Montag, 30. Juni 2025

Ums Überleben: Wenigstens ist die SPD dagegen

SPD, AfD-Verbot, Volkspartei, Wahlniederlage, Neustart, Sozialdemokratie, Schadensbegrenzung
Auf eines immerhin konnte sich die abgestrafte und innerlich zerrissene SPD einigen: Könnte man die AfD verbieten, wäre die eigene Rückkehr zum Status der Volkspartei ein Kinderspiel.

Die Arbeiter verloren, die kleinen Angestellten verprellt, von den Wählerinnen und Wählern mit nicht einmal mehr 17 Prozent aus dem Kanzleramt gejagt und innerlich tief zerstritten. Als die deutschen Sozialdemokraten am Wochenende zu ihrem ersten ordentlichen Bundesparteitag nach dem Wahldesaster vom Februar zusammenkamen, galt das gesamte Bemühen der Parteiführung der Schadensbegrenzung. Wie lässt sich persönliche Verantwortungsübernahme verhindern? Wie kommen die, die den Marsch auf den Irrweg zu immer höheren Belastungen und immer weniger individueller Verantwortung anführten, am besten ungeschoren davon?

Aufarbeitung später 

Im CityCube der Hauptstadt, für die vielbeschäftigten Bewohner des politischen Berlin bequem erreichbar, sollte zu diesem Zweck ein besonderes Kunststück gelingen: Unter der Überschrift "Veränderung beginnt mit uns" schwor sich die abgestrafte Partei ein auf eine "umfassende Aufarbeitung ihrer historischen Wahlniederlage". Die unmittelbar auf eine ferne Zukunft verschoben wurde. Dann  irgendwann soll eine parteiinterne Debatte zu einer inhaltlichen Neuaufstellung führen, um 2029 mit einem neuen Grundsatzprogramm in die Wahlschlacht ziehen zu können.

"Neustart" nennt die frühere Arbeiterpartei traditionell jeden ihrer Versuche, Konsequenzen aus gescheiterten Plänen, grassierendem Vertrauensverlust und innerer Ratlosigkeit zu ziehen. Alte Genossen wissen, es wird danach nie besser, aber immer schlimmer. Neue Parteiführungen haben nur dieses eine Mittel: Immer wird sich inhaltlich und personell neu aufgestellt. Immer wird leidenschaftlich und engagiert diskutiert. Immer können sich die Flügel der Parteitag nicht einigen. Immer läuft es deshalb auf eine Vertagung der Beantwortung von Schlüsselfragen hinaus, an deren Stellen eine kämpferische gemeinsame Haltung überall dort posaunt wird, wo es schadlos möglich ist.

Gegen rechts und Reiche 

Gegen rechts und gegen die Reichen, das geht bei Sozialdemokraten immer. Und es ging auch dieses Mal. Als "Partei der linken Mitte" sieht sich der Funktionärsapparat derzeit, der die Regie im Berliner Marshall-Haus führte. Worum es sich dabei handelt, ob es eine Abspaltung der im Wahlkampf beschworenen "hart arbeitenden Mitte" oder ihre Erweiterung bis kurz vor den linken Narrensaum ist, lässt sich vorerst nur erahnen - eine eigene Definition verweigert die furchtsame Truppe um Klingbeil und Bärbel Bas, die neue Frau an seiner Seite.

Die mühte sich, nur ja keine Gräben aufzureißen. Nachdem das alte Establishment mit dem zuletzt abgetauchten Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz und der aussortierten Ex-Parteichefin Saskia Esken sich seinen letzten Applaus hatte abholen dürfen, war es die Bundesarbeitsministerin, die Esken zu einer der "Mütter des Erfolges" der deutschen Sozialdemokratie ernannte. Die 63-Jährige, in den zurückliegenden Monaten verhöhnt als das Gesicht des Niedergangs einer Partei, die den Kontakt zum Alltag der Bürger mutwillig abgebrochen habe, habe "die Partei durch stürmische Zeiten geführt".

Partei der Nische 

Doch wohin? Aus der einstigen Volkspartei ist eine Partei der Nische geworden, in der die wenigen Nutznießer der obrigkeitsstaatlichen Ideologie der SPD wohnen. Für die ist Olaf Scholz der "neben Willy Brandt besten Bundeskanzler, den die Bundesrepublik jemals hatte", so war auf den Fluren zu hören. Gerade der Vergleich "mit seinem kalten, arroganten, zynischen Nachfolger" mache das deutlich. Selbst die gescheiterte "Ampel"-Koalition habe letztlich doch viel Wegweisendes erreicht, darauf beharren die Hundertprozentigen stur. Noch mehr wäre möglich gewesen, hätte die FDP nicht mit dem Dolch im Gewand jede Bemühung um Klimaschutz, Gerechtigkeit

Kein Hohn, kein Spott, keine Persiflage. In der Parallelwelt der festen Burg von Willy Brandts Erben sind die Totengräber Superstars und eine Partei, die 21 der letzten 25 Jahre regiert hat, kann sich selbst glauben machen, dass sie es immer schon besser gemacht hätte. Und jetzt erst recht.

Führung vertröstet

Bloß keine Fehlerdiskussion! Die Basis durfte ihr Mütchen an Lars Klingbeil kühlen, der mit seinem Wahlergebnis von nicht einmal zwei Dritteln der Stimmen der Delegierten in vergangenen Zeiten keine Chance gehabt hätte, sich noch lange an der Spitze zu halten. Danach vertröstete die Führung die handverlesenen Genossen darauf, dass das Geheimnis um die Gründe für das schlechteste Wahlergebnis seit Gründung der Bundesrepublik durch eine Expertenkommission unter Leitung des neuen Generalsekretärs Tim Klüssendorf enthüllt werden soll. 

Mit dieser Art Zeitspiel hat die Sozialdemokratie gute Erfahrungen gemacht. Schon unter der wenig später entmachteten Kurzzeit-Vorsitzenden Andrea Nahles gelang es der SPD vor sieben Jahren, alle Fehler im Wahlkampf und die gesellschaftlichen Veränderungen, die die SPD in die Defensive brachten, so lange und gründlich zu untersuchen, dass das Ergebnis kein Erschrecken mehr hervorrief. Entscheidend war damals ein "Mangel an klaren Führungsstrukturen" sowie "zu wenig Teamwork" gewesen. Ein Urteil, mit dem die aktuelle Parteispitze Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres sicher auch gut leben könnte.

Nie genug 

Man ist sich selbst genug, kann aber von anderen einfach nicht genug bekommen. Klüssendorf, der neue Kevin Kühnert, hat sich zur Amtseinführung für höhere Belastungen für die hart arbeitende linke Mitte ausgesprochen. Den Krankenkassen fehle, die Bürger hätten es. Mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sei "noch deutlich mehr drin" für die Gemeinschaft. Klüssendorf, 33 und ohne jede störende Berührung mit einer bürgerlichen Erwerbsarbeit ins Amt geraten, hat sich selbst als bestes Beispiel genannt. Er zahle zwar den Maximalbeitrag. Wäre aber durchaus "in der Lage, auch mehr zu zahlen."

Auch die neue Co-Parteichefin Bärbel Bas, wegen in der SPD-Spitze exotischen  Herkunft aus einem nicht-intellektuellen Milieu schon als Kanzlerkandidatin gehandelt, trommelte für den weiteren Ausbau eines "Sozialstaat, der ein freies und selbstbestimmtes Leben ermöglicht – unabhängig von Herkunft oder Geschlecht" und Kosten. Nach Jahrzehnten, in denen der Anteil der Umverteilung bei den Bundesausgaben auf mehr als 57 Prozent gestiegen ist, soll mehr Umverteilung endlich das Problem lösen, dass die Armut im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandsprodukt steigt. 

Stimme einer verschwindend kleinen Minderheit 

An den zentralen Versprechen ihrer Bundestagswahlkampge hält die SPD fest. Die Forderung nach einer Einkommenssteuerreform mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes, einer neuen Vermögensteuer und einer globalen Milliardärssteuer bleiben ebenso aktuell wie der Mindestlohn von 15 Euro, die Einführung von kostenfreiem Kita- und Grundschulessen, die Verlängerung des Elterngeldes auf 18 Monate und eine dauerhafte Mietpreisbremse. 

Nur noch zwölf Prozent der Arbeiter und zehn Prozent der Ostdeutschen, so hat es die SPD selbst offenbart, fanden das zuletzt richtig und wichtig genug, der alten und neuen Regierungspartei ihre Stimme zu geben. Auch die erratische außenpolitische Ausrichtung der Partei überzeugt nur die einen, die anderen dafür gerade nicht. 

Der Kremlflügel hat in einem "Friedensmanifest" eben erst für mehr Diplomatie geworben. SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius beinahe im gleichen Moment bekanntgegeben, dass die im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 festgelegte Obergrenze für die Truppenstärke des vereinten Deutschlands von maximal 370.000 Soldaten für ihn nur ein Eisch Ppaier ist. 90.000 mehr sollten es schon sein, Völkerrecht hin, Völkerrrecht her. 

"Neuausrichtung" im ZDF 

Im ZDF gilt das als "Neuausrichtung", mit der es gelingen kann, die 2,4 Millionen früheren SPD-Wähler zurückzuholen, die ihr Kreuz zuletzt lieber bei der AfD gemacht hatten. Die Debatte über Wehrpflicht, von den Jusos kritisch gesehen, und die Haltung zur NATO führte zu hitzigen Diskussionen, uneins ist die SPD auch, ob die plötzlich nötigen Investitionen in Bildung, Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit mit Hilfe von Schulden finanziert werden sollen, wie es die Parteiführung gern hätte. Oder lieber eine neue höhere Vermögenssteuer beschlossen werden soll, um die seit 15 Jahren stabil steigende soziale Ungleichheit zu bekämpfen.  

Nur in einem einzigen Punkt waren sich die 600 Genosssinnen und Genossen wirklich einig. Einstimmig forderten sie die "Vorbereitung" eines AfD-Verbotsverfahrens. Eine "Bund-Länder-Arbeitsgruppe" im Moment noch unklaren Zuschnitts solle Materialien und genügend Belege für die vermutete Verfassungsfeindlichkeit der AfD sammeln. Die SPD - im Gegensatz zu Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung nicht befugt, einen Verbotsantrag zu stellen -  will sie dann dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. 

Auch ohne genügend Belege 

Schon heute, ohne "Materialien und genügend Belege" stuft die SPD die konkurrierende AfD als "klar rechtsextremistisch" ein. Lars Klingbeil nannte die Durchsetzung fast auf den Tag genau 90 Jahre nach der Verhängung des letzten Verbotes über seine Partei eine "histoische Aufgabe". Die SPD Sachsen, mit sieben Prozent der Stimmen bei der letzten Landtagswahl ein Zwerg gemessen an dern mehr als 30 der gesichert Rechtstremistischen, sieht das erhoffte Verbot nicht als Ersatz der politischen Auseinandersetzung mit der AfD, sondern als Ergänzung. 

"Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass eine verfassungsfeindliche Partei ungehindert gegen die Demokratie agiert", hatte Landeschef Henning Homann vorab mitgeteilt. Die SPD im Freistaat, so klein sie auch sei, stehe "für ein wehrhaftes, demokratisches Sachsen. Wer unsere Freiheit angreift, muss mit klarer Kante rechnen." 

Da gibt es kein Vertun. Da wenigstens sind sich Tauben und Falken, Sozialisten und Marktwirtschaftler, Identitäre und Funktionäre einig. Als "Hauptforderung" wurde das angestrebte Verbot der Konkurrenz in den "Heute"-Nachrichten gefeiert - in schwierigen Zeiten, in denen die Wirtschaft torkelt, das westliche Bündnis nur von Hoffnung zusammengehalten wird, die Kassen der versorgungssysteme leer sind und die Meinungsfreiheit von allen Seiten unter Beschuss genommen wird, hat die SPD damit nach langer Suche immerhin ein Thema gefunden, mit dem sie zu reüssieren zu können glaubt. 


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sie lassen sich ihre Demokratie nicht wegnehmen.

Trumpeltier hat gesagt…

Der 'mündige' Bürge für exorbitante Politikerdiäten und erneute schildbürgerliche Kriegsertüchtigung hat sich mal wieder rechtsstaatlich ...äh ... rechtsradikal volksverhetzen lassen und seiner selbstlos für ihn sorgenden Arbeiterpartei lediglich 16% der Wählerstimmen gegönnt.

Die derart zurecht abgewatschten versuchen nun auf Selbsterkenntnislevel 0,0 rachsüchtig, den dafür verantwortlich gemachten Konkurrenten mit dubiosen Gesetzestricks auszuschalten, nicht kapierend, dass dessen Millionen Wähler weiter existieren werden. Oder will man die alle erneut in Lager stecken, deren Name zynisch auf Witz endet, weil Meinungsverbrechen inzwischen strafbarer sind als islamfanatisch bzw. psychisch gestört Leute abstechen? Eins ist Hass, das andere Kulturbereicherung.

Und wenn Migranten beim baden Mädels bedrängen, werden Verbotsschilder mit blonden Tätern und schwarzhaarigen Opfern aufgestellt. Ali begrapscht also nicht Annalena, sondern Fritz Fatima, lautet die politisch korrekte Buntland-Botschaft. Die Wahrheit darf nämlich nicht mehr geäußert werden, weil man jede Kontrolle über die Millionen zumeist jungmännlichen Importfachkräfte bereits komplett verloren hat und bei zu viel Strafe einen Bürgerkrieg-Djihad fürchtet, in dem der jämmerliche Weichei-Wohlstandspiefke keine Überlebenschance hätte.

Ja, es geht ums überleben.

Aber nicht um das der inzwischen gesichert linksradikalen SPD-Genossen. Das sind nämlich Sozialisten, die wie seinerzeit der Adolf mit Ukrainenazis und Muselmaniern kollaborieren, um frei denkende Menschen mundtot oder ganz tot zu machen. Ultralinkes egoistisches Drecksgesindel in Nobelklamotten, Fäkalien in Goldfolie, sonst nix.

Gewisse Ideologien sind wie eine mittelalterliche Pest: sie wird von verlausten Gossenratten verbreitet und verursacht qualvolles finales Siechtum.

Die SPD-Bonzokratie kümmern sich nur noch um sich selbst, doch der sonderbegabt verblendete Malocher himmelt sie weiterhin als seine segensreichen Hirten und paradiesischen Heilsbringer an. Solche Menschen sind dümmer alsTiere, denn die tappen kein zweites Mal in dieselbe Falle.

Das schafft nur ein wundergläubiger Doofmichel mit ignorant arrogantem Besserwisser- und Weltbelehrersyndrom. Und derer gibt es viele ... so verdammt viele, dass deren Demokratie zwangsläufig in Ochlokratie verenden muss.

Anonym hat gesagt…

Die Stimmung kippt zunehmend, nicht mehr ausgeschlossen sind Aufruhr und Rebellion. (Dennis Riehle)

Dass die Stimmung kippen würde, liest man seit mindestens fünfundzwanzig Jahren - Nur noch lächerlich.
Und "Aufruhr und Rebellion" kann man ausschließen, schlicht und ergreifend.

Die Anmerkung hat gesagt…

Eben

Über Wackeln und Kippen

Auf dem Tichy steht schon den ganzen Tag

"Die Regierung Friedrich Merz wackelt bereits"

Wenn die weiter wackeln, kippen die eines Tages.