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| Der frühere Linken-Landesvater Bodo Ramelow zeigt den größten Trick der Politik: Er gibt einem imaginären Regenbogenpferd mit einer leeren Hand unsichtbares Futter. |
Er ist abgewählt und aussortiert worden und nur ein Jahr nach seinem Auszug aus der Staatskanzlei in Erfurt muss sich der frühere Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow als Handlungsreisender durchschlagen. Kreuz und quer reist er durch die Republik, im Gepäck ein Bändchen mit selbstgemachten Gebeten an Unseredemokratie.
Der gebürtige Osterholz-Scharmbecker war lange das schönste Gesicht des Westens in der ostdeutschen Regionalpartei Die Linke. Ramelow nahm die Farbe des Ostens sogar so gut an, dass ihn der Deutsche Bundestag, in dem er auch mit fast 70 noch sitzt, inzwischen zu einem "erfahrenen Politiker aus Thüringen" erklärt hat.
Fütterung aus der hohlen Hand
Obschon heute meist als Wanderprediger für mehr Gerechtigkeit, weniger Armut und mehr Bürgernähe unterwegs, steht Ramelow sinnbildlich für ein Land in sehnsuchtsvoller Erwartung auf den Herbst der Reförmchen, den der Kanzler der scharf mit der Linkspartei konkurrierenden Unionsparteien versprochen hat.
Ein aktuelles Foto zeigt den ehemaligen Thüringer Landesvater bei der Ausführung seines größten Tricks: Ramelow füttert ein imaginäres Regenbogenpferd aus der Hand. Die aber ist leer. Die Szene, vom Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages selbst verbreitet, illustriert die deutsche Gegenwart besser als jeder analytische Roman einer ARD-Moderatorin und jedes öffentlich-rechtliche Drama über die Notwendigkeit schärferer Maßnahmen gegen Dämmverweigerer und E-Auto-Leugner.
Eine selbstbewusste Geste
Ramelow, obschon kein Regierungspolitiker mehr, lebt vor, wie Herrschaft funktioniert. Er hat nichts mehr zu geben, tut es aber mit selbstbewusster Geste. Darin gleicht der Mann am Ende seiner langen Karriere, die er überwiegend im Biotop aus Gewerkschaften und Linksparteien verbrachte, den Frauen und Männern der rot-schwarzen Regierungskoalition, denen seine Kleinstpartei von den Oppositionsbänken aus immer wieder zu lebensrettenden Mehrheiten verhilft.
Gerade erst war es die Linke, die der jungen Gruppe in der Union und ihrem Widerstand gegen das Rentenrettungspaket das Genick brach. Zuvor schon hatte Ramelows Partei sich die Zustimmung zur Schaffung weiterer Schuldenhaushalte in Billionenhöhe mit Zugeständnissen abkaufen lassen.
Aus einer kategorischen Abehnung der Extraschulden für Infrastruktur und Verteidigung, mit denen der "politische Hasardeur Merz" (Sören Pellmann) sich als "Erlöser von Ängsten und Qualen" gerierte, wurde im Bundesrat ein mittlerweile als Linken-Votum bekanntes Manöver: Die von der Partei mitregierten Bundesländer stimmten dem Plan zu, "mit einer gigantischen Aufrüstungsverschuldung die Probleme von morgen" zu schaffen, wie der Linken-Abgeordnete Sören Pellmann kurz zuvor noch im Bundestag angeprangert hatte.
Grüne fliegen erste Klasse
Sagen und Tun, sie sind im neuen Bundestag nicht weniger verschiedene Dinge als sie im alten Bundestag waren. Dass die grüne Partei, abgeführt von einer Riege schon nach dem Augenschein asketischer Leiter, gegen die Senkung der hohen deutschen Luftverkehrssteuern waren, die immer mehr Touristen dazu trieb, von Straßburg, Prag oder Amsterdam aus in den Urlaub zu starten, versteht sich von selbst. Auf dem Weg in die Klimaneutralität ist der Verzicht der von der Partei favorisierte Pfad, das Steuern durch Steuern soll die Menschen zur freiwilligen Einsicht lenken, nur wer nicht hören will, dem soll notfalls auch mit strengen Verboten geholfen werden.
Jeder, der sich der Einsicht in die Notwendigkeit verweigert, muss fühlen, dass er schief liegt. Helfen soll dabei eine hohe Sondersteuer auf Privat- und First-Class-Flüge, von denen die Parteispitze annimmt, dass sie bei denen, die Holzklasse fliegen, sehr gut ankommen würde. Zahlen soll eine ganz kleine Clique von Privatjetbesitzer und "Männern in Maßanzügen" (Bärbel Bas), die sich in First- und Business-Class-Sitzen räkeln. Klassenkampf über den Wolken, mit Neid als Antrieb zurück zum Status der Volkspartei, so hat es der letzte Grünen-Parteitag mit einem Leitantrag des Bundesvorstands zur Klima- und Sozialpolitik beschlossen.
Ausreichend Symbolpolitik
Abgeordnet*innen hingegen haben die schlimmsten Jahre hinter. Vier Jahre nach dem Beschluss des Ältestenrates im Bundestag, dass die Parlamentarier, wenn sie schon fliegen müssen, aus Kostengründen in der Touristenklasse beim gemeinen Volk sitzen sollen, haben sich die Vertreter der Parteien jetzt geeinigt, dass es genug ist mit solcher Symbolpolitik. Bei längeren Flügen ins Ausland würden "oft auch Dokumente mit Vertraulichkeitsgrad studiert werden", bei kürzeren sei die Einsparung geringer als erwartet. Auch die Grünen stimmten zu, die Bestimmung aufzuheben, nach der aus Kostengründen für Flüge unter vier Stunden immer Economyclass-Tickets gebucht werden müssen.
Die Freiheit über den Wolken, sie ist wieder grenzenlos für die, die nicht selbst zahlen müssen. Allen anderen aber präsentiert die SPD-geführte Bundesregierung noch vor Weihnachten Geschenke, die in den angeschlossenen Rundfunkstationen und der parteieigenen Presse als "steuerliche Entlastungen!" mit einem Volumen von "fünf Milliarden Euro" gefeiert werden. Der "Herbst der Reformen", Fortsetzung des Sommers des Stimmungsumschwungs, kommt als Herbst der Reförmchen so richtig in Fahrt.
Gnade für ausgewählte Gruppen
Denn "Fernpendler, Gewerkschaftsmitglieder und Gastwirte" (FAZ) profitieren von den mutigen Einschnitten, die der Bundestag mit dem jüngsten Steueränderungsgesetz beschlossen hat. Das enthält eine "ganze Reihe von Maßnahmen", analysiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung, "die alles in allem die Steuerzahler im nächsten Jahr um fünf Milliarden Euro entlasten" werden. Wenn der Bundesrat zustimmt.
Fünf Milliarden, das sind pro Kopf der Bevölkerung knappe 60 Euro. Angesichts eines Steueraufkommens, das sich von den 947,7 Milliarden Euro des Jahres 2024 in laufenden Jahr wohl nur um 33 Milliarden Euro auf etwa 980 Milliarden Euro erhöhen wird, wirkt die Geste der rot-schwarzen Koalition nur umso generöser. Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Finanzminister Lars Klingbeil wollen noch vor dem Beginn der stillen Tage zeigen, dass sie ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, den ihre Wackelkoalition vermittelt, noch lange nicht am Ende sind.
Der Trend in den Umfragen, in denen SPD, CDU und CSU gemeinsam nur noch elf Prozentpunkte vor der inzwischen stärksten deutschen Partei AfD liegen, soll gedreht werden. Koste es, was es wolle.
Ein leerer Hafersack
Ramelows leere Fütterhand ist bei Merz und Klingbeil ein leerer Hafersack, der mit großem Aplomb geschwenkt wird. Auf einmal sind die fünf Milliarden, die vor sechs Monaten nicht aufzutreiben waren, um die Stromsteuer für alle zu senken, leicht verfügbar. Auf einmal gestattet es die prekäre Lage der Koalition, die eben noch überlebenswichtige Gasspeicherumlage abzuschaffen, die Netzentgelte für Strom aus der leeren Steuerkasse zu bezuschussen und in Deutschland rekordhohe Stromsteuer zumindest für die paar noch produzierenden Unternehmen vorübergehend zu subventionieren.
"Dauerhaft niedrig halten" nennt die Bundesregierung selbst diese "Entlastungen für alle" (Bundespresseamt), die nur einer ausgewählten kleinen Gruppe der Bevölkerung zugutekommen. Neid aber ist nicht angebracht. Auch der, der schließlich wirklich profitiert, wird schon in Kürze wieder abkassiert: Die Abgabenquote für Steuern und Sozialabgaben steigt am 1. Januar auf 41,5 Prozent der Brutto-Löhne und -Gehälter. Das ist der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik.








