Samstag, 15. April 2023

Staatsbegräbnis für Kernkraftwerke: Die Welt nimmt Abschied vom Atom

Beste Stimmung ist an der Isar garantiert, wenn heute Abend mit einem Staatsakt die deutsche Atomzeit endet. Abb: AI for Future

Es wird ein großer Bahnhof, ein letzter Gruß an eine Technik, die schon überaltert und kreuzgefährlich war, als sie vor 70 Jahren versprach, die Energieprobleme der Menschheit zu lösen. Vier Jahrzehnte haben Menschen gegen die Kernkraft gekämpft, knapp zwei Jahrzehnte lang dauerte es, bis ein endgültiger Ausstiegstermin in Deutschland mit Blick auf eine seinerzeit anstehende Wahl und beängstigende Umfragewerte amtlich gemacht werden konnte. Die Verlängerung wegen des Krieges ist nun auch überstanden, glücklich ohne GAU. Der 15. April wird sich mit goldenen Lettern ins Buch der Geschichte eintragen. Der Tag der Freiheit vom Atom, zumindest für den kleinen deutschen Teil der Erdbevölkerung.   

Festprogramm zur Abschaltung

Natürlich wird an einem solchen Festtag alles aufgefahren. Die "Tages­themen" senden zur Abschaltung der letzten drei Atom­kraft­werke in Deutschland live vom Gelände des AKWs Isar 2. Ingo Zamperoni moderiert die 45-minütige Sendung vor Ort, zudem gibt es eine Reportage aus dem Inneren des Kraft­werks sowie Interviews mit Markus Söder und Ricarda Lang. Auf der großen Freifläche treten noch einmal die beliebtesten Bands der großen Zeit der Anti-AKW-Bewegung auf, grau geworden, aber immer noch gut bei Stimme. Der Strom für die Verstärker und die - wegen des Krieges halb gedimmten - Scheinwerferbatterien wird aus Wind- und Solaranlagen ganz in der Nähe kommen. 

Geladen sind auch die Politikerinnen und Politiker, die Wissenschaftler, Politologen, Demoskopen und Lobbyisten, die das alles erst möglich gemacht haben. Vor den Fans, die Veranstalter rechnen mit mehreren Zehntausend, werden sie noch einmal Auskunft geben über den schweren Weg von Tschernobyl über Fukushima bis hierher an die Isar, wo Anwohnende so viele Jahre im Schatten der drohend dunklen Wolken aus Atomqualm aus den radioaktiven Meilern hatten leben müssen.

Ein Staatsbegräbnis aus Dankbarkeit

Eine Ära geht zu Ende, mit einem großen Staatsbegräbnis, mit dem die Deutschen Abschied von einer Technik nehmen, deren Ruf es war, dass "die Kernkraftwerke in Deutschland generell zu den sichersten überhaupt gehören", sicher also im Sinne von "generell" und "überhaupt" verglichen mit sich selbst. Auch weltweit werden Millionen Menschen am Bildschirm dabei sein, wenn dieses Kapitel beendet wird. Mit einem dem größten Staatsbegräbnis für eine früherer Zukunftstechnologie - das Kutschpferd, die Dampfmaschine und der Kassettenrekorder waren ohne große Feier beerdigt worden - setzt Deutschland ein Zeichen: Diese Nation trauert nicht, sie erweist den im Weltmaßstab gesehen recht jungen Meilern die letzte Ehre, schreitet aber zugleich froh und freudig erregt fest entschlossen aus, um das Morgen zu gewinnen.

An den Trauerfeierlichkeiten nehmen zwar keine Staatsoberhäupter und Monarchen teil, doch geht man an der Isar davon aus, dass viele frühere noch noch aktive Aktivis*innen und AktivtInnen von weit her anreisen, um ihren Erfolg zu feiern. Tausende Menschen werden beim Jahrhundertereignis die Straßen säumen und ergriffen zuschauen, wenn nach 35 Betriebsjahren und 404 Milliarden Kilowattstunden ohne Zwischenfälle produzierten Stroms der Reaktor heruntergefahren wird. Geplant ist das 23.45 Uhr heute Abend - eine symbolische Zahl, die auf die Buchstabenfolge "BCDE" anspielt. 

Die Versorgung bleibt womöglich sicher

Tränen wird es kaum geben, denn die Versorgung bleibt sicher und der Strompreis wird durch die Abschaltung der letzten sechs atombelasteten Prozente der deutschen Elektroenergieversorgung zu sinken beginnen, sobald die Trauerprozession das Totenbett verlassen haben. In den nächsten Jahren  werden die Reaktoren zurückgebaut. Vor allem die stark strahlenden und die schwach radioaktiven Überbleibsel des tödlichen Irrtums der der großtechnischen Erzeugung von Sekundärenergie mittels Kernspaltung werden dann jeweils in feierlichen Prozessionen in die Zwischenlager gebracht und dort zur letzten Ruhe gebettet, zumindest bis die große Bundesendlagersuche eines Tages einen Sieger gefunden hat.

Abzüglich der drei heruntergefahrenen deutschen Kernkraftwerke sind dann weltweit noch 420 Reaktorblöcke in 32 Ländern in Betrieb, weitere 56 Reaktorblöcke werden derzeit neu gebaut und mehr als 100 sind in Planung.


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein toller Sieg gegen die mächtige Atomlobby, die fast so mächtig ist wie die deutsche Waffenlobby.

Anonym hat gesagt…

in vier Jahren werden neue Reaktoren gebaut .Bis dahin kaufen wir überteuerte Frogstrom aus Fronkreisch wegen eu Solidarität .

Anonym hat gesagt…

Nur Bekloppte unterwegs.

Anonym hat gesagt…

Der Morgenthau, der Morgenthau, war eine alte ... Zugegeben, an diesem Reim arbeite ich noch.

Die Anmerkung hat gesagt…

Ein Dalai Lama?

Anonym hat gesagt…

"Weit wie der Ozean"?" - Eingeräumt, (((seine Sippe))) ist ziemlich weit verbreitet. Weiter westlich von Brooklyn (aber weiter östlich von Birobidschan wird es eng.)

Anonym hat gesagt…

Finanzfreimaurertum plus Sozis gleich Bolschewismus