Donnerstag, 25. Dezember 2025

Parteien des Jahres: Union der traurigen Sieger

Friedrich Merz, CDU Niederlagen, Angela Merkel Einfluss, Kramp-Karrenbauer Konrad-Adenauer-Stiftung, Merz Kanzler Pleiten, AfD Umfragezuwachs, Brandmauer AfD, Ukraine Finanzierung Russland Vermögen
Friedrich Merz schaut ein Jahr nach seinem hoffnungsfrohen Start in den Bundestagswahlkampf auf eine Kette an Enttäuschungen und Niederlagen zurück.


Das Jahr 2025 war nicht nur ein Jahr der Unsicherheit, der Neuordnung der Meinungslandschaft und der Aufkündigung alter Freundschaften. Es war auch ein Jahr der alteingesessenen Parteien, die bewiesen, dass in einer Demokratie nicht alle Stimmen gleich viel wiegen. Um die Handlungsfähigkeit des Staates in einer Zeit multipler Herausforderungen zu sichern, haben die Parteien wichtige Schritte unternommen, um ihre Position als Herz, Kopf und Gesicht der Demokratie zu festigen.  

Eine Brandmauer stärkt die innere Stabilität. Neue Allianzen über die alten ideologischen Gräben hinweg haben Vertrauen zurückgewonnen. Neue Leute reagieren mit bewährten Maßnahmen auf Veränderungen, die sie oft selbst nicht verstehen. Lager sind zerfallen. Wer eben noch Mitte war, ist heute schon rechts. Die gewachsene Bedeutung der Parteien hat die traditionelle Demokratie umgestaltet zur modernen Parteiendemokratie. 

Die liefert Democracy at its best. Parteienzentralen sind heute das Rückgrat des Systems, doch wie der Blick ins zurückliegende Jahr zeigt: Zu ihrem Besten ist das nicht.

Schöne Bescherung kurz vor der Bescherung. Als sei nicht das gesamte Jahr schon schlimmer vor den Baum gefahren als der CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler Friedrich Merz sich das in seinen bösesten Träumen hätte vorstellen können, kam es noch einmal ganz dicke. 

Erst verweigerten ihm die Franzosen die Gefolgschaft beim Mercosur-Abkommen mit Südamerika. Nur Stunden später scheiterte sein Plan, Russlands Auslandsvermögen zu nutzen, um nicht selbst neue Milliarden für die Ukraine lockermachen zu müssen. Bedröppelt stand Merz vor den Kameras, ein begossener Pudel von 1,98 Metern Länge. Und seine Feinde verhöhnten "Putins mächtigsten Gegenspieler" (n-tv) auch noch als "Leader of the free world" (Mark Schieritz).

Grüße aus der Gruft 

Und der Tag war noch nicht ganz vorbei, da ließ auch noch seine verhasste Vorgängerin Angela Merkel schön grüßen aus der Gruft. Statt seinen Kandidaten, einen Hinterbänkler namens Günter Krings, mit der Führung der parteieigenen Konrad-Adenauer-Stiftung zu betrauen, votierten die Truppen der Ex-Kanzlerin für deren Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer. Merz' Versuch, den Vorsitzenden seiner nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag zu installieren, missriet wie so viele andere Vorhaben des mit vielen Vorschusslorbeeren ins Amt gestarteten ältesten Kanzler seit Konrad Adenauer.

Die frühere Ministerpräsidentin des Saarlandes, CDU-Chefin und Verteidigungsministerin hatte sich nach der verlorenen Bundestagswahl von 2021 aus der Politik zurückgezogen, aber lange keine standesgemäße Anschlussverwendung finden können. Zuletzt musste sich die ehemalige CDU-Generalsekretärin als Beraterin der Bremer Lotto und Toto GmbH etwas dazuverdienen.

Ein Stachel in der Parteistiftung 

Für Kramp-Karrenbauer ist der neue Posten eine Rückkehr in soziale Sicherheit. Für Merz ist die neue Vorsitzende der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung eine Erinnerung an eine frühere Niederlage. 2018 hatte die deutlich jüngere Kollegin ihn in einer Kampfabstimmung um den CDU-Parteivorsitz geschlagen, und das schon im ersten Wahlgang. Für Merz eine offene Wunde. Erst drei Jahre und den glücklosen Armin Laschet später gelang es ihm, an die Spitze der Partei zu rücken und die letzte verbliebene Volkspartei der alten Bundesrepublik zu seinem Kanzlerwahlverein zu machen.

Die CDU folgt damit einem Trend, der alle demokratischen Parteien verwandelt hat. Aus den gärigen Haufen früherer Tage, in denen Alpha-Tiere im Dutzend fortwährend Flügelkämpfe um die richtige Linie, die Vorherrschaft und die besten Posten ausfechten, sind straffe Organisationen mit einsamen Führungsfiguren geworden. Hinter den Chefs kommt lange nichts. Und vor ihnen niemand.

Das Fernsehgesicht der Partei 

Was Wagenknecht für ihr BSW ist, Reichinnek für die Linke, Klingbeil für die SPD, Banaszak bei den Grünen, Söder für die CSU und Weidel für die AfD, ist Friedrich Merz bei der Christlich Demokratischen Union. Leit- und Führungsfigur. Chef. Fernsehgesicht und für viele Menschen im Land der einzige Christdemokrat, den sie zutreffend seiner Partei zuordnen können.

Im Wissen um dieses Alleinstellungsmerkmal in einer Partei, in der ein renitenter Rentner wie Ruprecht Polenz und ein ewiger Teenager wie Philipp Amthor als erfolgreichste Social-Media-Figuren gelten, hat Merz das Beste daraus gemacht. Noch vor seinem Sieg bei der Bundestagswahl kassierte er seine ersten Versprechen ein, danach in schneller Folge nahezu alle anderen. Es war auch ein Signal an die Parteibasis: Mit mir oder gar nicht. 

Christlich demokratische Gefolgschaft 

Die CDU hat sich für Gefolgschaft entschieden. Nach keiner geräumten Grundposition und keiner gebrochenen Zusage regte sich hörbarer Protest in der Union. Die 364.000 Beitragszahler der inzwischen mitgliederstärksten Partei Deutschlands schlucken, was aus Berlin kommt. Sie sehen die Umfragezahlen absacken, mucken aber nicht auf. Eine Duldungsstarre hat die Mitgliedschaft erfasst. Ein Bittbrief aus Köln und der Austritt eines halben Stadtverbandes in Kühlungsborn, das war alles, was die um ihre Politikwende betrogenen Konservativen an Aufstand noch organisiert bekamen.

Dankbar dafür, nach den schrecklichen Jahren unter Olaf Scholz wieder den Regierungschef und sogar genauso viele Minister wie die SPD stellen zu dürfen, akzeptiert das Parteivolk Merz' jähe Wendungen, die endlose Kette seiner Pleiten und den Umstand, dass dem ersten CDU-Kanzler seit Helmut Kohl offensichtlich gar nichts glücken will. Besser selber schlecht regieren, als andere regieren lassen. Besser von der SPD vorgeführt zu werden, als auf den Oppositionsbänken zu versauern.

Die Brandmauer kostet 

Hauptsache, die Brandmauer steht. Nach seinem vielkritisierten Versuch, das virtuelle Bauwerk noch vor der Bundestagswahl abzuräumen, hat Friedrich Merz es zum Fundament seiner Regierung gemacht. Je deutlicher sich zeigt, dass der Boykott der gefürchteten rechtsextremistischen Konkurrenz allein deren Erfolg beflügelt, desto energischer betreibt Merz das Geschäft seiner Gegner.

Bilderbuchmäßig zeigte er das beim Versuch, die russischen Zentralbankreserven zu enteignen, um sich die Führungsrolle, die ihm daheim von der SPD vorenthalten wird, wenigstens in Europa zu holen. Merz hatte das völkerrechtswidrige Unternehmen als Überrumplungsaktion geplant, schnell rein, schnell raus, ehe jemand etwas mitbekommt, hat das Geld ein anderer. Dass der Rest Europas genauer abwägen könnte, welche verheerenden Folgen ein solcher Rechtsbruch haben wird, hatte Merz nicht einkalkuliert.

Einkauf von Freunden und Partnern 

Erschüttert stand er nach seiner Niederlage in Brüssel und versuchte, die vorab nie erwähnten neuen Gemeinschaftsschulden zur Finanzierung der Ukraine als ganz wunderbare Idee zu verkaufen. Man werde Russland sein Geld nun eben später wegnehmen, sobald die Ukraine den Krieg gewonnen habe. Anders als seine Vorgänger Scholz und Merkel, die Freunde und Partner per Überweisung einkauften,  erhebt Merz den Anspruch, nicht nur finanziell, sondern auch politisch zu führen.   

Das Gespür, dass sich Regierungschefs anderer Staaten, selbst anderer EU-Staaten, von einem Deutschen, der sich erst seit einem halben Jahr als Staatsmann versucht, ungern etwas sagen lassen, fehlt dem Bundeskanzler. Das treibt ihn immer wieder dazu, schon vor großen Entscheidungen zu verkünden, wie die einzig richtige Lösung aussehen wird. Anschließend steht er dann jedes Mal da, sichtlich angegriffen. Und erklärt, dass er nicht gehalten habe, was er versprochen war. Aber das, was nun erreicht wurde, ein noch viel größerer Erfolg sei.

Seit der Bundestagswahl hat seine Union je nach Umfrageinstitut drei bis vier Prozent verloren. Die AfD legte ebenso viel zu.  Merz wolle das schon als Parteivorsitzender ändern, indem "wir sie in Sachthemen stellen, weil sie auf kein Problem wirklich Antworten bietet". Knappe zwei Jahre und einen Staffelstabwechsel bei der Besetzung der Position der stärksten Partei verkündete Merz eine neue Strategie: "Wir werden mit der AfD jetzt auch inhaltlich sehr klar und sehr deutlich sagen, wo sie steht, wir werden uns hier sehr klar und deutlich absetzen".

Die letzte Platzpatrone 

Das waren gute Nachrichten für die Anfang des Jahres kurzzeitig als komplett gesichert rechtsextrem eingestufte außerdemokratische Opposition. Die AfD ist die erste Partei seit den Grünen, die unaufhaltsam aufsteigt, ohne Anstalten machen zu müssen, irgendwelche Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Ihre Erfolge verdankt sie allein dem Überfluss an Enttäuschungen, den der überforderte  Merz bei seinen Versuchen produziert, in Deutschland-Geschwindigkeit mit einer Welt schrittzuhalten, "die sich nun noch ein wenig schneller dreht".

Es ist wie bei Hase und Igel. Kaum hat der Kanzler ein Problem identifiziert, überrollt ihn schon das nächste. Kaum hat er eine schicksalhafte Entscheidung glücklich vertagt, muss er schon den nächsten Bauchklatscher schönreden. Wie er das tut, das Kinn hochgereckt, die Faust fest um sein Mikrofon geschlossen, muss jedem Beobachter Hochachtung abnötigen: Das steht einer. Der kann nicht anders. Der müht sich. Aber besser wird es nicht.

Hinter Merz ist nichts 

Denn auch das ist die CDU in ihrer Phase als Partei, die kaum mehr ein Viertel der Wählerinnen und Wähler anspricht. Hinter Friedrich Merz gibt es nichts. Die Partei, die geprägt wurde von Gestalten wie Ludwig Erhard, Heiner Geißler, Norbert Blüm, Manfred Kanther, Volker Rühe, Jürgen Rüttgers und  Wolfgang Schäuble, verfügt mittlerweile nur noch über Reservehelden wie Boris Rhein, Kai Wegner und Hendrik Wüst. Geht Merz oder muss er gehen, werden politische Leichtmatrosen wie Carsten Linnemann, Jens Spahn und Wüst um die Nachfolge des aktuellen Käptns balgen. 

Egal, wie das Kräftemessen ausgeht: Für die CDU nicht gut.


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