Freitag, 3. September 2021

Zweierlei Zaun: Flucht vor der Wirklichkeit

Wie glücklich ist der, der jeweils situationsangepasst feste Prinzipien zur Verfügung hat.

Viktor Orban zeigte sein hässliches Gesicht zum ersten Mal so richtig, als die Züge der heute "Flüchtende" genannten Flüchtlinge damals über die Balkanroute Richtung Nordwesten wanderten. Gnadenlos setzte der Machthaber von Budapest nicht nur der deutschen Regierung die Flinte auf die Brust, als er Angela Merkel zwang, die Grenzen nicht zu schließen und Busse zu schicken, sondern zudem auch noch einen Grenzzaun baute, der nachfolgende Trecks abhalten sollte, sich überhaupt auf den Weg nach Ungarn zu machen. Berlin schwieg zwar laut, denn ein ungarischer Zaun versprach, auch Deutschland Zustromproblem lösen zu helfen. Doch die EU-Kommission in Brüssel sprang mit umso lauterer Kritik ein:  Die Kommission Juncker bemängelte "Barrieren und Zäune", denn "eine der größten Errungenschaften der europäischen Integration" sei die Bewegungsfreiheit der EU-Bürger in Europa. "Wir sind gegen alles, was sie behindert", merkte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos an.  

Trojanische Pferde

Ungarn baute unbeirrt weiter, bis die Balkan-Route geschlossen war. Zwei Jahre später ließ Orban dem ersten Zaun sogar noch einen zweiten folgen, erneut harsch kritisiert von den EU-Staaten, die eine "systematische Abschreckung von Migranten" (Deutschlandfunk) ablehnten. Die Behauptung des ungarischen Ministerpräsidenten, Migration sei ein "trojanisches Pferd für den Terrorismus", verschaffte dem 58-Jährigen den Ruf eines Menschenfeindes. Nachbarländer zeigten sich geschockt vom 175 Kilometer langen und vier Meter hohen Neubau. Eine Forderung Ungarn an die EU, sich finanziell an der Sicherung der EU-Außengrenze zu beteiligen, lehnte Brüssel entschieden ab: "Wir finanzieren keine Zäune", ließ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bestellen.

Ganz korrekt war das nicht, denn schließlich hatte die EU den türkischen Grenzzaun aus mobilen Betonblöcken, Stacheldraht und Wachtürmen, immerhin 911 Kilometer lang und drei Meter hoch, mit 80 Millionen Euro bezuschusst. Auch an der Finanzierung der sagenhaften ukrainischen Stahlwand zur Abwehr einer russischen Invasion, imponierende 2.300 Kilometer lang und mit Panzersperrgräben versehen, ließ sich die EU 60 Millionen Euro Aufbauhilfe kosten. "Wir finanzieren keine Zäune" gilt aber nun erst recht nicht, seit Litauen unter bjelorusslanddasfrühereweißrussischen Migrationsattacken leidet: Kaum hatte die litauische Regierung ihre Absicht bekundet, einen Zaun zu errichten, war der gute Zweck amtlich und es flossen knapp 37 Millionen Euro Soforthilfe aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU.

Zaun ist nicht gleich Zaun

Zaun ist nicht gleich Zaun, Mauer nicht Mauer. So wie stets klar war, dass Donald Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko "gar nichts" (Die Zeit) lösen wird, die Fertigstellung der türkischen Mauer hingegen "Schmuggler und illegal Einreisende aufhalten" (Der Spiegel) kann,  sichert Litauen mit seinem Stacheldrahtzaun nicht nur "seine Grenze zu Weißrussland gegen Flüchtlinge" (DLF), sondern die vitalen Interessen der gesamten EU mit deren Wissen und Zustimmung. Adalbert Jahnz, ein "EU-Sprecher für Inneres", den angesichts der virtuellen Mauern, die Dänemark in letzter Zeit errichtet hat, große Sorgen quälen, hat die digitale Natur der EU-Position scharf umrissen. „Die Kommission finanziert keine Zäune oder Barrieren", sagte er. Die EU gebe Geld für humanitäre Zwecke. So dass Litauen diese Mittel spart, um sie in den neuen Grenzzaun zu investieren.

Eine win-win-Lösung, die der Absicht der EU-Kommission entspricht, "die Mittel, die der EU für den Grenzschutz zur Verfügung stehen, dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert haben" (Jahnz).  Derzeit ist das dort, wo Alexander Lukaschenko eine Krise "orchestriert" (DPA), um die Friedensnobelpreisgemeinschaft in Bedrängnis zu bringen. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen, die sonst so kommen, kommen die, die aus Belarusdemfrüherenweißrussland kommen, "illegal" (ZDF), inzwischen auch nach Polen. Das macht, dass der litauische Zaun wie auch der polnische, der gerade entsteht, nicht mehr im Widerspruch zu Angela Merkels Festlegung steht, dass Grenzen sich nicht schließen lassen.  Sondern dass die, die Migranten nicht einreisen lassen, selbst wenn sie laut "Asyl" rufen, sich nur gegen einen Angriff einer feindlichen Macht wehren.

Angriff einer feindlichen Macht

Dass Viktor Orban die Einwanderung von Flüchtlingen vor sechs Jahren zu einer der größten Bedrohungen der Europäischen Union erklärte war genauso falsch wie  jetzt richtig ist, dass Polen wegen der "illegal" aus Belarus einreisenden Migranten den Ausnahmezustand in der Grenzregion zu dem östlichen Nachbarland erklärt hat. Orban martialische Sperre, errichtet an den Grenzen eines Landes, das seine Grenzbefestigungen vor 30 Jahren abbaute und damit den Zusammenbruch des Ostblocks beschleunigte, war die verachtenswerte Tat eines Mannes, der Asylsuchende widerrechtlich am Weiterkommen hindern wollte und mit seinem Alleingang zurecht viele EU-Partner verärgerte. Der litauische wie der polnische Nachbau dagegen sind tragende Wände in einer Gemeinschaft, die seit Jahren auf der Flucht vor der Wirklichkeit ist und dabei notgedrungen immer wieder vergisst, was gestern noch richtig gewesen ist.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zäune, Mauern und andere Grenzsicherungen sind für die EU schon ok, aber eben an der gewünschten Außengrenze. Da sind nicht nur Ukraine und Türkei interessant, sondern auch z.B. die Südgrenzen der Maghreb-Staaten. Daher setzen Spanien und die EU darauf, dass Marokko die Grenze auf eigenem Territorium abschirmt - das Land bekommt dafür viele Millionen Euro Finanzhilfen von der EU.

Anonym hat gesagt…

es gibt kein Menschenrecht auf Zuwanderung in den goldenen Sepptempel - steht schon in der Thorrá ( S.2 "täglich auszuhandelnder Rechtstrémismus ; Gagaismus und Konsum " )

Anonym hat gesagt…

technisch gesehen kann man jede Grenze sichern - siehe Bild : 3 Rollen S-Draht und gut ist .

besser : alle 400m 1 MG 3 + 800 Schuss 7,62 ( Beschäftigungsprogramm für die örtliche rammsteinhörende Jugend ( "auch die Rammsteinenden " genannt ) .

viele Europäer lernen DEUTSCH - wg Rammstein . wusste auch keiner .Bis die Rammsteinenden im Götetut auftauchten und explizit nach Rammsteintexten fragten .

"wollen sie nicht lieber romantische Lyrik lesen ? "

von Eichendorff zB . Meinten sie "Eichentisch" ? fragt die Sprachautomatin.

Anonym hat gesagt…

Pfoines Rittergut:

Nemo Obligatur
3. September 2021 15:10

@ Laurenz

"Churchill herrschte als Diktator über ein Weltreich ... ... ... Es mag sein, dass Großbritannien keine Insel der Seeligen war, aber die Briten und Churchill haben sich in schwierigen Zeiten alles in allem nicht schlecht behauptet.
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"Seelig" sind die Pseudointellektuellen, denn sie brauchen keinen Hammer.

Dort salbadert man ja auch gern über die Sancta Simplicitas - nein, wir konnte ich - Trinitas! Dabei ist es mit der Dreifaltigkeit genau so einfach wie mit der Neuen (mit der Alten auch) Frankfurter Schule: Der Kaiser ist pudelnackt.

Anonym hat gesagt…

von Eichendorff zB . Meinten sie "Eichentisch" ? fragt die Sprachautomatin ...

Oh, wie ich das kenne, und es mich ekelt.

Wem Gott will rechte Gunst erweisen, dem schenkt er einen Mullverband (Kuno Wimmerzahn).