Mittwoch, 17. Dezember 2025

Die Waisen aus dem Abendland: Nackt im Wind der Wirklichkeit

Ukraine Friedensvorschläge Kritik, Europäische Ukraine Politik Versagen, Trump Ukraine Plan Europa, Waffenstillstand Ukraine NATO Truppen, Von der Leyen Merz Macron Ukraine, Russland Kapitulation Forderung Europa, Putin
Die Waisen aus dem Abendland machen immer wieder dieselben Vorschläge. Und sie können nur hoffen, dass sie niemals angenommen werden.

Die Erkenntnis wird Albert Einstein zugeschrieben, doch dass er der einzige war, dem sie kam, ist nahezu ausgeschlossen. Dass es einem Wahnsinn gleichkommt, immer wieder dasselbe zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten, lernt jedes Kind, wenn es das erste Mal eine heiße Herdplatte berührt. Die wenigstens nur versuchen es noch einmal, weil sie glauben, nicht jeder heiße Herd verbrenne Haut.

Hausieren mit dem Bauchladen 

Von anderer Hartnäckigkeit sind allerdings Europas Führerinnen und Führer. Seit drei Jahren hausieren deutsche Bundeskanzler, französische Präsidenten und EU-Kommissionschefin mit demselben Bauchladen an Kompromissvorschlägen für einen schnellen Frieden in der Ukraine. Sie haben Sanktionspakete dabei, Angebote an Russland, aufzugeben und Reparationen zu zahlen, lange schon gehört die Forderung nach einem Waffenstillstand dazu und immer steht fest, dass die Ukraine keinen  Meter ihres heiligen Bodens aufgeben muss. Schließlich geht es darum, ein mögliches Kriegsende nicht nach Siegfrieden aussehen zu lassen.

Im Kreml sind all die Angebote mit Nichtachtung gestraft worden. Das passte allen ganz gut. So lange Joe Biden im Weißen Haus saß, waren damit alle zufrieden. Kein Bundeskanzler musste sich um Gespräche mit Putin bemühen, um sich dort demütigen zu lassen. Kein Emmanuel Macron musste auf die Rolle als außenpolitischer harter Hund verzichten, wo es doch schon innenpolitisch nicht läuft. 

Kostümwechsel in Brüssel 

Und Ursula von der Leyen hatte einmal mehr das Kostüm gewechselt. Aus der Gesundheitspräsidentin, die zur Klimapräsidentin umgeschult hatte, wurde die Verteidigungspräsidentin. Unbeugsam wie damals bei der Bundeswehr, als die Verteidigungsministerin von der Leyen die Truppe nach Strich und Faden so weit entnazifizierte, dass ihre Nachfolgerinnen Annegret Kramp-Karrenbauer und Christine Lambrecht eine Schmusearmee anführen konnten.

Dass Donald Trump mit seinen Friedensbemühungen  unabgesprochen vorpreschte, schauten alle ungläubig nach Alaska. Das Bangen darum, dass der US-Präsident bitte keinen Erfolg haben möge, fand seinen schönsten Ausdruck in einem Satz des US-Korrespondenten des ZDF. Elmar Theveßen, ein ausgewiesener Amerika-Experte und Antiamerikaner, beruhigte die Gemüter mit der "guten Nachricht" (Thevbeßen), dass "nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen" werde

Nervender US-Präsident 

Dass Trump nicht lockerließ und mit seinem 28-Punkte-Plan weiter nervte, wär ärgerlich. Doch Europa hatte inzwischen eine Strategie entwickelt. Wie ein guter Boxer pendelten Europas Führer den Angriff aus. Mit einer klugen Finte wurde Freude und Zustimmung simuliert. Anschließend dann mit "eigenen Vorschlägen" an Einstein erinnert. 

Klipp und klar gab es erneut das Angebot an Russland, aufzugeben und Reparationen zu zahlen. Vorher müsse Moskau einem Waffenstillstand zustimmen. Und es habe natürlich zu akzeptieren, dass die Ukraine keinen Meter ihres heiligen Bodens aufgeben werde.

Merz, Macron und von der Leyen wussten natürlich, dass ein Friedensschluss damit keinen Millimeter näherrückt. Darum gibt es ja: Die Dynamik aus der Situation zu nehmen. Trump nicht noch einmal einen Überrumplungsfrieden wie im Nahen Osten zu gönnen, als alle wichtigen Papiere unterschrieben waren, ehe die Europäer sie hatten lesen dürfen. 

Kanzlers schlechte Karten 

Nachdem Friedrich Merz den russischen Diktator Putin zum  "vielleicht schwerstes Kriegsverbrecher unserer Zeit, den wir zurzeit im großen Maßstab sehen" ernannt hatte, um als wirklich harter Hund durchzugehen. Obwohl er noch immer keine einzige "Taurus" geliefert hat, stehen die Karten des Kanzlers schlecht, nach der nächsten Zeitenwende auf freundlichen Empfang im Kreml hoffen zu dürfen. 

Je länger Trump braucht, die Ukrainer und Russland zum Frieden zu zwingen, desto größer die Chance, dass es ihm nicht gelingt. Dann, so spekuliert EU-Europa, steigen die Chancen, dass der Präsident die Nase voll hat vom Schachern mit den Russen. Und aus Wut über Putin wieder auf die europäischen Nato-Verbündeten als erste Verteidigungslinie Amerikas in Europa zurückkommt.

Die Wunschliste der Verbündeten

Von dieser Linie lassen die drei entscheidenden Wortführer inzwischen schon seit Monaten nicht mehr ab. Was auch immer auf dem Tisch liegt, aus Brüssel, Berlin und Paris kommt die ergänzende Idee, dass Moskau zuallererst einen Waffenstillstand schließen müsse, danach auf die Forderung zu verzichten habe, dass die Ukraine Gebiete abtreten müsse. Und zu guter Letzt wird das Ganze noch vergiftet mit dem großherzigen Angebot, dass Nato-Truppen in der Ukraine stationiert werden, um die Einhaltung des Friedensvertrages neutral zu überwachen.

Moskau hat das alles meist nicht einmal abgelehnt. Auch die Vereinigten Staaten haben auf bizarre Vorschläge wie die Rückkehr deutscher Truppen in den Donbas acht Jahrzehnte nach deren Rückzug von dort nicht einmal mit Gelächter reagiert. Abgesehen von der Chefin der EU-Kommission, die im September eine Stationierung von EU-Truppen in der Ukraine angekündigt hatte, weiß jeder leidlich mit  den Umständen vertraute Nachrichtenkonsument, woran die Idee krankt. 

Marschbefehl für Phantomtruppen 

Es gibt die Truppen nicht. Die EU hat keine Zuständigkeit für Verteidigungsangelegenheit. Ursula von der Leyen übt keine Befehlsgewalt aus. Und daran vermag auch die begeisterte Zustimmung von Emmanuel Macron, der den Plan "sehr konkret" genannt hatte, nichts zu ändern. 

Doch das Hirngespinst ist alles, was Europa auf die Waage zu legen hat. Auch im Zuge der neuerlichen Verhandlungsrunden haben die drei Zaungäste der Friedensverhandlungen ihre "Solidarität mit der Ukraine" (Spiegel) wieder demonstrativ ausgestellt, indem sie das tote Pferd erneut aufzäumten. 

Diesmal lauten die Friedensvorschläge Europas sinngemäß etwa folgendermaßen: Russland müsse einem Waffenstillstand zustimmen, der so lange laufen werde, wie die Kapitulationsverhandlungen Moskau brauchen. Danach trete die Ukraine den Sicherheitsgarantien der Nato bei, ohne ihr formell beizutreten. Und Truppenverbände der europäischen Nato-Staaten ziehen mit klingendem Spiel  Richtung Donbas, wo sie die Einhaltung des Waffenstillstandes überwachen und den Luftraum kontrollieren werden.

Nato-Truppen für die Ukraine 

Wladimir Putin hat das mehrfach abgelehnt. Schließlich war es aus russischer Sicht ja gerade die an die eigenen Grenzen vorgerückte Nato-Präsenz, die ausschlaggebend war für den Angriff auf die Ukraine. In Deutschland aber geht der Humbug als diplomatisches Meisterstück durch. "Wie der Kanzler Europa zurück ins Spiel bringt", jubelt es, Merz werde "gelobt" für seine "multinationale Truppe zur Überwachung eines Friedens", mit der er den "Kraftakt" bewältigt habe, der Heimatfront vorzugaukeln, er sei "auf die diplomatische Weltbühne" (Tagesschau) zurückgekehrt.

Es ist schon beeindruckend, wie standhaft die Europäer ihren skurrilen Plan einer "Schutztruppe" (Tagesschau) vortragen, von der nicht einmal der Verteidigungsminister zu sagen weiß, "unter welchem Kommando findet eigentlich was wo im welchem Rahmen statt?" Befiehlt von der Leyen? Wird es der  jüngst zum ersten EU-Verteidigungskommissar Europas Andrius Kubilius sein, der nebenher noch für "Space" zuständig ist, weil die EU es für Verteidigung eben ausdrücklich nicht ist? Darf der Bundestag mitreden? Oder macht das Nato-Chef Mark Rutte, ein ungedienter Niederländer, der den nächsten Krieg in "einem Ausmaß" erwartet, "wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben"?

Nackt im Wind der Wirklichkeit 

Nebensache. Fest steht, dass die bewaffneten Nato-Streitkräfte auch "durch Operationen innerhalb der Ukraine" helfen sollen, vielleicht, indem sie unerlaubte russische Angriffe zurückschlagen. Friedrich Merz stellt sich eine "entmilitarisierte Zone" vor, um die Konfliktparteien in der Ukraine zu trennen. In der Abschlusserklärung nach der Ukraine-Gespräche der nicht direkt mit dem Friedensschluss befassten Nationen heißt es, eine "von Europa geführte und den USA unterstützte Truppe solle die ukrainischen Streitkräfte unterstützen". Sie werde "die Sicherheit des Luftraums und der Meere gewährleisten".

Dieses von den Europäern unterbreitete Angebot soll als "Bekenntnis zur Mitverantwortung" verstanden werden. Wenn Putin sage," wohin er die Reise gehen will, dann werden wir weiter sehen, woraus das im Einzelnen bestehen kann", hat Pistorius die Frontlionien umrissen. Nato-Soldaten in der Ukraine und nach dem ersten Schuss von wem auch immer auf einen Nato-Soldaten aus welchem Land auch genau. Einen besseren Einstieg in einen Krieg gibt es gar nicht.

Friedrich Merz sieht das ebenso. Werde die "Friedenszone" bedroht, die seine Regimenter bewachen, hat er einen Plan. "Wir würden auch entsprechende russische Übergriffe und Angriffe erwidern", sagt er. Das Schlimmste, was Europa passieren könnte, wäre eine Zustimmung Putins zu diesem verwegenen Angebot. Die Waisen aus dem Abendland ständen augenblicklich nackt im Wind der Wirklichkeit.



Keine Kommentare: