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Ein Warnung des Weltklimarates, die mit jedem Regentag realistischer scheint. |
Langsam wird er wirklich vorstellbar, der Alptraum vom rasant ansteigenden Meeresspiegel, vom Landunter überall, nicht nur von Fluten gefressene Küsten, sondern ganze Festländer, in denen sich der Sumpf bis zum Gebirge hinzieht. Eine Realität, die unmittelbar vor der Tür stehen könnte. Es regnet, regnet und regnet, das Ahrtal wird überflutet, die Temperaturen liegen unter Aprilniveau und es regnet immer noch. Die ersten Herbststürme haben schon im Hochsommer das Laub von den Bäumen geschüttelt und erste Schneisen in die dürregeplagten Wälder gefräst. Schon im Juli lag die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Deutschland
um rund ein Drittel über dem vieljährigen Mittel. Kein Ausreißer: Auch in den beiden Monaten davor war der sogenannte Soll-Wert deutlich überschritten worden.
Schwummrige Aussichten
Selbst hartgesottenen Klimaleugner wird es schwummrig. Wenn nur sieben der letzten 14 Monate ein wenig zu trocken waren, die sieben anderen aber sehr, sehr deutlich zu nass, dann drückt das Klimaszenarium des Weltklimarates (IPPC) mit Nachdruck in die Realität: 280 Millionen Flüchtlinge durch einen Anstieg des Meeresspiegels hatten die Forschend*innen vor zwei Jahren vorhergesagt, wenn es der Menschheit nicht gelingt, die Erderwärmung unterhalb des Zielwertes von zwei Grad zu stoppen.
Die aktuellen Entwicklungen aber lassen befürchten, dass alle deutschen Anstrengungen nicht mehr reichen wird. Heute schon zeigt die Niederschlagsentwicklung deutlich, dass es auf einem "wärmeren Planeten einfach intensiver regnet", wie die Atmosphärenphysikerin Sonia Seneviratne jetzt in der "Zeit" erläutert hat. Gegenwehr ist zwecklos, eine Vorbereitung vergeblich, ist die weltweit führende Expertin für Wetterextreme sicher. Hitzerekorde, extrem starke Regenfälle, Überschwemmungen, Trockenheit, Waldbrände, Dürre, vom Durchschnitt abweichende Wetter überhaupt, , das sei nicht nur die Klima-Zukunft, sondern bereits die Gegenwart. Dass die Anzahl der Tage mit Niederschlagsmengen über 10 Millimeter pro Quadratmeter in Deutschland heute exakt auf dem Wert liegt, der bereits im Jahr 1911 notiert wurde, beunruhigt Sonia Seneviratne: "Die extremen Wetterereignisse sind ein Zeichen dafür, dass der Klimawandel schon heute Wirklichkeit ist", sagt sie.
Extreme Meeresspiegelereignisse
Nach dem IPPC-Sonderbericht über die Ozeane und die weltweiten Eisvorkommen von 2019 sind die Folgen absehbar. Demnach werden niedrig liegende Millionenstädte und Inselstaaten bis zum Jahr 2050 selbst nach den optimistischsten CO2-Schätzungen jedes Jahr „extreme Meeresspiegel-Ereignisse“ wie Wirbelstürme und Überschwemmungen erleben. Nicht auf dem Zettel hatten die Klimawissenschaftler seinerzeit die Auswirkungen für das Binnenland, die Physiker exakt berechnet haben: Regnet es mehr, verdunstet bei steigenden Temperaturen mehr Wasser, so dass es mehr regnet. Wodurch bei steigenden Temperaturen mehr Wasser verdunstet, dass zu mehr Regenfällen führt.
Den schrecklichen Preis zahlen Menschen in bisher sicher geglaubten Binnengebieten wie dem deutschen Rurtal oder dem US-Bundesstaat Tennessee: Auch dort regnete es jetzt von Freitagnacht bis Samstagmittag durchgehen, es kam zu sturzflutartigen Überschwemmungen, 22 Menschen starben, "bis zu 30 weitere Personen" (DPA) werden noch vermisst. Tennessee liegt mehr als 500 Kilometer von der nächsten Klimaküste entfernt, hatte allerdings bei der letzten Präsidentschaftswahl deutlich für den dann geschlagenen Klimaleugner Donald Trump gestimmt. Ist das nun die Quittung? Dann ist sie deutlich.
Dauerregen als deutliche Ohrfeige
Aber auch wenn es der Menschheit noch gelingen würde, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, hatte der IPCC mit 250 Millionen Flüchtlingen bis zum Jahr 2100 gerechnet. Dabei waren die Forscher bei ihren Modellierungen allerdings davon ausgegangen, dass Städte wie Paderborn, Bremen oder Potsdam bewohnbar bleiben, weil die Fluten selbst im schlimmsten aller Fälle nicht so hoch steigen, dass mehr als die Küstenmetropolen überschwemmt werden. Nun aber steht wegen des Dauerregens aufgrund der steigenden Temperaturen auch das infrage. Selbst wenn die Zahl der
durch den Meeresspiegelanstieg Vertriebenen bis 2100 nur bei 100 Millionen
oder 50 Millionen läge, könnten Klimafliehende aus Festlandgebieten, die von Stark-, Dauer oder dauerndem Starkregen betroffen sind, die befürchteten Zahlen weiter nach oben treiben.