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| Es geht weiter, immer weiter: Der klare Zukufntsplan der Grünen setzt inzwischen auf den Staat als Universalerben. |
"Was für eine schaurige Ästhetik", klagt eine der Mitgründerinnen entsetzt. "Schwarz dominiert, darauf grüne Lichter wie Krawatten auf Anzug" bemängelt Jutta Ditfurth beim Blick auf die Bilder der Inszenierung des Parteitages, der die Grünen zurückführen soll zu einer realistischen Machtperspektive. "Die Vorsitzende trug olivgrün-schwarz", ätzt die frühere Führerin der Parteilinken. Sie habe zudem betende Damen gesehen, die die Rede eines bleichen Vorsitzenden zu fürchten schienen, "zwischen dessen Pult und die Delegierten ein Wassergraben" passe.
Der Ekel der Alten
Es sollte das große Comeback sein, weiter ohne Inhalt, aber als Zeichen unübersehbar. Eigens wegen ihres Richtungsparteitages verzichtete die grüne Chefetage darauf, sich in Gießen in die Schlacht gegen den Faschismus zu werfen. Nicht einmal eine Solidaritätserklärung war der bisher größte Kampf gegen Rechts seit der Bundestagswahl den Erben der Schily, Fischer, Trittin und Roth wert. Auf der Tagesordnung in Hannover, sichere zweieinhalb Auto- oder dreieinhalb Deutschlandticketstunden vom Schlachtfeld entfernt, standen fundamentale Fragen.
Wie weiter mit dem Weltklima? Wie weiter mit dem Aufbau des Sozialismus? Und wo ist inmitten eines schrumpfenden linken Lagers, in dem sich immer mehr Splitterparteien um die Sympathie von Studenten, Lehrern, Beamten und Ministerialen balgen, noch Platz für eine Kraft, die sich einen grünen Wandel auf die Fahnen geschrieben hat, vor dem mittlerweile mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Angst haben?
Neue Umverteilungsversprechen
Es geht um Umverteilungsversprechen, die wieder glaubhaft klingen. Die noch vom inzwischen ausgeschidenen und ausgewanderten Ex-Parteipaten Robert Habeck installierte neue Parteiführung weiß, dass es für Eingriffe nur "breite Akzeptanz gibt, wenn das Elend groß ist". In den Ampeljahren ist es gelungen, bei der Schaffung des Elends ein gutes Stück voranzukommen. Jetzt gilt es für die bisher farblos gebliebene Riege der Parteiführer Felix Banaszak und Franziska Brantner, Andreas Audretsch, Katarina Dröge, Britta Haßelmann und Jakob Blasel, die vom Duo Habeck/Baerbock leichtfertig verspielte Machtperspektive zurückzugewinnen.
Wer hat nocht was, wem lässt sich noch was nehmen? Diese große Frage beschäftigt nicht nur die Verwalter der leeren Staatskassen bei SPD und Union, sondern auich die Opposition. In diesen Schicksalstagen kurz vor einem drohenden Frieden an der Ostflanke gilt es, schnell noch durchzuregieren, ehe das Elend nachlässt, das harte Entscheidungen und tiefe Schnitte begründen kann.
Die Facharbeiter sollen zahlen
An Einfallsreichtum fehlt es den Berufenen nirgendwo: Die CDU plant eine Umsetzung der als "Habeck-Steuer" bekannten Heranziehung der Erträge von Sparvermögen zur Finanzierung der Sozialkassen. Die SPD will "die Vermögen in Deutschland ganz anders verteilen". Die Linke möchte Erben, Überwohlhabende und alle sonstigen Guthaben überhaupt besteuern, am besten bis zu dem Punkt, an dem niemand mehr mehr hat hat als irgendjemand anders.
Die Grünen, das hat der Parteitag in Niedersachsen gezeigt, wären überall dabei, wenn es dem Ziel nützlich ist, sich aus dem Loch an Depression herauszuwühlen, in das die noch 2021 so siegesgewisse Partei durch die vielen jähen Wendungen überall auf der Welt gestürzt worden ist. 65 Jahre nach ihrer Gründung steht die so lange jüngste und erfolgreichste Partei der Bundesrepublik vor dem Abgrund: Es fehlt ihr nicht nur an überzeugenden Führungspersönlichkeiten, es ihr fehlt auch an Visionen, an Glaubwürdigkeit und Konzepten.
Wettbewerb der Linksparteien
Im Wettbewerb mit den anderen vier Linksparteien SPD, PDS, CDU und BSW zielt die grüne Strategie auf dieselben Zielgruppen. Den fleißigen Facharbeitern und Ingenieure, die den ganzen Laden noch am Laufen halten, soll etwas mehr genommen werden. Um der eigenen Kernklientel der nach Betreuung und Bemutterung Lechzenden Geschenke zu machen.
Im Überbietungswettbewerb um die besseren Ideen und die schöneren Worthülsen, um den eigenen Anspruch auf alles Eigentum von jedermann begründen zu können, hat die oft als "Realo" geschmähte grüne Parteichefin Franziska Brantner in Hannover vorgelegt. "Leistung verdient Anerkennung. Arbeit verdient Wohlstand", hat sie dekreditiert. Erben aber sei "kein Beruf! Erben ist keine persönliche Leistung". Erben sei mithin illegitim - ein Fall für eine Vergemeinschaftung im Dienst aller.
Vermögensaufbau bleibt erlaubt
Geht es nach Brandtner, bliebe es weiter erlaubt, sich während der eigenen Lebenszeit mit harter Arbeit ein - gewisses - Vermögen aufzubauen. Mit dem Tod des Besitzers und Eigentümers aber würde dessen Verfügungsgewalt über das Ersparte erlöschen. Es wäre ihm untersagt, selbst zu bestimmen, wem sein Besitz nach ihm gehören soll.
Brantners Idee bedeutet den Bruch mit einer jahrtausendealten Tradition. Wie ihr Co-Vorsitzender Banaszak ist die Frau aus Neuenburg am Rhein westdeutsch sozialisiert. Ebenso wie der Duisburger Kollege wurde sie schon im Teenageralter als Perspektivkader entdeckt. Aufgezogen und ausgebildet fernab des deutschen Alltagslebens, will die Politikwissenschaftlerin den Erbfall, der seinen Namen den alten Germanen und ihren Begriff "arbija" verdankt, völlig neu organisieren.
Statt dass mit dem Tode einer Person deren Vermögen an die von ihr bestimmten Erben übergeht, sieht Brantner eine andere Lösung vor: Der Staat nimmt erstmal vielleicht ein wenig mehr als heute, später irgendwann alles. und verteilt es neu.
Am Erbgraben
Doch dieser populistische Versuch, die Bevölkerung entlang des Erbgrabens weiter zu spalten, war nicht das einzige bemerkenswerte Zeichen, mit dem die Grünen SPD, Linken, CDU und BSW von Hannover aus signalisierten, dass im Wettrennen und den schnellsten Weg zum Sozialismus wieder mit ihnen zu rechnen ist.
Getreu der Marx`schen Devise, dass jede Partei angesichts der Aussicht auf 20 Prozent Stimmenzuwachs lebhaft wird, bei 50 Prozent positiv waghalsig, bei 100 Prozent alle menschlichen Gesetze unter ihren Fuß stampfe und bei 300 Prozent kein Verbrechen existiere, das sie "nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens", flunkerten die Redner*innen um die Wette.
Auswaschung der Erinnerungen
Es ging um Homöopathie, die verboten werden soll. Um die Auswaschung aller Erinnungen an den Bündniskanzler Robert Habeck und eine "Abkehr" von dessen "pragmatischen Mitte-Kurs" (T-Online). "Links ist kein Schimpfwort", rief Banaszak, "sondern ein Auftrag!" Es ging dann wie immer um neue Verbote, neue Versprechen, eine neue Strategie sogar, für die die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin der Parteizentrale den schmissigen Slogan vom "sozial gerechten Klimaschutz" wiederaufgewärmt hat, den die Nahles-SPD in den 2010er Jahren als Monstranz vor sich hergetragen hatte.
Viele Zeitzeugen von damals sind bereits verstroben. Viele Wähler erinnern sich nicht mehr. Die ehemals Aktiven sind wie der charismatische Thorsten Schäfer-Gümbel als Vorstandssprecher bei der staatlichen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit untergekommen oder wie Ex-Partechefin Andrea Nahles als Chefin der Arbeitsagenturen versorgt. Damit die alte Parole noch mal zieht, haben die Grünen auch das Wording ihrer Fensterreden verändert.
Auf der Suche nach dem erdigen Touch
Banaszak, der mit bizarren Demonstrativhandlungen seit Monaten versucht, seiner laborreinen Funktionärskarriere einen erdigen Touch zu verleihen, spricht jetzt Ghettoslang: "Ich glaube, es hackt" hat er in Hannover gerufen und vor allen Delegierten gestanden, dass sich als junger Mann sein erstes Auto gekauft habe. "Freiheit" sei das gewesen, sagt Felix Banaszak, der angesichts seiner Tat seinerzeit keine Schuldgefühle spürte.
Heute sieht das anders aus. Heute steht die Klimakatastrophe vor der Tür. waren es am 28. März 2022 noch 1028 Tage bis zum Termins des Weltuntergangs, liegt der heute schon 315 Tage in der Vergangenheit. Höchste Zeit für die Grünen, wieder grüner zu werden, dabei aber diesmal als roter. Die Kunst, in der sich die Parteiführung zu üben versucht, besteht darin, am Drängen aus Transformation, Deindustrialisierung und Energieausstieg festzuhalten. Doch statt Menschen für ihren Konsum zu kritisieren und höher zu besteuern, will man Konzerne mit höheren Abgaben und Steuern unter Druck setzen. Die sollen dann die Leute zur Kasse bitten.
Vielen wird es besser gehen
Zugleich zu versichern, dass es niemandem schlechter, vielen aber besser gehen werde, wenn eines Tages alles geschafft sei. Denn die Rechnung für die Klimakrise würde ab sofort nur noch diejenigen bekommen, die sie bezahlen könnten und bezahlen müssten. Der grüne Sozialismus mischt die Parteifarbe mit einem kräftigen Rot. Die Farblehre bestimmt das Ergebnis.
Felix Banaszak hat damit eine Art Beruhigungsformel gefunden. Jeder darf sich zur richtigen Seite zählen. Dann hat er auch nichts zu befürchten. Wo die Grenze dessen liegt, was zumindest derzeit noch als akzeptabel und erlaubt gilt, hat der grüne Vorstand beschlossen. Für "einmal im Jahr nach Malle" oder ein eigenes Auto solle sich niemand mehr schämen müssen. Was darüberhinausgehe aber sei "schamlos". So nennt Banaszak in Hannover "Vielreisende mit Luxusyachten" - ein recht unbestimmtes Feindbild, auf das sich alle einigen können.
Feindbild Freiheit
Der 36-Jährige, der noch keinen Tag seines Lebens mit einer Erwerbstätigkeit außerhalb der grünen Nomenklaturinternate verbracht hat, zeigt sich als gelehriger Schüler des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering. Der hatte den Ruf seiner Arbeiterpartei vor Wahlen stets mit gezielten Hass- und Hetzkampagnen gegen "Manager und Spekulanten" poliert.
Und die "Haltet-den-Dieb"-Strategie funktionierte immer wieder zuverlässig. Neid zu schüren, den "Raubtierkapitalismus" zu verdammen und das "Leitbild der sozialen Marktwirtschaft" zu beschwören, die hervorrgaend funktionieren würde, gäbe es nicht Wohlhabende, Reiche und Überreiche, verschaffte der SPD den Ruf, zwar von einer abgehobenen Funktionärskaste angeführt zu werde. Aber trotzdem noch die Partei der kleinen Leute zu sein.
Im Zwölf-Prozent-Käfig
Um die buhlen nun auch die Grünen, bis hierher politische Vertretung von gut situierten Beamtensöhnen, Behördenmitarbeitern, in NGOs staatlich Engagierten und Medienarbeitern. Aus dem Käfig der nicht einmal zwölf Prozent führt kein anderer Weg, das zeigen die Umfragen. Selbst nachdem der Hype um Linkspartei und BSW abgeebbt ist, tut sich nach oben nichts. Wie auch, bestand doch die Botschaft der Grünen bisher ausschließlich darin, den Schwarz-Roten zu bescheinigen, dass sie gar nichts richtig machen, das aber durchweg auch noch komplett falsch.
Für eine Partei, die mit dem besten Wirtschaftsminister aller Zeiten die längste Rezession der deutschen Geschichte gelenkt und geleitet hat, ist das zu wenig, um die Massen zu überzeugen. Deshalb also jetzt der Spagat: Einerseits weiterhin Klima, denn jede Abkehr würde den winzigen Rest an Glaubwürdigkeit kosten, den die Grünen hier und da noch genießen.
Dazu aber das Soziale als neues Versprechen: Vater Staat werde alles richten, ohne Verbote diesmal, nur mit finanzieller Hilfe für die, deren Nöte man neuerdings für wichtig hält. Selbst das "Klimageld", jenes Geldphantom aus Ampelzeiten, das nie Realität wurde, nimmt der um keine Peinlichkeit verlegene Banaszak wieder in den Mund.
Es gibt auch wieder Klimageld
Ja, würden die Grünen noch einmal in Verantwortung gewählt, werde es das Klimageld geben. Diesmal aber wirklich. Und nein, nicht jeder Flug oder jede Autofahrt sei verantwortungslos, diese Hand strecken die Grünen der Gesellschaft großherzig entgegen. Vorerst werde man gegen Flüge mit Privatjets kämpfen, auch Passagiere der 1. Klasse sollen mehr zahlen. Das Geld wird zum Umverteilen gebraucht, weil statt der Peitsche jetzt das Zuckerbrot überzeugen soll. Das Ideal, das am Ende eericht werden soll: Du sollst nichts besitzen, was Dein Nachbar nicht auch ha. Und Du sollst nicht wünschen, was er nicht ebenfalls vergebens begehrt.
Bald ist alles möglich
Dass das alles nicht gelingt, darauf hoffen nicht nur die Konkurrenten bei der Linkspartei, in der Union und bei der SPD. Auch Ricarda Lang, die von Robert Habeck brutal ausgewechselte frühere Parteivorsitzende, steht beim Parteitag in Hannover nicht nur kurz auf dem Podium, um zu zeigen, dass sie noch da ist. Sondern auch an der Seitenlinie, wo sie sich warm hält für den Tag ihrer Rückkehr. Schon nach den Landtagswahlen im kommenden Jahr dürfte es soweit sein.
Nur noch ein paar krachende Niederlagen, und die grüne Partei ist bereit für Eingriffe, für die es nur "breite Akzeptanz gibt, wenn das Elend groß ist".









