Freitag, 10. Juni 2011

Zensur durch die Hintertür

Eine wirklich schwere Geburt, die die Ministerpräsidenten da hinter sich gebracht haben. Jahrelang wurde verzögert, gefeilscht und prozessiert, schließlich über Monate verhandelt, gestritten und gedroht. Nun aber haben sich "im Ringen um eine Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages", wie es die staatliche Nachrichtenagentur dpa nennt, alle wieder lieb. Die Spielsucht, eine gräßliche Geißel der Menschheit, ist so gut wie besiegt, zahllose Familien können wieder hoffen, das eigene Dach über dem Kopf behalten zu dürfen.

Denn während gebührenfinanzierte Staatssender noch für illegale Sportwetten werben, haben sich die auch für die Rundfunkaufsicht zuständigen Ministerpräsidenten endlich auf die Einrichtung einer gemeinsamen Klassenlotterie der Länder (GKL) verständigt. Stolz verkündete der ehemalige natürliche Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokratie und bis heute amtierende rheinland-pfälzische Mecki-Igel der Republik Kurt Beck die wegweisende Entscheidung in Berlin.

Die Reform des Glücksspielstaatsvertrages war notwendig geworden, weil der Europäische Gerichtshof alle bislang geltenden Regelungen zur Aufrechterhaltung des für die Politik so nützlichen deutschen Sportwetten-Monopols bereits im September vergangenen Jahres für ab sofort ungültig erklärt hatte. Das Monopol, das legalen ausländischen Anbietern verbot, Sportwetten in Deutschland anzubieten, beschränke den freien Dienstleistungsverkehrs. Zudem hielten sich die staalichen Lotteriebetriebe keineswegs an die offiziell geltende Regel, dass ihre Hauptaufgabe in der Bekämpfung der Glücksspielsucht liege.

Mit der neuen Lotterie starten die Ministerpräsidenten nun neu durch. Was genau im neuen Staatsvertrag stehen wird, wissen sie noch nicht. Dass Netzsperren vorgesehen sind, die eine Internetzensur durch die Hintertür einführt, darüber wollen sie noch nicht reden. Doch auf den Sitz der neuen Lotterie in Hamburg und gleich auch noch in München konnte man sich einigen. Zum Glück.

Wette: Mit dem Zweiten sieht man öfter
Suchtgefahr ist gar nicht wahr
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Bluthilde exklusiv: Banken schuld an Wettverlusten

6 Kommentare:

Teja hat gesagt…

Es gibt eine Regelung, dass die staatlichen Lotteriebetriebe hauptsächlich die Glücksspielsucht bekämpfen sollen? Irre.

ppq hat gesagt…

ja, gibt es. deshalb werben die auch so aggressiv

Kurt hat gesagt…

Ein gut gehütetes Geheimnis ist, wo die Gewinne der Lotterie hingehen. Soweit ich weiß, gehen die in den Landeshaushalt ein, sind aber nicht zweckgebunden. Als "Klimpergeld" der Ministerpräsidenten zu deren freien Verfügung lässt sich natürlich viel Einfluß nehmen. Es liegt mir fern, unsere Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten des Stimmenkaufs zu bezichtigen, aber es würde einige der Aktivitäten erklären. Es ist ja bekannt, daß der komplette Springreitpferdesport in BaWü mit solchen Lottomitteln steht und fällt. Was in SA gefördert wird, weiß ich allerdings nicht.

Anonym hat gesagt…

korrekt, fast. die kohle geht nicht in den landeshaushalt, sondern wird von den lottoaufsehern, die identisch sind mit den landespolitikern, nach gutdünken an "projekte" verteilt.

es handelt sich also um eine art handkasse, aus der kumpels belohnt oder willfährige feinde beschenkt werden können.

werkzeug zur vergabe ist ein "beirat", dessen mitglieder natürlich politiker und hohe sportfunktionäre sind, die dann nach dem schema "gibst du mir, geb ich dir" millionen ausstreuen.

namentlich bekannt sind die beiratsmitglieder nicht, allenfalls der vorsitzende taucht mal auf (letzte legislaturperiode in sachsen-anhalt natürlich der chef der cdu-fraktion).

so haben die in sachsen-anhalt in den letzten 20 jahren immerhin satte 150 millionen unter der hand rumgereicht

ppq hat gesagt…

nicht bekannt? dochdoch! sie trommeln nur nicht gerade dafür.

ist alles fein säuberlich aufgeteilt: alle parteien nach proporz, dazu sport, armenhilfe, kultur etc. plus ein paar mann aus der verwaltung. 2009 waren das in sachsen-anhalt:

Jürgen Scharf Vorsitzender
Mitglied des Landtags (CDU)
Vorsitzender der Fraktion
Krimhild Fischer Stellvertretende Vorsitzende
Mitglied des Landtags (SPD)
Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion
Birke Bull Mitglied des Landtags (Die Linke)
Guido Kosmehl Mitglied des Landtags (FDP)


Winfried Bodewein Landesgeschäftsführer der
LIGA der Freien Wohlfahrtspflege
im Land Sachsen-Anhalt e.V.
Prof. Dr. Konrad Breitenborn Präsident des Landesheimatbundes
Sachsen-Anhalt e.V.
Eberhard Bunzel Sportvorstand des
Landessportbundes Sachsen-Anhalt e.V.
Stephan Rether Leiter des Katholischen Büros
Sachsen-Anhalt


Peter Gwosdz Ministerialdirigent
Kultusministerium
des Landes Sachsen-Anhalt
Isolde Hofmann Ministerium für Gesundheit und Soziales
des Landes Sachsen-Anhalt
Winfried Reckers Ministerialdirigent
Ministerium für Gesundheit und Soziales
des Landes Sachsen-Anhalt
Peter Wenzel Ministerialdirigent
Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt
des Landes Sachsen-Anhalt

Volker hat gesagt…

Beim Stichwort Lotto erinnern wir Älteren uns an die sog. "Hessische Lottoaffäre". Dabei haben wir gelernt, wozu die staatliche Lotteriebetriebe gut sind.

Tammox hat das ganz gut zusammengefasst:

Posten in öffentlichen Unternehmen werden zwar üblicherweise mit ausrangierten oder über Politaffären gestolperten Ex-Politikern aufgefüllt, aber gut bezahlt.
Hier werden die Politsenioren noch mal ordentlich gepampert, bevor sie in Rente gehen.
Da können sie ihre Portemonnaies noch einmal richtig füllen ...

Neben Vorstandspoten in staatseigenen Betrieben, werden an die besonders verblödeten Ex-Politiker gerne Stellen als Lotto-Chefs freigeschaufelt.