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| Ursula von der Leyen plant die Gründung eines eigenen Geheimdienstes, um Bedrohungen der EU durch Kritiker, Gegner und fremde Mächte wirksamen begegnen zu können. |
Das fehlte natürlich noch. In etlichen Bereichen, in denen ihr ursprünglich keine Kompetenz zustand, hat sich die EU-Kommission inzwischen selbst eine zugeteilt. Die Gründerväter der Gemeinschaft konnten nicht alles wissen. Sonst hätten sie dem obersten Regierungs- und Verwaltungsorgan ihres geplanten Staatenbundes sicherlich selbst schon den Auftrag erteilt, nicht nur für Wettbewerbsrecht, Handelspolitik, Zölle und die Abstimmung der Währungspolitik der Mitgliedsstaaten alleinverantwortlich zu sein.
Zusammenhalt durch Zentralisation
Zusammenhalt braucht Zentralisation. Gemeinsamkeit muss sich ausdrücken im umfassenden Ersatz einzelstaatlicher Diversität durch Planvorgaben von ganz oben. Diese Überzeugung, Einstellungsbedingung für jeden, der bei der EU arbeiten will, hält die heute noch geteilten Zuständigkeiten zwischen Staaten und EU bei Binnen- und Arbeitsmarkt, Sozialem, dem sogenannten Zusammenhalt, der Landwirtschaft, der Fischerei, bei Umwelt-, Verbraucherschutz- und Energiefragen, bei Justiz und Grundrechten und Migration und Inneres für längst überholt.
Dank der ihr zugebilligten Teilzuständigkeit in wolkig beschriebenen Bereichen wie dem "wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt" und einem gewissen "ergänzend" genannten Mitspracherecht bei Gesundheitsschutz, Bildung, Kultur und Sport, Industrie und Tourismus ist es der EU gelungen, immer weiter in unbekannte und verbotene Gefilde vorzudringen. Seit Ursula von der Leyen in Brüssel das Zepter schwingt, ist nichts mehr unmöglich im Berlaymont-Gebäude.
Eine Kommission ohne Tabus
Einer entschlossenen Riege von Kommissaren unter einer Kommissionschefin, die keine Tabus mehr kennt, gelang es der früheren deutschen Verteidigungsministerin, eine Kommission zusammenzustellen, deren Kommissare nahezu ausschließlich für Themen zuständig sind, für die EU ausdrücklich nicht zuständig ist. Eine Teresa Ribera etwa amtiert im Bereich "Sauberer, fairer und wettbewerbsfähiger Wandel", eine Henna Virkkunen hat sich für "Technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie" zuständig erklärt und ein Wopke Hoekstra ist der Chef von "Klima, Netto-Null-Emissionen und sauberes Wachstum".
In Zeiten, in denen der Russe wieder vor der Tür steht, darf die EU natürlich auch bei der Verteidigung nicht fehlen. Nach den europäischen Verträgen liegt die Zuständigkeit hier allein bei den Mitgliedstaaten, die die EU-Kommission allenfalls bei Gesprächen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) hinzuziehen können. Doch Ursula von der Leyen ist eine Frau, die Chancen erkennt und keinen Widerspruch duldet. Kaum war der Krieg im Osten in Gang gekommen, etablierte sie ihre Kommissarsrunde als Konkurrenz zu GSVP und Nato.
Die EU ist für alles zuständig, wenn sie nur will
Die EU sei jetzt zuständig für dieses bedeutsame Thema, ließ Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des früheren litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius als Kommissar für "Verteidigung und Weltraum" wissen. Sie habe einen "Fahrplan zur Wahrung des Friedens", der eine gemeinsame Aufrüstung vorsehe.
Kubilius, von dem öffentlich nicht bekannt ist, ob er den bis zur Loslösung Litauens von der Sowjetunion vorgeschriebenen Wehrdienst in der Sowjetarmee abgeleistet hat, sei berufen worden, um Europas Armeen massiv aufzurüsten und die Gemeinschaft in eine Militärmacht zu verwandeln. Aus dem einzigen Kontinent, der jemals mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, soll das "stählerne Stachelschwein" werden, von dem die EU-Chefin glaubt, es werde Putin wirksam abschrecken.
Keine Armee, aber große Pläne
Der Litauer hat für die Erfüllung seiner Aufgabe aber nicht nur keine Zuständigkeit, er hat auch kein Geld, keine Armee, keine Waffen. Abgesehen von einer mehr als 35 Jahre andauernden Funktionärskarriere, die den 69-Jährigen schon in sämtliche Parlamente und Ämter gespült hat, verfügt Kubilius - auf Deutsch "würfelförmig" - nur über das Wort als Waffe. In Zeiten, in denen der Ruf nach der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa so leise geworden wie der nach der Gründung einer EU-Armee, ist das nicht viel mehr als ein symbolischer Sieg über die Vorgaben der Verträge.
Gerade diese Strategie der fortwährenden Ausdehnung der EU-Verantwortlichkeiten aber hat Brüssel so stark gemacht wie es heute ist. Der frühere Kommissionschef Jean-Claude Juncker, ein Freund des extrem rechten Italieners Silvio Berlusconi, der bekannt geworden war für eine seltene Art Rückenschmerzen, die das Tragen von zwei Paar Schuhen gleichzeitig erforderte, hat das Erfolgsrezept auf einen Nenner gebracht. "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert", sagte Juncker bereits 1999. Wenn es dann kein großes Geschrei gebe und keine Aufstände, "weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter."
Applaus statt Protest
Statt Geschrei erntete Ursula von der Leyen für ihre Idee, dass Brüssel jetzt auch die Verteidigung der EU verantwortet, großen Applaus. Europa dürfe nicht nur aufwachen, sondern es müsse auch aufstehen, zitierte die "Tagesschau" einen Tobias Cremer, der als "außenpolitischer Sprecher der SPD im Europaparlament" niemals zuvor öffentlich in Erscheinung getreten war. Europa müsse "seine eigene Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit" herstellen. Das gehe nur über die EU.
Was soll schon passieren, wenn die europäischen Verträge von der Institution ignoriert und ausgehöhlt werden, die durch die Verträge zur Hüterin der Verträge bestimmt worden ist? Es gibt kein Ende, keine Grenze, kein langes Innehalten. Nicht einmal ein ganzes Jahr nach der Vorstellung der Kommission von der Leyen II, die der einzigartigen Tradition der verrückten EU-Kommissariatsnamen mit Ressortbezeichnungen wie "Sauberer, gerechter und wettbewerbsfähiger Übergang", "technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie" oder "Soziale Rechte und Kompetenzen, hochwertige Arbeitsplätze und Vorsorge" Highlights aufsetzte wie noch keine zuvor, geht Ursula von der Leyen den nächsten Schritt.
Ein eigener Geheimdienst
Die Europäische Kommission arbeitet an der Gründung eines eigenen Geheimdienstes. Die neue Spionage-Einheit solle direkt von der Leyen unterstellt werden, meldet die "Financial Times". Vertrauen ist gut, doch Kontrolle ist besser. Die Chefin von 440 Millionen Europäern war zuletzt schon gezwungen, sich wegen der verschärften Sicherheitslage im europäischen Stadtbild weitgehend in ihre Zimmerfluchten im 13. Stock der EU-Zentrale zurückzuziehen. Nur um ihre bedeutsamen und wegweisende Reden über die De-Priorisierung von Klimafragen, Demokratie und Sozialpolitik zu halten, verlässt die Präsidentin ihr Hauptquartier noch.
Ursula von der Leyen aber hat das Gefühl, sie dringe nicht mehr recht durch mit ihrer Politik der jähen Wendungen, die eben noch den Klimatod von Millionen beschworen hat, wenn Brüssel nicht binnen weniger Jahren Millionen Europäer zum Heizungswechsel zwingt. Und einen Moment später schon behauptet, es werde nun doch nicht das Klima sein, sondern Putin, der den übriggebliebenen Wohlstand rauben wolle. Bis hin in die eigenen Kreise muss von der Leyen inzwischen mit Kritik rechnen.
Traum von der Großmacht
Der Traum von einer Großmacht EU, die in der Weltpolitik mitreden dürfe, sei geplatzt, bescheinigte ihr Mario Draghi, als langjähriger EU-Politiker und frühere Chef der Europäischen Zentralbank einer, auf den eigentlich Verlass hätte sein sollen. Ach wirtschaftlich bescheinigte der von von der Leyen selbst beauftragte Italiener der EU eine desaströse Leistung: In Europa sei die Produktivität "schwach, sehr schwach". Über Jahre habe sich "zwischen der EU und den USA eine große Lücke im Bruttoinlandsprodukt aufgetan". Die traurige Folge sei, dass das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen sei wie in der EU. Das Zurückfallen hätten die europäischen Haushalte "in Form eines entgangenen Lebensstandards gezahlt".
So fängt es immer an, so beginnen Weltreiche zu bröckeln, bis sie schließlich unter der Last der eigenen Versäumnisse zusammenbrechen. Der neue EU-Geheimdienst - Arbeitstitel SEUI wie Secret European Union Intelligence - soll unter Leitung des Generalsekretariats der Kommission Informationen sammeln und analysieren. So will die EU ihre eigene Sicherheit stärken und besser auf Bedrohungen durch Kritik, Zweifel oder Vorwürfe durch Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, seinem Vize JD Vance oder anderen Lautsprechern der populistischen Rechten reagieren.
Ein Sieg der Gemeinsamkeit
Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung der Geheimdienstpläne liegt laut "Financial Times" noch nicht vor, auch weil die Kommission noch innere Widerstände überwinden muss. Heute schon betreibt der diplomatische Dienst der EU, eine Unit, die Auftrag des jeweiligen Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik tätig ist, das "Intelligence and Situation Centre", das als Unterdirektorat des European External Action Service (EEAS) ausschließliche zivile Aufklärungsmissionen erfüllt, die den Entscheidungsträgern der EU vor Fehlentscheidungen detaillierte Analysen liefert.
Die neue spezielle Nachrichtendienststelle hingegen werde "die Sicherheit angesichts geopolitischer Schwierigkeiten stärken", bestätigte ein EU-Sprecher der "Financial Times". Eingestellt werden sollten Beamte "aus der gesamten EU-Nachrichtendienstgemeinschaft", so dass der Datenabgleich mit den Informationen der Heimatdienste jederzeit gewährleistet werde.


4 Kommentare:
ein Gesicht-zeigen-Medium
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/anschlag-weihnachtsmarkt-prozess-verpixelung-taleb-a-medienethik-100.html
Warum der MDR das Gesicht von Taleb A. nicht zeigt
Es ist eine moralische Entscheidung
Ich will hier nicht herumabdulmosern, aber sie haben recht: So fotogen ist er nun wirklich nicht!
Auch schön das Resort von Roxana Mînzatu: Fachkräfte, Kompetenzen und Vorausschau.
Leider findet man wenig zu dem mutmaßlichen Böhmerweib, aber sie hat sicher die Kristallkugel ihrer Urgroßmutter auf dem Schreibtisch.
Deutschland will halt mal bei den Gewinnern dabei sein, wir wissen aber alle, wie das ausgehen wird ;D
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