Samstag, 9. April 2022

Alte Liebe zu russischem Gas: Das grüne Geheimnis

Der grüne Traum von den Gaskraftwerken als Übergangstechnologie gründete im Glauben an zuverlässige Lieferungen aus Russland.

Nach dem Eingeständnis des Bundespräsidenten, der sein Festhalten an der Pipeline Nord Stream 2  endlich als "falsch" beschrieben hatte, um aus den Schlagzeilen zu kommen, steht die gesamte unselige deutsche Energiepolitik der zurückliegenden Jahrzehnte vor Gericht. Steinmeier hatte zugegeben, sich in der Einschätzung Putins "geirrt" zu haben. Der frühere SPD-Politiker hatte als Gerhard Schröders Kanzleramtschef und Angela Merkels Außenminister fast 15 Jahre lang mitverantwortlich für eine deutsche Russland-Politik gezeichnet, die Konfrontation vermieden und stattdessen versucht hatte, Russland durch wirtschaftliche "Brücken" (Steinmeier) einzubinden in ein gegenseitiges Verhältnis enger Abhängigkeiten im gemeinsamen Haus Europa, von dem schon Gorbatschow, Brandt, Honecker und Lafontaine geträumt hatten.

Richtig grundfalsch

Lange als richtig verkauft, schließlich aber doch grundfalsch, so zumindest steht es im Altpapier von morgen. Die großen Magazine, Tageszeitungen und Wochenschriften waren zumindest aus heutiger Sicht stets gegen deutsche Wirtschaftsbeziehungen mit dem unkalkulierbaren Osten, stets gegen Abrüstung, stets gegen gegenseitige Abhängigkeiten, deren friedenserhaltende Kraft in den Fortschrittsredaktionen in Köln, Hamburg, Berlin und München grundsätzlich bezweifelt wurde. 

Der Russe, er war seit seit seinem völkerrechtswidrigen Vormarsch nach Polen vor 100 Jahren kein anderer geworden. Mehr Bär als Mensch, sieht er die Landflächen an seiner Ostflanke als von der Entente gesteuerte Staaten, die es als "Brücke nach Europa" (Lenin) braucht, die Revolution nach Westen zu tragen. Deutschland hätte sein Heil deshalb schon lange in energetischer Souveränität suchen müssen, so viel ist klar.

Der grüne Glaube an russisches Gas

Zum Glück denkt nun ausgerechnet die Öko-Partei in der Ampel eilig um. Die Grünen, bis vor wenigen Wochen noch entschlossen, den klimafreundlichen Umbau der deutschen Wirtschaft mit Hilfe von russischem Gas zu bewerkstelligen, haben sich über Nacht umentschieden. Energieversorgung, bisher ein belächeltes Thema von preppernden Stammtischrunden, ist neuerdings eine Frage der nationalen Sicherheit: Bürgerinitiativen und Rotmilane, Menschenrechtler und Pazifisten, sie alle müssen zurücktreten von der Bahnsteigkante, an der der neue Ökotrain zur Friedensfahrt aufbricht.

Ganz verschütt gegangen ist dabei das Wissen darum, dass es keineswegs nur Schröder, Steinmeier und Merkel waren, die Anfang der 2000er Jahre die Weichen auf eine deutsch-russisches Versorgungspartnerschaft stellten. Die Älteren erinnern sich: Der damalige Außenminister Joschka Fischer und sein grüner Umweltministerkollege Jürgen Trittin ebneten den Weg bereitet zum Ausbau der deutschen Abhängigkeit von russischen "Fossilen" (Ricarda Lang). SPD-Kanzler Gerhard Schröder war es zwar, der die Vereinbarungen zum Bau der Pipeline Nord Stream I gemeinsamm mit Wladimir Putin unterzeichnet und damit die Partnerschaft zwischen Gazprom, E.ON Ruhrgas und Wintershall angeschoben hatte. 

Marginale grüne Bedenken

Doch die damaligen grünen Bedenken waren marginal, nie grundsätzlich. Sie galten bei Nord Stream I der Bedrohung des maritimen Umfeldes, bei Nord Stream II schürten grüne Funktionäre die Furcht, die USA seien "gegen jede Pipeline aus Russland oder der Sowjetunion", damit Europas Gas "teurer werde", weil das "der amerikanischen Industrie zugute, aber auch dem möglichen Export von US-Flüssiggas" (Jürgen Trittin). Jede zusätzliche Pipeline mache das teure amerikanische Flüssiggas weniger wettbewerbsfähig, aber klimafreundlich sei es nicht. "Der CO₂-Abdruck, den es hinterlässt, ist weit größer als beim Pipeline-Gas", urteilte Jürgen Trittin. 

Als die Grünen im Wahlkampf ihre Pläne für ein "Marktdesign, das die Rahmenbedingungen für ein klimaneutrales Energiesystem richtig setzt" vorstellten, ruhte das zentral auf neuen Gaskraftwerken, weil die wegen des angestrebten Kohleausstieges "aktuell zwingend notwendig" seien. 30 bis 40 solcher Kraftwerke sollten gebaut werden, alle für irgendwann später "bereits Wasserstoff-ready geplant" (Grüne) - nach Verfahren allerdings, die sich derzeit noch in der Erprobung befinden und keinerlei Chance haben, in den kommenden drei, vier Jahren massenhaft großtechnisch umgesetzt zu werden. 

Zauberkunststück Osterpaket

Mit dem "sogenannten Osterpaket" ist dem Klimaminister so ein doppeltes und dreifachen Zauberkunststück gelingen. Einerseits sieht es plötzlich aus, als habe es die grüne Hoffnung auf die große Erdgasbrücke in eine klimaneutrale Zukunft niemals gegeben. Andererseits erübrigt sich jede Entschuldigung für frühere russlandfreundliche Positionen, nach denen amerikanische Sanktionen gegen "die souveräne Gestaltung europäischer Energiepolitik" aus grüner Sicht "ein aggressives Mittel" waren, "die offenbar nur einem Ziel dienen - sie sollen der Energiedominanz der USA Vorschub leisten".

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Wahrheiten der Vergangenheit als Irrtümer enttarnt, denen aber eigentlich nur - einer muss es machen - Walter Steinmeier anhing. Dessen frühere Einschätzung,  "dass Wladimir Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde", haben im politischen Berlin über Jahrzehnte alle geteilt. Geirrt aber und gescheitert beim Versuch "der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird" (Steinmeier) sind nur ausgewählte Anhänger des Ansatzes, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden.

Freiheitsenergie-Importe

Schlagartig hat russisches Erdgas nun schlechtere klimatische Eigenschaften als Freiheitsenergie-Importe aus Fracking-Förderung, die mit LNG-Tankern angeschippert werden. Erdgas, im Januar noch auserkoren, als Rettungsanker für das schlingernde deutsche Wirtschaftsschiff zu dienen, ist hinter die  Atomkraft, hinter die Braunkohle und knapp vor dem Erdöl gerutscht. 

Europas grüne Zauberei" (Der Spiegel), hat sich selbst an allen Extremitäten gefesselt: Die EU-Kommission sieht in der fossilem Gasförderung einen Klimabeitrag, der steuerlich zu fördern ist. Robert Habeck kritisierte das als "Greenwashing", ehe er nach Katar flog, um dort nach Zusatzlieferungen zu fragen. Die Bundesregierung hatte die EU-Pläne zur Förderung von Gasprojekten begrüßt, ist nun jedoch umgesteigen. Statt auf Kohle, Öl und fossilem Gas soll das zukünftige Energiesystem nun komplett auf Sonnen- und Windenergie basieren, wenigstens irgendwann. 



5 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Was die Russland-Politik angeht, sind die Grünen ein vereinigter Widerspruch. Da sitzen im Bundestag und anderen Gremien (Ex) Russland-Freunde und Atlantiker Seite an Seite, ohne sich bisher öffentlich an die Gurgel gegangen zu sein.
Ich weiss nicht, was nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Regierung 2005 genau passiert. Aus Angst vor (wirtschaftlichem) Bedeutungsverlust hat der eine oder andere Grüne bzw. Grünin sein Haut zu Markte getragen und sich der Seite verdungen, die den höchsten Preis gezahlt hat. Ehrlich kann man das, was die Grünen seit Mitte/Ende der 90er Jahre betreiben, nicht mehr nennen. Nachdem die Grünen einmal von der Frucht vom Baume der Macht gekostet hatten, sind die hehren Überzeugungen und Motive von einst zusammengefallen wie ein Soufflé.

ppq hat gesagt…

so sieht es aus. auf einmal waren sie ganz gewöhnliche menschen, die doch lieber das auto nehmen, wenn es regnet

Anonym hat gesagt…

die GRÜNEN sind ganz gewöhnliche Armleuchter & Spießer ( Privatschule fürs hochbegabte Sonderkind , türkisch-arabische Bereicherung für Arbeiterkinder ) ; es sind knackharte Klassenkämpfer die nur durch entsprechenden Widerstand zu beeindrucken sind .

Anonym hat gesagt…

die GRÜNEN sind ganz gewöhnliche Armleuchter & Spießer ...

Je nun, sämtliche Pachteien, die Änpedé sogar, spielen ihre ganz spezielle Rolle in dieser unappetitlichen Schmierenkomödie. Die Grünen Khmer sind eine Art Scouts, die 10 - 20 Jahre, bevor eine Abartigkeit zur Selbstverständlichkeit wird, dieselbe als erste aufs Tapet bringen. Die "AfD" imitiert derzeit die einzige echte Opposition - von "UNSERER BESONDEREN VERANTWORTUNG" können sie aber nicht lassen.
Es ist alles eitel und Haschen nach dem Wind.

Jodel hat gesagt…

So weit die aktuelle Tageswahrheit der Grünen. Heute hui, morgen pfui und übermorgen wieder hui. Nicht dass bei den anderen Parteien ein ausgeprägterer Sinn nach der Erinnerung an einmal fest geglaubtes vorhanden wäre.

Wenn dereinst in zwei Jährchen evtl. Trump wieder Präsident und oberster Beelzebub werden sollte, werden wir, egal wer gerade regiert, unser Gas beim Putin-Nachfolger wieder in Rußland einkaufen. LNG aus Amerika ist dann wieder bäh und die Vorteile von Pipelinegas werden wieder unschlagbar sein. Ein paar Jahre halt, bis sich alles wieder dreht. Panta rhei, alles fließt und niemand kann sich an den Mist erinnern, den er gestern noch hoch und heilig beschworen hat. Denn mit Eurasien waren wir nie im Krieg, immer mit Ozeanien. Die Medien werden klatschen und schreiben, dass sie das schon immer exakt so gewollt hatten.
Ich hoffe Big Tech ist bis dahin so weit, dass alle Kritikaster, die an dieser alternativlosen Zukunft dann wieder etwas herumzumäkeln haben zum schweigen gebracht werden können. Wir gehen einer strahlenden Zukunft entgegen. An eine andere werden wir uns sowieso nicht erinnern können.