Sonntag, 8. Mai 2022

Tag der Befreiung beim HFC: Rettung im Rückwärtsgang

Elias Huth Elfmeter HFC Würzburg 1:0
Elias Huth tut, was kein gefoulter Spieler tun soll. Und macht alles richtig.

Es ist kein Feuerwerk, das unter der brennenden Mittagshitze von Würzburg angezündet wird. Im womöglich entscheidenden Spiel einer Saison, in der es früh schon auf nichts anderes mehr ankam, als sie irgendwie zu überstehen, wirkt die Mannschaft des Halleschen FC als spiele sie immer noch gegen Viktoria Köln, aufgeregt, aber keineswegs überangestrengt. Emsig, aber langsam. Mehr quer als schwer überzeugt. Die Gastgeber sind schon lange abgestiegen, aber die bessere Elf an diesem Tag in Unterfranken, bei die in Weiß aufgelaufenen Gäste wieder nur einen Sieg brauchen, um ein weiteres Jahr Ligazugehörigkeit zu buchen. Wieder nur. Ist es das dritte Mal oder schon das vierte?  

Nichts zu sehen

So wie die Elf von Trainer Andrè Meyer über den Rasen des Stadions der 1907 gegründeten Kickers läuft, einem Bau mit dem Stahlblechcharme des 70er Jahre-Westens, nur anschließend immer wieder um- und ausgebaut, kann das nichts werden. Nichts ist zu sehen vom mutigen Forechecking, nichts vom Flügelspiel, nichts davon, dem Gegner die eigene Taktik aufzuzwingen. Ohne den verletzten Jan Löhmannsrüben und den gesperrten Niklas Kreuzer fehlen zwei der wenigen halbwegs verlässlichen Aktivposten. Im letzten Aufgebot stehen dafür Elias Löder und Niklas Langgraf, einer, für den die 3. Liga immer noch nicht Alltag ist. Und einer, der ihn lieber hinten links erlebt als zentral im Mittelfeld.

Einer mit Emotionen: Trainer Andrè Meyer.

N
ach einem Warnschuss von Eberwein in der ersten Minute kommt nicht mehr viel. Ballbesitz Halle, die Kickers kontern. Schon in der 10.Minute beinahe erfolgreich: Mesenhöler im HFC-Tor muss alles geben, um den aus kurzer Distanz abgegebenen Schuss des frei vorm Tor bedienten Kopacz zu entschärfen. Eigentlich müsste es nun 1:0 stehen, aber die Null steht, sogar noch fünf Minuten später, als Sane auch sieben Metern nicht das Tor, sondern Mesenhöler trifft.

Verkehrte Welt

Verkehrte Welt in der nur mäßig besetzten Flyeralarm-Arena, in der ohne die mitgereisten HFC-Fans gar nichts los wäre. Ausgerechnet die aber sehen nicht, was sie sehen wollen. Der HFC sucht nicht die Entscheidung, er versteckt sich geradezu vor ihr. Selten sind die Durchbruchsversuche von Julian Guttau auf dem rechten Flügel, der linke mit Elias Löder hängt gar wie gebrochen in der Luft. Die offenbar ausgegebene Devise, nicht nach Nutzen zu suchen, sondern vor allem Schaden zu vermeiden, weil ein Punkt auch schon der Klassenerhalt sein könnte, klebt wie Betonteile auf den Fußballschuhen.

Dass dieses letzte Auswärtsspiel der auswärts notorisch schwachen Hallenser werden würde, ließ sich erahnen. Aber muss er dann gleich so schwach ausfallen, dass ein verunglückter Abwehrkopfball eines Würzburgers aufs eigene Tor bis zur 40.Minute die größte Annäherung des HFC an einen eigenen Torerfolg darstellt? Hier geht gar nichts, hier hängt das elfte Ligajahr am seidenen Faden der Vertrauens darauf, dass auch Würzburg, das in den 34 Spielen bis hierher nur 33 Mal getroffen hat, heute kaum beginnen wird, die Netze reihenweise zu zerschießen.

Auf Hilfe angewiesen

Der HFC braucht dringend Hilfe, um sich zu retten. Und er bekommt sie. Als Elias Huth in der 33. Minute doch einmal in der Spitze angespielt wurde, nimmt er einen eher sanften Rempler im Kampf um den Ball dankbar an, um zu Boden zu gehen. Schiedsrichterin Riem Hussein zeigt sofort auf den Punkt. Und Huth tut, was kein Gefoulter tun sollte, was aber im Moment beim HFC nur Huth tut: Er tritt selbst an und zielt gut. 1:0 für die Gäste.

Warum nicht noch mal quer?
Der Klassenerhalt ist nun greifbar nahe. Zu greifbar. Die zweite Halbzeit vergeht, als würden die Weißen auf dem Platz durch Kleber laufen. Kein zielgerichtetes Spiel nach vorn,  immer wieder hintenrum, Abspielfehler und dann plötzlich die Kickers, die die Gelegenheit wittern, selbst noch einmal Spaß in der Dritten Liga zu haben, indem sie dem HFC den Spaß verderben. Ein neutraler Zuschauer müsste aufgrund der Spielanlage, der Ballstafetten und des Engagements inzwischen zweifellos zum Schluss kommen, dass die Mannschaft in Weiß der feststehende Absteiger ist. Und die Rotweißen alles geben, um nicht nach unten durchgereicht zu werden.

Vom Pfosten gerettet

Das Bemühen wird sogar belohnt. Nachdem zuvor schon einmal ein Schuss von Marvin Pourie vom Pfosten gerettet werden musste, hat ehemalige Karlsruher in der 74. Minute mit einem Pass auf Peter Kurzweg mehr Glück. Der eingewechselte Abwehrspieler zieht aus Mittelstürmerposition ab und erzielt das 1:1.

Das übliche Remis also, besser als nichts. Aber noch nicht das Ende. Bei einem Zweikampf mit dem auf HFC-Seite eingewechselten Julian Derstroff verletzt sich der Würzburger Abwehrchef Tobias Kraulich, von Hussein befragt, signalisiert er allerdings, weiterspielen zu können. Kraulich verlässt den Platz nicht, der HFC spielt den Ball nach dem Einwurf nicht zu den Würzburgern zurück, sondern direkt vors Tor. Kopfball Elias Huth. 1:2.

Alle Emotionen in einem Moment

Alles, was dieser Nachmittag an Emotionen zu bieten hat, explodiert in den folgenden zwei Minuten. Auf der Ersatzbank der Kickers. Der Trainer Ralf Santelli ist außer sich über die vermeintliche Unsportlichkeit der Gäste, seine Spieler empören sich im Handgemenge. Der ohnehin schaumgebremste Jubel des HFC-Kicker erstickt förmlich in gegnerischen Schuldzuweisungen.

Beim HFC trifft nur Huth gut.
Nun geht es nur noch um Zeit. Zeit von der Uhr, Zeit gewinnen, Zeit kaputtspielen. Immer langsamer geht die Uhr, immer querer rollt der Ball. Statistiker werden später feststellen, dass noch niemals zuvor eine HFC-Mannschaft so viel Bälle im Abwehrkampf einfach ins Aus geschlagen hat. So viele vielversprechende Angriffsversuche abgebrochen, um auf den Ball zu treten, damit er über mehrere Station zu Torwart Mesenhöler zurückkursieren kann. Louis Samson, der Mittelfeldmann, den der HFC für viele Jahre aus der zweiten Liga geholt, nun aber wohl trotz noch laufendem Vertrag schon aussortiert hat, bekommt als Einwechsler noch eine besonders denkwürdige Szene: Von Rechtsaußen überläuft er seinen Gegenspieler, innen sind zwei seiner Mannschaftskameraden mitgelaufen, Samson könnte flanken, Samson müsste flanken.

Samson dreht zur Eckfahne ab und versucht, die nächsten zehn Sekunden aus dem Countdown zu radieren.

Dann ist aber endlich doch Schluss. Ende, vorbei, aus, Klassenerhalt. Auch eine Art Tag der Befreiung. Schwerer war es nie, schlimmer war es nimmer. Noch einmal geht das so nicht gut. Die Kurve hinter dem Tor singt trotzdem, am Ziel aller Wünsche abgekommen, die schon lange nicht mehr so winzig waren in Halle.



3 Kommentare:

Jodel hat gesagt…

Meinen Glückwunsch zum Klassenerhalt. Auch wenn er nicht schön erspielt wurde, ist alles besser als ein Abstieg. Ich wundere mich immer, wie sie die oftmaligen unterirdischen Leistungen ihrer Mannschaft Saison für Saison stoisch ertragen. Statt Wutausbrüchen immer nur das traurige Schulterzucken des Chronisten. Eine solche Geduld und Leidensfähigkeit ist schon bewundernswert. So treue Fans kann sich jeder Verein nur wünschen. Ich würde ihnen wünschen, dass die nächste Saison besser verläuft. Durch ihre Artikel leidet man ja doch ein wenig mit dem HFC und seinen Fans mit und hofft stehts, dass sie wenigstens ansehnliche Spiele kommentieren dürften, wenn es schon nicht aufwärts gehen mag.

Carl Gustaf hat gesagt…

Man soll die Saison an ihren Erfolgen messen: der HFC ist unbesiegt durch den souveränen Aufsteiger geblieben. Und damit der Ungeschlagenen-Nimbus in dieser Saison auch wirklich eintritt, haben wir auf ein erneutes Aufeinandertreffen mit dem souveränen Aufsteiger im Landespokalfinale verzichtet. Soll doch der FSA sehen, was er davon hat.

Und nächste Saison wird sowieso wieder alles besser.

ppq hat gesagt…

@jodel: vielen dank für das beileid. leider sucht man sich ja so ein trauriges schicksal nicht aus... dann würde man bayernfan werden. oder auch nicht, ist ja auch trist irgendwie