Mittwoch, 27. Oktober 2021

Blackout: Energiekrise im ersten Bundesland

Hereingefallen auf den schönen Schein: Als die Preise stiegen, konnte Sachsen-Anhalts Lieferant nicht mehr liefern.

Als die erste große Energiekrise eines Bundeslandes losbrach, tat sie das verdruckst und unauffällig. In Behörden, in Universitäten und in Schulen in ganz Sachsen-Anhalt ordneten Vorgesetzte plötzlich an, die Heizung in Büros, Klassenräumen und Beratungszimmern nachts gefälligst herunterzudrehen. Auch solle tagsüber unbedingt darauf geachtet werden, dass Zimmertemperaturen nicht wie in vielen Behörden üblich durch das Öffnen der Fenster reguliert werden, sondern durch das Drehen am Thermostat. Woher der neue Wind wehte, ahnte da noch niemand, es schien, als gehe es um eine ganz normale Sparmaßnahme wegen der auch für die Landesverwaltung gestiegenen Energiepreise.

Blackout für ein ganzes Land

Dahinter aber steckte ein handfester Blackout, der erste bundesweit. Ganz Sachsen-Anhalt war der Saft  abgedreht worden: Envitra Energie, nach eigenen Angaben "ein zuverlässiger Energieversorger für Strom und Erdgas" hatte nach dem explosionsartigen Anstieg der Beschaffungspreise die Konsequenzen ziehen und die Gasbelieferung für die Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt einstellen müssen. Der Billiganbieter aus Wien hatte Ministerien, Behörden und Universitäten eigentlich bis zum Ende des kommenden Jahres mit 88 Millionen Kilowattstunden Gas beliefern sollen. All diese Abnehmer standen nun plötzlich und kurz vor dem Winter ohne Lieferanten da, weil das "kleine, in privater Hand geführte Energieversorgungsunternehmen" (Envitra) aus Wiesbaden mit seinen "schlanken internen Strukturen" sich selbst für lieferunfähig erklärt hatte.

Immerhin gelang es der Landesregierung, den peinlichen Blackout weitgehend vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Weil der Lieferant nicht mehr habe liefern können, habe man den Vertrag mit Envitra gekündigt, betonte die Landesverwaltung die eigene aktive Rolle im Umgang mit den wechselnden Marktgegebenheiten, als handele es sich um einen ganz normalen Vorgang. Passiert jeden Tag, dass Preisentwicklungen einen reinen Wiederverkäufer Envitra dermaßen durchschütteln, dass es ihm unmöglich gemacht wird, weiterhin "aus intelligenten Kostenstrukturen und ausgereiften Prozessen resultierende Kostenvorteile" an Kunden weiterzugeben. Kein Grund für öffentliche Aufmerksamkeit. Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen außer einer Firma, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten konnte. Aber durch die Kündigung die Großkunden Sachsen-Anhalt wenigstens vor der Pleite gerettet wurde.

Sieben Millionen teurer

Stattdessen wird es nun teuer werden, so teuer, dass alle Kostenvorteile, die die Landesverwaltung mit dem Envitra-Vertrag einzuspielen gehofft hatte sich binnen kurzer Zeit in ein dickes Minus verwandeln wird. Angaben aus Magdeburg zufolge hatte Envitra Großkuden zu Preisen von 1,5 Cent pro Kilowattstunde Gas versorgt - für die gesamte Liefermenge wären damit etwa 1,3 Millionen Euro fällig gewesen.  Weil jetzt Grundversorger kurzfristig einspringen müssen, steigt der Preis für eine Kilowattstunde Gas aber auf neun Cent. Mit dem Ergebnis, dass Sachsen-Anhalt eine Gasrechnung von um die acht Millionen Euro zu begleichen haben wird.

Das Wagnis, sich an einen Lieferanten zu binden, der schon in den guten Versorgungszeiten bei nur drei Millionen Euro Umsatz einen Verlust von etwa einer Million Euro auswies, kommt Sachsen-Anhalt damit sogar teurer zu stehen als eine Versorgung zum normalen Haushaltstarif, den die Bürgerinnen und Bürger im Land zahlen. Envitra, zuletzt Ende 2018 in ein Insolvenzverfahren verwickelt, als die zu 50 Prozent an der Envitra Wien beteiligte Deutsche Energiegesellschaft DEG  pleite ging, wird indes weiter um Kunden: "Wir haben den richtigen Tarif für Ihr Unternehmen", heißt es auf der Homepage, "profitieren Sie von fairen und günstigen Tarifen".

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was ist denn bei DPA los? Eine ganze Meldung über teures Erdgas, in der nicht einmal das Wort Putin vorkommt? Und auch die Kopisten bei der SZ hat niemand instruiert?

ppq hat gesagt…

es fehlt an konzentration. mit mühe hat man es geschafft, wirklich nur die offizielle pressemitteilung abzuschreiben, das ist schon eine sache, auf die es sich stolz zu sien lohnt

Carl Gustaf hat gesagt…

"Wer billig kauft, kauft doppelt" hat mein Opa immer gesagt.

Anonym hat gesagt…

Vielfaltspinsel 27. Oktober 2021 at 11:52

@ kritischer Leser 27. Oktober 2021 at 11:41

„Widerliche Type. Wie konnte so einer beruflich bei der WELT landen? Irgendetwas scheint mir da nicht zu stimmen. Evtl. ein unstimmiges bzw. gefälschtes Zitat? Leider hat es so etwas seitens rechtskonservativ orientierten Publikationen auch schon gegeben (z.B. bezüglich Trittin)“

Warum bitte sollte der nicht bei der Welt landen?. Ist doch DER Platz für Qualitätsliteraten, wobei mein größter Favorit für immer und ewig Hannes Stein bleiben wird. Meine Güte, was habe ich geweint bei Lektüre dieses Artikels:
https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article159446816/Tag-der-Traenen-Tag-der-Angst.html
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(Pipi "Wieviel Faschismus steckt in ...)

Diese Absonderungen des Hannes Stein hatte ich bereits völlig verdrängt.
Wer das ebenfalls getan hat, oder sogar überhaupt noch nicht kennen sollte, der sollte es sich noch einmal bzw. überhaupt erst einmal zu Gemüte tun.