauptgegner die Laune", hatte der SPD-Chef den Teilnehmern der Klausurtagung mitgeteilt. Wichtig sei jetzt - nach der Zeitwende - ein Kulturwandel weg von der "negativistischen Haltung" , die von politischen Gegnern "wie der AfD" instrumentalisiert werde.
Schluss damit. Neuanfang. Es ist bereits der dritte einer Koalition, die sich erst nach der malerischen Pleite um die geplante und dann geplatzte Wahl der Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin hatte zusammenraufen müssen. Aber jetzt geht`s los. Ein Masterplan ist es diesmal. Eine Neustart-Strategie. Friedrich Merz bescheinigte seiner schwarz-roten Mannschaft zum Neustart eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Man sei einander auch menschlich nähergekommen.
Sehr, sehr, sehr, sehr
"Wir haben es wirklich in den letzten Monaten geschafft, eine sehr, sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Arbeitsatmosphäre in dieser Koalition zu schaffen", sagte der CDU-Chef nach der Kabinettsklausur im Norden von Berlin. Nachdem erst ein Achtel der Legislaturperiode verstrichen ist, muss das optimistisch stimmen. Merz jedenfalls trat demonstrativ "sehr zuversichtlich" auf, "dass die uns gestellten Aufgaben gelöst werden können."
Immerhin: Der Kanzler "sieht" jetzt die "die Probleme der Wirtschaft" und er hat den Anspruch formuliert, "hier wieder an die Spitze zu kommen". Wie ernst es die zuletzt bei den Kommunalwahlen in NRW abgestraften früheren Volksparteien meinen, zeigt der "80-Punkte-Plan für einen modernen Staat" (ZDF), auf den sich das Kabinett geeinigt hat. 80, das ist neuer deutscher Rekord bei Punkteplänen, die lange mit zehn Anstrichen auskamen, ehe die galoppierende Inflation zuletzt auch hier zuschlug und die Anzahl der Punkte auf zwölf, 14 und sogar 26 trieb.
Modern oder moderner
"Etwa" (Stern) 80 Maßnahmen für einen "moderneren" (Stern) Staat aber ist eine Hausnummer. Niemals zuvor hatte eine Bundesregierung die Zentralisierung der Online-Zulassung versprochen, die in so vielen Wahlkampfveranstaltungen von unzähligen Bürgerinnen und Bürger gefordert worden war. Keine frühere Koalition hatte sich gewagt, nach dem vielen zivilgesellschaftlichen Meldeportalen, über deren Schnittstellen Hetze, Hass und Zweifel direkt an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden können, endlich auch ein Bürokratiemeldeportal einzurichten, über das Bürger sogenannte "Verbesserungsvorschläge" machen können sollen.
Mer, Klingbeil und ihre Kollegen gehen angesichts mauer Zustimmungswerte in der Bevölkerung und eines weiter schwindenden Vertrauens in ihre Retterfähigkeiten aber noch weiter. Geradezu rebellisch wirkt die Ankündigung, EU-Recht demnächst nur noch wörtlich umsetzen zu wollen - statt wie bisher immer noch ein paar ehrgeizigere Regeln und strengere Vorgaben in die entsprechenden Gesetze zu packen.
Die EU hat Friedrich Merz ohnehin als Zielscheibe ausgemacht, die zu treffen draußen im Land stets mit Applaus belohnt wird. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst hatte zwar vor Monaten schon angekündigt, den Kampf gegen die von ihrem Haus produzierte Bürokratie künftig ebenso ernst zu nehmen wie die gegen Russland und das Klima.
Doch Friedrich Merz reicht das nicht. Der CDU-Chef, der im EU-Rat allen EU-Regeln zustimmen muss, prangerte eine "zu hohe Regulierungsdichte" an. Es könne so nicht weitergehen. "Es ist einfach zu viel", sagte Merz, der klipp und klar "grundlegende Korrekturen" forderte, ohne sich jetzt schon in Einzelheiten zu ergehen. Beim Gipfel wird alles besprochen. Beschlüsse sollen dann in den kommenden Monaten fallen, in aller Ruhe, mit Augenmaß.
Wie genau man sich das vorstellen muss, zeugt die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Idee, zwar nicht wie anfangs zugesagt Überstunden-, aber Überstundenzuschläge steuerfrei zu stellen. "Der versprochene Steuervorteil für Fleißige wackelt", mittlerweile sieht es so aus, als platze der große Plan "Mehrarbeit soll Freude machen" (FAZ).
Neues Meldeportal
Deutschland wird voranschreiten, sobald die Bürgerinnen und Bürger über das neue Meldeportal überbürokratische Regelungen anzeigen. Eine noch zu gründende Bundesbürokratiebekämpfungsbehörde (BBB) - Städte können sich ab sofort am Ansiedlungswettbewerb beteiligen - wird der bisher noch von jeder Bundesregierung seit Ludwig Erhard versprochenen Entbürokratisierung Schwung verleihen. "Bürokratieabbau ist keine Ankündigung mehr, sondern Wirklichkeit", hatte die CDU vor zwei Monaten noch einmal bekräftigt, was Friedrich Merz im Wahlkampf nicht müde wurde zu betonen: "Weniger Ankündigungen, mehr Umsetzung! Zeigen, dass Bürokratieabbau kein Randthema ist, bei dem weiterhin nichts als Kritiküben geschieht! Der Staat muss bei sich selbst anfangen, denn gerade hier liegt der Schlüssel zu einem funktionierenden Staat.
Neue Ämter gegen die Bürokratie
Gemeinsam mit dem Bundesbürokratieabbauzentralamt (BBABZA), das bereits im kommenden Jahr den Wirkbetrieb aufnehmen soll, hoffen CDU, CSU und SPD, dass die deutsche Wirtschaft kräftig spart. "Dazu gehört zuallererst, dass wir die überbordende europäische Bürokratie in den Griff bekommen und substanziell zurückbauen", hatte Merz im Januar noch in seiner Merzmail betont. Derzeit verlören allein deutsche Unternehmen jährlich 146 Milliarden Euro durch ineffiziente Verwaltungsprozesse. Aber Schulter an Schulter mit von der Leyen gehe er "jetzt konsequent diesen Weg" und "mit Nachdruck gegen übermäßige Bürokratie vor".
Zehn Monate später wird es langsam, ganz langsam ernst. Noch ist nicht von einem Bürokratiegipfel die Rede, aber mit der "Bürokratiebremse" hat die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin die One-in-one-out-Regel von 2015 wiederentdeckt. Damals hatte Kanzlerin Angela Merkel bereits einmal entdeckt, dass das Thema Wettbewerbsfähigkeit kein ganz nebensächliches mehr ist. Kurzentschlossen verkündete sich damals die sogenannte 1 : 1 - Umsetzungen von EU-Vorgaben: EU-Recht werde künftig nur noch wörtlich umgesetzt, statt wie
bis dahin immer noch ein paar ehrgeizigere Regeln und strengere Vorgaben in
die entsprechenden Gesetze zu packen.
Zehn Jahre später ist Friedrich Merz schon wieder so mutig. Werden Unternehmen an einer Stelle durch eine neue Regelung belastet, wie etwa demnächst durch die neuen Vorschriften zum europaweiten Aufessenmüssen, muss es an anderer Stelle eine Entlastung geben. Eines Tages. Das erledigt dann aber wahrscheinlich schon eine andere Bundesregierung.
3 Kommentare:
80 Punkte? Warum nicht gleich 95 Thesen. Die haben ja bekanntlich funktioniert.
Die können ja damit anfangen, die Zeitumstellung abzuschaffen. Dann haben wir erstmal 'ne Weile Ruhe.
schickes Clownsfoto vons Janze
https://pbs.twimg.com/media/G2KsR7tWcAAjlvm?format=png
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