Montag, 28. November 2022

Stromproblem: Wie die Ampel eine Preisexplosion herbeibremste

Der Bienenfreund legt gern noch etwas drauf: Beim bienenstrom.de kostet Elektroenergie aus biologischem Anbau das Zehnfache des Preises in den USA und das Doppelte des Bundesbremspreises.

Es war fast schon wie ein Wunder, das auf ein Wunder folgte. Monatelang hatte die Bundesregierung mit allerletzten Geldeinsatz daraufhin gearbeitet, dass die Preise für Erdgas im Großhandel in den Himmel schossen, um zu verhindern, dass es wirklich zu der „Gasmangellage“ kommen würde, die der Wirtschaftsminister vorsichtshalber schon mal ausgerufen hatte. Als Käufer mit den tiefsten Taschen der Geschichte ging die bundeseigene Einkaufsgesellschaft auf dem Weltmarkt von Stand zu Stand und versicherte überall, dass sie jeden, aber auch jeden Preis zahlen werde. Eine frohe Botschaft für alle, die etwas zu verkaufen hatten und warten konnte: Der Preis verdoppelte sich erst, dann verdreifachte er sich und dann lag er beim Fünffachen des Vorkriegsniveaus.

Versprochen ist versprochen

Aber versprochen ist versprochen. Deutschland kaufte, was es gab. Auf den Pfennig kam es so wenig an wie auf Millionen oder Milliarden. Wenigstens hatte das Land kein Stromproblem, denn Strom gibt es genug, weil alles „mehrfach redundant“ ausgelegt ist, wie die Bundesnetzzentrale mehrfach redundant versicherte. Als dann bekannt wurde, dass Strom aus Gas gemacht werden muss, weil die Kernkraft abgeschaltet und die Braunkohlekraftwerke noch nicht wieder hochgefahren sind, herrschte kurz Panik. Aber der Winter war noch weit, die Menschen draußen im Lande erfreuten sich des Lebens und rechneten auf die Cleverness ihrer Stadtwerke: Die haben doch so langfristige Verträge. Die laufen doch nicht alle gleich zehn Monate nach Kriegsbeginn aus.

Nein. Oder besser: Sie taten es erst,als die Bundesregierung sich anschickte, die von ihr selbst panischherbeigekauften Rekordpreise mit der nächsten Rettungsaktion wieder einzufangen. Die große Strompreisbremse traf nun auf Habecks "Keinstromproblem". Die staatlich verordneten 40 Cent Höchstpreis pro Kilowattstunde auf Stromtarife, die nach den Kursen an der Strombörse um ein Drittel hätten höher liegen müssen. Nun endlich schlug die Stunde der Erhöher: Als die Temperaturen heruntergingen, gingen parallel überall die Briefe der Versorger ein, in denen höhere Preise angekündigt wurden. Zum Glück beunruhigte das nun nur noch eingeschworene Feinde von Recht und Ordnung und Ampel. Würde es auch erst einmal teurer werden, so wäre es doch dann auch schon gleich weder billig, gefühlt. Nicht gegen früher. Aber gegen vorher.

Was für ein glücklicher Zufall

Ein riesiger Zufall, wenn nicht eben sogar das besagte Wunder. Genau in dem Moment eine sogenannte "Tarifanpassung" mitgeteilt zu bekommen, in dem die Bundesregierung ihre so lange versprochene Deckung der Preise verkündet hat, das fühlt sich fast an wie von Zauberhand orchestriert. Denn nun laufen die Versorger mit ihren Fantasiepreisen ins Leere: Ob Rheinenergie aus Köln den Strompreis um 77 Prozent, erhöht oder die Stadtwerke in Leipzig und München um 110 Prozent, ob im flachen Land in Osten 50, 56 oder 60 Cent verlangt werden oder irgendwo in Bayern knapp 62 oder ob der Ökostromanbieter Bienenstrom mit Blick auf unerlässliche "Blühhilfen" bei knapp 80 Cent ankommt - der Strombürger denkt an die 40 Cent, die Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner ihm versprochen haben. Und atmet erleichtert durch.

Viel größer aber noch dürfte der Seufzer in den Chefetagen der Stadtwerke und Elektro-Großkonzerne sein. Sie, die seit Monaten auf Zeit spielen mussten, um die Stimmung im Land nicht wegkippen zu lassen, können nun endlich auch in die Geldtöpfe der Bundesregierung greifen. Das Warten, es hat sich gelohnt. Es wird nun die ganz große Kasse des neuen "Sondervermögens" sein, aus der die Differenzbeträge zwischen Tarifpreis und Bremsschwelle beglichen werden, aus Respekt vor dem Grundgesetz schuldenbremsenwahrend unter Vernachlässigung jeder Belastung von Bundeshaushalt, einer EU-Genehmigung und der Zahlungsverpflichtung künftiger Generationen von heute schon sehr besorgten Bürgern.

Zweimal 100 Milliarden

Eine Umwälzpumpe für Milliarden, mit der wegen der ersten Geldtranche, die für die Gasbeschaffung um jeden Preis aus den Portemonnaies der Bürger gequetscht wurde, nun eine zweite herausgepresst wird, mit der die Folgen der ersten weggeglättet werden soll. Erst 100 Milliarden für den Einkauf von Erdgas zu jedem Preis. Nun noch einmal 100 Milliarden, um die dadurch ausgelösten Preissprünge wegzubremsen, so dass bei Bürgerinnen und Bürgern die Illusion bestehen bleiben kann, dass alles doch gar nicht so schlimm ist.

Wieder bezahlt niemand, jedenfalls niemand, der es von sich selbst weiß. Wieder wird beinahe allen geholfen und den anderen dann eben später, wenn sie sich ausreichend Gehör verschafft haben. Zu einem sehr, sehr hohen Preis wird nun alles sehr viel billiger, wenn auch nicht billig. Aber alle freuen sich. So schlimm war's dann dich gar nicht mit dem Krieg, der Krise und dem Zusammenbruch.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bernd hat jetzt den Schlumpfstrom aus achtsamen Anbau

Jodel hat gesagt…

Es wird bei der Strompreisbremse ständig verkündet wie diese für die Abnehmer funktioniert.

Weiß eigentlich jemand wie diese gegenüber der Herstellerseite festgelegt ist? Gibt es da auch eine Höchstgrenze für den Preis oder können die Erzeuger ab sofort jeden nur erdenklichen Traumtarif festsetzen und bei der Super-Sondervermögen-Verwaltung die Differenz abrechnen?

Unserem besten Gesetzgeber seit Anbeginn der Zeit würde ich durchaus zutrauen, eine Höchstgrenze gegenüber den Versorgen einfach leider vergessen zu haben. Es wird ja bei den Paketen und Wummsen doch einiges mit der heißen Nadel in nächtelangen Sitzungen gestrickt.

Anonym hat gesagt…

Jodel schrieb am 29. November
"Gibt es da auch eine Höchstgrenze für den Preis oder können die Erzeuger ab sofort jeden nur erdenklichen Traumtarif festsetzen und bei der Super-Sondervermögen-Verwaltung die Differenz abrechnen?"

Scheint so. Die Stadtwerke hier vor Ort erhöhen den Strompreis um satte 125%; trotz eines über dreißigprozentigen PV-Anteils am Strommix (und bekanntermaßen schickt die Sonne ja keine Rechnung).
Die Stadtwerke in der Nachbarstadt erhöhen ihre Tarife nur um runde 60%.

ppq hat gesagt…

jodel: es ist wohl eher ein stillschweigendes abkommen. die versorger haben stillgehalten, als ihre kosten aus dem ruder liefen, getröstet mit dem versprechen, dass sie das verlorene geld später zurückbekämen, wenn sie geduld zeigen und mit den preiserhöhungen warten, bis die bundesregierung die preiserhöhungen mit ihren bremsen wegtrösten und wie preissenkungen aussehen lassen wird.

jetzt darf jeder, wie er es braucht