Freitag, 30. Juni 2023

Strom von der Autobahn: Nichts ist unmöglich

Volker Wissing Hegau-Ost Einweihung Solaranlage
Ein kleines Dach, aber ein großer Schritt für die Menschheit: Das solare Pilotprojekt "PV-Süd".

Kaum jemand hätte damals für möglich gehalten, dass es gelingt. Ein Dach, beinahe frei schwebend. Obendrauf hochmoderne Solarpanele, gehalten von nachhaltig geernteten Stahlstreben, die auf Trägern ruhen, die deutsche Ingenieurskunst einbetoniert hat in den Grünstreifen an einer typisch deutschen Autobahn. Meterlang zieht sich die kühne Konstruktion, die mehrere Meter hoch aufragt, um auch größere Lieferfahrzeuge wie Lkws problemlos passieren zu lassen.  

Trotzdem: Das jetzt von  Bundesverkehrsminister Volker Wissing offiziell eröffnete erste deutsche Fernstraßen-Sonnenstrom-Kraftwerk (FSSS-K) straft alle Zweifler Lügen, die die einst vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl erfundenen und entwickelten "Stromautobahnen" für technisch zu anspruchsvoll und in der Realität nicht umsetzbar erklärt hatten.

Zukunft in fünf Metern Höhe

In fünfjähriger Planungs-, Konstruktions- und Bauzeit konnte das Fraunhofer Institut aus Freiburg jetzt gemeinsam mit dem Verkehrstechnikunternehmern Forster und dem Austrian Institute of Technology jetzt den Gegenbeweis antreten: Und es bewegt sich doch! Direkt an der Rastanlage Hegau-Ost an der A81 in Baden-Württemberg steht sie, die erste deutsche Stromautobahn. 14 Meter lang, läuft das Pilotprojekt "PV-Süd" mit voller Kraft, sobald die Sonne scheint. Noch ist der insgesamt sogar zwölf mal 14 Meter große sogenannte Demonstrator noch im Testbetrieb, aber schon entlastet die - im Vergleich zu den ersten Plänen leicht geschrumpfte - Dachfläche in 5,50 Metern Höhe mit ihren Photovoltaik-Modulen die deutsche CO2-Bilanz um ein gerüttelt Maß. Nur noch ein Monat für den Feinschliff, dann kann die wegweisende Anlage bei entsprechend optimierter Witterung bis zu 40.000 kWh Strom im Jahr liefern - das entspricht der Leistung von mehr als sogenannten 130 Balkonkraftwerken.

Ein kleiner Schritt für private Bastler, ein großer für den Bund als Betreiber der Autobahnen. Während die Sonnenernte auf Balkonen meist auf Fertigteile aus dem Baumarkt zurückgreift, entwickelten die Fraunhofer-Spezialisten für die Stromautobahn-Demonstrator eine Überkopfkonstruktion. Dazu wählen sie den richtigen Modultyp - unter "Berücksichtigung der statischen Vorgaben, Einbauart (Befestigungsart) und Design" fiel die Wahl auf "eine kristalline hocheffiziente Modultechnologie", die "auf der begrenzten Fläche der Überdachung ein Maximum an Energie" zu gewinnen verspricht.

Erstes Bundesautobahndach

Das ist ein revolutionäres Konzept. Zwar ist über die Kosten der ersten solarfähigen Überdachung direkt neben einer Autobahn nichts bekannt, doch Beobachter gehen zuversichtlich davon aus, dass die Summe von 70.000 bis 80.000 Euro, die Balkonkraftwerke mit der gleichen Leistung gekostet hätten, weit übertroffen worden sein dürften. Stolz erklärte der inzwischen für das wagemutige Konzept zuständige Minister Wissing, dass "Photovoltaik an und auf Bundesfernstraßen als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität künftig immer mitgedacht" werde. 

Die 168 Quadratmeter Sonnentankstelle über der Schwerlastspur zur Raststätte sind nur ein Anfang: Nach und nach und demnächst noch zusätzlich unterstützt durch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz (GBG) werden die übrigen knapp 500.000.000 Quadratmeter über den 13.500 Kilometern Autobahn im Land  mit entsprechenden Solardächern versehen. Nach dem Endausbau läge die jährliche Stromernte bei bis zu 130.000.000.000 kWh - das entspricht der Leistung von zehn abgeschalteten Kernkraftwerken. 

Es soll nun auch alles ganz schnell gehen. Die Autobahn GmbH des Bundes prüfe bereits, wo Solaranlagen entstehen können, verriet Volker Wissing. Ehe aber das Vorhaben umgesetzt wird, bis 2040 Klimaneutralität in Unterhaltung und Betrieb von Autobahnen zu erreichen, soll in Hegau-Ost noch eine wissenschaftlich begleitete Betriebsphase genauen Aufschluss darüber geben, ob die Erzeugung von Solarstrom mehrere Meter über den Köpfen von Autofahrerinnen und Autofahrern auch in der Realität funktioniert. 

Kühnes Konzept im wissenschaftlichen Test

2019, als das erste Konzept für das Projekt vorgelegt worden war, schien das nur eine theoretisch denkbare Möglichkeit, inzwischen aber deutet vieles darauf hin, dass die "photovoltaischen Module" (Fraunhofer) flexibel im "hochrangigen Straßennetz" eingesetzt werden können, darunter auch an Rastplätzen, Mautanlagen, Verkehrskontrollplätzen, Brücken oder über Tunnelportalen. Fest steht schon, dass sich Solarmodule auch auf Wiesen neben Tunneleingängen aufstellen lassen. Macht das deutsche Beispiel Schule, könnte der Export entsprechender Hightech-Anlagen eines der so dringen gesuchten neuen Standbeine für die deutsche Schwerindustrie werden.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Solarzellen auf Stahlstelzen ist vergleichbar mit der Mondlandung, und dann fahren da drunter auch noch Autos! Wie machen die das nur. Auf die Lösung für Straßen in Nord-Süd-Richtung bin ich gespannt. Die Leute bei Fraunhofer sitzen sicher schon an den Rechnern.

Die Anmerkung hat gesagt…

So ein Teil in der Größe, allerdings fragmentiert, damit es abseits das Radweges platziert werden konnte, steht seit Äonen an der Staatsgrenze der BRD zu Polen neben dem R10 nur wenige Meter von der Ostsee entfernt und dient der Beleuchtung selbigen Radwegs.

Vielleicht ist ja die Absicht, die von Hitler Autobahn (Voksmeinung) ab dem Jahre 90 von dessen Machtergreifung, nun vollständig zu überdachen, um die Autofahrer vor gewittriger Wettertunbill zu schützen und die Autbahn gleichzeitig komplett zu beleuchten?

Anonym hat gesagt…

Wenn man die Teile nachts beleuchtet liefern sie auch 24 Stunden am Tag umweltfreundliche Energie.
Darunter könnten auch Nisthilfen für Spatzen angebracht werden.