Mittwoch, 10. Juni 2015

Christo-Installation: Vierzig Silberwürfel für den Harz

Klein und schmal ist der Chef, und wie stets trägt er das sandfarbene Jäckchen, das zu seinem Markenzeichen geworden ist. Christo wirkt ruhig und zugleich angespannt, während der gewaltige Sattelschlepper die Nummer 30 langsam in Richtung Berghang dreht. Ganz langsam senkt sich die Stoffbahn. "Stoooop!", ruft Andreas Essling. Ein Stück des aluminiumbedampften Polypropylen-Gewebes hat sich verfangen, muss von mehreren Arbeitern mühsam freigepuhlt werden.

Dann geht es weiter. Der Terminplan ist eng, enger noch als damals bei der aufsehenerregenden Verhüllung des Berliner Reichtages, um die Christo mehr als zwanzig Jahre kämpfte, rang und stritt.

Das neue ehrgeizige Projekt des in Bulgarien geborenen Christo Javacheff, der 1956 aus seiner Heimat flüchtete, ist das ganze Gegenteil der bisherigen Kunstobjekte des 80-Jährigen. "Forty Cubes", wie Christo und seine vor einigen Jahren verstorbene  Partnerin Jeanne-Claude ihre neue aufsehenerregende Installation getauft haben, verzichtet auf den Monumentalismus der verhüllten Denkmale von Mailand, auf die unvorstellbare Fläche der "Laufenden Zäune" von Kalifornien und den perfekten Faltenwurf der verpackten Pont-Neuf-Brücke in Paris.

Es gibt keine internationalen Pressekonferenzen, kein Medienbohei, ja, nicht einmal Massenauftrieb internationaler Presseagenturen. "Forty Cubes" ist fast ein Geheimprojekt. Für Christo, der bis heute ein charmant unfertig wirkendes Englisch spricht, war Wrapped Reichstag von der Größe her einfach nicht zu überbieten - man hätte schon den Mond verhüllen müssen".

Beim Gespräch im improvisierten Hauptquartier des Künstlers, einem schlichten, ungeheizten Baucontainer mit noch schlichterer Ausstattung, wellt sich ergrautes Haar struppig über dem gegen jede Mode resistenten Brillengestell, spöttisch leuchtet Schalk in den Augen. Christo, spätestens mit der Reichstagsverhüllung zum Superstar unter den zeitgenössischen Künstlerern geworden, verfügt über die seltene Gabe, mit herabgezogenen Mundwinkeln zu lächeln, ohne herablassend zu wirken.

"Wir wollten einen Schritt weitergehen und unsere Möglichkeiten mit ,Forty Cubes' zur Flächenkunst hin erweitern", bestätigt er eine in vielen Harzdörfern verbreitete Interpretation seiner Vision.

Bei den "Forty Cubes" mit ihren schwingend leichten und doch zuerst exakt berechneten Kanten zähle nur das ästhetische Moment. Warum aber ausgerechnet der Harz? Warum nach Metropolen wie Paris und Berlin die weltvergessene Einöde einer vom harten Winter ausgetrockneten Bergwiese zwischen den beiden winzigen Dörfern Hüttenrode und Rübeland?

Der Mann im Wetterjäckchen scharrt einen Augenblick nachdenklich mit den Füßen. Ein Tippelschritt links, ein Tippelschritt rechts. Christo Javachev wischt sich eine graue Strähne aus der Stirn: " When you can't go higher, you must step aside". Wenn es nach oben nicht mehr weiterzugehen scheint, mussá man zur Seite ausweichen.

" Forty Cubes" ist so Christos bislang spontanste Kunst-Aktion überhaupt. Es gab keine lange Vorbereitungszeit, beinahe keine aufwendigen Studien, nur einige wenige hundert Skizzen. Als die ersten Trucks durchs Dorf fuhren, wussten wir erstmal gar nicht, was los ist", erzählt Katrin Henning, die im Hüttenroder Kindergarten arbeitet. Auch Bürgermeister Walter Weckmeier war völlig verdutzt, "als der Herr Christo plötzlich bei mir im Büro stand." Doch schnell erkannte der quicke Dorfchef die Chancen, die Herrn Christos Aktion "in Sachen Tourismus für unsere Gemeinde bietet."

Damit könnte der 45-Jährige nicht unrecht haben. Die Nachricht, dass der "Reichstagsmann", wie Christo hier immer noch genannt wird, in unmittelbarer Nähe des beliebten Ausflugszieles "Blauer See" sein Quartier aufgeschlagen hat, sprach sich wie ein Lauffeuer herum in den großen und kleinen Orten zwischen Wernigerode, Thale und Blankenburg.

Hunderte und aber Hunderte Schaulustige drängten sich gestern Nachmittag um die besten Schau-Plätze auf den Hügelketten gegenber der Hochalm, auf der Christos 120-köpfige Mannschaft mit Kranen, Sattelschleppern und endlosen Stoffbahnen hantierte.

Es sind zumeist Veteranen der Reichstags-Verhüllung, die Christo zusammenrief, als " Forty Cubes" in die Realisationsphase trat. Auch der Zwickauer Eisenbieger Kurt-Georg Riquet ist wieder dabei. Ehrensache für ihn, denn "das erlebt man ja nicht alle Tage, dass man an einem Kunstereignis mitarbeitet." Auf die Einmaligkeit der eigenen Arbeit ist Meister Riquet von Meister Christo höchstpersönlich hingewiesen worden: " Er hat uns  alles erklärt", sagt der 52-Jährige stolz, "und eine Zeichnung haben wir auch bekommen, sogar handsigniert."

Für Christo selbst ist " Forty Cubes" ein weiterer Höhepunkt seines Schaffens. "Alles andere", sagt er, "war nur Vorspiel." Immer schon träumte der medienwirksame Einzelkämpfer davon, "Dingen durch meine Kunst zu mehr Deutlichkeit zu verhelfen." Aus diesem Grund habe ihn auch der Harz als " the most german mountain of the mountains" (Christo) besonders gereizt. Gerade hier werde er durch das "Aufbringen" der vierzig drei mal zwei Meter großen silbrig glänzenden Cubes "grundsätzliche Dimensionen eines steinernen Kulminationspunktes europäischer Geschichte betonen".

Die Jahre der Isolation zwischen Ost- und Westdeutschland, so ergänzt er, hätten "den Harz als öffentlichen Raum in ein Vakuum gestellt, das nun neu gefüllt werden müsse - zum Beispiel mit den Cubes", auf ihre Weise Sinnbilder für die Unwägbarkeiten des Weltengangs.

"Wer den Berg mit den Würfeln sehen wird, wird ihn", so hofft Christo, "völlig neu sehen und über das Altbekannte staunen." Für Bürgermeister Weckmeier, der Christos künstlerischer Arbeit anfangs eher mit Unverständnis gegenüberstand, ist die Installation auf dem Hügel vor dem Ortseingang inzwischen "ein Ding, das die Grenzen des Vorstellbaren sprengt". Und auch seine Hoffnungen in Bezug auf die Ankurbelung des noch immer darbenden Tourismus im Ostharz scheinen sich wenigstens vorübergehend zu erfüllen: Für die nächsten acht Wochen - solange will Christo die "Forty Cubes" stehen lassen - gewähren bereits einige Hotelbesitzer Sonderrabatte und die Harz-Querbahn wirbt mit einem Christo-Sonderticket.


12 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das ist alles nur geklaut.

Neil Sean Applewine, Maryland, einer der bekanntesten Aktionskünstler der Staaten, hatte diese Idee schon vor Jahrzehnten und seine white radoms über das gesamte Erdenrund gestreut.

Cristo ist auch nur ein Angeber und denkt, niemand merkt, wo er seine Ideen klaut.

ppq hat gesagt…

seit jean -claude nicht mehr ist, gehen ihm die Ideen aus

Anonym hat gesagt…

hübsch .

aber : wann kommt die Sondersendung zum Ableben des Künstlers James Last ?

der Sepp


Bundesamt für schnippende Werkschau

Borsig hat gesagt…

Weltklasse ! Darauf ein Hasseröder !

ppq hat gesagt…

james was?

derherold hat gesagt…

James "der Schnipper" Last

http://www.derwesten.de/kultur/musik/ewiges-wippen-und-schnippen-mit-james-last-id613689.html

Daß Ihr kultur- und gottlosen Banausen im Osten davon nichts wißt, überrascht mich gar nicht.

Unknown hat gesagt…

Weiß Kristo überhaupt was ein Würfel(Cubus) ist?

ppq hat gesagt…

westliche unkultur, klar, dass das vom herold kommt.kein fussbreit den musizisten

Anonym hat gesagt…

meine Oma dachte immer der James Last in seinem weißen Jacket wäre irgendein subversiver Homo aus new york .

der Sepp

derherold hat gesagt…

"... in seinem weißen Jacket ..."

Es war zwar vor meiner Zeit aber trotzdemn: die heißeste weiße Hose der Pop-Gesichichte.

https://www.youtube.com/watch?v=JQsg6XXGxXQ

Anonym hat gesagt…

@ derherold: Da bist Du ja noch jung und knusprig. Zu jener Zeit begann es, mit heißer Schokolade, daß in der Mucke die Verschiedenheit der Tonhöhen allmählich abgeschafft wurde, bis eines Tages obszöne* Rezitative als Kunst galten (Kike Records).

*(Ich werde an deinem Mütterlein den Beischlaf vollziehen, z.B.)

-- Halbgott in Weiß --

Anonym hat gesagt…

http://journalistenwatch.com/cms/70431/