Dienstag, 10. Januar 2023

Ministertausch in Thüringen: Knechte der Quote

In Thüringen ist die Zeit stehengeblieben. Bald soll aber bald auch der Klimaschutz vorangebracht werden.

Im Thüringerwald, da essen sie noch Hunde

Nach altem Rezept, zur winterkalten Stunde.

Denn der Weg zum nächsten Konsum ist so weit,

zur Winterzeit, zur Winterzeit

Rainald Grebe

Es steht nicht gut um das Land, das bitterer noch als alle anderen an Angela Merkels Erbe würgt. Seit die damals noch mächtigstes Frau der Welt ein Machtwort sprach und von Südafrika aus, wo sie gerade Fluchtursachen bekämpfte, die Landtagswahl in Thüringen rückabzuwickeln anwies, geht es nicht voran im einzigen Bundesland, das von einem Kommunisten regiert wird. Bodo Ramelow, ein Westdeutscher, hat keine Regierungsmehrheit, um Gesetzesvorhaben durchzubringen und Haushalte zu beschließen, ist er angewiesen auf Stimmen von AfD und CDU.  

Drohende Unregierbarkeit

Das läuft nicht gut, aber allemal besser als es nach einer eigentlich bereits für 2021 versprochenen Landtagswahl werden würde. Die AfD steht im grünen Herzen bei 30 Prozent, stärkste Partei vor Ramelows Linkspartei, die in ihrer letzten Hochburg auf 27 Prozent kommt. Eine neue rot-rot-grüne Koalition wird sich mit diesen Zahlen nicht schmieden lassen, wenn eines Tages doch noch mal gewählt werden sollte. Die derzeit amtierende Landesregierung in Erfurt käme auf gerade mal 40 von 88 Sitzen im Landtag. Anderthalb Jahre vor der dann mehr oder weniger unausweichlichen Wahlwiederholung ein Zeichen dafür, dass unbedingt etwas getan werden muss.

Denn es geht Thüringen auch sonst nicht gut. Die Wirtschaft lahmt schlimmer als in Mecklenburg und Sachsen-Anhalt, jede Gesetzesinititative wird bedroht von der Gefahr, dass die AfD dem Vorschlag zustimmen könnte und der Bund dann wohl Truppen schicken müsste. Richter können seit Monaten nicht ernannt werden, die Schwerpunkte der Thüringer Außenpolitik sind zwischen Lokalisten und Globalisten umstritten und beim Ausbau der Erneuerbaren, einem zentralen Vorhaben besonders der kleinen grünen Partei, steht die CDU immerzu auf der Bremse, weil sie es kann. 

Traditionelle Quotenregelung

Zeit, die Probleme anzugehen. Mit dem freiwilligen Rückzug der bisherigen Umweltministerin Anja Siegesmund, einer wie in der Assiette für Parteikader gebackenen 46-Jährigen, die nach ihrem Studium genau ein Jahr im Wahlkreisbüro eines Abgeordneten gearbeitet hatte, ehe sie selbst Abgeordnete wurde, musste ministerialer Nachschub her. Schwer zu finden in einer Partei, die nur 1.000 Mitglieder hat und eine Quotenregelung, die trotz neuerer Weichenstellungen zu genderfluiden Gerechtigkeitslösungen weiterhin ganz traditionell vorschreibt, dass eine Ministerin nur eine Frau ersetzt werden darf. 

Unschön nur, wenn sich nichts Ministrables im eigenen Aufgebot findet. Denn dann wird es kompliziert: Die Grünen im grünen Herzen hätten jemanden zwar jemanden für den - nicht vakanten - Posten des sogenannten "Justiz- und Migrationsministers" gehabt. Der Amtsinhaber aber war nun gerade nicht abgängig. Als Ersatz für die ins Private flüchtende Umwelt- und Energieministerin Siegesmund dagegen stand nur ein Mann zur Verfügung, der Landesvorsitzende Bernhard Stengele, ein westdeutscher Theatermacher, jederzeit bereit für die große Bühne.

Bäumchen wechsle dich

Um Minister und Vize-Ministerpräsident werden zu können, dreieinhalb Jahre nach der ersten Landtagskandidatur und zwei Jahre nach dem Aufstieg zum Parteichef, brauchte es deshalb eine gewitzte Rochade: Der Mann Stengele wird, was bisher die Frau Siegesmund war. Damit aber die Quotenvorgaben von Partei und Kabinettschef Ramelow erfüllt bleiben, muss der bisherige Justizminister Dirk Adams ebenfalls gehen. So dass mit der Polizeihauptkommissarin Doreen Denstädt eine neue Chefin für das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz gefunden ist.

Den Schönheitsfehler, dass Amtsinhaber Adams trotz dringender Aufforderung nicht freiwillig gehen wollte, lächeln die Beteiligten weg. Eine "kraftvolle personelle Neuaufstellung" sei das Manöver, das auf der Homepage der Landespartei nur im Kleingedruckten Erwähnung findet. Der "grüne Aufbruch mit neuen Hausspitzen" werde "Integration und Klimaschutz voranbringen". Denstädt stehe "gleichermaßen für gelingendes Verwaltungshandeln und für kreative Lösungsansätze", Stengele dagegen habe "ein tiefes Verständnis von der Komplexität der Klimakrise entwickelt" und besitze als "erfahrener Politiker und langjähriger Regisseur" die "Fähigkeit schnell auf Herausforderungen zu reagieren" (Original). 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Deshalb war der Grünen-Führung zufolge ein „schmerzlicher Schritt“ notwendig: Die Entlassung ihres eigenen Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Dirk Adams. Der 54 Jahre alte Politiker, der das Amt seit März 2020 bekleidet, hatte jedoch keineswegs freiwillig weichen wollen.

Dieser weiße alte Nazimann! Raus mit dir!
Auf den Rängen:
Ooooh wie ist das schön!
Ooooh wie ist das schön!

Anonym hat gesagt…

Theaterleute haben den richtigen politischen Durchblick und eine unglaubliche Weitsicht. Ich war 2015 mit dabei wie sie im Neuen Theater in Halle den von Angela Merkel angezettelten Flüchtlingsansturm laut bejubelten und beklatschen. Stehende Ovationen, auch beim Publikum. Ich hatte damals einen Komparsenjob. Ich stand daneben und konnte soviel Dummheit gar nicht fassen.