Samstag, 23. Oktober 2021

Döpfners DDR-Vergleich: Verbotene Verführung

Hass auf die Freiheit, Hass auf die Demokratie, das ist es, was DDR-Vergleicher motiviert.
 

Es ist ein kapitaler Hecht Hirsch, der da plötzlich aus dem Unterholz geschaut hat. Mathias Döpfner, Milliardär, Medienmächtiger und Teilhaber am Springer-Verlag stand plötzlich auf freiem Feld wie ein  minderjähriger Twitterer, nachweislich schuldig, für deutsche Journalisten die Begriffe "Propaganda-Asisstenten" und für das neue Deutschland die Bezeichnung "DDR 2.0" verwendet zu haben. Nun erst fiel auf, was Döpfner für einer ist: Nach einer "Analyse seiner Texte und Reden" konnte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zwar keine Strafbarkeit feststellen. Wohl aber einen "Verleger mit Fimmel" ausmachen, von dem leider erst mit seinem "öffentlich gewordenen DDR-Vergleich" (Spiegel) aufgefallen sei dass er "ein politischer Wirrkopf" sei.

Feinde unserer Ordnung

Gut, dass es noch Menschen gibt, die angesichts dessen die Verantwortung spürten, private  Unterhaltungen mit dem Medienzaren unabhängig von womöglich aufkommenden Skrupeln moralischer Art auf den Tisch zu legen, um den Ziehsohn von Verlegerwitwe Friede Springer zu demaskieren. Was im ersten Moment aussieht wie Verrat, motiviert vielleicht von persönlicher Enttäuschung, Hass oder Neid, ist gesellschaftlich notwendig, um die Öffentlichkeit vor falschen Vergleichen zu bewahren. Dass es der "Spiegel" ist, der der Verrat für die gute Sache mit Lob vergilt, wiegt nur umso schwerer, als dass es das Hamburger Magazin war, das den DDR-Vergleich vor knapp vier Jahrzehnten erfand.

Doch was seinerzeit durchaus seine Funktion hatte, in einer Republik, die von Heerscharen westdeutscher Anzugträger regiert wurde, männerbündisch überwacht von den Heerscharen der Armee der Vierten Gewalt, kann in der bunter und vielfältiger gewordenen Republik keinen Platz mehr haben. Gutachten belegen das, ebenso abschließende Urteile Betroffener. Döpfner ist plötzlich in ganz übler Gesellschaft, ein Westdeutscher, der meint, im Osten zu leben, ohne auch nur zu ahnen, was das wirklich bedeutete.

Sehnsucht nach dem Staat

Natürlich gibt es sie heute wieder, die Sehnsucht nach dem vormundschaftlichen Staat. Niemand, der noch bei Troste ist, will selbst entscheiden, ob er eine Maske trägt, sich Impfen lässt, vom Restgeld nach Abzug aller Lebenshaltungskosten Aktien kauft oder auf der Autobahn schneller als 130 fahren möchte. Wozu hat man einen Staatsapparat, der sich trotz Arbeitskräftemangels in Handwerk, Industrie, Pflege und Transport allein in den vergangenen fünf Jahren noch einmal fünf Prozent mehr Stellen geschaffen und sie erfolgreich besetzt hat?  Die Sehnsucht nach der Betreuung, deren Erfüllung ein Teil des Erfolgsgeheimnisses der DDR-Diktatur war, sie  nährt auch die Bundesrepublik, die allerdings eben nicht rechtsidentisch ist mit dem Honecker-Regime, sondern mit dem Deutschen Reich Bismarcks und Hitlers (Deutscher Bundestag).

Ein gewichtiger Unterschied, den DDR-Vergleicher wie Döpfner, Höcke, Schommer und Schwarz gern unberücksichtigt lassen. Dabei geht es beim sogenannten Diktaturenvergleich immer genau darum: Nicht das Ergebnis zählt, das womöglich bedeutsame Unterschiede zeigen könnte. Sondern der Versuch an sich schadet schon, weil es nahelegt, dass es irgendetwas zu vergleichen geben könnte.

Offener Angriff auf die offene Gesellschaft

Der DDR-Vergleich, ganz egal, wie er ausgeht, ist deshalb immer ein offener Angriff auf die offene Gesellschaft.  "Der Vergleich der Arbeit der schwarz-roten Koalition mit der DDR ist inakzeptabel, und der Vergleich der Neujahrsansprache Merkels mit DDR-Verlautbarungen ungehörig", legte der ehemalige Luftwaffenhelfer und Wehrmachtsfreiwillige Hans-Dietrich Genscher schon vor Jahren fest - ein Ukas, der bis heute gilt, auch wenn es um private Äußerungen im kleinen Kreis geht und erst recht, wenn die Chimäre geritten wird, dass deutsche Medien "mutig gegen einen neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ reiten müssten, sich stattdessen aber mit einer Rolle als "Propaganda-Assistenten"zufriedengäben.

Falsche Ansichten", hieß das in der DDR, und schon hier zeigen sich bedeutsamste Unterschiede. Was damals durchaus auch zu beruflichen Konsequenzen führen konnte, gilt heute als "unangemessene und verfehlte Herabsetzung", die umgehend alle Verteidiger der "Integrität und Unabhängigkeit der Redaktionen der Zeitungsverlage" auf den Plan ruft, die den umgehenden Rücktritt des Vergleichsverbrechers fordern und auf den Umstand verweisen, dass nachweislich in keinem deutschen Medienhaus sogenannte Propaganda-Assistenten arbeiten.

Immer kritisch hinterfragen

Vielmehr entstehen einhellig hymnische Elogen wie die auf die kommende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nach gründlicher Recherche bei Wikipedia und in der Biografie auf der Homepage der Politikerin überall gleichlautend, aber unabhängig voneinander mit reiner Informationsabsicht. Dass die neue eine "Frau" (Zeit) ist, eine "Person von Format" (FAZ), die "von der Hauptschule zur Staatsspitze" marschierte, weil ihren Konkurrenten "das richtige Geschlecht" fehlte und die im Hinterzimmer ausgeknobelte Lösung "auch Steinmeier hilft" (SZ), zeigt, wie ernst deutsche Medien ihre Aufgabe nehmen, kritisch zu hinterfragen, was im Politbüro beschlossen wird. Dass zwei seit 1983 und 1999 aus der Truppe ausgeschiedene Männer mit der Idee, einen Friedenstruppe für den Jemen zu begründen, einen neuen Bundeswehrskandal auszulösen vermochten, ist wahrscheinlich nur so zu begründen.

Döpfners Vorwurf, das sei ja wie früher, geht so komplett ins Leere. Erich Honecker war zwei Jahre länger Staatschef als Angela Merkel, die DDR war nie Nato-Mitglied, sie hatte weder Zwei-Prozent- noch 1,5-Prozent-Ziel, sie knebelte Reiche und Großverdiener mit einer 95-prozentigen Einkommenssteuer, gab Geld, das sie nicht hatte, für Prestigeobjekte aus, und erzog ihre Insassen mit Überdosen an Rotlicht zu braunen Unmenschen

Längst haben Faktenfinder nachgewiesen, dass das akut immer wieder von Menschen beschriebene Gefühl, sich zu fühlen wie früher, eher ein Charakter- und Überzeugungsproblem offenbart als eine Rückkehr in wirkliche DDR-Verhältnisse. Mag es auch zeitweise Versorgungsprobleme gegeben haben, mag manche Corona-Maßnahme älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern seltsam vertraut vorgekommen sein. Das Gleiche ist nicht das Selbe, selbst wenn es an der Preistafel der Tankstellen so aussieht.

Wie sehr grundfalsch und "krude" (Spiegel) der Versuch ist, das moderne Deutschland, den demokratischen Kernstaat der EU, der zugleich das "reichste Land der Welt" (ZDF) ist wie die DDR die zehntmächtigste Wirtschaftsnation war, über hinkende Vergleiche zu diskreditieren, beweist ein ganz, ganz simpler Fakt: Dort, wo es keine veröffentlichte und damit auch keine öffentliche Meinung gibt, existiert stets eine reiche, vielfältige Untergrundkultur aus scharfen, ja, auch staatsfeindlichen Witzen.

Solche Witze existieren heute nicht. Zum Glück, denn dazu ist die Lage viel zu ernst.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Gleichschaltung ist perfekt, die Methoden im Unterschied zur DDR aber außerstaatlich, organisiert als eine Gesinnungssekte. Die alle bestätigen Döpfner von A-Z, aber keiner darf es laut sagen.

Tranko hat gesagt…

Genauso haben staatstreue Schreiberlinge die DDR als“Friedensmacht“ verteidigt, Döofner „Hass“ auf die Demokratie zu unterstellen, ist widerwärtige Demagogie. Kein Mensch behauptet, wir lebten in einer sozialistischen Diktatur; viele spüren, teilweise mit dem Verlust ihrer beruflichen Existenz bezahlend, eine neue, totalitäre und ideologisierte Atmosphäre aufziehen, die ängstigen kann und zu so einem Vergleich animiert. Dieser Artikel hier ist ein mieses Stück Propaganda-Journalismus!

Anonym hat gesagt…

@ Tranko: Das ist eitel Satire, Du Napfkuchen.

Jodel hat gesagt…

@Anonym
Auch der Kommentar von Tranko hat für mich einen eher satirischen Unterton.
Wir sollten hier auf diesem zivilisierten Mitmachboard doch auch auf diese schlimmen Gebäckvergleiche lieber verzichten.

ppq hat gesagt…

"Dieser Artikel hier ist ein mieses Stück Propaganda-Journalismus!" - danke, das geht runter wie öl.