Donnerstag, 18. September 2025

Besser lebt man ohne ihr: Die Selbstverliebten

Die Generation der Selbstverliebten empfindet jedes Widerwort als Beleidigung. 

Die eine spricht kaum Englisch, traut sich aber zu, die UN-Generalversammlung zu leiten. Der andere kann auf eine endlose Latte von teilweise bizarren Fehlprognosen verweisen, gilt aber als Starökonom. Der dritte hat Politikwissenschaften studiert, hob aber den Finger, als die Frage stand, wer denn nun künftig die Verantwortung für die Haushaltsplanung der größten Volkswirtschaft Europas übernimmt. Kein Problem. Alle Erfahrungen des letzten Wirtschaftsministers mit seinem Ressort verdankten sich Besuchen in Wirtshäusern während eines Philosophiestudiums.

Sie können das alle, einfach, weil sie es tun, und so lange sie es tun, niemand beweisen kann, dass es anders besser gegangen wäre. Angetrieben wird die Generation der neuen Hauptmänner von Köpenick allein von einem unfassbaren Selbstbewusstsein.
 

Sie selbst finden sich gut 

 
In dieser seltsamen Generation der Überselbstbewussten gibt es Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich beklagen, weil sie große Literaturpreise nicht bekommen haben. Dabei hätten sie doch nach eigener Auffassung das beste Buch geschrieben. Neben ihnen  stehen Fußballer, die sich für Weltklasse halten, ohne je etwas Bedeutsames gewonnen zu haben. Flankiert werden sie von Sängern und Musikern, die die Anzahl ihrer TikTok-Follower für einen Ausweis von künstlerischer Bedeutung halten. 
 
Nicht zu vergessensind die Fernsehansager. Reihenweise sind die der Meinung, dass ihnen Gehör gebürt, weil sie lange Jahre schon vorm Morgengrauen Interviewfragen  von einem Teleprompter abgelesen haben. Infolgedessen sei die Menschheit begierig, sich von ihnen Ratschläge geben zu lassen, wie der Einzelne leen solle, was er am besten denken dürfe und wie weit er seinen Unmut über dieses und jenes pflegen könne, ohne sich selbst aus der Gemeinschaft der Demokraten auszuschließen.
 

Weiter kommt man ohne ihr 


Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Das ist der Leitspruch der Gesichter einer Mediengesellschaft, für die Figuren wie die grüne Ex-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die Nachwuchsgrüne Jette Nietzard, der Ökonom Marcel Fratzscher, SPD-Chef Lars Klingbeil und eine Unzahl an anderen mehr oder weniger bekannten Namen stehen. 
 
Sie alle kommen ohne Leidens- und Lebensgeschichte daher, ohne Erfahrungen und ohne mehr als angelerntes Katheterwissen. Ihr Biotop ist das der anderen Überselbstbewussten, gegenseitig haut man sich die Taschen voll darüber, wie wichtig und bedeutsam man ist, wie schwer das eigene wiegt und wie entscheidend die eigene Meinung ist. Sie alle ziehen aus all dem, was sie nicht besitzen, nicht wissen und nie gelernt haben, eine Selbstsicherheit, die es ihnen gestattet, sich jede Aufgabe zuzutrauen, solange sie nur im grellen Licht der Öffentlichkeit erledigt werden kann.
 

Früher schamlos 


Was früher als schamlos gegolten hätte, ist selbstverständlich geworden. Berufs- und Lebenserfahrung sind nur noch hinderlich, weil sie einen frühen Karrierestart nicht zulassen. Nur wer früh genug begonnen hat, sein Heil in den Hinterzimmern der Parteizentralen zu suchen, hat eine Chance, sein  ganzes Leben mit Vorstandssitzungen, auf Delegiertenparteitagen, mit Wahlkampfvorbereitungen, in Plenarsälen und an Kabinettstischen zu verbringen. Die fehlende Lebenserfahrung lässt sich durch Anmutung und Anmaßung leicht ersetzen. 
 
Zwei Fähigkeiten, an denen die aktuelle Generation der Selbstbewussten keinen Mangel leidet. Aufgewachsen in Familien, Schulen und Freundeskreisen, die ihnen das Gefühl gegeben haben, sie seien etwas Außerordentliches, verfügen sie über ein Übermaß an Vermögen, sich selbst wertschätzen zu können. Sie halten sich nicht nur für etwas Besonderes, sondern leben auch in der Vorstellung, es stehe ihnen zu, ständig im Mittelpunkt zu stehen und gehört zu werden. 
 

Das Salz der Erde 

 
Ein Wesenszug, der wissenschaftlichen  Untersuchungen zufolge zu etwa 50 Prozent erblich ist. Genetisch bedingt kommt er in jeder Alterskohorte gleich häufig vor. Äußere Einflussfaktoren wie die Schule, die Eltern, Medien, Freunde und Liebesbeziehungen prägen allerdings wohl stärker als bislang gedacht. Kinder, die in ihren frühen Jahren dauerhaft das Gefühl vermittelt bekommen, sie seien das Salz der Erde und zu Höherem bestimmt, sind nicht nur weniger häufig bereit, als Fabrikarbeiter, Installateur oder Chemiker einem unspektakulären Leben im Schlagschatten der Öffentlichkeit nachzugehen. Sie sehnen sich spiegelbildlich vielmehr geradezu danach, wahrgenommen zu werden - womit und weswegen auch immer.

Für Heranwachsende und junge Erwachsene ist das kein ungewöhnliches Phänomen. Jüngere sind seit jeher tendenziell eher narzisstischer veranlagt als Ältere. Bei der Suche nach einem Platz im Leben, nach einer Aufgabe, einem Sinn und Menschen, die einen vielleicht über Jahrzehnte begleiten, hilft es, in einer Phase der Unsicherheit gesehen zu werden und sich an seiner Umgebung zu reiben. Fast jede Jugendbewegung verdankt sich diesem Spiel mit Auflehnung, Ablehnung und dem Versuch, eigene Werte zu definieren. 
 

Die laute Minderheit 

 
Narzissmus wurzelt in jedem Menschen, doch wenn die Selbstliebe zum grundlegenden Persönlichkeitsmuster wird, erwächst aus dem eigentlich positiven Gefühl das Bedürfnis, andere abzuwerten und sich selbst zu verherrlichen. Die Folge wird in der extremen Ausprägung als Größenwahn beschrieben – eine Diagnose, die nach wie vor nur für etwa 0,4 bis 1,3 Prozent der deutschen Bevölkerung gestellt wird. Doch diese krankhaft Selbstverliebten sind eben nicht nur lauter als andere, sondern in einer Aufmerksamkeitsökonomie auch dauerpräsent. Dadurch erscheint es so als dominierten sie ihre Altersgruppe.
 
Der Unterschied zu früheren Jahrgängen  von selbstbewussten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die demonstrative Anspruchshaltung der aktuellen Generation. Immer schon forderten die Nahwachsenden, die Älteren und Alten  sollten aus dem Weg treten. Doch nie zuvor reagierten Jüngere mit vergleichbarer Empörung auf die - natürlich auf dem Fuße folgende - Verweigerung der Umsetzung ihrer Forderung. 
 

Die Alten sollen abtreten 

 
Die Narzissen von heute sind nicht nur größer an Zahl, sie sind auch unverschämter in ihrem Anspruch, sofort übernehmen zu dürfen, als hätten die Generationen, die ihnen das Bett bereitet haben, damit ihre Schuldigkeit getan. Was allein noch zählen soll, sind die Erwartungen, die die Selbstbewussten aus einem kurzen Leben ableiten, in denen ihnen harte Arbeit, große Anstrengungen und Entbehrungen zumeist vollkommen erspart geblieben sind. Im Mittelpunkt ihrer Vorträge stehen sie selbst, ihre Zukunft, ihr Erfolg. Für andere interessieren sie sich nur, wenn es ihren eigenen Zwecken dient. Ihr Ruf nach Gemeinsamkeit und Miteinander hat einen einzigen Zweck: Die Erfüllung ihre eigenen Wünsche.
 
Widerspruch verträgt das selbstverliebte Milieu gar nicht. Sobald Kritik aufkommt und sei sie nur gefühlt, reagieren die Selbstverliebten gereizt, beleidigt oder eingeschnappt. Männer schalten auf Angriff, Frauen ziehen sich eher demonstrativ zurück. Schuld haben immer die anderen, weil der Selbstverliebte jeden Widerstand als Brüskierung empfindet.  Er ist es schließlich, der alles weiß und alles besser. Ihm heißt es aus dem Weg zu gehen, den nur er kennt. Wer nicht auf ihn hört, muss fühlen - und sei es, wie sich der Selbstverliebte aus Protest selbst verletzt.
 
Am liebten so, dass es anderen wehtut. 

Aufstand der Abgehängten: Verwirrung beim Wächterrat

Sie standen an der Schnittstelle zwischen Macht und Menschen, hervorragend beleuchtet und von einer engagierten Studiomannschaft mit Sprechkarten für alle Fälle ausgestattet. Sie saßen in ihren Schreibmaschinengewehrstellungen und visierten die Feinde unserer Demokratie über Kimme und Zorn an. Blattschuss. Das Böse starb vor aller Augen, niedergestreckt von den Mitgliedern eines Wächterrats, denen kein Abweichlertum entging. Sie waren Ermittler, Staatsanwälte und Gericht in einem. Ihr Gesetzbuch war das eigene Gefühl für Gut und Böse. Ihr Urteil erging ohne Berufungsmöglichkeit.  

Kerner ging voran 

Es war der Fußballmoderator Johannes B. Kerner, der im Oktober 2007  voranging und zeigte, wie sich mit Anmaßung, Missverstehen und der Entschlossenheit, keinerlei Gespräch zu suchen, aus einem Talkshow-Sofa ein Schnellgericht zimmern lässt, das Schlagzeilen macht. Im Gespräch mit Kerner hatte die frühere "Tagesschau"-Sprecherin Eva Herman die Worte Autobahn und Hitler in einem Satz kombiniert. Kerner forderte sie auf, den Satz zurückzunehmen. Die Situation eskalierte. Kerner warf Herman aus dem Studio. 

Henryk M. Broder, seinerzeit noch nicht selbst mit einer Fatwa belegt, sondern ein gefragter Gutachter für Fragen von Richtig und Falsch, erkannte in dem ersten aktenkundigen Vorfall eines demonstrativen Ausschlusses des vermeintlich Falschmeinenden eine Lehrstunde  über den Zustand der deutschen Debatte über das Dritte Reich. Broder irrte. Es war eine Lehrstunde über den notleidenden Zustand, in den das gesellschaftliche Gespräch in den Jahren danach insgesamt abgleiten würde.

Schotten hoch 

Die Schotten gingen hoch. Die Diskussion endete immer öfter mit dem Hinweis, mit diesem oder jenem dürfe niemand reden. Ansichten, Meinungen, Menschen und Parteien landeten auf einem unsichtbaren Index. Ihnen, das hatte irgendwer mit irgendwem auf der Grundlage von irgendetwas ausgemacht, könne keinesfalls eine sogenannte "Plattform" gegeben werden. Es gelte vielmehr, sie mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten auszugrenzen, ihnen Reichweite zu entziehen, ihre Bücher zu boykottieren, ihre Demonstrationen zu blockieren, ihre Repräsentanten anzugreifen und ihre Anhänger einzuschüchtern, um sie eines Besseren zu belehren.

Der Wächterrat, der sich die Sisyphusaufgabe aufgeladen hatte, die Unversehrtheit unserer Demokratie zu schützen, arbeitete im Geist des Publizisten Johannes Gross. Dessen Erkenntnis, dass der Widerstand gegen Hitler und die Seinen umso mehr zunehme, je länger das Dritte Reich zurückliege, war die Leitschnur der unermüdlichen Anstrengungen seiner Mitarbeiter. 

Nur wenig zu lachen 

Wer ihnen vor die Flinte kam, hatte nur noch wenig zu lachen - legendär sind die Geschichten öffentlicher Hinrichtungen. Der Hutmann aus Sachsen, der sich nicht filmen lassen wollte und danach nie wieder glücklich wurde. Der alte Sozialdemokrat, der eines Morgens wie Franz Kafkas  Gregor Samsa "aus unruhigen Träumen erwachte" und feststellte, dass er sich in einen Nazi verwandelt hatte. Ein biederer Professor musste den Hitler geben. Einem alten Mann während seines Morgenbades die am Strand abgelegte Bekleidung zu stehlen, war eine edle Tat, die die Machtergreifung des Faschismus zumindest ein wenig verzögerte.

Niemand hatte die reisenden Schnellrichter jemals gewählt. Viele konnten nicht einmal den jähen Wendungen folgen, denen ihre Urteilsbegründungen folgten. Setzte der Westen nun seit Jahren auf Aggression und Provokation, um den Konflikt mit Russland anzuheizen, wie der renommierte "Monitor"-Chef Georg Restle im Jahr 2018 angeprangert hatte? Oder war der Ungar Viktor Orbán das Böse, weil er seinem Land mit "pro-russischer Propaganda" (Restle) "wirtschaftliche Verflechtungen mit Russland" aufgezwungen hatte? War die Sperrung des Zugangs zu sozialen Medien gut, weil sie den Richtigen traf? Oder ein Skandal, weil der Falsche sie veranlasst hatte? Darf die Gesellschaft denen verzeihen, die in der Stunde der höchsten Not immer noch darauf beharren, mit eigenen Ansichten hausieren gehen zu dürfen?

Es war immer schon alles entschieden 

In den Grundsatz-Gremien in Hamburg, München, Frankfurt am Main, Köln und Berlin musste die Frage nicht umständlich ausdiskutiert werden. Es war entschieden: Es gibt Menschen, die Meinungen vertreten, die in der gesellschaftlichen Debatte gefragt und erwünscht sind. Und es gibt die Menschen "zweiter Klasse" (Lars Golenia), deren trauriges Dasein in Richtung "Ossis" und "Untermenschentum" (Golenia) geht, so dass die Mehrheitsgesellschaft gut daran tut, sich aktiv vor ihren Aussagen zu schützen. 

So war es und so war es gut eingerichtet. Aus der Bundesworthülsenfabrik wurden funkelnagelneue Termini wie "Schwurbler", "Querdenker", "Covidiot", "Leugner", "Hetzer", "Hasser" und "Rechtspopulist" geliefert. Die Grenze des zum Dritten Reich rückte näher und näher, gerade während der "Tyrannei der Ungeimpften", in der der große Wächterrat allabendlich im Fernsehen tagte, um die jeweilige Tageswahrheit schnellstmöglich in Umlauf zu bringen. 

Eine feste Front 

Wie eine Wand stand die Front nach rechts. Ausgestattet mit einer Reichweite, die die Bürgerinnen und Bürger selbst finanzieren dürfen, predigten die großen Hausmarken des deutschen Haltungsjournalismus Ausgrenzung und Abwertung. Die Besten unter ihnen ließen sich zuweilen herab, dorthin zu gehen, wo es stinkt und qualmt und die Leute leben, die sie für rückständig, dumm, ungebildet und unfähig zu eigenen Urteilen halten. Die Besuche waren inszeniert wie die hoher Staatsgäste. Das anschließend verbreitete Bildmaterial zeigte Helden beim Abstecher in den vordersten Graben: Aufrecht und ungebeugt, obwohl die locals sogar Widerspruch wagen.

Wer das letzte Wort hat, gewinnt, diese Regel galt unumstößlich. Dass sich in den "digitalen Kloaken" (Marietta Slomka)  Widerspruch regte, feuerte den Kampfesmut bei ARD und ZDF, Spiegel, Zeit, SZ, Taz und dem Rest der Division der demokratischen Lordsiegelbewahrer nur an. Gemeinsam mit den Vertretern der Parteien, die sich selbst auf dem Wege der Deklamation zu den einzigen Vertretern der demokratischen Mitte unserer Demokratie ernannt hatten, wurde ein Ende der Debatte gefordert. Da die  richtige Sichtweise feststehe - sie sei vielfach in "Tagesschau", "Monitor", bei "Reschke Fernsehen" und in den verschiedenen Zeitungen und Magazinen bekanntgegeben worden - erübrige es sich, dazu im Internet noch weitere fruchtlose Diskussionen zu führen, die nur spalten.

Falschmeinungen keinen Raum

Eine Auffassung, die unter denen geteilt wurde, die sie vertreten. Für alle übrigen war sie irrelevant, seit Facebook und X offiziell die Rückkehr zur Meinungsfreiheit ohne Ansichtenaufsicht und Zensur verkündet haben. Unbeeindruckt davon, dass nahezu alle großen deutschen Medienhäuser ihre Kommentarspalten geschlossen haben, um Falschmeinungen keinen Raum zu geben, läuft die gesellschaftliche Debatte - nur eben außerhalb der Kontrollräume der einheimischen Kommunikationsunternehmen.

Zum Leidwesen der früheren Meinungsmonopolisten führt das zu einem ähnlichen Effekt wie die EU-Sanktionspakete in Russland und die gegen China gerichteten der USA. Beraubt der einen Möglichkeit, findet der Mensch andere. Aus einer Diskussion mit wird eine Diskussion über. Statt sich nur besenden lassen zu müssen, senden die Gebührenzahler zurück. 

Die Stars der Ära Erziehungsjournalismus 

Dass die Auswirkungen mit Elmar Theveßen und Dunja Hayali zwei ausgewiesene Stars der Ära des staatlichen Erziehungs- und Bevormundungsjournalismus treffen, ist Zufall, aber auch ein ganz klein wenig Glück. Hayali ist eine der lautesten Stimmen der stets dienstbaren Gefälligkeitsberichterstattung.  Selbstbewusst mischt sie die eigenen "Haltung" in jede Berichterstattung, als habe der Zuschauer genau dafür bezahlt. Theveßen hingegen, der seine Karriere als "Terrorexperte" gestartet hatte, war in den zurückliegenden Jahren  als ahnungslosester Amerika-Korrespondent aufgefallen, den das ZDF je beschäftigt hat. Unbeeindruckt von allen Tatsachen fratscherte der Hans-Joachim-Friedrich-Preisträger sich vor laufender Kamera um Kopf und Kragen

Keiner konnte ein X besser für ein U ausgeben, einen Greis zum jugendlichen Helden erklären und  aus Widerspruch Hetze, Hass und Zweifel machen. Empörung darüber galt als Majestätsbeleidigung. Bei alldem handele es sich um Qualitätsjournalismus, gegen den Einwände vorzubringen sich verbiete. Die frühere Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckhardt  hat die zugrundeliegende Kernüberzeugung eben erst wieder klar ausformuliert: Man könne in Deutschland "selbstverständlich auch Journalistinnen und Journalisten kritisieren", verkündete sie. "Was aber nicht geht, ist, dass die von ihnen vorgenommene Einordnung grundsätzlich infrage gestellt wird". Wo kämen wir denn hin.  

Amtliche Einordnungen 

Auslöser von Göring-Eckhardt Aufruf zur Akzeptanz von quasi amtlicher Einordnungen ohne Prüfung war die Protestwelle, die sich nach dem Mord an dem US-Influencer Charlie Kirk durch die digitale Landschaft wälzte, nachdem Theveßen und Hayali dem 31-Jährigen eine gewisse Mitverantwortung an seiner Ermordung zugeschrieben hatten. Theveßen unterstellte dem Opfer, er habe "gesagt beispielsweise, dass Homosexuelle gesteinigt werden müssen" und "wenn man im Flugzeug sitzt mit einem schwarzen Piloten, muss man Angst haben". Hayali würzte ihre Anmoderation eines Beitrages über das Attentat mit dem Hinweis, dass es mit nichts zu rechtfertigen sei, "dass nun Gruppen gibt, die seinen Tod feiern, auch nicht mit seinen oftmals abscheulichen, rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen."

Die Folge war ein shitstorm, den so weder die ZDF-Moderatorin noch der Washington-Korrespondent erwartet hatten. Und im Mittelpunkt stand nicht die Frage, ob es anständig oder moralisch verwerflich ist, einem Ermordeten seine Verachtung ins Grab hinterherzuwerfen. Sondern der Umstand, dass Theveßen seine Kirk-Zitate gezielt verkürzt hatte und Hayali jeden Beleg von "abscheulichen, rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen" auch auf Nachfrage schuldig blieb.

Jeder darf, aber nicht alle müssen 

Ausgerechnet Hayali. Der Satz der 51-Jährigen, dass jeder eine eigene Meinung haben dürfe, eigene Fakten hingegen nicht erlaubt seien, ist ebenso wie der, man könne in Deutschland eigentlich alles sagen, müsse dann aber mit den Konsequenzen leben, konstitutiv für die Interpretation von Meinungsfreiheit während der Ampel-Ära gewesen. 

Damals, in jenem Land vor der europaweiten Erkenntnis, dass der rot-grüne Traum von regierungsamtlich überwachten sozialen Netzwerken nicht aufgehen wird, hätte das ZDF die Proteste ausgesessen wie immer. Das versendet sich, argumentierten die Verantwortlichen in der Regel, wenn plumpe Fälschungen, falsche Fakten oder manipulierte Grafiken auffallen. In Mainz und anderswo ist bekannt, dass die Mehrheit der Deutschen ihre Informationen eben nicht aus den sozialen Netzwerken bezieht, sondern in bestem Treu und Glauben auf Tagesschau, Heute-Nachrichten und Leitmedien vertraut.

Die Routine versagt 

Umso größer war der Schock, dass die Routine diesmal versagte. Über X verbreiteten sich die Auftritte von Hayali und Theveßen bis nach Washington. Aus dem pflichtschuldig vorgetragenen Versuch der Relativierung eines mutmaßlich politischen Mordes wurde eine Staatsaffäre, die sich nur noch durch den Einsatz schwerster Geschütze beruhigen ließ. 

Dunja Hayali präsentierte Morddrohungen gegen sich und verkündete einen vorübergehenden Rückzug aus der Öffentlichkeit. Elmar Theveßen ließ sich zum Opfer von Angriffen aus dem Trump-Lager erklären und seine Aussagen zum "Patzer". Angeführt vom früheren thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow organisierte sich eine Solidaritätsbewegung, derzufolge der empörte Widerspruch zu den Ausagen der beiden bedeutenden Medienschaffenden sich allein einer orchestrierten Kampagne verdanke. Verschwörungstheorien als letzter Ausweg.

Das, was widerfährt 

Hayalis ZDF-Kollegin Mariette Slomka fasste die Wünsche derer, die den Zeiten nachtrauern, in denen der Verkündigungsjournalismus regierte, in einem sehnsuchtsvollen Aufsatz zusammen, der "das, was derzeit meinen Kollegen Dunja Hayali und Elmar Theveßen widerfährt", als Folge einer enthemmten Digitalkultur brandmarkt. Es genüge heute, "jemanden zu markieren und dann wird das zum Selbstläufer, in rechtsfreien Räumen, denen sich bislang keine Kraft entgegenstellt".

Slomka klagte  die EU an, "eine Chimäre von Rechtstaatlichkeit an die Wand" zu werfen sich aber nicht "an die Paralleluniversen der Tech-Welt" ranzutrauen. Das werde "sich bitter rächen", denn "wenn wir dereinst über die Gräber unseres Demokratiemodells humpeln, werden wir uns schmerzlich erinnern, was wir mal hatten: Eine Welt, in der u.a. Amerika the land of the free war; in der Journalisten, Wissenschaftler oder Ärzte Jobs machten, die als ziemlich ungefährlich galten, und in der sich die Mehrheitsgesellschaft trotz aller Differenzen und Animositäten ziemlich einig war, wer Radikale und Extremisten sind".

Diese müssen entfernt werden. Die anderen nicht.

Mittwoch, 17. September 2025

Zitate zur Zeit: Demokratie am Ende

Unionskollegin Ilse Aigner hat die rechten Rezepte.

Wenn die Zulässigkeit der Verurteilung eines politischen Mordes davon abhängt, welcher politischen Richtung der Getötete angehört hat, ist die Demokratie am Ende. 

Johannes Winkel, Bundesvorsitzender Junge Union

Abgehängt und aufgeschmissen: Offenbarungseid zum Jahrestag

Energieeffizienz, Zolldeal, Chips Act, AI Act, Binnenmarktstrategie, Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität
Die Sonne der Wettbewerbsfähigkeit geht in der EU langsam unter. Die Kommission steuert entschlossen mit allerlei Paketen und großen Plänen dagegen.

Aus dem Berlaymont-Palast gesehen, jenem sagenhaften Gebäude in Brüssel, das über mehr Energieeffizienzzertifikate verfügt als manche Kleinstadt, stehen die Dinge gar nicht so übel. Der Zolldeal mit den USA ist unter Dach und Fach, demnächst, vielleicht schon in vier oder sieben Jahren, werden weitere große Handelsabkommen mit anderen wichtigen Staaten geschlossen werden. 

Der Chips Act sichert Europa zugleich eine Zukunft mit eigenen Halbleitern, sobald sich genügend amerikanische und chinesische Firmen gefunden haben, die gegen die Zahlung der halben Baukosten bereit sind, in der EU zu produzieren. Mit dem AI Act hat die Kommission sogar so schnell auf eine neuen Technologie reagiert, dass die schon verboten war, ehe sie richtig eingeführt werden konnte.

Ein Meisterstück des pre-banning 

Ein Meisterstück des pre-banning, das sich als hochwirksam erweist: Selbst Apple, eine Firma, die immer wieder trickreich versucht hat, seine Kunden trotz von der Kommission verfügter Schutzrichtlinien mit neuester Technik zu versorgen, hat die Waffen gestreckt und darauf verzichtet, neumodischen Kram wie live übersetzende Kopfhörer in Europa einzuführen. 

Niemals zuvor war die EU so mächtig wie heute. Und niemals zuvor hat sie so entschlossen gehandelt, um den imaginären gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schützen und die vielen kleinen nationalen Märkte in der EU voneinander abzuschotten. Erst kürzlich hat Ursula von der Leyen das Ergebnis von 50 Jahren Offenmarkt-Politik in ihrer bezeichnenderweise "Lage der Union" genannte großen Rede vor dem EU-Parlament selbst zusammengefasst: Der vermeintliche Binnenmarkt sei gar keiner - in von der Leyens Worten "keineswegs vollendet".  Weiterhin bestehende, aber  nicht näher erläuterte "interne Hemmnisse" seien "vergleichbar mit einem Zollsatz von 45 Prozent auf Waren, bei Dienstleistungen von 110 Prozent. 

Im Handumdrehen aus dem Hut 

Ursula von der Leyen, die das Thema in all den Jahren ihrer ersten Amtszeit nicht mit einem Wort erwähnte, wirkte empört und angefasst. Das könne nicht sein, sagte sie. "Es sollte nicht leichter sein, sein Glück in Übersee zu machen, als über europäische Grenzen hinweg." Im Handumdrehen hatte die Chefin der größten Staatengemeinschaft der Menschheitsgeschichte eine "Binnenmarktstrategie" aus dem Hut gezaubert. Jetzt gehe es doch darum Tempo und Prozesse zu beschleunigen, verkündete sie den baffen Abgeordneten, die seit Jahrzehnten mit ruhiger Hand abnicken, was die Kommission und die Staatenlenker an Fortschrittsideen in den Ring werfen.

Auf einmal aber ist Feuer unterm Dach. Das war kurzzeitig schon ausgebrochen, als der frühere EZB-Chef Mario Draghi vor einem Jahr seinen nett geschriebenen und solidarisch verpackten Bericht zum Zustand der Wettbewerbsfähigkeit der EU vorlegte. In einem Wort: Beklagenswert. Draghi, selbst jahrzehntelang integraler Bestandteil eines Systems, das planwirtschaftliche Überregulierung als sicherste Gewähr für die eigene Fortexistenz begriffen hat, schien damals selbst überrascht von den Verheerungen, auf die bei seinen Untersuchungen im Auftrag der Kommission gestoßen war. 

"Schwach, sehr schwach" 

In Europa sei die Produktivität "schwach, sehr schwach". Über Jahre habe sich "zwischen der EU und den USA eine große Lücke im Bruttoinlandsprodukt aufgetan". Die traurige Folge sei, dass das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen sei wie in der EU. Das Zurückfallen hätten die europäischen Haushalte "in Form eines entgangenen Lebensstandards gezahlt".

Ein vernichtendes Attest. Doch immerhin gelang es, die Diagnose nicht an die große Glocke zu hängen. Wahlen standen vor der Tür, Wahlen zum Europa-Parlament. Niemand hatte Interesse die Misere schlechtzureden und damit Wasser auf die Mühlen derer zu leiten, die ohnehin im Gebüsch lauern und der einzigen jemals mit dem Friedensnobelpreis gewürdigten Staatenfamilie nur allzu gern Hybris bei der zentralen Planung des Lebens und Wirtschaftens von 27 Staaten und 440 Millionen Menschen vorwerfen. Draghis Bericht war schneller vergeben und vergessen als seine Erstellung gedauert hatte.

Eher schlimmer als besser 

Und ein Jahr später, pünktlich zum Beginn einer amtlichen Konferenz zu den seitdem erreichten Fortschritten, sieht es eher schlimmer als besser aus, wie auch die Kommissionschefin zugeben muss. Im Frühherbst 2024 hatte Draghis Klage noch einer Schwäche gegolten, aus der eine Perspektive erwuchs, die sich einzutrüben drohte. Inzwischen ist die EU einen Schritt weiter. Aus den düsteren Prognosen ist fühlbare Wirklichkeit geworden.

Deutschland, der Kassenwart, dessen Zuwendungen das gesamte EU-Konstrukt am Leben halten, steckt das dritte Jahr in der Rezession, Ende nicht abzusehen. Frankreich ist unregierbar geworden, ein Land, das unaufhaltsam in eine Schuldenkrise taumelt. Polen floriert, fordert aber 1,3 Billionen Reparationen vom Pleitenachbarn Deutschland. Ungarn ignoriert Brüssel, Italien kümmert sich um niemanden sonst, die Niederlande sind nach rechts gerückt und Spanien, Irland und eine Handvoll anderer Staaten setzen Baerbock-Prämissen: Ihre Anstrengungen gelten vordringlich um Palästina.

Wenn niemand mehr nichts glaubt 

Rettung tut not, nicht nur für die Schicksalsgemeinschaft der EU-Europäer, sondern auch für die 66-jährige Kommissionsvorsitzende, die bereits zum zweiten Mal mit dem Misstrauensantrag einer qualifizierten Anzahl an EU-Abgeordneten konfrontiert sieht. Herumreden nützt wenig, wenn einem ohnehin niemand mehr ein Wort glaubt. Ursula Von der Leyen hat deshalb auf der Bilanzkonferenz zum Draghi-Bericht noch einmal selbst betont, dass die Kommission seit ihrem Amtsantritt die versprochene Dringlichkeit in Aktionen umgesetzt habe.

Man habe "losgelegt", sagte von der Leyen und nannte zuerst ihre neueste bürokratische Erfindung namens "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit". Danach folgte der "Deal für eine saubere Industrie" und ein Hinweis auf die "KI-Gigafabriken", wie die EU die klitzekleinen Brüder der in den USA im Bau befindlichen Rechenzentralen der Zukunft nennt. Gebaut werden die noch nirgendwo. Wie sie in Europa mit Unmengen an möglichst günstigem Strom gefüttert werden sollen, muss auch erst noch geklärt werden. Aber mit dem "Aktionsplan für erschwingliche Energie" steht ein Papiertiger bereit, ähnlich wirkungsmächtig wie die "Spar- und Investitionsunion", mit der von der Leyen privates Kapital akquirieren will, damit nicht auch noch die letzten paar EU-Startups mit zukunftsträchtigen Ideen in den USA an die Börse gehen.

Ein Hagel aus Aktionsplänen 

Wie immer mangelt wahrlich nicht an "maßgeschneiderten Aktionsplänen" (von der Leyen), an Absichtserklärungen hochfliegenden Visionen und klafterdicken Strategiepapieren. Die nimmermüde EU-Bürokratie hat sie für die Automobilindustrie, Stahl und Chemie ausgespuckt, sie hat die "größte Steigerung der Verteidigungsinvestitionen in unserer Geschichte" (Leyen) schon komplett durchgeplant und einen fantasievoll "Start-up/Scale-up-Fonds" erfunden, der unter anderem die "Quantentechnologie" zum neuen großen Ding in Europa machen soll. 

Direkt spruchreif ist im Moment noch nichts. Nirgendwo können erste Ergebnisse besichtigt oder erste Renditen aus künstlicher EU-Intelligenz eingesammelt werden. Denn was die Finanzierung wie die Umsetzung anbelangt, sind noch Hürden zu überwinden: "Sechs Vereinfachungspakete", hat Ursula von der Leyen verkündet, würden gerade "geschnürt". Gemeint sind damit hochamtliche Versuche einer Überbürokratie, die sich selbst in den Abertausenden ihrer Regeln und Vorschriften verfangen hat, ein wenig schneller zu werden. 

Umgehung mit dem Omnibus 

Der offizielle Name der Methode sagt alles über die Erfolgsaussichten: Von der Leyen nennt den Trick "Omnibus-Gesetze" nach einer in Anhang I der Richtlinie 70/156/EWG definierten Klasse "motorisch angetriebener Landfahrzeuge der Klassen M2 oder M3 mit mehr als acht Sitzplätzen neben dem Fahrersitz", die ihren Namen den im 19. Jahrhundert verbreiteten Pferdeomnibussen verdankt. Um die lähmend lange Dauer des üblichen EU-Gesetzgebungsverfahrens abzukürzen, das so heißt, obwohl die EU keine Gesetze, sondern nur "Rechtsakte" beschließen darf, werden bei einem Omnibus-Gesetz in einen beliebigen Entwurf zu einem beliebigen Thema beliebige Beschlussanträge zu belieben anderen Themen als "Passagiere" hinzugefügt. 

Die Bürokratie trickst sich so selbst aus, das reguläre Gesetzgebungsverfahren bleibt auf der Strecke, aber statt sich über die Umgehung der verbindlich vereinbarten Regeln zu empören, geht Ursula von der Leyen stolz damit spazieren. Allerdings: So altehrwürdig der Name, so verzweifelt der Versuch, mit dem leckgeschlagenen REUderboot der 27 missmutigen Paddler zu neuen Ufern aufzubrechen. In einer Art Offenbarungseid hat Ursula von der Leyen bei der Schilderung der "realen Auswirkung" der bisherigen Anstrengungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Zuflucht zu Sätzen wie diesen nehmen müssen: "Bei der Wettbewerbsfähigkeit geht es um Arbeitsplätze. Es geht um gute Löhne für Menschen und gute Gewinne für Unternehmen. Es geht um unsere Lebensweise."

Bereiche, die dieses Rennen ausmacht 

Wer hätte das gedacht. Aber es war ja längst nicht der einzige Punkt, an dem sie Klartext redete. Beim Aufholen des Innovationsrückstands gegenüber den USA und China forme "KI den globalen Wettbewerb neu". Über die globale Führungsrolle sei noch nicht entschieden. "Und Europa ist nicht nur ein Herausforderer, sondern in vielen Bereichen führend, die dieses Rennen ausmacht."

Als Beispiele nannte sie die beiden Supercomputer Jupiter in Deutschland und HPC6 in Italien, die "unter den globalen Top 10" stünden. "Unsere Strategien und Investitionen in diesem Bereich beginnen, sich auszuzahlen." Auch bei KI-Anwendungen sei Europa vorn mit dabei, behauptete sie und nannte die schwedische Firma Lovable, die derzeit ein Tausendsechhundertstel von Google wert ist. Noch ist damit abwer nicht alles in Butter. 

Entlang der Vorgaben des gemeinsamen "Plans für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit" müsse  Europa von importierten fossilen Brennstoffen unabhängig werden. Die Lösung liege in heimischer Energie, erneuerbaren Energien mit Kernenergie für die Grundlast. "Allein im letzten Jahr haben wir beeindruckende Fortschritte erzielt", sagte sie. Zunächst sei das "Windpaket auf den Weg gebracht" worden, durch das die Genehmigungszeiten um zwei Drittel verkürzt wurden. Seitdem erreichten die Investitionen in die europäische Windenergie ein Allzeithoch – "sie lagen bei über 40 Milliarden Euro. Investoren entscheiden sich also für Europa."

Gekommen, um Geld zu ernten


Mit teurer Energie ist hier Geld zu ernten, auch weil Strom "in einigen Mitgliedstaaten dreimal so viel wie in anderen". Ursula von der Leyen will jetzt dafür sorgen, dass "Energie ungehemmter dorthin fließen kann, wo sie benötigt wird". Die öffentliche Hand werde jetzt auch noch Geld in die  notwendigen Verbindungsleitungen stecken. Die Kommissionspräsidentin nannte Projektbeispiele, etwa den "Celtic Interconnector", der irischen Windstrom bald ab 2028 aufs Festland transportieren wird, sobald die Baukosten von 1,6 Milliarden Euro komplett am sensiblen Meeresboden vergraben. Darüber hinaus wird es auch ein "Netzpaket" und eine neue Initiative für Energieautobahnen geben. "Von den Pyrenäen bis zur Transbalkan-Pipeline. Vom Øresund bis zur Straße von Sizilien."

Fließt der Saft, wird Europa auch bei Batterien "das Industrie-Kraftzentrum sein, das dieser steigenden Nachfrage nach sauberer Technologie gerecht wird". Derzeit seien "die Zahlen in diesem Bereich nicht so vielversprechend sind wie in anderen Sektoren", die sie nicht nannte. "Aber wir können das Blatt immer noch wenden." Man müsse jetzt nur "unsere öffentlichen und privaten Investitionen massiv aufstocken, Leitmärkte für kreislauforientierte und saubere Produkte schaffen und für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen." Die Kommission arbeite bereits "auch an einem Batterie-Booster-Paket". 

Dienstag, 16. September 2025

Genosse Jesus: Königreich Deutschland

In der SPD ist die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung eines von Jesus geleiteten Königreich Gottes auf Erden jetzt hoffähig geworden.


Das Weltbild ist wissenschaftlich, alle Pläne zum notwendigen gesellschaftlichen Wandel sind durchgerechnet und mit guten alten und vielfach bewährten Gesellschaftstheorien unterlegt. Vom Weg hin zum Sozialismus, da sind sich Linkspartei, BSW, Grüne und SPD einig, darf niemand ablassen, denn der Sozialismus wird es ein es Tages sein, der Gleichheit und finale Gerechtigkeit schafft. 

Doch sosehr das einleuchtet, die vor allem die deutsche Sozialdemokratie, Teil der Socialists&Democrats getauften revolutionären Fraktion im Europa-Parlament, leiden darunter, dass die Masse ihres früheren Klientels nicht mehr naach Hilfe und Betreuung, Bevormundung und Führung verlangt, sondern danach, von ihren Funktionären in Frieden gelassen zu werden. Die aber, reihenweise ausgebildet in Kaderanstalten ohne Kontakt zur Außenwelt, entstammen heute einem ganz andren Milieu als ihre Wähler. Führende Sozialdemokraten sind studierte Leute ohne schwielige Hände. Sie haben günstigtstenfals noch nie im Leben gearbeitet, weil es Sitte ist in der Partei, sich bereits mit 17 oder 18 Jahren langsam hochzudienen.

Breite Ablehnung überall 

Die alte Arbeiterpartei leidet unter einer breiten Ablehnung durch 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung. Und ein Grund dafür liegt in der Entkoppelung ihres Funktionärsbetriebes von dem was früher die Basis des Erfolges von Politikern wie Brandt, Wehner, Schmidt und Schröder war. Auch die entstammten keineswegs dem öligen Umfeld von Lokfabriken oder dem staubigen Boden eines Bergbaubetriebes. Sie hatten aber ein Leben außerhalb der Politik geführt und wussten so aus der Erinnerung zu sagen, wie sich Dinge darstellen, betrachtet man sie nicht aus der Perspektive eines aus Ideologie und Machtgier betonierten Parteibunkers.

In der zweiten Kadergeneration nach Schröder hat sich die Erinnerung der Genossen an diese langjährige Basisverbundenheit als Grundlage jeder erfolgreichen Politik in Zehn-Punkte-Plänen, hektischen Strategieverschiebungen und trotzigem Beharren auf der Richtigkeit der eigenen Politik verloren. Die SPD ist auf dem Weg zu einer Partei, die ausschließlich noch das Interessen ihrer hauptamtlichen Funktionäre vertritt, den eigenen Traumberuf weiterhin ungestört von der Wirklichkeit ausüben zu dürfen. 

Opfer des sozialen Aufstiegs 

Der Führungsriege nach dem - letztlich barsch erzwungenen - Abschied der letzten laschen Schröderianer Scholz, Gabriel und Steinmeier aus der aktiven Politik ist ein Opfer ihres sozialen Aufstiegs geworden. Der Beruf des Politikers, zuweilen ausgeübt in der zweiten Generation, erlaubt das Leben auf größerem Fuß und einen weiteren Überblick. In den dadurch vom Boden ihrer Klasse abgehobenen sozialdemokratischen Führungsriegen entstand der Eindruck, es müsse nur gelingen, den früheren Klassenkameraden mit sehr viel und noch viel mehr guten Gaben des Sozialstaates den Mund zu stopfen, um Ruhe und Ordnung und Zustimmung zur Politik der Partei dauerhaft einzukaufen.

Ein Missverständnis, so verhängnisvoll, dass es droht, Deutschlands älteste Partei daran scheitern und sie untergehen zu lassen. Die Zeichen stehen an jeder Wand, bei jeder Wahl lassen verzweifelte Wähler die Alarmglocken schrillen. Doch nirgendwo in der SPD ist eine Politikerin oder ein Politiker, der Ohren hat, um es zu hören. Ganz im Gegenteil. Die Klingbeils, Bas und Pistorius, Hubig, Klüssendorf, Köpping und Post scheinen bitter entschlossen, den für ihre Partei so verhängnisvollen Kurs auch um den Preis des - bereits absehbaren - eigenen Untergangs fortzusetzen. 

Abschied vom Klassenkampf 

Unter ihrer Ägide ist die SPD zurückgekehrt auf den Weg des Klassenkampfes gegen das einst verhasste System, von dem sie sich vor mehr als 60 Jahren verabschiedet hatte, um pragmatische Politik für lebendige Menschen zu machen. Bei dieser Strategieänderung handelte es sich ursprünglich um den Versuch, der unter Angela Merkel nach links drängenden Union durch einen eigene noch linkere Ausrichtung aus dem Weg zu gehen.

Es war vergebens. Nie gelang es der Partei der einst mächtigen deutschen Arbeiterbewegung, mit ihren Kampfaufrufen gegen Manager, Spekulanten, Überreiche und Privatfirmen und für höhere Steuern und einen größeren, stärkeren Staat wie früher begeisterte Massen hinter sich zu versammeln. Die SPD unterließ in der Folge jeden weiteren Versuch. Die Funktionärsriege zog sich ganz in ihre Berliner Blase zurück. Selbst ihren letzten Wahlkampf führte die SPD ausschließlich im geschlossenen Saal vor handverlesenen und eingeschworenen Anhängern. Die Partei großer Wahlkämpfer wie August Bebel, Regine Hildebrandt, Oskar Lafontaine und Franz Müntefering hat sich in ihre Nische zurückgezogen. Die meisten Parteiführer sind im Lande draußen vollkommen unbekannt.  

Die Quittung für das letzte Aufgebot 

An der Spitze der Partei, die früher kantige Gestalten wie Wehner, Schmidt und Sarrazin im Dutzend hervorbrachte, so dass die Granden sich gegenseitig mit allen Mitteln bekämpften, stehen mittlerweile junge, im parteigenen Saft geschmorte Figuren wie Tim Klüssendorf, Katarina Barley, Jessica Rosenthal und Achim Post. Die Quittung bekommt dieses letzte Aufgebot an jedem Wahltag. Nur noch ein Drittel der Wählerinnen und Wähler, die Kanzler wie Brandt und Schröder überzeugten, folgt der SPD heute noch treu. In mehreren Bundesländern droht Umfragen zufolge schon bei der nächsten Landtagswahl das Unvorstellbare: Ein Scheitern der langjährigen Volkspartei SPD an der Fünf-Prozent-Hürde.

Dass die deutsche Sozialdemokratie energisch gegen ihr eigenes Verschwinden ankämpft, lässt sich trotzdem nicht sagen. Der Funktionärsbeschäftigungbetrieb, als der sich die Partei heute versteht, produziert Durchhalteparolen und haltlose Versprechen. Bärbel Bas, eine ermüdend langweilige Funktionärsfrau, die es bis in die spätern 90er Jahre hinein allenfalls zur Parteigruppenkassiererin in Duisburg-Walsum gebracht hätte, steht stellvertretend für einen akzeptierenden Umgang sowohl mit dem unaufhaltsamen Aufstieg der AfD als auch mit dem eigenen Niedergang. 

Sehnsucht nach Nahles 

Nach der Wählerklatsche in Nordrhein-Westfalen hat Bas' diese Strategie in einem Satz zusammengefasst, wie er eleganter nicht formuliert werden kann. Ihre Partei habe die Aufgabe, "jetzt wieder die Politik zu machen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewegt und das ist die Aufgabe, die wir jetzt auch haben und da wird uns auch die AfD nicht den Rang ablaufen", sicherte die hälftige Parteivorsitzende zu. Auf einmal sehnten sich viele alte Sozialdemokraten nach Andrea Nahles und Andrea Ypsilanti, zwei früher federführend mit dem Rückbau der deutschen  Sozialdemokratie beschäftigten Genossinnen, denen nach getanem Werk glücklich der Sprung in schöne Versorgungsposten gelang.

Den Zurückgebliebenen bleibt nicht viel Hoffnung. Vorbei sind die Zeiten, in denen es nach Wahlniederlagen kräftig krachte in der SPD, in denen zwischen den verschiedenen Parteiflügeln um die Ausrichtung gestritten und nach personeller Erneuerung gerufen wurde. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der den Niedergang seiner Partei in den zurückliegenden 20 Jahren direkt aus seinem Abgeordnetenbüro im Bundestag beobachten konnte, hat eine individuelle Strategie entwickelt, um einen weiteren Verlust an Vertrauen zu verhindern. Es darf nicht zu schnell gehen mit dem Machtverlust. Wenigstens fpünf bis zehn Jahre muss die SPD noch relevant genug bleiben, um die Kaste ihrer aktuellen Anführer bis zur Rente zu bringen.

Jetzt muss Jesus helfen 

Miersch selbst tut alles, um den Trend wegzubremsen. Dem Niedersachsen tut es spürbar weh, dass seine einst so stolze Arbeiterpartei zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen ist, die in manchen Bundesländern schon um den Verblieb im Parlament kämpfen muss. In der Verzweiflung darüber, nicht zu wissen, was sich dagegen unternehmen lassen könnte, hat der studierte Jurist jetzt sogar bisherige Aussagen dazu erweitert, wie er als junger Sozialist Anfang der 90er Jahre in die SPD geriet

Der Grund sei gewesen, dass "die SPD mit ihrer Tradition und ihrer Politik in der deutschen Geschichte wie keine andere Partei für die Grundwerte Solidarität, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit steht", hatte Miersch bisher versichert - doch unter dieser Wahrheit versteckte der 58-jährige eine weitere, die er erst jetzt offenbarte, wo es darum geht, neue Wählerschichten von den unbestreitbaren Qualitäten der SPD zu überzeugen.

Keiner verlässt den Pfad 

Es sei vor allem die Kirche gewesen, die ihn zum Politiker werden ließ, gesteht der Chef der SPD-Bundestagsfraktion freimütig und er verweist auf wertvolle Erfahrungen, die er als Leiter kirchlicher Gruppen gemacht habe und die "für meine Arbeit bis heute total wichtig sind. Empathie zum Beispiel." Auch für die Arbeit in einer Bundestagsfraktion gelte: "Alleine ist man nichts, wir sind alle auf die Gruppe angewiesen". Ein Bekenntnis, indem sich christliche Werte, sozialdemokratisches Ideal und der Gesang der Harfüße aus dem "Herrn der Ringe" zu einer gemeinsamen Formel verbinden: "Niemand verlässt den Pfad und niemand wandert allein".

Dass "Jesus ein Linker ist" wie Miersch in seinem Glaubensbekenntnis formuliert hat, muss allerdings jeden Demokraten irritieren. Bisher galt  die Geschichte von Jesus' den Opfertod am Kreuz aufgeklärten Anhängern des säkulären Rechtsstaates als Legende. Auch das Märchen von der Auferstehung am dritten Tag und der folgenden Himmelfahrt hatte Grimm-Charakteren, ganz zu schweigen von der Prophezeiung, Jesus werde eines Tages zurückkehren, um die Lebenden und Toten zu richten, das Ende aller Sünde und alles Bösem zu bewirken und seine Herrschaft auf der Erde anzutreten. 

Abschaffung der Demokratie 

Die Wissenschaft widersprach mit allem, was sie hatte. Eine Wiederauferstehung sei unmöglich, eine Himmelfahrt erst seit wenigen Jahrzehnten technisch machbar. Nur für Christen blieb die Rückkehr des Gottessohnes ein mit Spannung erwartetes Ereignis. Linke und alle anderen demokraten hingegen mussten selbst die theoretische Möglichkeit einer Durchfpührung ablehnen: Der kirchlichen Lehre zufolge plant Jesus eine Art Königreich zu errichten, einen Führerstaat, in dem er mit absoluter Macht herrschen will. Die Demokratie soll abgeschafft werden, Grundgesetz und Völkerrecht, Wahlen, der Sozialstaat, Gewerkschaften, Mitbestimmung und Betriebsräte - so ziemlich alles, was Sozialdemokraten in mehr als hundert Jahren zum Teil mit Blut erkämpft haben, würde in diesem christlich-fundamentalistische geführten Königreich Deutschland abgeschafft.

Dass ein führender Sozialdemokrat das nicht weiß oder aber es wider besseren Wissens in seinen öffentlichen Aussagen verschweigt, um bei fundamentalistsichen Christen zu punkten, spricht Bände über den Zustand der SPD. "Gott, eine behütende Kraft", lobt Miersch den Vater des Mannes, der nicht nur "auf die Gemeinschaft gesetzt" und "Solidarität" gepredigt hat, sondern auch nie Zweifel daran ließ, wie er sich die Regelung des Zusammenlebens aller Menschen vorstellt: Gottes Gesetze, des Menschen unbedingter Gehorsam einem Führer gegenüber, der selbst von sich behauptet, nur "den Willen seines Vaters zu tun, also mit anderen Worten: seinem Vater gehorsam zu sein".

Ein Linker, lupenrein. 

Neubauers Visionen: Eine Hand am Ordensband

Luisa Neubauer Schweitzer Preis Medaille
Zum Abschied von der Klimabewegung bekommt deren Mutter Luisa Neubauer noch einen verdienten Preis geschenkt.

Es wird ein neues Hochamt für unsere Demokratie werden, ein unübersehbares Zeichen gegen und zugleich ein eindrucksvolles Signal der Geschlossenheit und der Solidarität. Es gibt kein Zurückweichen, kein Einknicken und kein Nachgeben im Kampf gegen Narrative, Rechtsruck und Klimaleugnung, das wird mit der Vergabe der renommierten Albert-Schweitzer-Medaille an Luisa Neubauer und ihre Klimabewegung "Fridays for Future" noch einmal nachdrücklich unter Beweis gestellt. 

Der rechte Namenspate 

Albert Schweitzer, in einer "Spiegel"-Reportage aus dem Jahr 1957 als "verbohrt, diktatorisch, vorurteilsvoll, pedantisch auf eine eigentümlich teutonische Art, reizbar und etwas eitel" beschrieben, ist der rechte Namenspate für die Auszeichnung der letzten deutschen Aktivistin. Der geniale Arzt sein ein "tiefer Moralist", berichtet John Gunther, sein Besucher vom "Spiegel", er habe "aber verhältnismäßig wenig Interesse für die Menschen selbst, seien sie nun Afrikaner oder etwas anderes." 

Einen passenderen Preis hätte Luisa Neubauer nicht erhalten können, denn auch Schweitzer ließ seine  "zärtlichste Fürsorge" seinen Hausantilopen zukommen. "Er scheint die Tiere lieber zu haben als die Menschen; vielleicht - wer weiß? - sind sie ihm dankbarer", staunte in seinem Buch "Afrika von Innen".

Luisa Neubauers letzter Bestseller hieß "Was wäre, wenn wir mutig sind?", er analysiert die Machtkämpfe hinter der Klimakrise, legt die fossilen Wurzeln unserer Demokratie frei und zeigt, wie eine realistische Utopie auf unserem Planeten aussehen kann. Doch kaum jemand hat die 144 Seitchen gelesen, kaum jemand will noch Neubauers Aufruf folgen, "zu intervenieren und unsere ökologischen Grenzen zu verteidigen". 

Zumindest Schweitzer-Laudator Heinrich Bedford-Strohm lobte "Neubauers Vision" einer klimafreien Welt und ihre "guten Argumente". Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzenden und Vorsitzenden des Zentralausschusses des Weltkirchenrates (ÖRK) muss es wissen, denn er war vor drei Jahren selbst Empfänger des von der baden-württembergischen Ärzteschaft vergebenen Preises.

So ist das am Ende jeder Ära. Die Kreise derer, die Preise verliehen bekommen, werden immer kleiner, die Doppelehrungen immer häufiger. Sicher im Rennen um höchste Ehrungen ist in den letzten Tagen vor einer Zeitenwende ist irgendwann nur noch, wer sich bereits als preiswürdig erwiesen hat. Bundesverdienstkreuze werden unter denen verteilt, die ganz nah an den Verleihern arbeiten. Die Vordenker und Vorkämpfer der neuen Zeit lassen sich eigens für sie selbst geschaffene Sonderauszeichnungen wie frühere Hauptmänner für sich den Rang "Feldmarschall" erfinden ließen.

Verdienst am Schulterband 

Eine Hand am Ordensband wäscht die andere. Es kann gar nicht genug solcher Auszeichnungen geben, um alle regelmäßig abzufüttern. Wem es als Politschaffenden nicht gelingt, sich auf halber Strecke seiner Laufbahn wenigstens ein Bundesverdienstkreuz verleihen zu lassen, der bekommt später ein Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband für seinen Trophäenschrank daheim. Nirgendwo ist die Anzahl von Ordensträger höher als dort, wo die Nähe zu denen, die die Auswahl treffen, groß und die Anzahl der Ordensträger hoch ist. 

Unter den insgesamt 264.620 Trägern von Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ist die Anzahl von Diktatoren, Mördern und Menschenrechtsverletzern höher als die von Schlossern, Hausfrauen und Kellnerinnen. Je exquisiter die Stufe der Verdienstkreuze, Großen Verdienstkreuze und Großkreuze, desto adliger, elitärer und blutbefleckter der Trägerkreis.  Nicht nur Joe Biden und François Hollande, Václav Havel und König Charles III. sind Träger der "Sonderstufe des Großkreuzes", sondern auch Nicolae Ceaușescu und Josip Broz Tito, Mohammad Reza Schah Pahlavi und Haile Selassie.

Zum Abschied noch eine Medaille 

Das Muster, das auch Luisa Neubauer eine Medaille zum Abschied einer kurzen, aber erfolgreichen Karriere beschert, springt ins Auge. Unter den Inhabern des "Grimme"-Preises ist kaum einer, der nur einen hat. Beim führenden Fernsehschaffenden des ZDF, dem Komiker Jan Böhmermann, stapelt sich ein halbes Dutzend auf dem Hausaltar. Böhmermann trägt außerdem mehr als 50 weitere Orden, Medaillen und Ehrenpreise. 

Darunter ist auch der nach dem letzten ARD-Journalisten Hanns Joachim Friedrichs benannte Friedrichs-Preis - nicht zu verwechseln mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels - , den 2023 auch Elmar Theveßen verabreicht bekam, als USA-Korrespondent des ZDF einer der treffsichersten Analysten des amerikanischen Elends.

Die Jury hatte den Mittfünfziger seinerzeit geehrt für seine "souveräne Sachkenntnis" und den "scharfen Blick für die großen Zusammenhänge". Seine Chefredakteurin Bettina Schausten, berühmt geworden durch ihre feinfühligen Merkel-Verhöre, freute sich, "dass mit Elmar Theveßen ein exzellenter Journalist ausgezeichnet wird", der "mit großer analytischer Tiefe in der aktuellen Berichterstattung ebenso wie in hintergründigen Dokumentationen komplexe globale Zusammenhänge" erkläre und "für Zuschauerinnen und Zuschauer die Lebenswirklichkeit der Menschen in seinem Berichtsgebiet erlebbar" mache. 

Da kommt noch was nach 

Die Ärzte-Jury wird womöglich von "Theveßens Vision" und seinen "guten Argumente" für behauptete Steinigungen angeführt, um dem deutschen Talkshowkönig und "höchst effizient arbeitenden Profi", der zwar Träger des Medienpreises des Deutschen Bundestages, dreifacher Gewinner des Radio-, TV- und Neue-Medien-Preis der RIAS-Kommission und Deutscher Fernsehpreisträger ist, aber bislang ohne Grimme-Preis leben muss, im kommenden Jahr die Albert-Schweitzer-Medaille zu verehren. 

Nötig wird es werden, denn seit Elmar Theveßen dem jüngst verstorbenen Charlie Kirk mit mutigen Worten die Maske des Ultraradikalen vom Gesicht gerissen hat, steht der Mann, der Auge und Ohr des ZDF in den USA sowie aus El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Jamaika, Kuba, Panama und "Mexico" (ZDF) ist, unter Remigrationsdruck. US-Politiker haben ihn und seine Kollegen Dunja Hayali ins Visier genommen. Kaum schafft es die solidarische Linke noch, den Unmut als unangebrachten Hass und die Fake News als folkloristische Meinungsausrutscher zu entschuldigen und die hart arbeitende Mitte zur Gegenwehr auf die Barrikaden zu rufen.

Montag, 15. September 2025

Krieg dem Sport: Freizeitterror auf dem Fußballplatz

Hetzjagd auf Fußballspieler: Weitgehend ungestört von Polizei und Justiz terrorisieren sogenannte Ultras den Fußball.

Sie terrorisieren den Sport, erpressen die Vereine, nutzen Fußballspiele, um absurde Kleinkriege mit auf den Rängen zu führen. Seit Jahrzehnten halten die sogenannten "Ultras" vor allem die unteren Ligen und vor allem die im Osten Deutschlands in Atem. Gerade erst wieder führten die "Ultra"-Fans des tief gefallenen früheren Zweitligisten Hallescher FC vor, wem ihrer Meinung nach der Fußball gehört. Nach einem enttäuschenden 0:0 gegen den Tabellenletzten der 4. Liga stürmten drei Handvoll schwarzgekleideter sogenannten erlebnisorientierter Ultra-Hooligans den Platz. Ungestört von Ordnungskräften und Polizei jagten sie die hektisch flüchtenden Spieler der gegnerischen  BSG Chemie Leipzig. Erst nach Minuten gelang es, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Außer Rand und Band 

Dabei ist sie dauerhaft schon vor Jahren außer Rand und Band geraten. Regelmäßig zerstören die selbsternannten Fans große Fußballabende. Regelmäßig fallen sie durch organisierte Gewaltausbrüche auf. Zuletzt hatten HFC-Anhänger im April beim Spiel in Jena planmäßig ein Zaunfeld abgeschraubt, um die Anhänger des Gegners angreifen zu können. Das Spiel wurde für 40 Minuten unterbrochen, der Nordostdeutsche Fußballverband verhängte später eine Geldstrafe von 18.700 Euro gegen den HFC. Aus den erstatteten 82 Strafanzeigen, immerhin waren 38 Personen verletzt worden, wurde bis heute keine einzige Anklage. Trotz vorliegender Videoaufnahmen.

Der Sachschaden, den enthemmte, von keiner Ordnungsmacht zu beeindruckende Ultras Jahr für Jahr verursachen, geht in die Millionen. Der Rufschaden, den sie am Image ihrer Heimatvereine anrichten, ist unbezahlbar. Sie sind wenige, kaum ein paar Handvoll in jeder Stadt. Doch die Polizei und Justiz vermitteln ihnen seit Jahrzehnten das sichere Gefühl, unangreifbar zu sein. Wochenende für Wochenende verbreiten sie Angst und Schrecken. Woche für Woche beschäftigen sie Sportgerichte. Sehr, sehr selten nur Strafkammern. Über eine Saison gerechnet kosten sie die Vereine, denen sie angeblich enger verbunden sind als alle anderen, alle "normalen" Fans, Hunderttausende Euro, die für Spielgehälter fehlen. 

Freundliche Begleitung 

Und doch geschieht ihnen kaum jemals etwas. Die Polizei belässt es bei freundlicher Begleitung. Staatsanwälte schauen weg. Ermittlungsverfahren gibt es allenfalls gegen einzelne Tatverdächtige, nie gegen die fest gefühlten und sorgfältig gegen Einblick von außen abgeschirmten Gruppen der Erlebnisorientierten. Dabei ist deren eigentlicher Charakter unübersehbar. Zwar feiern sich die Ultras aller Klubs als die Unbeugsamen und Unentwegten, die ihre Mannschaft überallhin begleiten, sie anfeuern und damit erst die bei den Tribünenzuschauern so beliebte Stadionatmosphäre erzeugen. Doch verglichen mit dem Schaden, den sie anrichten, ist ihr Nutzen bescheiden. 

Es werden Straftaten begangen, oft angekündigt. Und die Staatsmacht interessiert sich nicht dafür. Es werden Straftaten begangen, und an der mafiaartigen Omerta unter den Ultras scheitert jeder Versuch, Täter zu ermitteln. Es werden Straftaten, doch spätestens vor Gericht werden aus Ultras verfolge Unschuldige. 

Als gehörten die Stadien ihnen 

Selbstbewusst als gehörten die Stadien in Wirklichkeit ihnen, gelingt es den Ultras an jedem Wochenende, unfassbare Mengen von Sprengmitteln an den Ordnern vorbei ins Innere zu schmuggeln. Trotzdem scheint es so, als sei gegen sie kein Kraut gewachsen. In der Definition des einschlägigen § 129 StGB lassen sich fast alle Ultra-Gruppen als kriminelle Vereinigungen erkennen: Mindestens drei Personen, die sich auf Dauer zu dem Zweck zusammenschließen, Straftaten zu begehen, die eine erhebliche Bedeutung haben und mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. 

Die erforderliche feste Hierarchie gibt es, ebenso den festen Namen, die gewisse Organisation und eine rudimentäre Struktur mit verbindlicher Mitgliedschaft, mit der sich Mitglieder den Zielen und der Willensbildung der Gruppe unterwerfen, so dass eine Eigendynamik der Vereinigung entsteht. Es ist eine organisierte Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel, bei der die Begehung von Straftaten im Vordergrund steht und nicht nur eine untergeordnete oder zufällige Tätigkeit ist.

Dem Druck gebeugt 

Die Fußballverbände haben sich schon vor längerer Zeit dem Druck der Freizeitterroristen unterworfen, die in einigen Vereinen bereits Vertreter in den Vorständen platziert haben. Zu deren Brauchtum gehört es, die Durchführung von Fußballspielen mit Hilfe von Rauchtöpfen aus gestohlenen Bundeswehrbeständen oder illegal eingeführten Feuerwerkskörpern aus dem Ausland nach Belieben zu unterbrechen. Stadien werden vernebelt, Raketen fliegen bestenfalls auf den Rasen, schlimmstenfalls gezielt hinein in die zum symbolischen Feind auserkorene Masse der gegnerischen Anhänger. 

Gedrängt von  ihren Ultras, setzen sich mehrere ostdeutsche Fußballvereine dafür ein, den Einsatz von Pyrotechnik der Kategorie F2, der als Silvesterfeuerwerk ausschließlich am 31. Dezember und 1. Januar erlaubt ist, auch außerhalb dieser Zeit zu gestatten zu stellen, wenn es sich bei den Anwender um Mitglieder einer Ultra-Gruppierung handelt. Eine spezielle Genehmigung der zuständigen Behörden, die bisher meist zwei Wochen von eigens ausgebildeten Feuerwerkern vorher beantragt werden muss, soll nicht mehr notwendig sein, fordern Vereine wie Dynamo Dresden, Energie Cottbus, Hansa Rostock und Union Berlin. Ins Sprengstoffgesetz müsse vielmehr eingefügt werden, dass die bisher vorgeschriebene CE-Kennzeichnung und die amtlichen BAM-Prüfnummern ebenso wegfallen sollen wie die Verbandsstrafen für illegal verwendete Pyrotechnik. 

Legal, illegal, scheißegal 

Die Vereine, die sich von ihren Fangruppen zu diesem Vorstoß haben drängen lassen, sind der Ansicht, dass bisher von den Fußballverbänden nach Pyrotechnik-Einsätzen rituell verhängten Geldstrafen für die Vereine "nicht zielführend" seien, weil sie die Probleme nicht lösen könnten. Eine Auffassung, die die zuständigen Staatsorgane teilen, ohne damit so öffentlich hausieren zu gehen. 

Woche für Woche werden hunderte strafbare Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, nach dem Erwerb, Besitz oder die Einfuhr nicht zugelassener oder nicht konformitätsbewerteter pyrotechnischer Gegenstände mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden können, angestrengt ignoriert. Selbst der Umstand, dass die Benutzung von Pyrotechnik inmitten eines vollbesetzten Stadions immer andere Menschen gefährdet werden und damit regelmäßig eine gefährliche Körperverletzung nach §§ 223, 224 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegt, führt nie zu strafrechtliche Konsequenzen.

Unwillig, Straftaten zu verfolgen 

Das Signal, das der Rechtsstaat an die erlebnisorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen  sendet, ist genauso fatal wie das, das die Vereine empfangen. Den einen gibt er zu verstehen, dass ihm  die Vielzahl der von den organisierten Ultravereinigungen begangenen Straftaten - von Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz über Körperverletzung, Erpressung, Bedrohung, Diebstahl bis hin zu Sachbeschädigung und Steuerhinterziehung - vollkommen gleichgültig sind. 

Die anderen lässt er wissen, dass er nicht gewillt ist, Straftaten nach § 125 StGB, bei denen sich Menschen an Gewalttätigkeiten beteiligen oder eine Menschenmenge dazu anstiften, den öffentlichen Frieden stören, kategorisch als Landfriedensbruch zu verfolgen, so lange sich die Menschenmengen, die sich an den strafbaren Gewalttaten beteiligen, hinter den Mauern eines Stadions befinden.

Privatisierung des Rechts 

Eine Privatisierung des Rechts, die es den Veranstaltern von Fußballspielen auferlegt, mit den vom Strafrecht definierten "Menschenmengen" zurechtzukommen, die den "den öffentlichen Frieden" gefährden. Eigentlich sollte der Tatbestand des Landfriedensbruchs mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder wenigstens Geldstrafen geahndet werden, ganz egal, wo Verstöße gegen den einschlägigen § 125a StGB stattfinden oder"Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit"  auch nur angedroht werden. In der Realität hat sich ein extralegales System eingespielt, bei dem nicht die Täter von der regulären Justiz zur Verantwortung gezogen werden, sondern die veranstaltenden Vereine von einer internen Verbandsjustiz nach einem inzwischen fest etablierten Bußgeldkatalog Ablass für schwere Straftaten zahlen.

Dass es zu einer Strafverfolgung kommt, wie sie das Strafgesetzbuch vorsieht, ist seltener als keine Meisterschaft des FC Bayern München. Gelegentliche Verurteilungen erscheinen wie reiner Zufall. In den meisten Fällen werden Ermittlungen nach einigen Monaten ergebnisloser Bemühungen, aus dem Umfeld der mutmaßlichen Täter Erkenntnisse zu gewinnen, eingestellt. Oder aber Urteile fallen, deren erzieherischer Einfluss auf die Szene etwa dem eines Belobigungsschreibens gleichkommt.

Das Rätsel Rechtsstaat 

Mit dieser Haltung gibt der Rechtsstaat Rätsel auf, die unlösbar erscheinen. Selbstverständlich wissen die Behörden, welche großen und illegalen Sprengstoffbestände in den Hauptquartieren der Ultragruppen lagern. Selbstverständlich ist ihnen bekannt, dass der schwunghafte und lukrative Handel, den die Vereinigungen mit Fanartikeln betreiben, am Finanzamt vorbeiläuft. Selbstverständlich sind die Köpfe der Organisationen bekannt und die Archive voller Videoaufnahmen mit dokumentierten Straftaten. 

Aus irgendeinem Grund aber scheint es den Behörden auch ein Vierteljahrhundert nach der Ablösung der alten Hooligan-Bewegung durch die anfangs durchaus friedlicher auftretenden Ultra-Gruppierungen opportun, die Szene gewähren zu lassen. Selbst die Millionen an Kosten, die deutsche Steuerzahler für die immer aufwendigeren Polizeieinsätze zur Überwachung von Fußballspielen bis hinunter in die 4. Liga tragen müssen, erscheinen offenbar günstiger   als die Wiederherstellung von Recht und Ordnung in und um die Stadien durch konsequente Strafverfolgung.

 

 

 

Euer Glaubwürden: Wie Friedrich Merz die Winterwende einleitet

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Ein Mann, ein Wort: Friedrich Merz


Bis zum Sommer hat es nicht ganz geklappt mit dem Stimmungsumschwung, auf dem Friedrich Merz mit seiner Union zurück zu alter Beliebtheit fliegen wollte. Wieder Volkspartei! Wieder vertrauenswürdig. Wieder eine politische Kraft, die treibt und nicht mehr getrieben wird. Doch aus dem Feuerwerk der Versprechen, mit dem sich die selbsternannte letzte Patrone der demokratischen Mitte ins Kanzleramt gebrochen hatte, wurde eine Kette aus Fehlzündungen. Schneller als Friedrich Merz hat  noch nie ein Kanzler auch noch das letzte bisschen Vertrauen verloren, das er besaß.  

Rücknahme vor Vereidigung 

Zentrale Wahlzusagen nahm Merz bereits vor seiner Vereidigung zurück. Die Antworten auf 551 Fragen blieb er schuldig. Die Grundzüge seiner Politik waren mehr stabiles Weiterso als Zeitenwende. Selbst die Grünen, anfangs skeptisch, weil sie Merz verdächtigten, tatsächlich eine zweite geistig-moralische Wende einleiten zu wollen, waren des Lobes voll. 

Die kleinste große Koalition, die jemals in Deutschland regiert hat, setze die klugen Pläne der Ampel-Regierung um, freuten sie sich. Die Energiestrategie stamme von Robert Habeck, die Ideen zu Stahlgipfel, Festhalten am Heizungsgesetz und neuer Staatsförderung für Reiche, die sich E-Autos anschaffen wollen - alles Tricks und Kniffe aus der rot-grün-gelben Transformationsagenda.

Im Stimmungstal 

Im Stimmungstal bringt das bisher keinen Aufwind. Immer näher rückt die Brandmauer in die hart arbeitende Mitte des politischen Berlin, einer Festungsstadt, umgeben von Wirklichkeit, gegen die die unbeliebteste Regierung der bundesdeutschen Geschichte mit der Behauptung kämpft, sie habe doch aber schon so viel geschafft. Merz, auch nach dem Muster einer Vorlage aus seinen ersten Tagen im Amt inzwischen auch von regierungsnahen Medien als "Außenkanzler" verhöhnt, spürt selbst, wie sich die Schlinge zuzieht

Die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Die Insolvenzwelle schwillt weiter an. Die Arbeitslosenzahlen steigen, die Hoffnungen auf baldige Besserung sinkt. Es scheint immer mehr Bürgerinnen und Bürger beinahe schon grundsätzlich egal, mit welchen akuten Enthüllungen der einzigen vom Bundesamt für Verfassungsschutz jemals zumindest vorübergehend als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuften Partei nachgewiesen wird, wie fürchterlich das Leben unter ihr erst werden würde. Nach dem Strohfeuer an Begeisterung, das Sahra Wagenknechts BSW entzündet hatte, und einem kurzen dead cat bounce der Linken ist es sie allein, die vom ratlosen Herumregieren der früheren Volksparteien profitiert.

Der größte Kanzler 

Der zumindest in Zentimetern gemessen größte Kanzler, den die Bundesrepublik je hatte, geht proaktiv  mit der Misere um.  Wenn es nicht der Sommer war, der eine Stimmungswende brachte, dann muss es nun es eben der Winter sein. Schon vor dem Anpfiff der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen gab der CDU-Chef das "Lehren ziehen aus den Ergebnissen" als neue Parole aus. 

Was sonst jeweils nach der Wahl rituell betrieben wird - Dank an die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, Dank an die Wählerinnen und Wähler, das zerknirschte Bekenntnis dazu, die Botschaft der Wählenden verstanden zu haben und in Kürze tief in die Analyse der eigenen Fehler einsteigen zu wollen - erfolgte diesmal schon vor der Öffnung der Wahllokale. 

Vorbild Köln 

Merz, mit dem schlechtesten Ergebnis aller Kanzler im zweiten Anlauf ins Amt gewürgt, will andere Saiten aufziehen. In Bälde werde er, hat Merz angekündigt, mit der AfD "um die richtigen Themen" streiten. Womöglich nach dem erfolgreichen Vorbild Köln. Dort hatten sich die demokratischen Parteien der Mitte vor den Kommunalwahlen darauf verständigt, im Wahlkampf Ausländer "nicht für negative gesellschaftliche Entwicklungen" verantwortlich zu machen. Stattdessen wollte man sich auf den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus engagieren und die Instrumentalisierung des Themas Migration allein der vor Monaten bereits kurzzeitig als in Gänze "gesichert rechtsextrem" eingestuften AfD zu überlassen.

Das Ergebnis der Strategie kann sich sehen lassen. Der AfD gelang es, ihr Ergebnis in der Domstadt, einer traditionell grün und rot dominierten Metropole der Vielfalt, zu vervielfachen. Aus knapp über vier Prozent wurden zweistellige Zahlen. Die Grünen hingegen verloren die Hälfte ihrer Wähler. Ein Einbruch, den nur der Sieg ihrer OB-Kandidatin Berivan Aymaz in der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl nicht zum Debakel werden ließ.

Das Kraftzentrum 

Bei der CDU feiern sie den Ausgang der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen als Sieg. "Mit 34 Prozent sind wir erneut die stärkste politische Kraft – und das mit großem Abstand", jubelte die Landes-CDU. Dieses Ergebnis bestätige: "Nordrhein-Westfalen ist das Kraftzentrum der CDU." Es ist allerdings eine CDU, die selbst dort nicht mehr zulegen kann, wo der bisher für den allgemeinen Rechtsruck bei den Wählern verantwortlich gemachte Osten in sicherer Entfernung liegt. Der Zugewinn von elf Prozent, den die AfD feiert, speist sich aus erstaunlichen Quellen: Es sind SPD, Grüne und FDP, deren Anhänger mit fliegenden Fahnen zu den Blauen wechseln.  

Wo der Wohlstand schon ähnlich bröckelt wie drüben, sieht es für das Kraftzentrum CDU sogar schon richtig übel aus. In Gelsenkirchen landet die letzte Volkspartei mit 18 Prozent der Stimmen unter "ferner liefen". Stärkste Partei wird die AfD.  NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst verkauft das als Erfolg, indem er einen passenden Vergleichmaßstab heranzieht. Seine Landespartei liege acht Prozent über dem Bundesschnitt. "Insofern ist das ein tolles, ein großartiges Ergebnis." Das müsse trotzdem "zu denken geben", schon Wüst später nach: "Das kann uns auch nicht ruhig schlafen lassen. Selbst meine Partei nicht, die diese Wahl so klar gewonnen hat".

Von Grün zu Blau 

Noch bei der 2015 Kommunalwahl hatten CDU (38,6 Prozent) und SPD (31 Prozent) zusammen beinahe 70 Prozent aller Wählerstimmen auf sich vereint, heute sind es noch 57. Für einen Landesverband, den Konrad Adenauer für "das Kernstück der gesamten CDU" hielt, sind das beunruhigende Zeichen. Für die SPD, die Anfang der 90er vor der CDU lang und bis vor zehn Jahren nie weniger als 30 Prozent der Stimmen holte, ist es die Fortsetzung eines Niedergangs, von dem anfangs die Grünen profitierten. Und nun die Blauen.

Die seien "einer der Gewinner", ordnet die "Tagesschau" den Zugewinn von  zwei Dritteln ein. Die einzige andere Partei, die nicht verloren hat, ist Die Linke mit plus 1,6 Prozent. Der Bundeskanzler nennt es "Verschiebungen in der Parteienlandschaft", dies ich "hinter der CDU ergeben". Er werde sich das "in aller Ruhe anschauen und dann daraus Konsequenzen ziehen im Hinblick auf die Art, wie wir Wahlkämpfe führen; im Hinblick darauf, wie wir Themen behandeln; im Hinblick darauf, wie wir die Auseinandersetzung mit Wettbewerbern aufnehmen", kündigte Merz im Stil seines Vorgängers Olaf Scholz an. 

Das Gesicht der neuen SPD 

Dessen Methode, nichts zu überstürzen, sondern alles darauf zu setzen, dass eines Tages alles von selbst wieder ins oft kommt und die Wirtschaft anspringt, hat Merz schon nach einem halben Jahr zu seiner eigenen gemacht. Nach der ausgefallenen Stimmungswende im Sommer setzt der CDU-Chef jetzt auf eine Winterwende, die sein Berliner Koalitionspartner schon  eingeleitet sieht. Bloß kein heißer Herbst, sagt sich der Kanzler. Und er moderiert die Ohrfeige aus NRW vorbeugend ab.

Bärbel Bas, die personifizierte Verkörperung der neuen SPD, sieht den unaufhaltsam scheinenden Aufstieg der AfD nicht als Aufstieg, sondern als Beweis dafür, dass ihre Partei die Aufgabe habe, "jetzt wieder die Politik zu machen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewegt". Bas ist sicher: "Das ist die Aufgabe, die wir jetzt auch haben und da wird uns auch die AfD nicht den Rang ablaufen." 

Bärbel Bas gefällt das 

Ihre Partei habe bei der Kommunalwahl immerhin "kein Desaster", rückt sie die eigenen Erwartungen in die Mitte des Ereignishorizontes. Gäbe es in NRW nicht viel true und sture Stammwähler, hätte das schlechteste Ergebnis aller Zeiten durchaus noch viel schlechter ausfallen können. So geht es als recht gut durch und zeigt, was aus der einst stolzen Arbeiterpartei geworden ist: Ein Funktionärsbeschäftigungsbetrieb, der sich schon wunderbar gefällt, wenn er "gekämpft" hat. Wie der zufrieden Wüst, der nicht mehr "ruhig schlafen" kann, und Merz, der bald mit der AfD "um die richtigen Themen" streiten wird, weiß auch Bas weiter. Sie kündigte "auch Konsequenzen" aus dem Wahlergebnis für die Bundespolitik der schwarz-roten Regierung an. Das Wahlergebnis sei ein Weckruf. "Um die angekündigten Projekte anzugehen."

Es sind Nachrichten aus einer Parallelwelt, zu der die Wirklichkeit keinen Einlass bekommt. Zwei Drittel der Kommunen in NRW können im nächsten Jahr keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen, in Sachsen-Anhalt steht die langjährige Regierungspartei im kommenden Jahr vor der verzweifelten Anstrengung, es wenigstens wieder ins Parlament zu schaffen. Von den 21,5 Prozent bei den Landtagswahlen vor 20 Jahren sind der früheren Arbeiterpartei noch ganze acht geblieben. Das optimistische Szenario einer einfachen Trendfolgerechnung lässt die SPD bei 7,9 Prozent laden. In den Landtag würde das reichen, ohne kollektive Hilfe von Linkspartei und BSW aber nicht zu einer Regierungsmehrheit.

Nur ein gemeinsames Interesse 

Dass Friedrich Merz und Lars Klingbeil etwas einfallen wird, um den Trend zu drehen, steht kaum zu befürchten. Das einzige gemeinsame Interesse de beiden Regierungsparteien bestand von Anfang an darin, zu regieren. Wie genau und wohin, darüber besteht weiterhin keine Einigkeit. Auch Wähler, die seit nunmehr zehn Jahren versuchen, den beiden Hausparteien von "unsere Demokratie" mit immer deutlicheren Signalen Hinweise darauf zu geben, was sie dich bitte, bitte, bitte tun sollen, vermögen daran weiterhin nichts zu ändern.

Sonntag, 14. September 2025

Lebensmittelwende: EU gegen Essenreste

Lebensmittelverschwendung, Ursula von der Leyen, Groceries Act, EU-Verbraucherschutz, Bürokratieabbau, Klimaschutz, Ernährungsvorgaben
Künftig muss in der EU aufgegessen werden. Die Gemeinschaft hat ihren Bürgerinnen und Bürgern das Ziel gestellt, bis 2030 beträchtlich weniger Lebensmittel wegzuwerfen.

Vor Freude strahlend und voller Stolz auf das bereits Erreichte nahm Ursula von der Leyen den begehrten Preis entgegen, den die sächsische Verbraucherschutzorganisation "Friends of Subsidiarity" (FoS) einmal jährlich vergibt. Mit dem "Großen WindbEUtel" ehrt die Vereinigung engagierter Nicht-Regierungsmitarbeiter Institutionen und Behörden, die sich besonders um die Bürokratisierung und den Ausbau von Behördendschungel und Vorschriftenchaos verdient machen. Diesmal war die EU dran - seit Jahren schon immer beinahe in Titelnähe, stets aber doch noch kurz vor dem Erhalt des Zuschlages von anderen Regelkreisen mit noch höherer Eingriffsintensität übertroffen.

Gegen zu viel Bürokratie 

Diesmal aber musste es sein. Mit ihrem im Februar angekündigten radikalen Vorgehen gegeben Versprechen,  gegen "zu viel Bürokratie" (Die Zeit) vorzugehen, um die europäische Wirtschaft zu stärken, hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen neuen Kurs eingeschlagen. Green Deal und der Wiederaufbau des Kontinents müssen warten. Die Pandemie-Resilienzprogramme werden ebenso auf die lange Bank geschoben wie der mit dem Chips Act geplante eilige Aufbau einer eigenen  Halbleiterindustrie, den große US-Unternehmen hatten übernehmen sollen. 

Wichtiger sei es jetzt, heißt es in den langen, düsteren und energieeffizienten Fluren des  Berlaymont-Gebäudes in Brüssel, den Kontinent wieder in die Wachstumsspur zu bringen. Ein Hauch von  Isolationismus weht durch das alte Europa. Die Grenzen sollen künftig bewacht sein, Leistung soll sich wieder lohnen und Frankreich notfalls durch die EZB gerettet werden. Mit einer Nagelschere wollen Kommission, Parlament und EU-Rat zudem ins Dickicht der 6.500 Gesetze, Richtlinien und Verordnungen schneiden, die das Heer der 32.000 EU-Bürokraten allein in den zurückliegenden fünf Jahren geschaffen hat. 

Weg mit dem Vorschriftenballast 

Wie damals, als die Zwillingstürme in New York noch standen, will die EU fitter werden durch weniger Vorschriftenballast. Wie damals hat sie sich vorgenommen, sich mit Hilfe einer "Schocktherapie" (Handelsblatt) im Handumdrehen eines Viertels aller hemmenden und einengenden Regelungen zu entledigen. 

Die EU schwört ihre Mitgliedsstaaten deshalb jetzt auf eine harte Diät ein: Privathaushalte sollen weniger Lebensmittel einkaufen und die eingekauften nicht mehr bedenkenlos wegwerfen dürfen. Aufessenmüssen wird zur ersten Bürgerpflicht. Der Groceries Act schreibt den 440 Millionen Verbrauchern vor, die Menge der Lebensmittelabfälle bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. Statt wie bisher 60 Millionen Tonnen verdorbener oder nur halb aufgebrauchter Lebensmittel in den Abfall zu werfen, dürfen in fünf Jahren nur noch 40 Millionen im Müll landen. 

Das entspricht 132 Kilogramm je Kopf jedes EU-Bürgers - viel zu viel angesichts eines durchschnittlichen Lebensmittelverbrauchs von nur etwa 700 Kilogramm im Jahr. Die statistischen Daten sprechen eine deutliche Sprache: 1,9 Kilogramm Lebensmittel aller Art verbraucht jeder EU-Bürger täglich, ein halbes Kilo davon wirft er weg. Nach Ansicht aller EU-Institutionen ist das nicht nur Verschwendung, sondern auch eine unnötige Quelle für den Ausstoß von Treibhausgasen. 

Neue Vorgaben zur Ernährung 

Das Europäische Par­lament hat deshalb neue Vorgaben zur Ernährung erlassen: Die EU-Staaten werden beauftragt, Maßnahmen zu ergreifen, um Bürgerinnen und Bürger zur besseren Nutzung von Lebensmittelabfällen zu veranlassen.  Welche Schritte sie dazu ergreifen, ist ihnen überlassen. Sie können unangemeldete Haushaltskontrollen veranlassen oder aber Einfluss auf die Menge der ausgegebenen Lebensmittel durch die Rückkehr zu Lebensmittelmarke nehmen. Vorgeschrieben ist nur, dass die Menge der Lebensmittelabfälle, die ihn Haushalten entstehen, Ende 2030 in allen 27 Staaten um 30 Prozent niedriger liegt.

Die neue, lockere und unbürokratische Art, mit der Ursula von der Leyen Anti-Bürokratie-EU die Lebensmittelwende für die privaten Haushalte plant, zeigt, dass EU-Kommission und EU-Parlament verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Mit ihrem koordinierten Vorgehen gegen die drei Hauptverursacher von Lebensmittelresten geht die EU nicht wie früher ins Detail. Stattdessen nennt sie die nackten Fakten: Private Haushalte verursachen mit 72 Kilogramm je Kopf mehr als die Hälfte der Lebensmittelabfälle, schon vorher fallen bei Verarbeitung und der Produktion 35 Kilogramm an. Die restlichen 25 Kilo verschwenden Handel und Gastronomie durch zu hohe Bestellmengen, zu große Portionen und Verschnitt.

EU gegen Essensreste 

Auch für das Weltklima ist das eine Belastung."„Es ist ein Skandal, dass in Europa noch immer Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll landen", hat die sozialdemokratische Europaabgeordnete Delara Burkhardt das Problem angeprangert. Burkhardt hat Politikwissenschaften studiert und den in der SPD vorgeschriebenen Ausbildungsweg für Nomenklaturkader genommen, um jede Konfrontation mit der Realität zu vermeiden. Seit 2019 sitzt sie im EU-Parlament, dort setzt sich die von der Obama Foundation des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama als "Obama Leader Europe 2022" für Herzensthemen wie Kreislaufwirtschaft, Kampf gegen die Klimakrise und gegen Kernkraftwerke ein.

Mit der Verschwendungsverhinderungsrichtlinie, die dem Verbrauch von Lebensmittel zu nicht statthaften Zwecken einen Riegel vorschiebt, feiert Delara Nurkhardt den größten Erfolg ihrer noch jungen politischen Laufbahn. Und sie macht Bürgerinnen und Bürgern ein Geschenk: Wer weniger wegwerfe, müsse weniger kaufen. Das sei nicht nur gut für Klima und Umwelt, sondern schone in  Zeiten knapper Kassen und wachsender Armut auch den Geldbeutel. 

Durchsetzung durch Kontrolle 

Bei der Durchsetzung der Beschlüsse vertrauen die europäischen Institutionen ganz auf den Ideenreichtum der Regierungen der Mitgliedsländer. Wie die die Reduktion des gesamten Lebensmittelverbrauches um immerhin fünf Prozent organisieren und durchsetzen, bleibt ihnen überlassen. Wichtig ist, dass sie ihre heute schon verpflichtenden Pläne zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen an die neuen Zielvorgaben anpassen. 

Für Deutschland kein Problem, denn die Bundesregierung hat sich schon jetzt zum Ziel gesetzt, Lebensmittelab­fälle bis 2030 sogar zu halbieren. Herzstück der Strategie ist dabei die neu gegründete "Bundeskompetenzstelle gegen Lebensmittelverschwendung" (BKgL) als zentrale Anlaufbehörde für Verschwendungsfragen. Angedockt ans Bundeslandwirtschaftsministerium, das für die Agrarbranche zuständig ist, in der Jahr für Jahr rund 190 Kilogramm Lebensmittel pro Kopf der Bevölkerung ungenutzt verlorengehen, koordiniert die BKgL den Kampf an der Ernährungsfront. 

Bald kommen Lebensmittelstreifen 

Ideen zur Umsetzung gibt es bereits einige. Denkbar wären dann Lebensmittelstreifen, die Haushaltsabfälle auf unzulässig entsorgte Speisereste kontrollieren. Diese sogenannten Monitoring-Prozesse versprechen jedoch nur wirksam zu sein, wenn tatsächlich flächendeckend geprüft wird und Verstöße mit Bußgelder geahndet werden können. Ein anderer oder ergänzender Weg wäre das von jungen Tüftlern um den bekannten Dessauer Erfinder und Entrepreneur Jens Urban entwickelte Digitalisierungsprojekt "GrocerieCoin". Dessen Ziel ist es, Lebensmittelbestände vom Acker bis zum Abfallbehälter über die Hinterlegung in einer Blockchain über alle Produktions- und Verbrauchsstufen hindurch verfolgbar zu machen. 

Die Bundesregierung will zudem die App "Zu gut für die Tonne" für Privathaushalte weiterentwickeln - sie soll Menschen helfen, wirklich verdorbene und aus gesundheitlichen Gründen ungenießbare Lebensmittel zu identifizieren. Enthalten in der Applikation wird auch eine mobile Anwendung sein, die sogenannte Specki-Tonnen auf einer Karte lokalisiert und eine Funktion für die Routenplanung dorthin integriert hat. 

Zustimmung ist Formsache 

Nach dem Parlament muss dem neuen Lebensmittelkontroll-Gesetz noch der Ministerrat der EU-Staaten zustimmen. Da sich EU-Parlament und Mitgliedstaaten aber schon im Februar auf eine gemeinsame Fassung geeinigt hatten, ist das wie immer als reine Formsache. Die Regierungen in den Hauptstädten sind dann verpflichtet, die Regelungen in nationales Recht umsetzen. Tun sie das nicht fristgerecht, gilt der Groceries Act jedoch automatisch und unmittelbar.