Samstag, 6. April 2013

Marionetten auf Reichenhatz


Alle heraus zum großen Halali, zum letzten Angriff auf die Reichen, die uns alle ärmer machen! 260 Gigabyte Daten, 2,5 Millionen Dokumente, Informationen über 120 000 Briefkastenfirmen und 130 000 Personen, Verbrecher allesamt, wenn es nach den "Recherchen" eines internationalen "Netzwerkes" (dpa) von informell durch ein Schweigegelübte zusammengeschlossenen Medienkartells geht. Das ist in diesen Tagen, da die Eurokrise Pause macht, die Erderwärmung schwächelt und der Bundestagswahlkampf noch nicht zu beginnen scheint, unterwegs, "Steuerhinterziehern" weltweit den Garaus zu machen. Ein "gigantisches Netzwerk der Steuerhinterzieher enthüllt" schlagzeilt der auf Zitate angewiesene "Spiegel", "Medien enthüllen riesiges Steuerhinterzieher-Netzwerk", wandelt der ähnlich betroffene "Stern" ab und "Licht in die Schattenwelt des Geldes" bringt die Märkische Allgemeine, die ihre Infomationen wie alle anderen gleichlautend von der Süddeutschen Zeitung bezieht.

Die wiederum hat sie über das von der Knights-Stiftung und der Ford-Foundation finanzierte International Consortium of Investigative Journalists, das es in den 24 Jahren seiner Existenz bis dahin nicht einmal zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hatte, sondern als "Center for Public Integrity" fungieren musste - eine Entität, deren Webseite am besten über die Waybackmachine zu erreichen ist..

Auch die öffentlich Integeren haben die Daten allerdings nirgendwo aufgetrieben, sondern auf einer Festplatte per Post zugespielt bekommen. Von wem, ist unbekannt. Mit welcher Absicht, ist offen. Nur das Ergebnis ist zu besichtigen: "Ein GAU für Off­shore-Konstrukte, ihre Hersteller und Benutzer", schreibt die Baseler Zeitung, "Applaus und Frohlocken allerorten, das haben die Super­reichen redlich verdient."

Offshoreleaks, wie die Enthüllungsaktion in gezielter Anspielung auf das sehr viel transparentere Wikileaks von den beteiligten Blättern und Sendern genannt wird, markiert einen neuen Höhepunkt der Hatz auf Menschen, die anders sind. Waren es vor einigen Jahren noch "die Spekulanten", auf die Politiker weltweit den Zorn der Völker auf ihre eigenen gescheiterten Wohlstandspläne zu lenken versuchten, hat sich das Spektrum derer, die man hassen darf, seitdem erweitert. Inzwischen besteht Konsens darüber, das jeder, der mehr als 100.000 Euro sein eigen nennt, "reich" und damit verachtenswert ist. Er kann nur ein Steuerhinterzieher, ein Volksschädling und asolidarischer Hundsfott sein. Mit der Zypern-Rettung wurde zum ersten Mal vorgeführt, wie tief die Massen diese Lektion inhaliert haben: War der Aufschrei über die Teilenteignung der Sparer noch groß, als alle für die vermeintliche "Rettung" zahlen sollten, verstummte der #Aufschrei sofort, als nur noch "reiche Millionäre" und "russische Schwarzgeldbesitzer" große Teile ihres Eigentums verloren.

Auch bei Offshoreleaks gibt es keine Unschuldsvermutung, keine Fragen nach Hintergründen der gezielten Datenweitergabe, keine Recherchen dazu, wer auf welche Art und Weise an interne Dokumente aus zahllosen Steueroasen herankommen kann - nur offenbar nicht an die aus "Delaware, Florida und ein paar weitere US-Bundesstaaten", wie die Baseler Zeitung als einsame Stimme der journalistischen Vernunft einen "merkwürdigen Zufall" wittert. Dort, in Delaware, betreiben etwa deutsche Staatsbanken ihre Steuersparvehikel.

Aber alle sind ja nun unterwegs, dem toten Gunter Sachs nachzustellen. Noch ist es zwar weder verboten, Geld im Ausland anzulegen noch untersagt, rechtlich zulässige Möglichkeiten zur Steuergestaltung zu nutzen, wie es der Bund seinen Geschäftspartnern gestattet. Doch wenn die Fahnen wehen, ist der Verstand in der Trompete, dann müssen alle mit, eine Stampede der von großen Zahlen Besoffenen, die nicht mehr fragen, sondern unterstellen, die nicht mehr wissen wollen, sondern verurteilen.

Der Applaus ist der Meute von Marionetten auf Reichenjagd sicher, denn hier werden einfachste Reflexe bedient: es trifft einmal mehr "die Richtigen", endlich ist der Ehrliche mal nicht der Dumme. Dass nach dem Vertrauensbruch von Zypern, nach dem kein Bankkonto weltweit mehr vor dem Zugriff der europäischen Führer sicher ist, nun auch die Gewissheit verloren ist, dass Daten ganz egal von wem zumindest bei Banken vor staatlichem Zugriff geschützt sind, fällt nicht auf. Schon ruft der Bundesfinanzminister nach Amtshilfe der vierten Gewalt - im Tausch gegen die Exklusivrechte an der ersten Prominenten-Razzia im Morgengrauen wird das kein Problem sein. Auch wenn die SZ derzeit noch dementiert.

Selbst dem "Spiegel" schwant da was: "Deine Daten sind nirgends mehr sicher, lautet die Botschaft. Selbst wenn du sie atombombensicher auf einem Server unter den Schweizer Alpen deponierst, könnten sie irgendwann an die Öffentlichkeit gelangen." Eigentlich Zeit für Ilse Aigner, einzugreifen.

6 Kommentare:

FDominicus hat gesagt…

Da leck's mi doch am Schöpfli. PPQ wann schlafen Sie?

Ach was soll's verlink ich eben auf Sie ;-)

Thomas hat gesagt…

Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert! Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben Wolfgang Schäuble zum gefährlichsten Mann Europas erklärt. Passt.

derherold hat gesagt…

Jetzt mal ohne Spaß: Es war doch auch langweilig geworden !

Jedes Mal hatte die CIA für ihren "investigativen Journalismus" den *Spiegel* und die *Zeit* genommen.

Ich dachte mir schon lange, daß nun aber auch mal die *Süddeutsche* ganz doll "geheime" Leaks erhalten solle !

Gut allerdings, daß man in den USA an die gute deutsche Sozialdemokratie gedacht hat und auch einem Regional-ÖR ein bißchen was gegeben hat. Die CIA hat ein Herz !

suedwestfunk hat gesagt…

Manchmal bedaure ich schon, kein Rechtsanwalt mit gut betuchter Klientel geworden zu sein, stattdessen meine Zeit mit Naturwissenschaften und ähnlichem Quark verbracht zu haben. Das dauert allerdings nur so lange, wie ich mich durch meine Kontoauszüge einschüchtern lasse. Dann sage ich mir: Wo nix ist, kann nix enteignet werden und warte einfach auf den nächsten Staatsbankrott.

Anonym hat gesagt…

Gunter Sachs, wir sind alle so enttäuscht von Dir!
Wird er jetzt auf der Suche nach kostbaren Grabbeigaben exhumiert?

Le Penseur hat gesagt…

LP lüpft seinen Hut und verlinkt!