Eine ganze Kompanie charismatischer und sympathischer Frauen wie Andrea Nahles, Andrea Ypsilanti, Katharina Barley und Thorsten Schäfer-Gümpel weckte große Hoffnungen. So viel Charme, so viel Weiblichkeit. Wie sollte sich eine so große Gruppe von Politikerinnen nicht endlich frei machen können von einer Gleichberechtigung, die immer nur auf die Augenhöhe schaut und außer Acht lässt, wie viel Frauen nachzuholen haben.
Große Erwartungen
Es waren große Jahre für die deutsche Frauenbewegung, gerade weil die weibliche Dominanz in einer der Volksparteien genauso klaglos und ohne jammern akzeptiert wurde wie der zum Klimaschutz notwendige Rückbau bei den Industriearbeitsplätzen aktuell. Deutschland richtete sich ein auf ein neues Zeitalter, das einen Qualitätssprung auch in der Regierungsführung mit sich bringen würde.
Die SPD, von links durch Grün und Ex-SED bedrängt, von rechts durch die Union gezwungen, immer wieder Sauereien mitzuverantworten, machte vor, wie Zukunft gestaltet werden muss. Kein Verzicht auf eine gleich hohe Partizipation des Geschlechts, das im hitzigen politischen Nahkampf oft noch als das "andere" bezeichnet wird.
Kein Frieden mit einer EU, die Frauen auch mehr als 100 Jahre nach dem ersten Internationalen Frauentag aus den Führungsrängen ausschließt und allenfalls zum Zwecke der Tarnung einige wenige Pöstchen ganz an der Spitze Frauen überlässt, die anderswo nicht mehr tragbar waren.
Der Maskulinismus der Macht
Unter der roten Fahne Clara Zetkins marschierte die SPD aus dem Maskulinismus der Macht in eine Zukunft, in der Frau nur noch eines unter vielen Geschlechtern sein würde, die alle das Recht haben, als Besonderheit beachtet und gefördert und zugleich nicht weiter beachtet und nirgendwo bevorteilt zu werden. Andrea Nahles, Malu Dreyer und Nancy Faeser standen mit ihrer ganzen faszinierenden Persönlichkeit für diesen Weg durch Leitung und Einsatzbereitschaft zur Macht.
Als Olaf Scholz die Bundestagswahl 2021 gewann und ein neues sozialdemokratisches Zeitalter ausrief, wusste er, dass er vermutlich für eine lange, lange Zeit der letzte Kanzler mit SPD-Parteibuch sein würde. Nach ihm würden Frauen folgen, Frauen, denen Scholz den roten Teppich ausrollte. Als intersektionaler Feminist sah der gebürtige Niedersachse es als seine Pflicht an, die hemdsärmlige Herrenmenschenart, mit der sein früher Ziehvater Gerhard Schröder das Land regiert hatte wie ein Biertrinker vom Dorf, zurückzurollen.
Die Töchter Clara Zetkins
Scholz besetzte sein Kabinett demonstrativ nicht nach Kompetenz, sondern geschlechtergerecht. Scholz navigierte den Dampfer Deutschland auch mit Hilfe von Ministerinnen wie Christine Lambrecht, Svenja Schulze und Clara Geywitz gelassen durch bewegte Jahre. Hilfreich dabei war, dass ihm mit Saskia Esken eine Frau an der Spitze der Partei zur Seite stand. Mit Katarina Barley in Brüssel eine starke Stimme für Europa und die SPD sprach. Und Petra Köpping selbst im fremden- und fortschrittsfeindlichen Sachsen eine rote Bastion im Landtag hielt.
"Andere Parteien reden über Frauenpolitik, bei uns machen Frauen Politik", konnte die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (SPDF) in jenen märchenhaften Tagen selbstbewusst auf ihre Erfolge verweisen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Partei und Gesellschaft, nicht zu verwechseln mit der Gleichberechtigung, war vom Ziel zur Realität geworden. Sozialdemokratische Frauen handelten selbstverständlich nach dem von ihren Arbeitskreisen empfohlenen Motto "Jetzt komme ich". Ein Kampf, den Frauen seit Anfang des 20. Jahrhundert geführt hatten, schien gewonnen.
Der Testosteron-Flügel schlägt zurück
Doch das Patriarchat ist auch in der Sozialdemokratie stark. Der dunkle, nach Moschus duftende Testosteron-Flügel der Partei, die in den vielen, vielen Jahren ihrer Existenz überwiegend von überzeugten Männern wie Ferdinand Lassalle, August Bebel, Willy Brandt, Rudolf Scharping, Kurt Beck, Sigmar Gabriel und Martin Schulz geführt worden war, simulierte seinen Rückzug nur. Von außen betrachtet schien der Siegeszug der Weiblichkeit in der wichtigsten Partei der europäischen Sozialisten unaufhaltsam. Von innen aber bohrten die Männer Löcher in die Boote der Frauen.
Während der Parteivorstand der SPD heute noch demonstrativ mit 19 Frauen und nur 15 Männern besetzt ist, steht es um die Verteilung der Macht in den Ruinen der früheren Volkspartei ganz anders. Die fast 56 Prozent Frauenanteil in der erweiterten Parteiführung werden nur durch die Vielzahl von Zählkandidatinnen erreicht, die wie Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ronja Endres oder Wiebke Esdar eine Außenwirkung haben, gegen die sich eine kaputte Glühbirne ausnimmt wie ein Flakscheinwerfer. Niemand hat jemals von dieser Generation nach der goldenen mit Esken, Faeser, Fahimi und Geywitz gehört. Keine der Nachrückerinnen ist zu Höherem bestimmt, geht es nach den Genossen.
Eine Männerpartei
Denn hinter ihrer feministischen Kulisse aber ist die SPD wieder geworden, was sie so lange Zeit gewesen war. Eine Männerpartei, die sich mit Bärbel Bas ein Maskottchen gönnt, das zweierlei Zweck erfüllt. Die ausgebildete Bürogehilfin aus dem Ruhrgebiet soll die Volksverbundenheit der Funktionärspartei SPD betonen. Und zugleich die Illusion aufrechterhalten, dass diese eine und älteste der deutschen Parteien ein weibliches Gesicht hat.
Dabei ist das nicht einmal mehr eine Fassade. Die Goldene Generation der kommenden Spitzenpolitikerinnen der SPD hat durchweg abgedankt. Hoffnungsvolle Karrieren wie der Parteivorsitzenden Andrea Nahles wurden durch innere Machtkämpfe brutal beendete. Der stets für Höheres gedachte Manuela Schwesig auch Mecklenburg-Vorpommern hinterließen ihre früheren - männlichen - Parteichefs mit der Verantwortung für den Bau der freiheitsfeindlichen Nord-Stream-Pipeline ein untragbares Erbe. Andrea Ypsilanti flüchtete, Katharina Barley wurde abgeschoben. Nancy Faeser tauchte unter.
Das Scheitern der Weiblichkeit
Das Positive daran ist, dass alle diese engagierten Frauen nach ihrem Scheitern, politische Wegmarken zu setzen und eine Ära zu prägen, nicht in ein Loch fielen. Die Partei konnte ihnen allen einen sicheren Unterschlupf in Behörden, Gewerkschaften und Institutionen zuweisen, einigen glückte noch einmal der Sprung in den Bundestag, wo sie jetzt auf hinteren Plätzen sitzen und geduldig die Signale der Fraktionsführung warten, um bei Abstimmung allein nach ihrem Gewissen zu entscheiden.
Das Roll Back, dass der feministische Grundansatz der SPD erlitten hat, spielt selbst in den parteiinternen Runden keine Rolle. Die SPD weiß selbst, dass sie in existenzieller Gefahr schwebt. In den ersten Bundesländern könnte sie bereit im kommenden Jahr aus den Landtagen gefegt werden. Die Rückkehr zum Status einer reinen Männerpartei erscheint den bestimmenden Gestalten Lars Klingbeil, Boris Pistorius und Tim Klüssendorf nicht als Problem, sondern als Weg zur Lösung.
Der Versuch des früheren Parteivorsitzenden Olaf Scholz, aus der SPD die erste geschlechtergerechte Partei zu machen, ist auf ganzer Linie gescheitert. Mit Saskia Esken, der Frau, die Wählerinnen mit ihrer unverkrampften Art magisch anzog, schob der alte und neue Parteichef Lars Klingbeil die letzte wirklich weibliche Ikone aus der ersten Reihe. Die 64-Jährige, die ihrer Partei im Wahlkampf noch ein Wählerpotenzial von 47 Prozent bescheinigt hatte, fristet ihr Auskommen heute als Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dabei handelt es sich um einen typischen Frauenausschuss, der im Bundestag hinter vorgehaltener Hand auch als "Küchengruppe" bezeichnet wird.
Sie ist ganz still geworden
Vorbei sind die Tage, in denen Esken mit Ideen für Bürokratisierung, Digitalisierung, Steuererhöhungen, einem mehrheitlich weiblich besetzten Kabinett und einen umfassenden Meinungsfreiheitsschutz schwanger ging. Die gelernte Datenverarbeiterin ist nur für die Ornamente am Wachstumsplan der schwarz-roten Koalition zuständig. Aus ihrer Hinterbank kann sie weder den Klassenkampf ordentlich organisieren noch neue Verbote, strengere Auflagen und die berühmten "Maßnahmen" fordern, mit denen die SPD von alters her das Regieren simuliert.
Ein Schicksal, das beispielhaft steht für all die anderen von Frauen, die es schon beinahe bis ganz nach oben geschafft hatten. Jetzt aber glücklich sein sollen, mit Posten abgespeist zu werden, die sie zwingen, eine Behörde wie die Bundesagentur für Arbeit zu leiten, einen Gewerkschaftsbund zu leiten wie Yasmin Fahimi oder gar nur noch auf sich aufmerksam machen zu können, indem der eigenen Partei das Parteibuch zurückgeschickt wird.
Chronik einer Zermürbung
Als "Chronik einer Zermürbung" hat der Reporter Tom Schimmeck die Demontage der Andrea Ypsilanti beschrieben, die aus einer Hoffnungsträgerin der Partei eine Frau machte, die mit nicht einmal 70 Jahren schon vollkommen aus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Ypsilanti war zuletzt nur noch Kuratoriumssprecherin des Instituts Solidarische Moderne in Berlin; einem von George Soros' Open Society Foundations finanzierter Think Tank an der linken Wand der linken Blase, der es sich zum Ziel gesetzt hat, eine partei- und organisationsübergreifende Debatte unterschiedlicher linker Strömungen zu führen, um der eigenen Sehnsucht nach dem radikalen Bruch und nach Zerstörung" mit dem "Aufbau einer Zukunftslinken" zu begegnen.
Traurig, wie die Frauenpartei SPD endet. Und noch trauriger, wie wenig diese Zeitenwende zurück in die düstere Vergangenheit der Bier- und Cohiba-schwangeren Schröder-Jahre in den Medien beklagt wird. Katatonisch fast nehmen die großen Medienhäuser es hin, dass ein netscheidendes Stück Fortschritt stillschweigend abgeräumt wird. Dabei zeigen doch die Umfragewerte, dass eine SPD ohne intersektionalen Feminismus bei den Wählerinnen und Wähler überhaupt nicht gut ankommt.








