Freitag, 24. April 2020

Zeichen setzen: Diätenverzicht geht leider nicht

Allein der Versuch, zur Abwendung möglicher Forderungen nach einem Verzicht auf Teile der Diäten selbst offensiv zu werden und auf die nächste Diätenerhöhung verzichten zu wollen, zeigt ein großes Maß an politischer Klugheit.

Es sollte ganz schnell gehen, ehe noch jemand auf viel weitreichendere Gedanken kommt. Um nicht wie viele Bürgerinnen und Bürger auf Teile ihres Einkommens verzichten zu müssen, wegen Solidarität und so, entschlossen sich die Parlamentarier im Landtag von Sachsen-Anhalt zu einer selbstgewählten Geißelung: Sie würden, vermeldeten die Abgeordneten parteiübergreifend, diesmal einfach auf die seit ein paar Jahren jeden Sommer ganz automatisch eintrudelnde Diätenerhöhung verzichten! Solidarität und so! Fast 180.000 Euro wären so zusammengekommen, rund 2.000 Euro von jedem der 87 Parlamentarier. 180.000 Euro, die viel Gutes hätten bewirken können.

Ablenken und Wegtäuschen


Eine beispielhafte Idee "in Corona-Zeiten" (MDR), die gleich Schule machte. Bis hin zum Bundestag, außerhalb Chinas das größte Parlament der Welt, schlossen sich Abgeordnete der Initiative an. Verzichten fällt leicht, wenn man das, worauf man verzichtet, sowieso nicht hat. Eine "einmalige Aussetzung der Anpassung", die immer eine Erhöhung ist, scheint den Bundestagsparteien angemessen angesichts der größten Wirtschaftskrise seit dem II. Weltkrieg, Nächstes Jahr geht es dann wieder normal weiter, kann man nichts machen, die automatische Steigerung ist nun mal so beschlossen worden, damals, als die elendigliche jährliche Diskussion um die Selbstbedienungsmentalität der Volksvertreter ein für alle Mal beendet werden sollte.

Gut, dass das durch ist, denn so erscheint der Verzicht auf eine Erhöhung wie ein schwerer Wohlstandseinschnitt. Wer schon würde nach einem so hehren Akt freiwilliger Entsagung noch wagen, danach zu fragen, ob da nicht vielleicht noch ein klein bisschen mehr angebracht wäre? In "dieser außergewöhnlichen Krisensituation", wie Britta Haßelmann, eine Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag sagt, die monatlich 25 Prozent ihrer Diät als Funktionszulage von ihrer Fraktion oben auf ihr normalen Abgeordnetengehalt draufgelegt bekommt.

Ein kühnes Signal 


Ein Signal, das für die Verhältnisse geradezu kühn erscheint, wäre das Unternehmen in Sachsen-Anhalt nun nicht doch tragisch gescheitert, auf der Zielgerade. Denn wie sich inzwischen herausgestellt hat, ist es den Mitgliedern des Hohen Hauses in Magdeburg unglücklicherweise gesetzlich verboten, eine automatisiert inkrafttretende Diätenerhöhung abzulehnen oder auszusetzen.

Was für ein Schock muss den Frauen und Männern in Magdeburg durch die Glieder gefahren sein, als ihnen bekannt wurde, dass das von ihnen selbst vor fünf Jahren  verabschiedete Abgeordnetengesetzes von Sachsen-Anhalt einen Paragrafen 30 enthält, der den öffentlich angekündigten Opfergang der Parteiarbeiter verbietet? Denn leider sei es sei für  Landtagsabgeordnete unzulässig, bis zum Jahresende auf eine Diätenerhöhung verzichten und mit den gesparten 170.000 Euro, die das schwer verschuldete Land ohnehin nicht hat, einen Hilfsfonds zu speisen, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Siegfried Borgwardt nach vierwöchiger rechtlicher Prüfung betrübt mitteilte.

Schade drum


Kann man leider nichts machen, denn es sind die ehernen Regeln von Landesverfassung und Abgeordnetengesetz, die dem Wunsch der Parlamentarier nach monetärer Solidarität entgegenstehen. Das Abgeordnetengesetz etwa zwingt das Land seit 2015, die Höhe der monatlichen Grundentschädigung für seine Volksvertreter jährlich zum 1. Juli an die Entwicklung der Bruttoeinkommen der abhängig Beschäftigten in Sachsen-Anhalt anzupassen. Grundlage sind Zahlen des Statistischen Landesamtes, das derzeit zwar mit der Sammlung von Zahlen ein wenig hängt, aber sicher pünktlich zum Erhöhungstermin irgendeine statistische Grundlage liefern wird.

Zuletzt waren die Diäten im Juli 2019 um 4,3 Prozent gestiegen, in diesem Jahr wird das Plus nun wegen der schockierenden gesetzlichen Regelungen im Armenhaus der Republik ähnlich hoch ausfallen müssen. Die Diäten der Abgeordneten in Sachsen-Anhalt steigen damit erstmals über 7.000 Euro - ein klares Signal auch in Richtung der vielen Kurzarbeiter und Solo-Selbstständigen, die seit Corona mit sehr viel weniger oder gar keinem Einkommen auskommen müssen: Gewollt hätten wir schon gern, doch dürfen haben sie uns leider, leider nicht lassen.

Bundestag macht mit


Während die Bundesregierung eine solidarische Geste ablehnt, Der Bundestag hat bereits angekündigt, dass er beim Verzicht auf die automatische Erhöhung der Diäten mitmachen wird. Die Abgeordneten wollen es symbolisch für alle Heldinnen und Helden im Land bei den derzeitigen Bezügen von 10 083,47 Euro belassen und pro Kopf und Monat auf die ihnen eigentlich zustehende Erhöhung von etwa 260 Euro verzichten.

Ein starkes, mutiges und gemeinsinnstiftendes Zeichen, das in "Corona-Zeiten" (ARD)  bis Jahresende mehr als eine Million Euro sparen wird. Wenn nicht irgendein trauriger Satz im Kleingedruckten den in höchstem Maße opferbereiten Abgeordneten auch in Berlin einen schlimmen Strich durch die solidarische Rechnung zugunsten der Corona-Opfer macht.

6 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Schafft der Schawidow jetzt auch für Telepolis an?
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Lockdown-Leugner und Pandemie-Paniker

https://www.heise.de/tp/features/Zwischen-Lockdown-Leugnern-und-Pandemie-Panikern-4708729.html

ppq hat gesagt…

viele versuchen zur zeit, auf den abgefahrenen zug aufzuspringen!

wolfgang fubel hat gesagt…


Der Planet der Affen !!

Die Anmerkung hat gesagt…

Nachricht aus der Zukunft
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Die einstigen Autobauer von BMW haben sich inzwischen als Bayrische Mundschutz-Werke mit dem Slogan „Freude am Atmen“ auf dem Weltmarkt einen Namen gemacht.

https://www.achgut.com/artikel/Muschu_land

Anonym hat gesagt…

Für was erhält ein völlig nutzloser Bundestagskasper über 10000 Euro Steuergeld im Monat?

Anonym hat gesagt…

Diese Frage wird ihnen niemand beantworten können.