Sonntag, 11. Oktober 2020

Liebig 34: Von Shitholes und Dreckslöchern

Fremdes Elend zählte in der Liebig 34 sichtlich stets mehr als der eigene Jammer.

Der erwartete Aufstand der Anständigen blieb am Ende aus, die queerfeministische Revolution wurde vertagt, Berlin war für einen Moment nicht Berlin wie es brennt und pöbelt, sondern ein ganz normales deutsches Städtchen, in dem ganz normale Mieter irgendwann immer aus ihren ganz normalen Häusern und Wohnungen geräumt werden, wenn sie ohne Mietvertrag dort wohnen. 

Gut, ein paar mehr Polizisten mussten aufmarschieren, um die seit 30 Jahren autonom besetzte Liebig 34 gentrifizierungsbereit zu machen. Aber abgesehen von ein paar Flaschenwürfen, ein paar angezündeten Autos und ein paar Steinen Richtung Polizei blieb es gerade unberlinerisch still.  „Nehmt ihr uns die Liebig ab, machen wir euch die City platt“, riefen die Demonstranten. Ehe sie noch was trinken gingen,  um den Willkürakt eines Systems runterzuspülen, in dem nun schon die Gerichte mit Urteilen Stimmung machen gegen Freiräume für Menschen, die anders leben wollen als im Dauerzustand der kapitalistischen Verwertungslogik.


Wie anders, das zeigten kurz nach der Eroberung der Liebigstraße Videos und Fotos, die die Beamten im Inneren angefertigt hatten. Grindige Matratzen, bis zum Lichtschalter zugemüllte Zimmer, unerledigter Abwasch aus dem vergangenen Jahrtausend - die Art, wie im Freiraum gelebt wurde, der Berlin so sexy gemacht hatte, war tatsächlich sehr anders. Im befreiten Haus sieht alles nach Kontrollverlust aus. In einer Wohnung, die so zugekotet und mit Plastikmüll und Unrat verseucht ist, würde die Mehrheit der Menschen nicht einmal wohnen wollen, wenn sie Geld dafür bekämen. Einziger Vorteil: Auch die Ratten dürften die Liebig34 gemieden haben, um sich nicht mit gefährlichen Krankheiten anzustecken.

Ein "Drecksloch" also, wie es in den sozialen Netzwerken schnell hieß, wobei die Mehrzahl der Dreckslöcher weltweit vermutlich über diese Gleichsetzung empört wären. Die bürgerliche Mitte jedenfalls war entsetzt, die Rechte sah sich - auch dank gefälschter Fotos -  in ihren Vorurteilen bestätigt. Und die Linke ging in Abwehrstellung: "das eigentliche drecksloch heißt deutschland", twitterte Taz-Edelfeder Hengameh Yaghoobifarah in RAF-Kleinschrift, ohne Widerspruch zu erlauben.

Wer erinnert sich da nicht sofort an Donald Trump, dessen Bezeichnung von Haiti, El Salvador und einer handverlesenen Auswahl an afrikanischen Staaten als shithole countries vor zweieinhalb Jahren weltweit für die Erkenntnis gesorgt hatte, dass ein übler Rassist ist, wer ganze Länder als pauschal Dreckslöcher bezeichnet? Yaghoobifarahs Verteidigung der vorletzten "autonomen Hochburg der Stadt" (Taz) traf auf weniger Echo. Ausschließlich der "Netz-Mob" (Tag24) nahm die linke Aneignung des trumpschen hate speech überhaupt zur Kenntnis.


Der Traum ist aus, nicht nur der vom kostenfreien Leben 
in der Berliner City, sondern auch der vom preiswerten provozieren mit Hilfe abgelegter Trump-Sprüche. Schien die deutsche Presse vor knapp drei Jahren noch fest entschlossen, Trump nicht eher aus den Fingern zu lassen, bis er die prinzipielle Paradiesqualität Haitis, San Salvadores und ganz Afrikas öffentlich beschworen hätte, verhallt
Hengameh Yaghoobifarahs Provokationsversuch vollkommen folgenlos.

Freilich, recht hat sie ja: Wenn im "reichsten Land der Welt" (ZDF) offenbar vollkommen hilflose Menschen unter solchen Bedingungen vegetieren müssen, über Jahre hinweg und ohne, dass ihnen in ihrer messihaften Überforderung von den Behörden sachkundige Sanitärtrupps, Zugehfrauen und Haushaltshilfen zur Verfügung gestellt werden, dann zeigt das deutlich, wie lang der Weg noch ist, den die Gesellschaft gehen muss, um zu einer gerechten Gemeinschaft zu werden, die ihre Schwächsten unterstützt, wenn sie es am dringendsten brauchen.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn ich wollte, könnte ich einige Adressen von Grünen Unterbonzen bzw. Taz-Schmieranten wie auch Junge-Welt-Lesern, auch Linke-Wählern gucken lassen - aber da sei die Schaden-Nutzen-Abwägung vor. Zumal es gar keinen nationalen Widerstand gibt:
Der Thüringer Heimatschutz hatt in seinen besten Zeiten 160 mit Gliedern, davon 40 Spitzel.

Anonym hat gesagt…

hatte ...

ppq hat gesagt…

ich würde sie durchweg sofort löschen.

Anonym hat gesagt…

Drecksloch? Rammalah Schittibäng von der taz? Lol a propoh Drecksloch. Oh Mann, der ist so naheliegend... muss so genügen.

Anonym hat gesagt…

ich würde sie durchweg sofort löschen.

Völlig verständlich, siehe eben Schaden-Nutzen-Abwägung - ich würde sie ja auch nie nicht gucken lassen, und am wenigsten hier. War auch als Antwort auf eine inzwischen verschwundene Äußerung gedacht.
Wenn ick will, kann ick Blut in den Schnee spucken.