Mittwoch, 24. August 2011

Tropen auf Eis

Nun ist der Sommer also doch auf einen Dienstag gefallen. Nachdem der Deutsche Wetterdienst erst einen warmen Juli und dann einen heißen trockenen August angekündigt hatte, jedes Mal aber nur neuer Landregen kam, haben die Wetterwarner aus Offenbach kurz vor Ultimo alles auf eine Karte gesetzt: "Tropische Hitze" in Deutschland, "Belastungen durch Hitze und Schwüle", die "anhalten" (Focus) werden. Weshalb die staatlichen Wetterwachen gleich "für Diensttag eine Hitzewarnung" ausgaben. Schließlich sollte es "gefühlte Temperaturen von über 40 Grad geben" und damit "eine extreme Wärmebelastung".

So zumindest schrieben die Experten am Montag vor dem Tropendienstag auf ihrer Homepage. Die einzig wahre deutsche Qualitätsnachrichtenagentur dpa schmiedete daraus den Satz "damit wird es pünktlich zum Ende der sogenannten Hundstage noch mal richtig heiß in Deutschland", selbstverständlich ohne zu erwähnen, auf welche Hitzeperiode sich das "noch einmal" genau bezieht. Letztes Jahr? Vorletztes? Den WM-Sommer 2006?

Nur nicht zu konkret werden, nachher stimmt das alles wieder nicht. Seit der DWD nach dieser Maßgabe Wettervorhersagen erstellt, kann jederzeit alles passieren. Oder auch nicht. Der glühend heiße Sonntag, der letztes Wochenende vorhergesagt war, fällt dann auf den Samstag davor. Wetterplanübererfüllung. Und der glutheiße Dienstag ist ein trüber Geselle mit 24 Grad, etwa so wüstennah wie eine Ostseedüne.

Tropen auf Eis, Hitze, die sich als zu kalter Sommer tarnt. Um zu vermeiden, dass die dauernden Diskrepanzen zwischen Vorhersage und Realität jemals auffallen, erstellt der Wetterdienst inzwischen parallele Mehrfachvorhersagen für alle Lebenslagen. Heißt es in der Wetterwarnung für den Glutdienstag noch, es werde "vielfach schwül, im Süden heiß" und "die sehr warme bis heiße und vor allem feuchte Subtropikluft" werde "aus dem Süden bis in Teile Norddeutschlands verfrachtet", heißt es nur eine Mausraddrehung tiefer ganz gelassen , es gehe "am heutigen Dienstag gegenüber Montag noch etwas weiter nach oben" und "auch der Osten bekommt etwas von den Temperaturen oberhalb der 30-Grad-Marke ab".

Aber nicht der ganze Osten. Sachsen-Anhalt etwa, das Land, dem von führenden Forschern "Austrocknung vor allem im Sommer" prophezeit worden war, lag unter einem trübgrauen Wolkenhimmel und ließ sich nassregnen wie immer, seit Max-Planck-Forscher ein Sinken der sommerlichen Regenmenge um ein Drittel samt verschärfter Dürren und erhöhter Waldbrandgefahr "genau wie nie" vorausgesagt hatten.

Wenigstens der Rest der Woche wird einfach, nach derzeitigem Stand. Während die großen Qualitätszeitungen ungeachtet des Blicks aus dem eigenen Fenster vor "Hitze" warnen, richtet sich der Blick der DWD-Beobachter schon nach vorn. "Im Laufe des Freitags zieht dann wahrscheinlich eine Kaltfront von West nach Ost, die nicht nur für ordentlich Trouble in Form schwerer Gewitter sorgt, sondern auch einen merklichen Luftmassenwechsel einleitet - heiße Subtropikluft ade, welcome frische Atlantikluft", schreibt der poesiediensthabende Wetterdienstler Jens Hoffmann. Es wird also schon wieder kühler. Oder aber das stimmt wieder nicht. Dann wird es wärmer.



9 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Seien wir doch ehrlich. So einen richtigen Sommer hatten wir zulezt 2003.

Temperaturen wie damals könnten auch einen Teil des demograph. Problems lösen.

... zumindest den, wo es um hohe Rentenzahlungen geht.

ppq hat gesagt…

2006, nach meiner erinnerung. er ging vom 15. juni bis 22. juli, 17.17 uhr

eulenfurz hat gesagt…

An den Sommer 2003 kann ich mich auch noch erinnern, der war schön und so sommerlich, wie die Sommer meiner Kindheit - damals gab es fast die ganzen Sommerferien über Sonne und ausgedörrte Wiesen. Heutzutage kann sich auch der Brandenburger den Irlandbesuch sparen: Die grüne Insel liegt vor der Haustür.

Und das alles nur wegen Kachelmann! Seine Krise war auch die Krise der Wettervorhersagen und der schönen Sommertage.

ppq hat gesagt…

der zusammenhang mit kachelmann lässt sich nicht leugnen. das ist uns auch schon aufgefallen.

Anonym hat gesagt…

"gefühlte Temperatur", "Subtropikluft" ...das gab es doch alles früher gar nicht.

Letztes Jahr haben wir noch Anfang Juni mal die Heizung aufgedreht und dieses Jahr sind mir die letten Wochen immer wieder Erkältungskranke über den Weg gelaufen.

Als vollwertigen Sommer kann ich in den letzten Jahren auch nur 2003 und die Zeit der Fußball-WM 2006 zählen...

Thomas hat gesagt…

Wechseldes Wetter = Klimawandel
Stimmt also!

ppq hat gesagt…

der klimawandel hieß ja vor ein paar jahren noch klimakatastrophe. den sprachgebrauch hat man dann geändert, wie wir jetzt sehen, mit gutem grund

eulenfurz hat gesagt…

Nein, ganz früher hieß das noch Erderwärmung, aber auf die will man sich jetzt auch nicht mehr festlegen lassen, weil die Chancen Fiftyfifty stehen. Den Begriff habe ich im offiziellen Sprachgebrauch schon ewig nicht mehr gehört.

Mit Klimawandel und Wetterwechsel liegt man in jedem Fall auf der sicheren Seite: Da wird jede Wetteränderung zur genüßlich postulierten Katastrophe.

eulenfurz hat gesagt…

Wetter ist übrigens ein tolles Thema für Medien, weil jeder davon betroffen ist und eher darüber meckert, als es lobt. Mit solchen Aufregern kann man Massen fassen!