Montag, 31. August 2009

Wenn Wähler zuviel wissen

Was Wiefelspütz schon immer weiß, soll das Wahlvolk nicht wissen dürfen. Traditionell bekommen die politischen Parteien, die den Demoskopen durch ihr Vorhandensein die Jobs sichern, an Wahltagen schon Stunden vor Schließung der Wahllokale Zahlenmaterial geliefert, das die späteren Endergebnissen vorwegnimmt. Die Parteien halten das allerdings für ein Privileg, das nur ihnen zukommt: Nachdem bei den Landtagswahlen eineinhalb Stunden vor Schließung der Wahllokale über Twitter erste Prognosen der Ergebnisse veröffentlicht wurde, ist das große Gekeuche darüber ausgebrochen, wie künftig verhindert werden könne, das alle soviel wissen wie die selbsternannte "politische Klasse".

Deren Spitzenvertreter Dieter Wiefelspütz, SPD-Trallafitti- und Internetexperte, fordert jedenfalls vorsichtshalber erstmal "ein konsequentes Vorgehen" gegen die Vorabverbreitung von Wahlprognosen im Internet. „Die gesetzlichen Möglichkeiten müssen voll ausgeschöpft werden, das ist schlicht und einfach eine Sauerei“, sagte Wiefelspütz, dem trotz abgeschlossenen Jurastudiums bekannt sein dürfte, dass es in Deutschland ein Verbot gibt, Wahlergebnisse zu veröffentlichen, so lange die Wahllokale geöffnet sind, ein solches Verbot für die Veröffentlichung von Wahlprognosen, die auf Umfragen vor Wahllokalen beruhen, aber bislang noch nicht gilt.

Wiefelspütz, ein großer Freund von möglichst vielen Verboten, will wegen dieses bestehenden Mangels deshalb über ein Verbot von Wählerbefragungen am Wahltag nachdenken. „Wir müssen sehen, ob die jetzigen Abläufe so korrekt sind“, weiß er sich mit seinem Genossen aus der Nationalen Front, Wolfgang Bosbach, einig: Der sieht einen "Schaden für die Demokratie", wenn Wähler soviel wissen wie zu Wählende.

Höchstens zwei Tage wird es dauern, bis erste Stimmen ein Twitterverbot an Wahltagen fordern und anregen werden, Wähler nach Stimmabgabe bis zur Schließung der Wahllokale in speziellen Sammellagern ohne Netzzugang und Zutrittsmöglichkeit für studentische Befragungsteams zu internieren. Nach der Bundestagswahl, die erneut vorab vertwittert werden wird, weil die offizielle PPQ-Prognose (Teilnahme am Poll oben rechts!!!) noch vor Schließung der Wahllokale live ins Netz gestellt wird, kommt dann sicher der Vorschlag einer chirurgischen Lösung: Wer wählen war, kriegt am Ausgang den Mund zugenäht und das Handy abgenommen, ausgenommen, er kann sich als Vorstandsmitglied oder parlamentarischer Vertreter einer Volkspartei ausweisen. Da wird es dann aber auch eng für Trallafitti-Dieter.

2 Kommentare:

Alfons Huber hat gesagt…

Nur weil das "gezwitschert" wurde, weiß nun das staunende Wählervolk, daß Politiker und Journalisten die erste Hochrechnung bereits Stunden vor Wahllokalschluß kennen. Eine unglaubliche Verarschung des Bürgers. Jetzt sollen dafür aber die bösen "Twitterer" gejagt werden. Ein gute Beitrag von ppq.

Julien Frisch hat gesagt…

Ich finde es auch immer katastrophal, wenn Bürger und Bürgerinnen den gleichen Wissensstand haben wir Politiker...

Und du hast vollkommen recht: Twitter zeigt nur auf einer größeren Skala, welche Informationen sowieso schon frei zur Verfügung stehen; nur die Netzwerkverbreitung nimmt in Tiefe und Geschwindigkeit zu.