Dienstag, 29. Dezember 2020

Brexit: EUrra, wir haben verloren

Schafft es das EU-Parlament noch, dem Vertrag zuzustimmen, ist das Thema Brexit endlich vom Tisch.

Sieger überall, vor allem in der Europäischen Union, die nach vier Jahren harter Kämpfe zur Verhinderung eines Austritts Großbritanniens aus der Friedensnobelpreisgemeinschaft doch noch kapitulieren musste. Ungeachtet der Jubelschreie in Kontinentaleuropa, wie stets im Chor angestimmt und  von keinem kritischen Misston gestört, haben die Briten bekommen, was sie von Anfang an wollten. Die EU aber, die von der Überzeugung regiert wird, dass es außerhalb ihrer Grenzen kein menschliches Leben geben kann, steht wie ein begossener Pudel da: Der in vorletzte Sekunde geschlossene Austrittsvertrag gibt den Briten die Souveränität über ihre Angelegenheiten zurück. Die nach eigener Einschätzung "stärkere" Partei bekommt ein paar Heringe und Sprotten dafür.

Große Entschlossenheit, kleine Erfolge

Dabei war die Entschlossenheit der Kontinentalgemeinschaft auch diesmal wieder so groß gewesen. Wie damals, als man Russland mit Sanktionen in die Knie hatte zwingen wollen, und wie damals, als Trump aus dem Amt ignoriert werden sollte, signalisierte EUropa vom Tag der Abstimmung in Großbritannien an, dass das Ergebnis nicht akzeptieren könne. Da müsse noch mal abgestimmt werden, denn viele hätten gar. Oder nicht gewusst. Oder es sich anders überlegt. Eine Sechsjährige wurde instrumentiert. Boris Johnson zum Gottseibeiuns erklärt. Und im "Spiegel" wurde mitgezählt, wie schnell sich das Königreich entvölkerte.

Großzügig wäre die EU bereit gewesen, alles zu vergessen, hätten die Briten nur Abbitte geleistet. Öffentlich eingestehen, dass man allein nicht wird überleben können. Zusagen, dass die Zahlungen nach Brüssel weiter fließen werden. Und schon hätte alles weitergehen können wie bisher, mit dem großen Vorteil, dass alle gelegentlich Austrittswilligen gesehen hätten, in welches Elend es das eigene Volk führt, verlässt man Familie und Freunde.

Probleme eines Großreiches

Dann aber doch die "historische Einigung auf einen Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien" (Tagesschau) mit einem Ergebnis, das selbst noch in demokratischen Abwicklung zeigt, was das Problem des Brüsseler Großreiches ist: Die Briten werden den Vertrag am 30. Dezember noch kurz vor Inkrafttreten im Parlament beschließen. Die EU schafft das nicht, denn ihre gewaltige Volksvertretung kann so schnell, nicht und sowieso. So kommt es zu einer vorläufiger Anwendung des Abkommens ohne demokratische Legitimation.

Das macht aber auch nichts mehr, denn nicht nur beim ausgerufenen gemeinsamen Kampf gegen Corona zeigt die EU zunehmende Auflösungserscheinungen. Auch beim Brexit sind die früheren Drohungen nach und nach verstummt. Aus "Kein Nachgeben, keine Verlängerung von Fristen, harter Hand und Kompromisslosigkeit" (Elmar Brok) wurde das Schachern um ein paar Tonnen Fisch. Das "Niemals" in der Nordirlandfrage verstummte, nachdem das britische Parlament auf eigene Faust eine Regelung getroffen hatte.

Verlorener Traum der Bürokraten

Selbst der Traum der Bürokraten, der Brexit möge sich, wenn er sich schon nicht verhindern lasse, wenigstens in ein abschreckendes Beispiel verwandeln, droht zu platzen,  so dass nur ein einziger Schaden zurückbleibt: Der EU fehlt künftig der zweitgrößte Nettozahler, denn die Briten waren eine der wenigen Natioen, die stets mehr Geld an die Gemeinschaft überwiesen, als von dort zurückfloss. Dass künftig auch auch ein Empfängerland nicht mehr die Hand aufhält, ist nach EU-Maßstäben belanglos. Die Nach-Brexit-EU mit 440 Millionen Einwohnern wird sechs Prozent teurer als die EU der 500 Millionen zuvor sein. Glücklicherweise hat sich für die Mehrkosten ein großzügiger Spender gefunden: Deutschland nimmt die Summe auf seinen Deckel. 

Das Lachen aus London ist bis über den Kanal zu hören. Von wegen, ein Austritt ist unmöglich. Von wegen, der Kleinere gibt nach. Von wegen, wer austritt muss unweigerlich sterben. 

Die Erfolg der EU nach dem jahrelangen beinharten Pokern sind mikroskopisch., die Verluste hingegen tiefgreifend. Man gibt den Briten gegen die eu-übliche Bürokratie freien Marktzugang, gleichzeitig aber auch den Status zurück, als unabhängige Handelsnation auftreten können. Man erlegt den Ex-Partnern Zollkontrollen auf, um symbolisch zu zeigen, was es kostet, die Familie zu verlassen, öffnet aber ein Türchen für die Möglichkeit, diese nur "stichprobenartig" durchzuführen. Man droht zudem bei Verletzungen "Deals" mit Schlichtungsverfahren, stimmt aber zu, dass dafür nicht der EuGH zuständig sein soll. Und man zurrt fest, dass derjenige Partner, der Subventionen an seine Industrie zahlt, die die andere Seite unzulässig benachteiligen, Strafzölle zu gewärtigen hat.

Die Tinte unter dem Brexit-Vertrag war noch nicht trocken, da ließen Deutschland und Frankreich  an, unter den neuen Regelungen leidende Fischfang-Industrie mit neuen Hilfspaketen und Ausgleichszahlungen für die "schmerzhaften Einschnitte" durch den Brexid entschädgen zu wollen. 


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