Dienstag, 26. Oktober 2010

Comeback der Keramik

Ein Kommentar völlig aus der Kalten, der alle Kritiker schlagartig verstummen lässt. Beinahe schon hatten Fliesen-Fans und -Feinde in Halle das große Experiment zur Neuverkachelung der gesamten historischen Innenstadt der ehemaligen Chemiemetropole für beendet gehalten, nachdem die Frequenz der Neuverfliesung zuletzt nicht mehr mit den Bemühungen der Stadtverwaltung hatte mithalten können, die angekündigt hatte, alle verfliesten Häuser abreißen lassen zu wollen. Zuvor hatte ein regionales Kunstmagazin die Identität der seit Jahren im öffentlichen Raum künstlernden Kachel-Gruppe enthüllt: Junge Männer, weitgereist und kulturbeflissen, hatten das aufsehenerregende Projekt zur Umgestaltung eines ganzen Gemeinwesens gestartet, um auf keramische Weise gegen die Verödung der ostdeutschen Innenstädte zu protestieren.

Geplagt von Verfolgung und schlechten Kachelwetter aber stockte das Unternehmen, das von seinen frühen Tagen an hier bei PPQ begleitet wird. Kaum noch neue Kachelstellen wurden von freiwilligen Feldforscherteams gemeldet, immer wieder hingegen mussten Fliesenfreunde konstatieren, dass manch klassische Kachelung marodierenden Jugendbanden, Schändern des Ordnungsamtes, rücksichtslosen Sammlern oder den aufgrund des Klimawandels zunehmenden Wetterunbilden zum Opfer gefallen war. Viele Dokumente von einmaligem Rang finden sich unterdessen nur noch im vom Internetriesen Google betriebenen großen Kachelverzeichnis, das von Fliesen-Volunteers aus zehn europäischen Ländern betreut wird.

Denen gibt ein neuer, brandaktueller Fund nun Hoffnung, dass der Traum von der verkachelten Stadt, die dann von der Unesco als erste weltweit mit dem Welterbetitel versehen würde, doch noch wahr werden kann. Offenbar in Anspielung auf die Sarrazin-Diskussion hat Kachel Gott, wie der bis heute anonym gebliebene Künstler von Fans genannt wird, eine dreifarbige Kachel entworfen, die sich beinahe unsichtbar in einer bemalte Fassade integriert. Mitten in zeitweise belebter Innenstadtlage bleibt die Anklage gegen Engstirnigkeit, Toleranz und Bilderstürmerei so für die meisten Passanten unsichtbar - ein starkes Statement, das die ungebrochene künstlerische Kraft des Mannes zeigt, der als Kachelmann bekannt wurde, noch ehe der wettermoderierende Namensvetter sich diesen Namen aneignete.

Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com gesendet werden. Jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Ausflug ins Kachelarchiv:
Kachelland
Winkel-Fliese
Kachel-Strategie
Vernichtete Fliesen
Fremd im eigenen Kachelland

Silber wird seltener

Der Dritte Punische Krieg endete 146 Jahre vor Beginn der modernen Zeitrechnung mit der vollständigen Zerstörung Karthagos, er markierte aber auch den Beginn eines lange währenden Siechtums der römischen Währung: Um das Militär finanzieren zu können, das sich ständig mit den Karthagern herumschlug, senkte Rom den Gold- und Silbergehalt seiner Münzen. So konnten aus weniger Metall mehr mit demselben Wert hergestellt werden, um Waffen und Ausrüstung einzukaufen und den Legionären Sold zu zahlen.

2156 Jahre später ist es das Bundesfinanzministerium, das seine Münzen verdünnt. Mit dem Jahrgang 2010 endet eine Ära, in der deutsche 10-Euro-Gedenkmünzen aus Sterlingsilber 925/1000 bestand - also aus einer Legierung von 925 Teilen Silber und 75 Teilen Kupfer. Ab Januar wird alles anders: Weil der Weltmarktpreis für Silber auf die ausufernde Staatsverschuldung mit einem Anstieg um rund ein Drittel reagiert hat, presst Deutschland seine Silbermünzen demnächst nur noch aus einer Mischung von 625 Teilen Silber und 375 Teilen Kupfer.

Das Gewicht der Münzen sinkt damit nur um zwei auf 16 Gramm, der Silberanteil aber geht gleich um mehr als ein Drittel zurück. Statt 16.65 Gramm Silber enthalten die Münzen künftig noch zehn, der Metallwert in der Münze beträgt dann - zu heutigen Kursen - nicht mehr rund 8,50 Euro, sondern nur noch etwas über fünf.

Die Ausgabetermine für die letzten echten 10-Euro-Silbergedenkmünzen „175 Jahre Eisenbahn in Deutschland“ und „FIS Alpine Ski WM 2011 in Garmisch Partenkirchen“ hat das Bundesministerium der Finanzen gleich auch noch vorgezogen, um die Münzen noch mit Gewinn verkaufen zu können. "Vor dem Hintergrund des Anstiegs des Silberpreises", hieß es, würden beide Münzen vorzeitig "in den Verkehr gebracht." Wenigstens buchhalterisch wird so verhindert, was 1979 schon einmal zur kompletten Einschmelzung einer gesamten Auflage von Silbermünzen geführt hatte.

Weil der Silberpreis damals auf fast 50 US-Dollar gestiegen warn, stoppte die Bundesbank die Ausgabe von fünf Millionen Exemplaren der Münze „Otto Hahn“. Das Silber in der Münze war mit umgerechnet 7,21 Mark plötzlich mehr wert als der aufgeprägte Münzwert von fünf Mark.

Fest im Ring die deutsche Eiche

Die deutsche Eiche, ein Mann wie ein Baum, mit Armen wie Kranausleger und einer Stimme, als würde Willy Brand Wagner singen. Timo Hoffmann ist der letzte deutsche Boxer, in dessen Körper noch deutsche Gene durcheinanderflattern, wenn ihm einer seiner stets namenlos wirkenden Gegner auf die Birne haut. Seit einem Jahrzehnt ist der Mann aus Polleben im legendären Mansfeld unterwegs, einen Profibox-Titel zu erobern. Häufiger noch als der legendäre Verlierer Axel Schulz ist Hoffmann, derr sich die "Deutsche Eiche" nennt, kurz vor dem Ziel geschlagen worden, er bekam im Ernstfall die Fäuste nicht hoch, die Trainingsform nicht mit in den Ring, er scheiterte, blieb aber immer stolz auf das Erreichte, wie er es gelernt hat zu Füßen der Kupferabraumhalden, wo die DDR immer DDR geblieben ist und die Band Elsterglanz den Menschen nach dem Munde spricht.

Manchmal hat Timo Hoffmann an Rücktritt gedacht. Aus einem Mund, plattgeschlagen wie ein Schnitzel, bröckelte er dann Halbsätze, aus denen hervorging, wie sehr er sich schämte, seinen Fans nicht gezeigt zu haben, was die angeblich erwartet hatten. Zurückgetreten ist Timo Hoffmann dann doch nicht, denn immer noch glaubt er daran, dass er noch einmal so gut werden kann wie damals, als ihn einer der Klitschko-Brüder 12 Runden lang vermöbelte, ohne dass er umfiel.

Noch einmal so eine Tat, noch einmal so sehr Held sein, noch einmal dieses Glück spüren, verloren zu haben und doch ein bisschen auch Gewinner zu sein. Das möchte Timo Hoffmann, das möchten die, die mit ihm bangen, die ihm wünschen, er möge nicht eines Tages den einen Kampf zuviel abliefern, der ihn endgültig in die große Dunkelheit der Champions stürzt. Sie beten für ihn im gottlosen Mansfeld und die Magdeburger Band Crossfire, die eine Sängerin besitzt, die wirklich Biggi Middelkoop heißtund aus dem Örtchen Klostermansfeld kommt, singt ihm eine Weise, die sich gewaschen hat: "Fruchtbarer Boden / Mansfelder Land / Kraft der Natur / gebündelt im Stamm / weite Krone / trotzt jedem Sturm / nur einer von uns / steht ganz vorn /" heißt es da, ehe die Ästhetik der frühen "Rocky"-Filme beschworen wird. "Immer im Lauf / Trainings-Qual / von Bösenburg / bis Heiligenthal / Als Bäcker backte / er das täglich Brot / Heut' drischt er wenn's muss Korn und Schrot!"

Darauf, auf diesen Ausbruch an lyrischer Heimatkunde, kann nur ein Refrain folgen, der noch mehr zu Herzen geht als das hilflose Herumstochern Hoffmanns mit den Fäusten in der Luft neben, vor über und hinter seinem Gegner. "Deutsche Eiche, deutscher Baum", quengeln die Gitarren, "Schlag auf Schlag, ein echter Traum". Blut und Boden, Herz und Schmerz, Trainer Schuster und Gym-Schweiß, Flanellunterhosen und ein ständig rutschender Tiefschutz: "Es taumelt der Schwache, es fällt der Weiche", läuft es auf das erwartbare Ende zu, "nur fest im Ring steht die deutsche Eiche."

Timo Hoffmann, den ein gnädiges Kampfgericht davor bewahrt hat, gegen den Russen Alexander Petkovic zu verlieren, möchte weitermachen. Einen Rückkampf habe er fest im Blick, sagte er. Und danach dann wieder einen Klitschko, denn "Runde für Runde / muss es weiter geh’n / Im Seilgeviert / wo sie auf dich seh’n / Die Hoffnung ruht / auf einem Mann / Führhand, Treffer / am Gegner dran / Faust von Nah’ / Jab von Fern’ / Krachen ins Ziel / des Kampfes Kern / Veilchen, Cuts / der Sieg so schwer / Brechharte Arbeit / immer fair".

Mehr Boxen auf PPQ: Tragischer Traktorsportler
Comeback des Majors

Montag, 25. Oktober 2010

Empörende Erkenntnisse

Johannes Masing ist eigentlich Bundesverfassungsrichter, hat jetzt aber ein ganzes politisches Milieu mit der Mittelung verstört, dass es keine gute Tat sei, rechtsradikale Demonstrationen zu verhindern. Vor der Deutschen Sektion der Internationalen Juristenkommission in Würzburg hielt der Richter auf SPD-Ticket einen Vortrag, in dem er darauf aufmerksam machte, dass "die Vorstellung" um sich greife, "illegale Meinungen müssten verboten werden.“ Und ehe alle guten Menschen noch "zurecht, zurecht!" rufen konnten, stellte Masing klar, dass Meinungsfreiheit genau dann gegeben sei, wenn es nicht um die Art der Meinung, um die Zustimmung breiter Bevölerungsschichten zu ihr oder auch nur um ihre faktische Richtigkeit gehe. "Gilt die Meinungsfreiheit nur nach Maßgabe von Abwägungen, gilt nur noch ‚common sense“, beschrieb der Verfassungsrichter den aktuellen gesellschaftlichen Status Quo, in dem die Träger der staatlichen Ordnung danach streben, bürgerliche Freiheiten von Minderheiten einzuschränken, weil ihnen der Applaus der Mehrheit der Bürger dafür gewiss ist.

„Es geht nicht an, dass sich staatliche Behörden dafür feiern lassen, dass sie eine erlaubte Veranstaltung abgedrängt haben“, kommentiert Johannes Masing einen aktuellen Trend vor allem von Provinzpolitikern, das Ordnungsrecht zu nutzen, um unliebsame Zusammenkünfte vor allen von Rechtsextremen unter Verweis auf fehlende Polizeikräfte und eine Bedrohungs der öffentlichen Ordnung im falle eines Zusammentreffens von Rechten und linken Gegendemonstranten zu verbieten. Das jedoch sei in einem freiheitlichen Staat eben grundsätzlich nur möglich, wenn Rechtsgüter gefährdet werden. Gesinnungen hingegen, dieser oder jener mag das bedauern, werden nicht bestraft. Egal, wie grundgesetzwidrig sie sind.

Neo-Nazis beim Sex und der 1. Islam-Grill

Quatsch machen beide. So richtig ernst nimmt sie deshalb auch keiner. Nun kommt zusammen, was zusammen gehört. Die am Dienstag (26. Oktober) erscheinende Ausgabe des Berliner Kurier wird von einem Team des Quatsch Comedy Club gemacht. Vermeldet der Kurier selbst und zeigt schon mal auf einem Video die Redaktionsübernahme. Berlin ist nun gespannt auf das Ergebnis. "Da kann nur Gutes bei rauskommen. Vielleicht sogar endlich mal ne ordentliche Schlagzeile", freute sich Boulevard-Medien-Super-Experte S. Niggemeier am Rande des Journalistenstammtisches in der Kantine der Berliner Verkehrsbetriebe BVG (Schweinsbraten für 3,10 Euro).

Allerdings gibt es auch Befürchtungen. Besonders bei den Stammlesern des Berliner Ost-Blattes, das neuerdings in den Händen des Kölner Dumont-Verlages ist. "Wat soll denn noch kommen? Nach den letzten Knallan von unsan Kuria?", fragt Wolfgang Schwanitz aus Marzahn-Hellersdorf. Damit meint Schwanitz Knaller wie "Von unseren Steuern. 1. Islam-Grill in Berlin"; "Stirbt Knuts Oma vor aller Augen?" und "Sex heilt Neo-Nazis" und nicht zu vergessen die Liebslingsgeschichte aller Ost-Berliner "Ermordet wegen Ossi-Witz".

Nun, der Kurier wird es uns zeigen. Gerüchte gibt es aber schon. Eine undichte Stelle (Ex-Stasi-IM, der nicht aufhören kann) hat durchsickern lassen, es ginge bei der Titelgeschichte um einen Ossi, der im Zoologischen Garten in West-Berlin Eisbär Knut beleidigt und deshalb von westdeutschen Knutfans zu den Affen gesperrt wird, wo er sich in eine Gorilladame aus Bochum verliebt. Zeile: "Ossi und Affe. Ist es die große Liebe?".

Die fehlenden Millionen fließen

Wenn das nicht wieder ein Riesenerfolg wird, dann wird man zumindest niemals wieder davon hören. Wie stets, wenn Bundesregierungen Geld benötigen, um zu begründen, warum sie auf geplante Mehreinnahmen verzichten können, hat die Bundesregierung beschlossen, die Tabaksteuer zu erhöhen. Damit sei dann genug Geld da, um der Industrie in Sachen Ökosteuer entgegenkommen zu können - auf Kosten des Weltklimas freilich, doch die Zeiten, da Angela Merkel in der Arktis persönlich mit den sterbenden Eisbären weinte, sind ja ohnehin vorüber.

Wieviel Mehreinnahmen die Koalition aus den Rauchern kitzeln will, steht noch nicht fest. Klar ist hingegen, dass es kein einziger Euro sein wird. Das war schon so, als der Arbeiterführer und Finanzminister Hans Eichel vor sieben Jahren beschloss, die Tabaksteuer zu erhöhen, um mit "Mehreinnahmen in Milliardenhöhe" (Gesundheitsministerin Ulla Schmidt) die eine große Gesundheitsreform zu finanzieren.

Ein Plan, viel zu gut für Wirklichkeit. Nach der dritten Stufe der Tabaksteuererhöhung, die den Steueranteil pro Zigarette von 8 auf 14 Cent erhöhte, hätten die Einnahmen aus der Tabaksteuer um 4,5 Milliarden Euro höher liegen sollen als 2003. Stattdessen aber lagen sie Mitte des Jahres um rund rund 400 Millionen Euro niedriger.

All die fehlenden Milliarden flossen in den wackligen Staatshaushalt von Eichel-Nachfolger-Nachfolger Wolfgang Schäuble, der nun fest entschlossen scheint, sein eigenes Kapitel der großen Geschichte der Steuererhöhungen zu schreiben, die zu immer weniger Einnahmen führen. Schäuble plant eine Erhöhung der Tabaksteuer, die auch die Steuersenkungspartei FDP für ein probates Mittel hält, die Einnahmen der Zigarettenmafia nachhaltig zu steigern. Die Tabaksteuer solle so stark steigen, dass damit auch der Einstieg in Steuervereinfachungen finanziert werden kann, flunkerte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Gehen alle Pläne auf, fehlt in zwei Jahren eine weitere halbe Milliarde aus der Tabaksteuer. Das Geld kann dann an die Steuerzahler zurückgegeben werden.

Dazu auch Karl Eduards Kanal

Vom gespielten Widerstand

Die politische Pest des 20.Jahrhunderts war der Faschismus, das politische Elend unserer Zeit ist der imaginäre Antifaschismus: ein gespielter Widerstand, der sich selbst als Prophylaxe versteht. Das führt zur Zerstörung politischen Denkens. Der imaginäre Antifaschismus erzeugt so viele Tabus und hält sie aufrecht, dass weite Felder des Politischen gar nicht mehr diskursiv bearbeitet werden. Niemand redet darüber, was einen sehr großen Teil der Bevölkerung wirklich beschäftigt. Emotionen und Gedanken entstehen, aber öffentlich sind sie nicht erlaubt. Dadurch kann man sie auch nicht widerlegen. So entsteht eine Stimmung, die man nur bei den Wahlen bemerkt.

Nehmen Sie Sarrazin: Ein gescheiter, geachteter Sozialdemokrat schreibt ein Buch, in dem vieles richtig und vielleicht manches falsch ist. Die erste Reaktion der Politiker: Das wollen wir nicht. Jeder, der ab sofort über Integration spricht, distanziert sich erst einmal von Sarrazin. Da wird ein ganzes Feld nur noch moralisch beackert. Die Linke hat plötzlich ein Moralmonopol. Die Probleme werden nicht mehr debattiert.

Sondern, könnte man sagen, mit dem Farbbeutel getüncht. Bild oben: Thor-Steinar-Verkaufsstelle in Halle (Saale).

Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Kunst des Lügens

Budam ist soetwas wie eine Band, bei der allerdings Búi Dam im Mittelpunkt steht. Der Mann von den Färöer Inseln sieht aus wie halbblind, er arbeitet als Sänger, Songwriter, Schauspieler und Theaterkomponist und hat mit „Stories of Devils, Angels, Lovers and Murderers“ ein Debütalbum vorgelegt, das durch seine konsequente Seltsamkeit überzeugt. Wenn Anthony mit seinen Johnsons auf Engelsgesang macht, dann ist das hier der konsequente Gegenentwurf in Bass: Nick Cave und Tom Waits knödeln mit, wenn Búi Dam wie während der SK-Sessions (Ausschnitt oben) Töne aus der Tiefe gräbt und seufzend in die Umwelt bläst.

Auf Myspace gibt der selbsternannte Heavy-Songwriter weitere Kostproben seiner Kunst, die er dem Einfluss von Vater und Mutter verdankt, wie er selbst sagt: Mutter sei Schauspielerin gewesen, Vater ein Geschichtenerzähler. "So wuchs ich auf mit zwei Eltern, die geübt waren in der Kunst des Lügens." Er selbst sei nunmehr ausgezogen, mit jede rgroßen Lüge ein kleines Stück wahrheit zu erzählen, verpackt in himmlische Melodien und knarrende Rhythmen. Ein Tom Waits in eigenartig, ein Halbblinder, der sehend machen will. Auf soetwas kann sich die Hitparade sicher auch bald einigen, wo doch nun sogar schon Matt Bernigers ähnlich klingende Band The National zum Kassenschlager geworden ist.

Kleine Sprach- und Ideologiekritik I

Liebe sächsische Grüne! Ihr glaubt, ihr seid Klima? Wir denken, ihr seid bescheuert!

Der Himmel über Halle XXXVI

Die hallesche Stadtverwaltung kann es nicht lassen. Auf der einen Seite soll das ebenso traditionsreiche wie mittlerweile unerhebliche Thalia Theater geschlossen werden, auf der anderen Seite ist immer noch genug Geld im "Stadtsäckl" (dpa), um Tag für Tag den Himmel über der Stadt statt der Segel zu streichen. Während die einen meinen, illuminierte Wolken gehörten zur Grundversorgung, glauben andere, damit würden die Euros nur so aus dem Fenster geworfen, bevor sie zur Verbrennung anstehen. Uns vom Kunstgewerbe-Board PPQ ist das letztlich egal, solange unsere Devise "Bunt statt Zaun" weiterhin gültig bleibt.

Mehr "Himmel über Halle" gibt es hier.

Samstag, 23. Oktober 2010

Die alte Qual Pokal

Selbe Stelle, selbe Delle: Nicht einmal ganz sechs Monate nach dem letzten Pokalauftritt beim Stadtrivalen Ammendorf ist der Hallesche FC in der neuen Pokalrunde schon wieder zum Sechstligisten geladen. Spannung macht sich breit wie im Burgenlandkreis vor der Parlamentswahl in Burma, ein Kribbeln befällt Fanvolk und Spieler, als gehe es in einer 45.000 Mann-Arena gegen einen Bundesligisten und nicht auf einem Sportplatz am Stadtrand gegen eine Elf, in der überwiegend ehemalige Spieler des eigenen Vereins um ihr fußballerisches Gnadenbrot kicken.

Das Spiel hält durchaus, was es verspricht. Soviel Leben ist da drin, dass die erste Halbzeit nach einem Fernschuß von Stier aufs Ammendorfer Tor auch schon beendet werden kann. Der Gastgeber, ehemals fußballernder Arm des größten Waggonbautriebes zwischen San Francisco und - Richtung Westen gedacht - Paris, liefert Volksbildung mit einem Lied, nach dem Mohammed ein Prophet war, der vom Fußballspielen zwar nichts verstand, der sich aber "aus all der schönen Farbenpracht / das Rot und Weiße ausgedacht" habe. Ketzerei, Hetzerei, Islamdebatte, kein Thema im Schunkelsound. Passend dazu gibt labbrige Wurst auf trendigem Dauertoast und kerndeutsche Kommentare: "Diese Mappe", illustriert ein annähernd hackedichter Zuschauer, was er alles nicht genau gesehen hat, "da muss der doch pfeifen!"

Macht er nicht, sonst wäre er ja auch der einzige, der hier arbeitet. Der Hallesche FC, aufgelaufen mit einer Art verstärkter Reserveelf, tut sich schwer, Ammendorf, angeführt vom früheren HFC-Kapitän Marcel Geidel, kann nicht mehr. So braucht es bis zur 73. Minute und zudem die wohlwollende Unterstützung des Schiedsrichterkollektivs, bis Neuzugang Alan Lekavski eine Flanke von Angelo Hauk aus dem Abseits in die Maschen drücken kann. natürlich, der Ball wäre sowieso reingegangen, und natürlich, Halle hatte zwar keine Chancen, davon aber immer noch mehr als Ammendorf, so dass die Führung in Ordnung geht.

Aber Marcel Geidel, der in seinen ganz großen Tagen gelegentlich sogar gegen Schiedsrichter handgreiflichst wurde und heute immer noch mehr Adrenalin mit auf den Platz bringt als der ganze HFC, ist nicht bereit, einen irregulären Treffer wortlos zu schlucken. Minutenlang bekommt der Anführer der Ammendorfer sich nicht mehr ein, abwechselnd reklamiert er beim Schiedsrichter, beschwert sich beim Linienrichter, fährt die Arme gen Himmel aus und lamentiert in Richtung von Gegen- und Mitspielern, die daraufhin leichte Ansätze zur Rudelbildung erkennen lassen. Ahhh, es kommt beinahe so etwas wie Pokalstimmung auf! Leider zum Glück aber nur für ein paar Minuten. Dann bekommt Ammendorfs Koch eine gelb-rote Karte, ohne zu Zischen entweicht die Luft aus dem kurzzeitig unter Druck stehenden Pokalfight. Die 89. Minute sieht dann Lindenhahn ziemlich allein aufs Tor laufen, Kanitz spielt ihn unbedrängt an, Geidel dreht sich schon weg, bevor der Ball unter der Latte klebt. 2:0 ist ein Tor mehr als im Frühjahr, obwohl Ammendorf nach eigener Einschätzung "besser" geworden ist.

Nächsten Mittwoch kommt der richtige Pokal, dann geht es in einer 45.000 Mann-Arena gegen einen Bundesligisten - Halle muss gegen Duisburg ran. Die Späher des Zweitligisten, den der HFC wie alle großen Gegner in dieser Saison im heimischen Leipziger Zentralstadion empfangen muss, dürften nach dem Auftritt in Ammendorf ausreichend irregeführt worden sein. In der nächstes Landespokalrunde geht es dann wie immer wieder gegen den liebsten halleschen Gegner, den FC Magdeburg. Terminiert hat der weise Landesverband das Spiel vorerst auf den Tag vier Tage vor dem Punktspiel gegen den FC Magdeburg. Beide Spiele werden Heimspiele, finden also in Leipzig statt. Das wird spannend werden wie die Parlamentswahl in Burma, aus dem Burgenlandkreis betrachtet.

Irakkrieg: Hunderttausende Tote verschwunden

Die Ärzteorganisation IPPNW hatte schon 2008 genau nachgezählt. "Seit Beginn der US-Invasion im Irak sind Schätzungen zufolge rund eine Million Menschen durch Kriegseinwirkungen und indirekte Kriegsfolgen umgekommen", zitierten "Junge Welt" und die AG Friedensratschlag eine Studie der Experten. Das musste ungefähr hinkommen, denn vier Jahre zuvor hatte die Frontpostille "Spiegel" berichtet, dass allein der Feldzug der Amerikaner zur Niederschlagung Saddam Husseins etwa 100.000 Opfer gefordert habe. Bis 2006 stieg diese Zahl nach derselben Quelle auf 300.000 Tote, etwa 95 Prozent davon seien Zivilisten gewesen. Auch die Welt-Gesundheitsorganisation studierte mit und schätzte die Zahl der Toten allein zwischen der Invasion im März 2003 und Ende Juni 2006 auf 151.000, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Iraqbodycount hingegen, eine Seite, die die Opfer fortlaufend und äußerst penibel zählte, sprach 2008 von höchstens 90.000 und zuletzt von bis zu 107.000 Toten. Eine Quelle, die wie entsprechende Nachrechnungen von Zettel in Deutschland wegen mangelnden Schlagzeilenpotentials kaum beachtet wurde. Denn ein "Blutbad nicht gekannten Ausmaßes" (Süddeutsche) braucht er schon, der "verdammte Krieg" ("Spiegel"), um hierzulande noch Aufmerksamkeit zu erregen. Höhere Opferzahlen sind da selbstverständlich immer hilfreicher als niedrigere, sind die nicht verfügbar, wird passend gemacht, was nicht passt.

So kommt es, dass die neuen "Enthüllungen" (n-tv) der "Whistleblowerplattform" (dpa) Wikileaks vom Kriegsgeschehen an Euphrat und Tigris zwar viel geringere Opferzahlen ausweisen als deutsche Medien sich in den zurückliegenden sieben Jahren aus unterschiedlichsten Quellen zusammengesucht hatten. Die in diesem Kontext völlig unsinnige Mitteilung von Wikileaks-Gründer Julian Assange, die Dokumente belegten eben jenes "Blutbad in bisher nicht gekanntem Ausmaß" findet sich dennoch prominent in jedem Qualitätsmedium.

Falsch ist sie natürlich nicht. Das Ausmaß des Blutbades ist zumindest für deutsche Mediennutzer tatsächlich ungekannt - ungekannt gering. Gemessen an den höchsten bisher gehandelten Zahlen sind schlagartig rund 900.000 Opfer verschwunden, selbst verglichen mit der mittleren Zahl von zwischen 300.000 und 500.000 ist der wahre Irakkrieg offenbar viel weniger blutig gewesen als jahrelang öffentlich vermittelt wurde.

Nach den "Irak-Protokollen", wie der "Spiegel" die 400.000 Dokumente aus einer Pentagon-Datenbank knackig nennt, muss die Geschichte dieses Krieges nun neu geschrieben werden: Lässt sich der Vorwurf, Amerikaner hätten Iraker gefoltert, nicht mit neuen Beispielen belegen, muss eben der Vorwurf ausreichen, Amerikaner hätten gewusst, dass Iraker Iraker foltern. Und wenn schon keine neuen Belege für neue Verbrechen der US-Armee finden lassen, dann findet der "Spiegel" doch neue Hinweise auf den "ganzen Schrecken des Krieges", indem er Gräueltaten, die Iraker anderen Irakern angetan haben, gleichsam anonym auf das Konto der USA bucht: "Im Juni 2005 zum Beispiel", heißt es, dokumentierten die Wikileaks-Protokolle "den Tod von sechs Familienmitgliedern nahe Bakuba": "Die Mörder hatten den Opfern die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden, dann exekutierten sie sie und schnitten ihnen die Köpfe ab - dann legten sie diese neben den Leichen auf den Boden. Der Großvater musste genauso sterben wie sein neunjähriger Enkel."

Das reicht dann auch für ein erneutes amtliches Fazit, einen Zieleinlauf nach Wunsch: Mit "USA ließen Iraker foltern" schreibt die Financial Times ohne Zweifel die Wahrheit, und das ohne Zweifel so, dass jeder die Möglichkeit hat, sie falsch zu verstehen. Der Irakkrieg, urteilt der "Spiegel" denn auch völlig folgerichtig, wenn auch grammatikalisch eigen, sei "so verheerend wie Vietnam für das Ansehen der USA" gewesen. Bei der medialen Begleitung allerdings wäre alles andere auch verwunderlich.

Glücksspielmafia macht mobil

Schon vor der anstehenden Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrages, den die Regierungschefs der Bundesländer in den kommenden Monaten ausknobeln wollen, um ihre Einnahmen aus dem bisherigen Monopol zu retten, macht die weltweite Glücksspielbranche mobil. Es geht um einen neuen Markt, der Milliardeneinnahmen verspricht, vor allem für die Indianerstämme, die in den USA traditionell eine Führungsrolle bei Black Jack, Roulette und einarmigen Banditen haben. Angst geht um in den landesregierungen, die bisher alle Einnahmen aus den Spieleinsätzen dazu benutzen konnten, Parteifreunden Wahlhilfe zu geben, im eigenen Wahlkreis Gutes zu tun oder befreundete Sportvereine zu unterstützen.

Tiefe Einschnitte drohen da, denn die Konkurrenz wartet nicht einmal auf den Tag, an dem der erste deutsche Politiker zugibt, dass der Europäische Gerichtshof den bisher geltenden Staatsvertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben hat - Deutschland also schon seit Woche ohne gültige gesetzliche Regelungen zur Zulässigkeit von Glücksspiel aller Art ist. "Hallo", schreibt uns Tieffliegender Schatten vom Sunsta24-Casino in der Hualapai-Reservation, "unser Online Casino wurde als Testsieger bei Computerbild 2010 gewählt!" Ganz Utah ist davon so begeistert, dass "jetzt alle neuen Spieler 100 Euro Gratis" als Dankeschön erhalten, "ohne selbst Geld einzahlen zu müssen".

Ein Startvorteil auch und gerade angesichts des aktuellen Jackpots, in dem sagenhafte 3.241.754 Euro darauf lauern, einen Zocker aus Deutschland glücklich zu machen. Wer sich um die Auszahlung bewerben will, so die Anweisungen, die uns Tieffliegender Schatten mitgeteilt hat, gebe als Usernamen "cyberstar-0358120" ein und als Gutschein-Code die Zffernfolge "4098231". Automatisch würden dann 100 Euro aufs Spielerkonto gebucht, mit denen sofort gespielt werden kann. "Gewinne", lässt der Glücksspiel-Häuptling wissen, "werden sofort innerhalb 24 Stunden ausgezahlt und dürfen behalten werden."

Junger Mann aus Linz wird zum Star

Bisschen Schwund ist immer

Kostbarkeiten aus dem Alltagsleben, Blicke in das, was Leben heißt, sich aber im Normalfall vor neugierigen Blicken zu verbergen versteht. Netzwerkrecherche, geübt im Kontrastieren der allgegenwärtigen Grautöne, hat eine Preziose entdeckt, aus der ein ganz neues Licht auf die Bildungsmisere im Bundesdeutschland der Endnullerjahre scheint (oben). Ja, klare Vorstellungen haben sie, die jungen Leute, und sie ihresgleichen mitzuteilen wissen sie auch. Ausgeschlossen vom Verständnis ist nur, wer seiner Sprache nicht nachholend ein wenig Migrationshintergrund verpasst hat. Netzwerkrecherche antwortet - wohl mit Hilfe des Google-Übersetzers - im täuschend echt nachgestellten deutschindigenen Vorstadtpidgin-Indiom auf die liebenswerte Anzeige derer, die Mal später die rente mit 67 für alle verdienen sollen, denen jetzt schon regelmäßig das Geld für den Thailand-Urlaub fehlt:

Hi Martin,
ich finds cool das du jetzt ein WG gemacht hast. Wir kenne uns noch vom lezten Bildungsstreik. Weist du noch der bunte Haufen? Ich mich habe nun auch entschloßen Germanistik habe studieren. Und ich liege auch wert auf das Miteinander. Und das ihr nur Boys aufnemt ist auch super. ich bringe auch jeder Menge eneue Mitbewohner mit denn ich fucke auf Insecktizid. Habe auch echt Lust auf WG!

PS. Bin kein zwischen Mieter!!!


Falls noch Platz sein sollte, würden wir unbedingt auch einziehen wollen. Flexibilität, so hört man allerorten, ist ja wichtig. Und ein bisschen was zu lernen ist offenbar auch noch. Bisher ahnte ja niemand, was sich mit 26 Buchstaben alles zaubern lässt! Wir bringen auch den Bauer Heinrich mit seinen Schafen mit, das hebt den IQ der ganzen WG. Und wir können die ganze eine Strophe vom Schäferlied auswendig!

Freitag, 22. Oktober 2010

Unter singenden, klingenden Koniferen

Dürre Männer in weiten Hosen, die Gitarren hochgeschnallt und die Stimmen ins Kipplige gespreizt, das ist der Sound, bei dem der Musikliebhaber sich entscheiden muss: Mögen oder verabscheuen, lieben oder lassen.

Nathaniel Talbot hat für sich herausgefunden, dass er diese Art Musik nicht nur hören, sondern auch selbst machen will. Mit seiner Band The Physical Hearts versucht der 25-Jährige aus Portland seit zwei Jahren, die Welt davon zu überzeugen, dass Stücke wie "Mayflower" (Video oben) sehr wohl die Chance verdienten, auf CD zu erscheinen und ihre Erfinder wenigstens ein bisschen berühmt zu machen.

Auch der Rest vom Repertoire des Quartetts klingt ein bisschen wie die vor Urzeiten aufgelösten Gin Blossoms, The Jayhawks und The Blue Aeroplanes, Folkrock mit singender Gitarre, "Country Comfort" mit neuen Noten und selbstgemachten Lyrics. Talbot singt wie Tim Buckley, manchmal erinnert er an Conor Oberst von Bright Eyes. Tate Peterson verziert das Ganze mit "Voodoo Soundscapes", wie die Band selbst das Geflirre aus der Klampfe des stets schmunzelnden zweiten Gitarristen nennt.

Talbot, der nebenher noch ein Nebenprojekt namens Nathaniel Talbot-Trio betreibt, das ganz akustisch vor sich hin klampft, bewegt sich auf der Bühne wie der sagenhafte Andy Cox von den Fine Young Cannibals und er klingt zuweilen wie Dodge McKay von den legendären Ghost of an American Airman, beeinflusst aber will er sein von Radiohead, Wilco und Leo Kottke, dem fingerflinken Wundergitarristen. Seit er 13 war, schreibt er Lieder, seit er einige Zeit in einem winzigen Häuschen in der Opal Creek Wilderness im heimischen Oregon zugebracht hat, gibt es "Music Box", ein Album, das von den "giant conifers and clear waters" inspiriert ist, die dort schon etwas länger leben.

Das Album, so altertümlich ist das bei jungen Leuten, die so alte Musik machen, gibt es bei CD Baby als Silberling in einer vom Künstler selbst handgefalteten Pappbox. Und das für 9,99 Dollar, also knapp mehr als sieben Euro, der Gegenwert von zwei Abendessen mit Migrationshintergrund. Der bisher einzigen Physical Hearts-CD, einer EP mit dem Namen 'Fend off the Tide'wird der Freud dieser Art anämischen Rocks dann sich auch nicht mehr lange widerstehen können.

Besuch beim Führer der Herzen

Im Kino ist er einer der Kassenmagneten, im Fernsehen bespielt er zuweilen zwei, drei Kanäle gleichzeitig, auch als Theaterdarsteller hat es Adolf Hitler nach dem Ende seiner Karriere als "Führer und Reichskanzler" im Unterschied zu ehemaligen Gegenspielern wie Rosevelt, Chamberlain und Röhm oder Mitstreitern wie Hess, Heydrich und Himmler zu großer und nachhaltiger Beliebheit gebracht.

Ein Drittel der Deutschen wollen inzwischen wieder einen Führer wie ihn haben, ein Vertrauensbeweis für den derzeitigen n-tv- und ZDF-Moderator, auf den selbst Kollegen wie Thomas Gottschalk oder Günter Jauch neidisch sein dürften. Im Alter von 121 Jahren gelingt dem ewig schrecklich gebliebenen Mann aus Linz (Foto: Führerstatue aus dem Stadtmuseum in Halle), nach dem sogar ein Bärtchen benannt worden ist, so jetzt erneut ein Paukenschlag: Obwohl Hitler nachgewiesenermaßen völlig ungebildet war, ein Leben lang ohne Ausbildung zum Staatsmann und dazu notorisch menschenfeindlich blieb, zieht der unsterbliche Mythos des "Führers der Herzen" mit seiner Vorliebe für blonde Hunde mit einer Werksausstellung in Berlin Massen an, wie sie die frühere Reichshauptstadt zuletzt erlebte, als die gewitterhimmelblusenblauen Scharen der Freien Deutschen Jugend vor 20 Jahren den letzten Geburtstag ihrer sozialistischen DDR feierten.

Vom Mythos fehlt in der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum allerdings natürlich jede Spur. Was die Menschen hierher zieht, als halte der leibhaftige Hitler noch einmal auf dem Reichstagsparteigelände in Nürnberg Hof, das sich inzwischen bei der Unesco um den naheliegenden Titel "Weltkulturerbe" beworben hat, sei nicht die Figur des Adolf Hitler, sagte ein Museumssprecher. „Die Leute lassen sich von den Medien inspirieren und kommen her“, hieß es. Der "Spiegel", der aller zwei Wochen mit einer Hitlergeschichte für einen neuen Blick auf den Führer trommele, habe da große Verdienste erworben. Besonders erfreut sei man über die große Resonanz in den skandinavischen Ländern, die seinerzeit viele Freiwillige entsandt hatten, die an der Seite deutscher Soldaten für die "ganz auf die Person Adolf Hitler zugeschnittene Diktatur" (dpa) gekämpft hatten.

Höhepunkte der liebenswerten Schau, die nach Ansicht des österreichischen Standard "an einem Tabu" rührt, das es nach Ansicht der Bundesregierung allerdings nie gegeben hat, sind nach Recherchen des Führerbegleitblattes "Bild" "Propaganda-Gemälde, Hitler-Büsten und Bücher wie der Fotoband „Hitler, wie ihn keiner kennt“. Zu sehen seien außerdem ein „Führerquartett“ mit Bildnissen Hitlers, Hindenburgs und anderer Größen der damaligen Politik und ein Wandteppich, gestickt von der NS-Frauenschaft und Angehörigen der Evangelischen Frauenhilfe aus Rotenburg (Fulda). Allein dafür lohne sich die Anreise, denn hier werde klar, dass die Schau ihre Ziel erreiche, dass von Deutschland nie wieder eine Faszination für Hitler ausgehe.

Ursprünglich hatte die Ausstellung schon Mitte der 90er Jahre stattfinden sollen, damals aber wurde sie abgesagt, weil die Macher fürchteten, Horden von Rechtsradikalen könnten aufmarschieren, um ihrem Idol zu huldigen. Kurator Hans-Ulrich Thamer sagte dem Deutschlandradio Kultur, mittlerweile sei es möglich, eine solche Hitlerschau in die ehemalige Reichshauptstadt zu bringen. Viele, die Hitler kannten, seinen tot. Die nachfolgenden „Erinnerungsgenerationen“ gingen mit dem Thema anders um, sie hätten auch keine Furcht, berichtet Die Anmerkung, die vom Führer seinerzeit höchstselbst eingeführte "Schutzhaft" noch einmal grundsätzlich zu überprüfen. Und sie als völlig im Einklang mit den aktuell gerade geltenden Menschenrechten befindlich zu erklären.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Weiter mit Musik

Wer hat es gesagt?

Beziehungsweise: Wer verachtete Hitler, "weil er meinen Glauben an das deutsche Volk nicht teilt"?

Verbieten, was nie war

Die Beweise sprechen eine deutliche Sprache: Wie ein Plakat für den nächsten Kampf von Vitali Klitschko sieht das Logo aus, das Mitglieder der rechtsextremen Hooligan-Gruppe "Blue White Street Elite" in Burg öffentlich zur Schau stellten, der Schriftzug "Fight Club" verweist auch noch auf einen Film von David Fincher, in dem Brad Pitt einen schlaflosen Schläger spielt. Ein zweites Motiv (unten) enthält den Schriftzug "Blue-White" und darunter das Wort "weltweit", das jeden aufmerksamen Betrachter sofort an die Post-Tochter DHL erinnert.

Das reicht. Wie die Staatssicherheit, die in ihren ganz großen Tagen hinter jedem Träger eines "Schwerter-zu-Pflugscharen"-Aufnähers einen CIA-Agenten witterte, wusste Sachsen-Anhalt Innen-Staatssekretär Rüdiger Erben sofort, woran er war: Die Gruppe habe offenbar "festgefügte Organisationsstrukturen", teilte der wackere Kämpfer gegen Diktaturenvergleiche aller Art seinem getreuen Innenminister Holger Hövelmann mit. Der SPD-Genosse handelte umgehend und verbot die selbsternannte Street-Elite.


Doch lässt sich verbieten, was es nie gab? Kann der Staat eine Gruppe auflösen, die sich selbst nie als solche definiert hat? Daraus hatte das Gericht jedoch gefolgert, dass die Klage eines "Nichtvereins" gegen ein Vereinsverbot nicht möglich sei. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied im Juli, dass sehr wohl eine gerichtliche Entscheidung über ein Vereinsverbot herbeigeführt werden kann, auch wenn es nach dem Vereinsgesetz gar kein Verein ist. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg meinte nun nach zweijährigem Verfahren durch immerhin vier Instanzen, dass ein Verbot dringend einen Gegenstand braucht, auf den es sich richten kann. Da die Street Elite weder feste Treffpunkte noch feste Mitglieder hatte, sei eine Auflösung per Ministererlass weder möglich noch nötig gewesen.

Eine Klatsche für den vor der erfolgreichen Rückkehr in die Lokalpolitik stehenden Staatssekretär und den Innenminister, der vom SPD-Hoffnungsträger zum Dauerpannenmann mutierte. Rüdiger Erben, ein winziger Mann mit riesigem Ego, mag aber keine Niederlage für das Land erkennen können. Das Verfahren helfe anderen, bsiher noch nicht einmal gegründeten rechtsextremen Hooligangruppen zweifellos, vom Start weg wasserdichte Strukturen zu bilden, um einem Verbot vorbeugend zu entgehen.

Dafür habe sich die Mühe allemal gelohnt. Die Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von nur wenig mehr als 10.000 Euro habe ohnehin der Steuerzahler übernommen, nach Ausschreitungen bei Fußballspielen säßen mehrere ehemalige Angehörige der Gruppe mittlerweile ohnehin im Gefängnis. "Nach unseren Erkenntnissen gibt es die Gruppe in dieser Form nicht mehr", glaubt Erben. Damit könne natürlich genaugenommen auch niemand vor Gericht gegen das Land geklagt und schon gar nicht Recht bekommen haben.