Samstag, 7. März 2009

Dann ging er in die Elbe, die Stelle war dieselbe

Winston Churchill hat nicht nur den Zweiten Weltkrieg gewonnen und sein Amt verloren, sondern auch den Literatur-Nobelpreis erhalten und Zigarren geraucht. Durch den aufsteigenden Qualm konnte der Erste Lord der Admiralität und Burenkriegsberichterstatter schon in den 50er Jahren sehen, was die Finanzwelt von New York über London bis Frankfurt und die Regierungen von Peking über Moskau bis Paris und Washington in den vergangenen sechs Monaten urplötzlich und völlig unerwartet überfallen hat.

In seinem Buch "Der Zweite Weltkrieg" beschreibt Churchill, der 44 Jahre vor Ausbruch der großen Finanzkrise das Zeitliche segnete, die alles überrollende Fikri so: "Außerordentlicher Optimismus bewirkte eine Spekulationsblase. Es wurden Bücher geschrieben, um zu beweisen, dass die Phase der Wirtschaftskrisen endlich durch die sich ausdehnende Geschäftsorganisation und Wissenschaft überwunden sei. Der „zyklische Wirtschaftsverlauf, wie wir ihn bisher gekannt haben, liegt offensichtlich hinter uns", sagte der Präsident der New Yorker Börse im September."

Seit Oktober ahnt man es besser, wie Winston Churchill schon 1952 beschrieb: "Der ganze in Papierwerten der vorhergehenden Jahre so rasch erworbene Reichtum schwand dahin. Der Wohlstand von Millionen amerikanischer Familien war auf einem gigantisch aufgeblähten Kreditgefüge gewachsen und erwies sich jetzt plötzlich als Phantom. Abgesehen von der im ganzen Land verbreiteten Aktienspekulation, die selbst die angesehensten Banken durch erleichterte Kredtgewährung gefördert hatten, war ein umfassendes Teilzahlungssystem für Häuser, Möbel, Autos und zahllose Hilfsgeräte und Bequemlichkeiten des Haushalts entstanden. Das alles brach jetzt zusammen."

Rettungspaket für Seeräuber

Nicht nur strafen, sondern erziehen, nicht nur bekämpfen, sondern bessern - nach diesem bewährten Grundsatz des deutschen Strafrechts will die Bundesregierung nach dem erfolgreichen Rettungspaket für Banken und Autohäuser nun auch ein Bündel von Maßnahmen beschließen, die somalischen Seeräubern eine Perspektive im zivilen Leben bieten. Danach können Piraten, die von deutschen Einsatzkräften gestellt und festgenommen werden, im Zuge des folgenden Strafverfahrens in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellen. Nach ihrer Überführung zum Prozess und der Verbüßung einer symbolischen Haftstrafe würde der Asylantrag zwar abgelehnt, eine Abschiebung nach Somalia aber würde wegen der dort herrschenden bpürgerkriegsähnlichen Zustände nicht infrage kommen.

Die Bundesregierung verspricht sich von diesem Vorgehen langfristig ein Austrocknen des "Piratensumpfes" (dpa) am Horn von Afrika. Je mehr ehemalige Seeräuber Aufnahme in Deutschland fänden umso knapper werde die Personaldecke für die Piratenkapitäne vor Ort. Außerdem werde sich mancher Flibustier die Frage stellen, warum er überhaupt noch unter Lebensgefahr Schiffe überfallen solle, wenn er stattdessen auch direkt zu einem Kutter der deutschen Kriegsmarine fahren, sich als Pirat stellen und einen Asylantrag einreichen könne.

Freitag, 6. März 2009

Foto vor der Truppenfahne


Im 60. Jahr ihrer Existenz zeigt die DDR wieder selbstbewusst Flagge: Bei der Verleihung des Hauptpreises als "Umwelthauptstadt" durfte die zur Entgegennahme zur EU nach Brüssel gereiste grüne Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk jetzt stolz Aufstellung vor der DDR-Landesfahne mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz nehmen. Im Zuge der Rückabwicklung der imperialistischen Übernahme des erfolgreichen ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden, die derzeit vom Politbüro der CDUSPD-Einheitspartei durch Verstaatlichungen mutig vorangetrieben wird, soll das ruhmreiche Banner künftig wieder überall als offizielles deutsches Staatssymbol aufgezogen werden.

Nur um die Überraschung nicht vorzeitig zu verraten (als Sperrfrist ist der 7.10.2009 vereinbart), behauptet die Europäische Kommission bislang allerdings noch, einige subalterne Mitarbeiter hätten einfach nur eine "falsche Flagge aus dem Keller geholt". Vorert wurden deshalb auch alle Fotos von der Preisverleihung von der Bildbearbeitungsabteilung der EU mit einer hochmoderner Hochleistungssoftware so retuschiert, dass sie auf den ersten Blick wirken, als sei die derzeit noch gültige deutsche Fahne ohne Staatswappen aufgezogen.

Es werde nicht Licht

Mehrere tausend Jahre verschwendete der Mensch Energie, dass die Höhle glühte und die Kate dampfte. Offenes Feuer und flackerndes Licht gaben dem Primaten das Gefühl, zu Hause zu sein auf einem kalten, eigentlich in weiten Teilen lebensfeindlichen Planeten. Später stieß der Mensch auf den Energiererhaltungssatz, er entdeckte de Elektroenergie, ersetzte Wachskerzen durch Glühbirnen und Kamine durch Heizkörper, in denen warmes Wasser blubberte.

Zufrieden ist der Mensch damit nicht. Unnötig, so fand er bald heraus, verbrennt eine Glühbirne den größten Teil des Stroms, den sie schluckt: Nicht Licht kommt heraus, sondern Wärme. Gut so, meinten die Altvorderen, desto weniger muss das Zimmer zusätzlich geheizt werden.

Doch so einfach ist es nicht, denn schließlich spendet eine Heizung auch nicht nebenbei noch Licht. Und Ordnung muss sein im vereinten Europa, das harmonisiert wird, so lange noch irgendein Konferenzraum frei ist. Die EU-Regierung, liebevoll Kommission genannt, verfügte deshalb ein Glühbirnenvrbor, um die Aufheizung der Erdathmosphäre endgültig zu stoppen. Glühbirnen haben, nur mal in Licht gerechnet, einen Wirkungsgrad von fünf Prozent, 95 Prozent der zugeführten Energie schenken sie dem Nutzer als Wärme zurück.

Als nächstes auf der Verbotsliste: der offene Kamin, der einen Wirkungsgrad von nur 20 Prozent hat. Danach folgen dann schon Ottomotor, Energiesparlampe und Mensch, alle drei mit einem Wirkungsgrad von circa 25 Prozent. Das heißt, vier Kalorien müssen verbrannt werden, um eine Kalorie in Arbeit umzusetzen, die restlichen drei Kalorien gehen als Wärme verloren - noch, denn wenn der Mensch erst verboten ist, wird auch dieser Mangel natürlich behoben sein.

Wer hat es gesagt?

Was hat man vom Leben, wenn man nur vegetiert? Wozu hat man Augen, wenn man nur Tatsachen in seinem Gedächtnis anhäuft? Mit einem Worte: Was nützt die Erfahrung, die man nicht zum Gegenstand späteren Nachdenkens macht?

Ja, so schön war Panama


Nein, es war nicht alles schlecht, damals in der DDR. Am 13.03.1980 etwa ergriff die Menschen, die "unsere" genannt wurden, ein vibrierendes Spannungsgefühl, eine zitternde Vorfreude auf Großes, das da geschehen sollte: Erich Honecker war unterwegs in der Provinz, in Halle, der Chemiehauptstadt, vor Ort bei den Kollektiven, die den Sozialismus mit ihrer Hände Arbeit aufzubauen im Begriff waren. Das Protokoll einer Stunde, die die Welt veränderte.

Thälmannplatz, 15.58 Uhr: Herzliche Begrüßung des Genossen Honecker durch den 1. Sekretär der Stadtleitung Halle, Genossen Fritz Ewelt, und Oberbürgermeister Hans Pflüger. Mit roten Nelken heißt der FDJ-Sekretär des VEB Halloren, Cornelia Rösler, den Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär unserer Partei herzlich willkommen. fünfjährige Tochter Susanne auf dem Arm. "Sehr herzlich willkommen in Halle, das möchten Ihnen hier alle persönlich sagen", begrüßt sie Genossen Honecker, "und vielen Dank für die große Arbeit, die Sie für die Menschen in unserem Land leisten," Die junge Frau, Mutter von zwei Kindern, ist Helferin im Kindergarten Beyschlagstraße des Fernsehgerätewerkes und wohnt in einer der schönen Wohnungen am Thälmannplatz.

Immer wieder Händeschütteln und Hochrufe. Jung und alt drängt nach vorn. Kurzer Aufenthalt vor der Kaufhalle Thälmannplatz. Die stellvertretende Verkaufsstellenleiterin Erika Schröter versichert Genossen Honecker, daß ihr Kollektiv alle Anstrengungen unternimmt, die Versorgungsaufgaben stets gut zu erfüllen, "Bei so fleißigen Frauen kauft man sicher gern ein", erwidert der hohe Gast und wünscht dem Kollektiv weiterhin viel Erfolg in seiner verantwortungsvollen Arbeit.

Kaum 100 Meter weiter werden die Gäste von einem Kollektiv des Kaufhauses "Herrenausstatter" herzlich begrüßt. Fachverkäuferin Lilo Falkenstein wünscht angenehmen Aufenthalt in der Saalestadt und berichtet, wie das Kaufhauskollektiv alle Anstrengungen unternimmt, die guten Ergebnisse seiner Arbeit weiter zu verbessern. "Alles Gute für eure Arbeit und euer persönliches Leben", wünscht Genosse Honecker.

Es ist fast unmöglich, in dieser sonst schon von regem Leben beherrschten Straße vorwärts zu kommen. Am Kaufhaus "Jugendmode" begrüßt Cornelia Politz im Namen dieses "Hervorragenden Jugendkollektivs der DDR" den Generalsekretär unserer Partei. Sie schildert kurz, wie die FDJler hier die Beschlüsse der 11. Tagung des Zentralkomitees Verwirklichen helfen.

Im" Zentrum der -Staat angelangt, betrachtet Genosse Honecker interessiert den Marktplatz der alten Saalestadt. Winkend verabschiedet er sich von den Passanten.

Moritzburg, 16.34 Uhr: Erwartungsvolle Stimmung auf dem Platz vor der Moritzburg. Nahezu 5000 Hallenser sind gekommen. Flotte Marschmusik, gespielt vom Standortmusikkorps des Mdl, erklingt, als die Delegation vorfährt. Beifall brandet auf, als Genosse Honecker winkend zum Innenhof der Moritzburg hinübergeht. Hochrufe auf das Zentralkomitee der Partei und seinen Generalsekretär ertönen auf dem Burghof. Singegruppen der EOS "Adolf Reichwein" "und "Thomas Müntzer" entbieten Genossen Honecker einen stimmungsvollen Willkommensgruß. Mehrfach begrüßt er mit einem herzlichen Händedruck Schüler im Blauhemd,

Am Ende des Spaliers wendet sich der Generalsekretär dem Schalmeienorchester des BMK Chemie zu, das zu seiner Begrüßung aufspielt. "Wirklich eine ausgezeichnete Musik", sagt Genosse Honecker und bedankt sich mit Handschlag beim Orchesterleiter, dem Kraftfahrer Dietmar Körner. Tausende winken dem Generalsekretär zu: "Auf Wiedersehen, Genosse Honecker!"

Donnerstag, 5. März 2009

Wer hat es gesagt?

Wir wissen jetzt: Wir leben in keinem erdbebensicheren Bau. Die komplizierte Apparatur der modernen Welt kann sich, durch negative Impulse, die sich gegenseitig steigern, unaufhaltsam zersetzen. Kein Wille könnte diesem Prozess aufhalten, wenn der Automatismus des Fortschritts zu einer weiteren Stufe in der Entpersönlichung des Menschen führte, ihm immer mehr die Selbstverantwortung entzöge.

Das Leben ist kein Film

Wäre John Grisham Deutscher. Wäre das Leben ein Buch. Wären Verschwörungen nicht stets nur Theorien. Wäre dies demnächst ein Film: Ein hochrangiger Politiker, nennen wir ihn ruhig einfach mal wieder Adam Hall, kämpft einen einsamen Kampf gegen die Gesetzesinitiative einer Parteifreundin, die nebenbei noch im Kabinett sitzt. Deren Absicht ist es, ihr Land vom Internet abzuklemmen: Seiten sollen gesperrt, Nutzerdaten gespeichert, Zahlungsströme überwacht werden. Und niemand soll wissen, wer was warum sperrt, keiner soll kontrollieren können, niemand die Möglchkeit der Beschwerde haben.

Adam Hall, ein Grisham-Held wie aus dem Bilderbuch, stoppelbärtig, ein Kumpeltyp, macht seiner Ministerin das Leben schwer. Er nennt ihren Kampf gegen Kinderpornografie eine "reine Wahlkampfshow", er warnt im Falle der Verwirklichung der Pläne vor "Zensurverhältnissen ähnlich wie in China". Hall nimmt kein Blatt vor dem Mund und keine parteipolitischen Rücksichten. "Unausgegorener Mist" sei das ganze Vorhaben für ihn. Er sei grundsätzlich gegen eine Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei und gegen Netzsperrungen aller Art.


Zugegebenermaßen ist das Drehbuch nicht sehr originell. Aber Grisham ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Es kommt also, wie es kommen muss. Eines Tages stehen Kriminalbeamte vor der Tür, die Büros und dei Wohnung des Politikers durchsuchen wollen. Der Verdacht ist ebenso ungeheuerlich wie naheliegend: Der Abgeordnete soll selbst Bilddateien mit kinderpornografischem Inhalt besitzen.

Adam Hall ist verblüfft. Er könne den Verdacht nicht nachvollziehen, sagt er, "ich bin unschuldig". Natürlich befasse er sich von Berufs wegen seit Jahren mit der Päderasten-Szene. Wenn auf seinen Computern entsprechendes Bildmaterial gefunden werde, könne das Recherchezwecken gedient haben.

Die führte den Politiker dann laut Drehbuch in eine Kleinstadt weitab vom Regierungssitz. Dort hatte Hall Kontakt zu einem Kinderporno-Dealer, dem er seine E-Mail-Adresse und seine Handynummer gab. Wohl weil er stets aktuell über neueintreffende Ware informiert werden konnte. Oder weil er dumm wie Stroh ist. oder weil wir hier im Kino sind, und die Handlung ja irgendwie vorwärts gehen muss. Jener Dealer wird nun von der Polizei erwischt. Er schweigt erst, redet aber dann. Und packt die Handynummer des Sptzenpolitikers Hall aus. Ihm habe er Bilddateien und so genannte MMS mit Kinderpornografie geschickt. Rund zwei Dutzend Kontakte habe es gegeben, auch eine CD und ein Video mit einschlägigem Inhalt sei übergeben worden.

Schwere Geschütze. Adam Hall wird selbstverständlich noch kämpfen. Eine Pressekonferenz geben. Da wird seine Immunität schon aufgehoben sein. Politische Wegbegleiter werden sich distanzieren, denn es gebe "hinreichende Anhaltspunkte, die eine genauere Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden erforderlich machen". In einer sehr stillen, fast schwarz-weißen Einstellung sehen wir Adam Hall sitzen, noch stoppelbärtiger, eine Flasche in der Hand, halbvoll. Und eine Zigarette in der anderen. "Ich bin erledigt", wird er sagen, mit brechender Stimme. Parteifreunde des lebenden Toten lassen derweil schon wissen, dass es sicherlich "Handfestes" gegen Hall vorliege. Unter der Hand wird vier Stunden nach Beginn der Durchsuchungen bezweifelt, "dass Tauss sein Mandat noch länger ausüben werde".

Wäre dies ein Film, träte nun Tom Cruise auf, ein smarter Anwalt, der der Spur der geheimnisvollen CD durch alle Abgründe folgt, dem Kinderpornohändler dann tief in die Augen schaut, sich mit einem alten, desillusionierten Polizisten verbündet und - wir müssen ja auf mindestens 100 Minuten kommen - zwischendurch noch eine blutjunge Praktikantin flachlegt. Ehe er Adam Hall errettet, kurz bevor der sich in seiner Garage mit Autoabgasen selbst richten kann. Es wäre schließlich die überehrgeizige Chefberaterin der garstigen Ministerin gewesen, die hinter allem steckt; die die Fäden zog und den hinderlichen Hall vernichten wollte. Im Film gelänge es ihr nie. Aber wie sang einst die bedeutende deutsche Band Plan B, hier nochmal leise im Abspann zu hören: this is not a movie, this is reality.

Nazi-Pop mit Biedermann-Maske

Nazis, Nazis überall, keine Ritze, aus der sie nicht kriechen, kein Fernsehnachtprogramm, in dem nicht der Führer zu den Seinen spricht. Die rechte Gefahr ist allgegenwärtig, beim "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel), der aus Zuschauen und Hingucken bestehen kann, muss jeder mitmachen, will er nicht selbst als Nazi auf der nächsten Hausdurchsuchungsliste stehen.

Dafür lässt die Bundesregierung gern auch ein paar Euro springen, wie Netzwerkrecherche herausgefunden hat geht es ja auch um eine bislang weit unterschätzte Gefahr: Weite Teile der deutschen Rockszene sind nach Recherchen, die vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Zeitraum 2001 bis 2006 mit rund 51,5 Millionen Euro gefördert wurden, deutsch-nationale Jugendverderber.

Von Ina Deter über Veronika Fischer, Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen) und Heinz Rudolf Kunze bis Klaus Lage, Udo Lindenberg, Peter Maffay und Wolfgang Niedecken reicht die Liste der Künstler, denen das Anti-Defamation Forum mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung die Biedermann-Maske vom Gesicht reißen konnte. Darunter verbergen sich dann, so heißt es, "Musiker und Bands, die deutsch-nationalistische Position vertreten" - kleine Nationalsozialisten quasi, die singende Fünfte Kolonne des Führers, mit Rosenstolz und Rudolf Schenker, Moses Pelham, Pur und Achim Reichel.

Das Anti-Defamation Forum, zitiert Netzwerkrecherche, beschreibe sich selbst als „Forschungs-, Kommunikations- und Aktionzentrum“ mit den Zielen: „Wir betreiben Aufklärungsarbeit … Wir beobachten rechte Tendenzen und intervenieren dagegen … Wir stärken demokratische Strukturen“. Ein „Hauptziel ist hierbei, durch die Bereitstellung von Informationen eine Gegenöffentlichkeit zur Neonazi-Propaganda und zur Holocaust-Leugnung im WWW zu schaffen“.

Die Enttarnung von Lindenberg und Lage als Leugner, das hat was. Aber es wird natürlich so gern mit Steuergeldern gefördert, dass es kracht. Das "Aktionsprogramm CIVITAS" verweist in seiner Ausarbeitung: „Erscheinungsformen des Rechtsextremismus“ auf das „Anti-Defamation Forum Berlin“, bei dem sich der Leser per Mausklick „weitere Informationen“ einholen kann - etwa zum Stahlhelm-Sänger Udo Lindenberg, zur deutschnationalen Marschkapelle Sportfreunde Stiller und zum Soul-Nationalisten Xavier Naidoo. Gut angelegt, das Geld, denn nun sind wir gewarnt. Nur Herbert Grönemeyer fehlt noch.

Unterschiede


exzentriker wuerden nie lemminge sein wollen. und lemminge
nie drueber gruebeln, was sie nich sein wolln wuerdn.

Moriarty: Jimmy


Klingt wie: a velvet couch, a subterranean salt cathedral, the russian taïga, a country train

Stimme straff gespannt

Alles fällt, also auch die Melodie, zumindest in der Strophe. "World wait forever never / take the time / don't break my heart / again", singt der Meister da. Gibts nicht viel gegen vorzubringen.

Wer könnte es gesagt haben?

Die Überschrift ist absichtlich anders als beim bisherigen Zitate-Raten formuliert. Also: No Google!

"Der Pazifismus ist objektiv profaschistisch. Das sagt einem der elementarste gesunde Menschenverstand. Wer die Kriegsanstrengungen der einen Seite behindert, hilft den Kriegsanstrengungen der anderen Seite."

Verbot der Woche: Noch ist Polen nicht verboten

Zwar konnte die Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach in einer deutsch-polnischen Gemeinschaftsaktion überzeugt werden, ihre Bewerbung für den Vorsitz der Vertriebenenzentralmahnstelle zurückzuziehen, doch kommen Bundeskabinett und polnische Regierung in einem zweiten gemeinsamen Bewältigungskonzept offenbar nicht so recht voran.

Während die deutschen Behörden gerade erst wieder einen vernichtenden Schlag gegen die "Rechtsrock-Szene" (dpa) mit ihren Grunzgitarren und kaum verständlichen Texten landen konnte und damit ein gutes Stück vorankamen im "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel), arbeitet ein über ganz Polen verteiltes Netzwerk von Militaria- und Nazi-Devotionalienhändlern bislang völlig unbehindert weiter. "Auf Flohmärkten", so heißt es in einem dem Zuschauen-statt-Weggucken-Board PPQ vorliegenden internen Bericht aus der deutschen Botschaft in Polen, "findet sich derzeit vom SS-Koppelschloß über den HJ-Dolch, von mit Hass-Märschen besungenen CDs bis zu SS-Uniformteilen alles, was das Herz des Neonazis begehrt." Es sei den polnischen Behörden bislang nicht gelungen, den Handel, der nach deutschen Gesetzen streng verboten ist, zu unterbinden. Die "polnische Seite", vermerkt das Papier, nehme damit wohl Rücksicht auf eine wachsende Kleinindustrie, die den "Mangel an originalen Militaria aus dem Dritten Reich" inzwischen "fleißig, einfallsreich und detailverliebt" mit "handwerklich oft gut gemachten Nachbauten" ausgleiche. Die polnische Regierung habe Angst, dass ein hartes Vorgehen gegen die SS- und Wehrmachts-Ausrüstungswerkstätten zu Protesten in der Bevölkerung führe, die Arbeitslosigkeit fürchte, wenn der Produktionsausstoß von SS-Kragenspiegeln, Eisernen Kreuzen, Wehrmachtsstiefeln und künstlich nachgerosteten Bajonetten eingestellt werden müsse.

Als Konsequenz aus den fortgesetzten Verstößen gegen deutsches Recht auf polnisches Flohmärkten, deren Angebot "direkt auf deutsche Kunden abziele", werde die Bundesregierung in den nächsten Tagen mit dem polnischen Ministerpräsident Donald Tusk ein "Komplettverbot von Polen im Stil der bereits erfolgreich verhängten Dänemark- und Schwedenverbote besprechen. Nachdem Deutschland Frau Steinbach zurückgezogen habe, rechne sie mit einer baldigen Lösung im Zwist um die Koppelschloßfabriken, hieß es aus dem Umfeld der Kanzlerin. Die Oder und die Neiße würden danach wieder Friedensgrenze sein. Per Hausdurchsuchung wolle man überdies versuchen, bereits bevorratete Koppelschlösser, Naziorden und Ehrendolche bei den Käufern sicherzustellen. "Wenn der Nachschub aus den polnischen Bastelstuben erst abgeschnitten ist", glauben Experten, "reicht eine konsequente Komplettdurchsuchung aller Wohnungen, um Deutschland frei von Nazi-Memorabilia zu machen.

Mittwoch, 4. März 2009

Sozialdemokraten sind Spezialdemokraten - Wie ein Pressesprecher einen Minister abserviert

Angeblich liegt der Volksstimme das Schreiben von Franz Stänner vor. Die veröffentlichten Ausschnitte lassen einem nur die Augen reiben. Was läuft da? Man hält es im Kopf nicht aus: Der eigene Pressesprecher torpediert mit einem Brandbrief seinen sicher nicht sonderlich sympathischen Minister. Und hernach landet dieses "interne Schreiben an den SPD-Landesvorstand" ausgerechnet bei der hochinvestigativen Magdeburger Volksstimme. Eine Frage: Sind die Stänners, Bullerjahns, Hövelmanns und Co. wirklich so schreiend komisch??? Oder liegt es an mir? Denen ist nicht mehr zu helfen. Und mir auch nicht: vor haltlosem Lachen. 

"Der Bonus, den wir in zwei Jahren erwirtschaftet haben, ist futsch"

Hier die wichtigsten Passagen des Schreibens Franz Stänners. Die Fettungen folgen dem Original:

Das Thema

Die SPD-Sachsen-Anhalt hat beschlossen, ohne Koalitionsaussage in die kommenden Wahlen zu gehen. Sie hat nach meinem Wissen noch nicht beschlossen, ohne Wähler in die kommenden Wahlen zu gehen.

Der Zustand

Wir haben uns in den beiden vergangenen Jahren zu Recht viel darauf zugute gehalten, " der Motor der Koalition " zu sein ...

Die Öffentlichkeit (Mitglieder, Medien) ist dieser berechtigten Selbsteinschätzung gefolgt. Zwei Wochen haben gereicht, diesen Vorsprung zu verlieren.

Die Spektakel

Da war die Vorgeschichte des Parteitages ... Die Debatte um die Landesliste erhöhte die Erwartung auf zünftige Diskussionen auf dem Parteitag ... Doch durch die nachfolgenden Ereignisse kam einiges zusammen und so war die Kommentar-Frage " Was ist los in der SPD?" berechtigt.

... da war der über die Öffentlichkeit ausgetragene Streit zwischen Holger und Jens über die Pauschalierung ... Es war Holgers Fehler, diesen Punkt zuvor nicht intern angesprochen zu haben; der von Jens bestand in der nachfolgenden Bullterrier-Attacke. Wie ein weltbekannter Staatssekretär sagte: " Der eine schweigt, der andere brüllt. " Ein interessantes Kommunikationsmuster, das im wirklichen Leben gern zu Scheidungen führt. Es führt selten zur Spitzenkandidatur ... Beschädigt wurden beide, wie es auch prompt nachzulesen war ...

... schließlich war da der Missbilligungsantrag gegen Holger ...

Die Abweisung des Antrags ist natürlich kein Sieg. Die Botschaft dahinter: In der Regel nimmt eine Opposition dieses Instrument nur in die Hand, wenn sie glaubt, ein Minister sei schon angeschlagen ... Hätte sie etwas Ernsthaftes in der Hand, würde sie auf Abwahl plädieren. Aber steter Tropfen höhlt den Stein ...

... und dann war da noch die Sache mit dem Rücktritt ... Die brüske Art der Abwendung hat Verletzungen hinterlassen, vor allem beim Minister selbst. Darüber muss man an anderer Stelle reden. Worüber man jedoch an dieser Stelle reden muss, ist, was zutage gefördert wurde und in allen Zeitungen stand. Über das (parteiübergreifend) ungläubige Erstaunen bei allen, die Minister und Staatssekretär aus der täglichen Arbeit kannten ... Die allgemeine Erregung war echt, und ihr Resultat waren ein heftiger Rückschlag für das Ministerium, äußerst freundliche Nachrufe für Christian und ein schwerer Image-Schaden für den Minister.

Die öffentliche Scheidung machte publik, was bislang wenige wussten. Doch Minister zu sein heißt unabdingbar, im Lichte der Öffentlichkeit zu stehen ... Die unausgesprochene, aber allgemein gestellte Frage war: Wie kann ein Minister, der seinen Führungsanspruch nicht verbirgt, eine Situation entstehen lassen, in der ihm sein wichtigster Mitarbeiter auf diese Weise die Schuhe vor die Türe stellt?

Die Antwort liegt nur zum Teil in Art und Intensität der Belastung, an dem enormen Zeitbudget für Amt und Minister. Auch die fröhliche Aussicht auf weiteren Arbeitsaufwand durch das Durchsteuern des Konjunkturpakets schuf sicher zusätzlichen Druck. Da läuft irgendwann der Speicher über ...

Die Frage entsteht: Warum wurde das nicht rechtzeitig erkannt? Die Antwort liegt zum anderen in der Situation im Hause. Darauf hat sich die regierungsinterne und Medienöffentlichkeit mit Hingabe gestürzt. Der eine brüllt, der andere schweigt — bis er nicht mehr kann. Unser Jens sendet im täglichen Verhalten verwirrende Doppelbotschaften aus. Einerseits gibt er den netten Kumpel aus Ziegelrode (der er zweifelfrei ist), andererseits greift er bei der Durchsetzung seiner Interessen zu Verhaltensweisen, die in der politischen Ideengeschichte hinreichend beschrieben sind: Tyrannis. (Eine gemäßigte Form: es gibt keine Toten, nur Kündigungen, äußere und innere).

Diese Doppelbotschaft irritiert alle Gesprächspartner — insbesondere jedoch die, die abhängig beschäftigt sind. Ein wertschätzender Umgang auf Augenhöhe würde die Schaffensfreude und Kreativität aller Beteiligten befördern. Die Entscheidungen danach bleiben einem Minister ohnehin vorbehalten.

Der vergangene Donnerstag war, wie die letzten Tage insgesamt, für Jens sicher nicht einfach. Es spricht für ihn, dass er sich ihnen gestellt hat. Und der öffentliche Dank an Christian zeigte, dass der Minister auch zur Größe fähig ist, wenn der Druck entsprechend groß ist.

Das Resultat

Wir alle haben in den vergangenen Wochen öffentlich Fehler gemacht oder zugelassen ... Jetzt tragen wir die Folgen. Wichtig: Die Fehler sind hausgemacht, nicht durch die Presse oder andere Parteien ... Aber der Bonus, den wir in den beiden ersten Jahren erwirtschaftet haben, ist futsch. Wir sind jetzt ganz normale Wurschtl wie die anderen auch. - Das gibt Anlass zur Hoffnung.

Die Ursachen der Fehler sind zum Teil sachlicher Natur, zum Teil liegen sie im Charakter der handelnden Personen (aber auch derer, die schweigen!) ...

Die nächsten Schritte

1. Kritik ist in Ordnung, aber sie muss in einer Form kommen, die zu verarbeiten ist. Allerdings muss auch mal hingehört werden. Öffentliches Getuschel war in der vergangenen Woche emotional leider unvermeidbar, nützt aber niemandem und sollte tunlichst allmählich eingestellt werden ...

2. Von den Frontfrauen und -männern muss jetzt ein Signal " Wir haben verstanden " kommen ... Das Publikum erwartet nach den beiden letzten Wochen Bußfertigkeit und konstruktive Arbeit ...

3. Die öffentlichen Hakeleien zwischen Holger und Jens müssen sofort aufhören. Der Landesvorstand ist gefordert. Er muss ein Verfahren festlegen und verkünden, auf welche Weise die Auswahl des Spitzenkandidaten stattfnden sollte. Diese Frage ist das Einfallstor für ständige Spekulationen und ein lustvoller Anlass zur Berichtserstattung. Im Notfall: elder statesman beauftragen.

4. Die Stimmung in der Partei ist schlecht ... Landesvorstand, Fraktionsvorstand und Ministerriege müssen verstärkt kommunizieren, und zwar inhaltlich und nicht nur durch Abarbeiten von Tagesordnungen. Uninformiertheit und Feigheit vor dem Freunde sind ständige Quellen von Gerüchten und Unterstellungen.

5. In der Öffentlichkeit kommt es auf die Ministerinnen und Minister an. Das öffentliche Produkt " Minister " ist nur zu einem ( allerdings wesentlichen ) Teil eine Einzelperson mit ihren inhaltlichen und persönlichen Stärken und Schwächen. Das Produkt " Minister " ist auch das Ergebnis der Anstrengungen und des Vertrauens zumindest des persönlichen Umfeldes. Der eine schweigt - der andere tobt. Das geht nicht gut. Holger muss lernen zu reden, um sich beraten zu lassen; Jens muss lernen zu schweigen, um sich beraten zu lassen. In einer Atmosphäre der Unduldsamkeit und des Durchsetzungswillens schweigen die einen aus Angst, die anderen, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben. So produziert man Hofschranzen und keine selbstbewussten Leistungsträger. Am Ende ist ein Minister dann allein zu Haus.

6. Wir haben eine dramatisch dünne Personaldecke ... Weitere Abgänge sind daher unbedingt zu vermeiden.

7. Nehmt Eure Verantwortung für Euch und Eure Mitarbeiter wahr und organisiert die Arbeit (und) Ressourcen schonend. Gerade die Engagierten sind gefährdet, die anderen haben sich ohnehin schon ins Archiv verdrückt. Das Bespielen überdrehter Vorgesetzter zu nachtschlafender Zeit ist z.B. eine freiwillige Leistung selbst dann, wenn sie als Arbeitsbesprechung getarnt wird. Sie kann nicht über den Arbeitsvertrag eingefordert werden. Nächtliche Anrufe sollten Fällen vorbehalten werden, in denen es um Krieg und Frieden geht. Wenn etwas wichtig ist, ist es auch noch am kommenden Morgen wichtig. Besprechungen sollten nur abgehalten werden, wenn es etwas zu besprechen gibt usw.

8. Achtet auf Eure körperliche und seelische Gesundheit und die Eurer Mitarbeiter. " Im Dienst verschlissen " ... — heute wirkt es nur noch dumm.

Im Übrigen habe ich keine Lust, zum nächsten Wahlkampf " mit einem Lazarett ausgebrannter Zombies " anzutreten, die darüber hinaus untereinander noch spinnefeind sind. Das schlägt auf die Prozente ...

Fremde Federn: Bye, bye Bullerjahn


Sachsen-Anhalts SPD in der Krise

"Keine Lust auf ausgebrannte Zombies
Von Michael Bock und Jens Schmidt

Der Streit zwischen den SPDMinistern Holger Hövelmann und Jens Bullerjahn sowie das äußerst angespannte Arbeitsklima in Bullerjahns Finanzministerium weitet sich zu einer Parteikrise aus. Ein Schreiben von Bullerjahns Ministeriumssprecher Franz Stänner an den Landes- und Fraktionsvorstand spricht Bände.

Magdeburg. Am Rosenmontag, dem 23. Februar, tagten um 16 Uhr in der SPD-Parteizentrale in der Magdeburger Bürgelstraße die Mitglieder der sogenannten A-Runde. Minister, Staatssekretäre, Fraktionschefn. In Karnevalsstimmung war keiner. Der öffentlich ausgetragene, ins Mark gehende Streit zwischen Finanzminister Bullerjahn und Innenminister Hövelmann um die Verteilung der Gelder aus dem Konjunkturpaket hatte die Parteispitzen in vorzeitige Aschermittwochsstimmung

versetzt. Zudem hatte fünf Tage zuvor Bullerjahns bester Mann, Staatssekretär Christian Sundermann, seinen Job hingeworfen. Grund: Streit um Bullerjahns Amtsführung. Die Tür fiel heftig ins Schloss, Bullerjahns Ansehen sank rapide, die Partei rasselte in eine Krise. Um allen den Ernst der Lage klarzumachen, hatte Franz Stänner, Pressesprecher Bullerjahns und Berater der SPD-Spitzen, die Situation schonungslos zu Papier gebracht. Das als vertraulich deklarierte Schreiben ging per E-Mail an alle SPD-Spitzen. Tenor: " Der Bonus, den wir in den beiden ersten Jahren erwirtschaftet haben, ist futsch. " Die A-Runde beriet, beratschlagte, kritisierte, gab Stänner Recht. Bullerjahn und Hövelmann hörten schweigend zu.

Der 60-jährige Stänner gilt als gewiefter Stratege und exzellenter Kenner der politischen Szene. Einige in der Partei nennen ihn einen menschlichen " Seismografen "; ihm wird zugetraut, parteiinterne Beben frühzeitig zu erkennen. Stänner weiß, wie sich eine Krise anfühlt. Er war von 1999 bis 2002 unter Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) Regierungssprecher und hatte 2001/2002 miterlebt, wie eine 35-Prozent-Partei binnen weniger Wochen auf 20 Prozent abstürzte.

In den vergangenen Wochen hatte der " Seismograf " etliche politische Erschütterungen registriert.

Während Finanzminister Bullerjahn fachlich weithin anerkannt, im Menschlichen aber zunehmend umstritten ist, ist es bei Hövelmann umgekehrt. Fachlich ging beim Innenminister und ehemaligen Zerbster Landrat einiges schief: Seine Polizeireform erhielt ein verheerendes Zeugnis von den Staatsanwälten des Landes, hinzu kamen Pannen und Fragwürdigkeiten bei Ermittlungen, der Kriminalstatistik oder zuletzt der Besetzung des Rektorpostens der Polizeifachhochschule. Einige Genossen fnden, dass er zu schnell die Schuld bei anderen sucht.

Etliche Mitstreiter kreiden Hövelmann an, dass er in entscheidenden Runden den Mund nicht aufmacht: So hielt er sich während einer ersten Beratung über die Verteilung der Konjunkturgelder zurück, um kurz danach lautstark eine höhere Pauschale für die Kommunen einzufordern. Bullerjahn, der mehr Geld über die Landesministerien verteilen wollte, fühlte sich ausgetrickst.

Im Umgang mit Kollegen aber verliert Hövelmann selbst im größten Stress nie Anstand und Nerven, was ihm seine Genossen hoch anerkennen. Stendals SPD-Kreischef Ralf Bergmann meint: " Hövelmann führt die Partei super, ich bin sehr angetan. " Bernward Rothe, Innenpolitiker in der Landtagsfraktion, sagt über Hövelmann : " Er ist sehr hart im Nehmen ohne ein Kritik-Ignorant zu sein. " Innen-Staatssekretär Rüdiger Erben (SPD) erzählt: " Ich habe von ihm noch nie einen Ausraster erlebt. " Und fügt lächelnd hinzu: " Er von mir schon ... "

Da geht es im Hause Bullerjahn ganz anders zu: Stress, nächtliche Anrufe, Wutausbrüche. Sein Sprecher Stänner kommentiert: "‚ Im Dienst verschlissen ‘ war vielleicht in den fünfziger Jahren noch ein gesellschaftlich attraktives Epitheton (Beiwort, d. Red.) – heute wirkt es nur noch dumm. "

Die Unterschiedlichkeit der beiden SPD-M änner Bullerjahn und Hövelmann fasst Berater Stänner so zusammen: " Der eine schweigt, der andere tobt. Das geht nicht gut. " Mit Blick auf den 2010 beginnenden Landtagswahlkampf formuliert Stänner drastisch: " Ich habe keine Lust, mit einem Lazarett ausgebrannter Zombies anzutreten. "

Lange Zeit blieb Bullerjahns Stil unter der Decke. Denn außerhalb seines engeren Umfelds agiert er anders. Aufgeschlossen, zwar auch mal ruppig, aber nicht verletzend. Kreischef Bergmann, der auch in der Landtagsfraktion sitzt, denkt: " Es ist sicher ein hartes Brot, mit ihm klarzukommen; aber es wäre auch schade, wenn wir alles durchgestylte Weicheier wären. " Bergmann erzählt: " Ich kenne Bullerjahn als feinen Kerl. Natürlich sind wir auch mal nicht einer Meinung, aber so eine Fraktion ist schließlich nicht der Thomanerchor. Dann wird diskutiert, aber er wird dabei nicht laut. "

Sozialdemokraten, die in der Regierung arbeiten, sehen Bullerjahns Schwächen in einem grelleren Licht. Stänner fasst Bullerjahns Widersprüchlichkeit so zusammen: " Einerseits gibt er den netten Kumpel aus Ziegelrode (der er zweifelsfrei ist), andererseits greift er bei der Durchsetzung seiner Interessen zu Verhaltensweisen, die in der politischen Ideengeschichte hinreichend beschrieben sind: Tyrannis. "

" So eine Geschichte wiegt in der Öffentlichkeit meist schwerer als eine Polizeipanne. Denn solche persönlichen Dinge sind mit realer Politik nicht zu korrigieren ", sagt ein SPDMann. Ein anderer Genosse weiß, dass einige Beamte in Bullerjahns Ministerium nur noch Dienst nach Vorschrift machen und ätzt: " Bullerjahn ist an die Grenze dessen gekommen, was man als Stinkstiefel erreichen kann. " Ein anderer findet: " Bullerjahn hat deutlich mehr Schuld am Konfikt in der Partei als Hövelmann. So sehen das auch viele an der Basis. "

Jüngster Anlass war der Parteitag in Zerbst, auf dem sich Hövelmann und Bullerjahn in aller Öffentlichkeit zofften. Doch Bullerjahns Satz : " Holger hat viele Probleme ", traf viele ins Mark, er war auch eine Steilvorlage für die Opposition, die wenige Tage später einen Misstrauensantrag gegen Hövelmann im Landtag einbrachte. So sehr hatte noch niemand zuvor in Sachsen-Anhalts SPD den eigenen Parteichef öffentlich vorgeführt wie Bullerjahn. " Dass wir einen Streit auch mal offen ausfechten, ist in Ordnung, aber der Stil hat mir überhaupt nicht gefallen ", schimpft der Harzer SPDKreischef Michael Schubert.

Etliche machen sich auch Gedanken, warum Bullerjahns bester Mann, Staatssekretär Christian Sundermann, gerade jetzt das Handtuch warf, wo er doch Bullerjahns Art kannte. " Vielleicht hatte es mit Bullerjahns Rückkehr in den Job zu tun?", spekulieren manche. Bullerjahn war zwei Monate krank, Sundermann hatte ihn vertreten – mit ruhiger, aber geschickter Hand, wie alle in Regierung und Fraktion finden. Auch Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lobte Bullerjahns Stellvertreter für seine Art fast überschwänglich als " sehr versiert, sehr solide und sehr zuverlässig ". Ende Januar kam Bullerjahn zurück, Ende Februar quittierte Sudermann seinen Job. Bullerjahns Haus und die SPD ließen verbreiten, dass Sundermann vor allem seiner Familie in Berlin wegen Magdeburg den Rücken kehrte – was aber def nitiv nicht stimmt. Das weiß jeder, der mit Sundermann geredet hat. Es war Bullerjahns Umgangs- und Arbeitsstil, der nun wieder einzog. " Da hatte sich drei Jahre etwas aufgestaut ", sagte Sundermann am Tag des Rücktritts der Volksstimme.

In einem letzten Schreiben stellte Sundermann seinem alten Chef Bullerjahn ein hartes Zeugnis aus. Tenor: Du kannst es nicht. Ich kann Dich nicht mehr ertragen.

In der SPD schwoll in den vergangenen Tagen eine Diskussion an, ob Bullerjahn das Zeug zu einem guten Ministerpräsidenten hat – was Bullerjahn ja nach der Wahl 2011 werden will. Umstritten ist auch Hövelmann, der dieses Ziel ebenfalls vor Augen hat. In der Partei fragen sich einige Genossen, ob Sundermanns Ausstieg wohl bedacht war. Wollte er mit seinem geräuschvollen Rückzug den Weg freimachen für die Diskussion um einen anderen Spitzenkandidaten? Fraktionschefin Katrin Budde genießt hohes Ansehen. Und einem Manfred Püchel, der 2004 von Partei- und Fraktionsvorsitz zurückgetreten war, trauen viele zu, auf Anhieb etliche Prozentpunkte mehr einzufahren als Bullerjahn oder Hövelmann. " Was nutzt es uns, wenn einer 100 Prozent in der SPD, aber nur 18 Prozent beim Wahlvolk holt?", sinniert ein Spitzen-Genosse. Meinung

(Magdeburger Volksstimme)

Wer hat es gesagt?

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten:,Wo kämen wir hin?‘, und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge?“

Mannichl: Schürfen am Schorf

Ein Mann geht seinen Weg, unbeirrt und unbelehrbar. Eben dachte das Publikum noch, es würde nie mehr etwas hören vom sagenhaften Nazi-Überfall auf den Passauer Polizeidirketor Alois Mannichl. "500 Spuren führen ins Nichts", vermeldete die Heimatzeitung des engagierten Beamten Ende Februar - und das war die letzte Wasserstandsmeldung aus einem Verfahren, in dem "50 Beamte" der Sonderkommission Lebkuchenmesser seit nunmehr beinahe drei Monaten versuchen, einen 1,90 großen, glatzköpfigen Rechtsradikalen mit bayrischem oder österreichischem Dialekt zu finden, um mit seiner Hilfe die NPD zu verbieten.

Doch von wegen Ruhe! Alois Mannichl selbst, von dem alle dachten, er sei ganz froh, dass die Zeit der peinlichen Schlagzeilen und entwürdigenden Nachfragen vorüber ist, legt nun in der bunten Illustrierten "Stern" wieder auf. Zu hören: Ein Remix aus Bekanntem und neu Reflektiertem feat. Ehefrau Anneliese Mannichl im Backroundchor. Überraschende Offenbarung: Mannichl sieht sich nunmehr nicht mehr als Opfer eines NPD-Mitglieds, sondern als Opfer eines "Wahnsinnigen". "Für mich ist klar, dass er ein Wahnsinniger ist", sagte Mannichl dem "Stern". Dieser vermeldet weiter aus dem Gerspräch, Mannichl habe seine Überzeugung bekräftigt, "dass der Angreifer ein überzeugter Rechter, der aber nicht in einer Organisation sein muss", gewesen sei. Langjährige Fahnder-Enttäuschung spricht dann aus dem Satz: Derartige Einzeltäter seien "am schwierigsten zu ermitteln".

Während die 50-köpfige Sondergruppe noch immer nach DNA-Spuren an den Anfang Januar im Tiefschnee gesammelten Zigarettenkippen und diversen Kleinteilen sucht, ordnet der Polizeidirektor die Ermittlungspannen schon mal medial ein. "Dieser Erfolg war für den Täter wesentlich größer, als wenn er mich getötet hätte. Der muss ja strotzen vor Selbstbewusstsein", mutmaßt er. Ob sich daraus ein neuer Ansatzpunkt für ein Verbot von irgendwas und irgendwem ergibt, steht allerdings noch nicht fest.

Aber der "Stern", ein Organ des bissigen Journalismus, fragt auch gar nicht. Nicht danach, welche von drei kursierenden Tatdarstellungen des Opfers nun zutreffend ist. Nicht danach, wieso an der Tatwaffe erst "keinerlei DNA-Spuren", später aber "zahlreiche Anhaftungen" festgestellt werden konnten. Nicht nach seinem Verhältnis zur einzigen Zeugin, die die Polizei auf die falsche Spur des inzwischen legendären Schlangentattoo-Mannes gesetzt hatte. Und nicht danach, wie lebensgefährlich der "Stich neben das Herz", der vier Wochen später in die Bauchgegend gerutscht war, nun wirklich gewesen sei. Alois Mannichl schürft am Schorf, bringt sich selbst zurück in die Schlagzeilen und beruhigt damit, dass seine Wunde "sehr gut verheilt" sei. Aber nach wie vor müsse "die Angst verarbeitet werden, dass dieser Wahnsinnige irgendwann wiederkommt". So lange jedenfalls, wie die NPD nicht verboten ist.

Wir sind die Fans von Egon Krenz

Da ist er wieder, der Dialog, den SED-Chef Egon Krenz seinerzeit seinem Volke anbot, um seinen Stuhl zu retten. Diesmal findet er statt zwischen Juden und Christen, wobei mit "Christen" Katholiken gemeint sind. Katholiken und Juden trennt seit den Äußerungen des britischen Predigers Williamson ein Dissenz, tief wie ein Burggraben. Williamson hatte wissen lassen, dass er nicht nur glaube, der Mensch sei aus Lehm gemacht und die Frau als minderes Wesen gehören an den Kochtopf, wo die Mehrheit der strenggläubigen deutschen Katholiken noch mitgegangen wären. Sondern auch, dass der Holocaust habe nicht stattgefunden habe.

Ein Fall für den Staatsanwalt, der Williamson auf den Spuren des großen deutschen Religionsstifters und Antisemiten Martin Luther sieht. "Wenn mir Gott keinen anderen Messias geben wollte, als ihn die Juden begehren und fordern, so wollte ich lieber eine Sau als ein Mensch sein", schrieb der, enttäuscht darüber, dass die Juden sich seinem reformierten christlichen Glauben nicht anschließen wollten. Das irgendwann wieder anstehende Lutherjahr, in dem der Judentäufer ("Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams.") als glorioser Familienmensch und Kirchenerneuerer gefeiert werden wird, empört den Zenrtalrat der Juden in Deutschland dennoch wenig. Verglichen mit der Ex-Exkommunizierung des Richard Williamson: Die muss zurückgenommen werden, fordert der Zentralratschef. Während israelische Kabarettisten sich über den Papst lustig machen, was den Vatikan nach einer Entschuldigung verlangen lässt.

Ein Glaubenskrieg, im Grunde. Und verletzte religiöse Gefühle allüberall, gebrochene Herzen und gequälte Seelen. Glaube, egal welcher Art, scheint Menschen vor allem dünnhäutig zu machen: Ein gezeichneter Mohammed lässt empörte Moslems weltweit ihresgleichen tottrampeln. Ein gekreuzigter Frosch erzeugt unter Katholiken Bluthochdruck und Kreuzigungsforderungen. Würde Luther als der Antisemit bezeichnet, der er war, sähen sich Evangelen veranlasst, nach der Polizei zu rufen. China unterdrückt Buddhisten, Deutschland Menschen, die glauben, zwei Blechdosen in der Hand und ein Sciencefiction-Buch auf dem Nachttisch machten sie unsterblich. Darf ein Mann, der glaubt, eines tages kommen die Außerirdischen, um ihn in eine bessere Welt zu fliegen, im Kino einen Mann spielen, der aus dem Polenfeldzug nach Hause berichtete: "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu gebrauchen, arbeitsam, willig und genügsam.“

Einig sind sich die letztlich immer nur und mit allen Mitteln um den richtigen Glauben streitenden Parteien nur in einem: Mehr Dialog tut not, mehr Dialog muss sein. Das meldet dann auch die "Tagesschau", als wäre die Unterhaltung von Mitgliedern verschiedener Sekten, die angestrengt an unterschiedlichen Unsinn glauben, eine Nachricht auch in der wahren Welt.

Atheisten und Agnostiker haben keinen Zentralrat, keinen Papst und keine Bischofskonferenz. Sie leugnen Gott und stehen in allen Religionen deshalb außerhalb jedes Dialogangebots, nahe bei den Hunden, Katzen und anderem Hausgetier. Keine Kumpels aus der Umma, kein Objekte, denen durch Gottes Wort Erlösung winkt.

Atheisten und Agnostiker staunen denn auch nur, dass Muslime Mitglied in einer christlichen Partei sein können. Dass Mitglieder des Bundestages, überwiegend zumindest erklärtermaßen Freunde Israels, bereits im Jahr 2008 ein erstes Vorbereitungstreffen veranstalten, um den Judenfresser Martin Luther anno 2017trefflich feiern zu können. Und darüber, wie ernst der "Tagesschau"-Sprecher schaut, während er über den Pius-Prediger spricht, der eben nicht nur einfach den Quark mit dem Lehm und der Frau aus einem Knochen zu glauben scheint, sondern noch viel mehr Schwachsinn.

On and on and on


Das Video ist nicht direkt der Knaller, aber Song passt zum Sonnenschein.

Wer hat es gesagt?

"Fast tot zu sein, ändert gar nichts."

Reflexe gegen rechts


Olaf Sundermeyer arbeitet als freier Autor für die F.A.Z. und verschiedene Fernsehmagazine von WDR und RBB, komischerweise hat er auf . npd-blog.info dessenungeachtet einen bemerkenswerten Text geschrieben, der den von Urinstinkten und medialen Reflexen geprägten Umgang von Politik und Medien mit den "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel) thematisiert. "In den Reflexen liegt das Problem", zitiert Sundermeyer Steffen Grimberg, den Medienredakteur der tageszeitung. Sie verhinderten einen journalistisch angemessenen Umgang mit den Feinden der Demokratie, findet der taz-Mann, der den "Umgang der Redaktionen mit der rechtsextremen NPD seit Jahren kritisch begleitet". Am schlimmsten seien die kurzzeitigen Reflexe, sagt Grimberg - auf mutmaßlich rechtsextreme Gewalttaten. Die flackern schnell auf - und wieder ab. Sie hinterlassen keinen Erkenntnisgewinn über die rechte Szene, im Gegenteil, was bleibt ist eine NPD, die sich an der Opferrolle labt. Und beim Leser der Eindruck, möchten wir vom kleinen Zugucken-Board PPQ hinzufügen, wer Unrecht tut, mag recht haben, aber Recht geben mag man ihm nicht.

Sundermeyer hat auch zugeschaut, genau sogar. Und bemerkt, dass der mediale Umgang mit dem Fall Mannichl, der postwendend mit der NPD-Verbotsdebatte verbunden wurde, nach hinten losging. In der NPD-Parteizeitung “Deutsche Stimme” schreibe NPD-Funktionär Andreas Molau: “Kriminaltechnische Fragen schien man sich erst gar nicht zu stellen. Dass die NPD rein gar nichts mit dem Anschlag zu tun hat, stört die Politiker und ihre willigen Medienvollstrecker wenig.” Große Freude bei der NPD darüber, "dass dieser Fall selbst die spektakulären Fälle von Sebnitz (Der kleine Joseph), Potsdam (Ermyas M.) und Mittweida (Hakenkreuz-Rebecca) in den Schatten stellt”. Der Rest des Textes hier.

Unheimliches aus Usbekistan

Unheimliches berichtet die Illustrierte "Spiegel" aus Usbekisten, wie wir Nichtabonennten der Anmerkung entnehmen. Nach Abu Talha und Abu Silvio habe sich, so berichtet da frühere Nachrichtenmagazin, jetzt erneut ein islamistischer Humorist mit Kenntnissen der deutschen Sprache auf einer islamistischen Internetseite zu Wort gemeldet. "Sterbt den Tod der Ehre", fordere der Mann, der sich Abu Adam nennt, im Namen der "Islamischen Bewegung Usbekistans", die sich IBU abkürzt, was uns irgendwie ans Umweltbundesamt erinnert. Die IBU aber operiert nicht mit dem deutschen Fahrradklub, sondern laut "Spiegel", zu gut Lateinisch so viel wie "Spekulum", im Deutschen dann später der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Wortes "Spekulation", "mit den Taliban und anderen Terrororganisationen". Das unterscheidet sie nun aber wieder nicht so sehr von der EU, die mit der Terrororganisation Hamas kooperiert.

Abu Adam aber ist sehr viel gefährlicher. "Er trägt eine Jacke in Tarnfarben, neben ihm steht ein zweiter Mann, vermummt, mit einem Gewehr in der Hand", schildert der Spiegelreporter schaudernd, was er auf Youtube gesehen hat. "Der Koran ruft Euch, den ehrenvollen Tod für Allah zu sterben", fordert Abu praktisch akzentfrei. "Drum beteiligt euch an dem gesegneten Dschihad, sterbt den Tod der Ehre". Warum er selbst eine Karriere als Videoprediger anstrebt, statt sich zu Ehren des Allmächtigen eine RPG-Ladung in den Mund zu jagen, lässt Abu Adam, offen.

Dienstag, 3. März 2009

Insolvenz ohne Fans


Sie waren der unerwartetste aller DDR-Meister und der Meister der Herzen in Leipzig sowieso, weil sie der kleine Verein waren, der dem großen Staatsklub FC Lokomotive immer wieder mal auf dem Kopf herumtanzte. Die DDR hat Chemie Leipzig überlebt, auch die sportliche Dominanz des vorübergehenden Bundesligisten Lok, der sich da schon VfB nannte, konnte den Mythos Chemie nicht auslöschen.

Das tat der Verein dann selbst. Aus Chemie wurde "Sachsen", aus der traditionellen Spielstätte in Leutzsch wechselte der Verein für viel Geld in das für noch mehr Geld umgebaute Zentralstaion, eine Schüssel, die soviel Klubtradition hat wie eine Einwegflasche. Immerhin langte es dazu, den Stadtrivalen VfB noch einmal zu überflügeln - der blau-weiße VfB ging zum Insolvenzgericht, das grün-weiße Sachsen nahm Kurs auf die zweite Bundesliga.

Dort aber wird der Verein, seit Jahren am Leben gehalten nur von Gnaden des Kinowelt-Gründers Kölmel, nun doch nie mehr hingelangen. Während aus dem VfB wieder die alte Lok schlüpfte, die ohne Geld und Unterstützung in der 11. Liga wieder Fahrt aufnahm, kostete das viele, viele Geld für viele, viele teuere Spieler, das der Vorstand der Sachsen stets schnell auszugeben wusste, den früheren Arbeiterverein jetzt auch die vierte Liga. Zum zweiten Mal in wenigen Jahren hat der Klub, der ehemals noch Wert darauf gelegt hatte, eine Betriebssportgemeinschaft zu sein, heute angekündigt, morgen Insolvenzantrag stellen zu wollen. Das kurzfristige Defizit des Vereins belaufe sich auf knapp 500.000 Euro, hieß es bei einer Pressekonferenz in den edlen Räumlichkeiten des Zentralstadions. Hinzu kämen langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von rund 1,5 Millionen. Fußball, auch in der Provinzliga, ist ein teures Geschäft, wenn es an Geld nicht mangelt.

„Wir wollen unter allen Umständen die laufende Regionalliga-Saison zu Ende spielen, um in der kommenden Saison in der Oberliga starten zu können“, hieß es. Gelingt das nicht, stürzt auch der FC Sachsen bis in die tiefeste Amateurliga. Dort, in der 3. Kreisklasse, wartet schon die vor einiger Zeit vom FC Sachsen abgespaltene BSG Chemie Leipzig, eine Art Wiedergeburt der alten Legende aus Leutzsch, derzeit als Tabellenführer vor TSV Böhlitz-Ehrenberg II und dem SV Grün-Weiß Miltitz II.

Nächster und auf lange Zeit letzter Fußball-Höhepunkt in Leipzig ist nun der Auftritt der deutschen Nationalmannschaft. Die spielt in der Stadt, in der einst der DFB gegründet wurde, um die Qualifikation zur nächsten WM. Gegner der spannenden Begegnung vor dem fußballverrückten Leipziger Publikum ist bezeichnenderweise Liechtenstein.

Wer hat es gesagt?

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.

Fördermittel fürs Hamashäusle

Allah ist groß, noch größer aber ist die Hilfsbereitschaft des Westens, wenn es darum geht, Entschädigungszahlungen an Terroristen zu leisten. Im Hamasstreifen etwa, aus dem Israel über mehrere Jahre hinweg zuverlässig mit Raketen beschossen wurde, wurden durch den israelischen Gegenschlag Anfang des Jahres "mehr als 4000 Gebäuder zerstört" (dpa) und etwa 20.000 weiter "schwer beschädigt". Mindestens 50.000 der 1,4 Millionen Einwohner des kriegerischen Landstreifens seien deshalb obdachlos - hohe Zeit, dass die Weltgemeinschaft entschlossen hilft und den Raketenbastlern mit Fördermitteln unter die Arme greift.

Das tut sie nun: Auf einer Gaza-Geberkonferenz wurden 4,5 Milliarden Dollar gesammelt, mit denen die Palästinenser den Wiederaufbau ihrer Häuser finanzieren können. Für jedes zerstörte oder "schwer beschädigte" Eigenheim im Gaza-Streifen stehen damit rund 187.000 Dollar für die Renovierung zur Verfügung. Allahmal genug für jeden Hamas-Häuslebauer, um nach Abschluß der Bauarbeiten noch ein paar Cent für Raketen übrigzuhaben.

Wüste Küste


Anna Ternheim: Shoreline

Enttäuscht von der Ernüchterung

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer sind einer Umfrage zufolge viele Deutsche in Ost und West vom seitdem Erreichten mehr denn je enttäuscht. Nach einer Forsa-Erhebung sagen nur 46 Prozent der Einwohner auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, dass sich ihre persönlichen Lebensverhältnisse verbessert haben. Viele klagen darüber, dass es keine Auto Marke "Trabant" und "Wartburg" mehr zu kaufen gebe, auch wird kritisiert, dass Supermärkte die traditionelle Leckerei "Punschspitze" aus den Regalen genommen hätten. Gar nicht gut kommt bei vielen DDR-Zeitzeugen die Abschaffung von Pionierorganisation und FDJ-Jugendgruppen an. Die seien seinerzeit "nicht schlecht" für Kinder und Jugendliche gewesen, sagt einer der Befragten. Auf das Halstuch und die blaue Bluse habe man damals als junger Mensch noch stolz sein können.

Überall ist die Ernüchterung groß. Vor 20 Jahren noch hatten im Osten Deutschlands 71 Prozent der Menschen erwartet, dass es ihnen bald besser gehen werde. Doch die Träume sind geplatzt. Mit dem Alter kamen erste Zipperlein, manche haben es inzwischen im Rücken, andere am Knie. Auch vertrage man nicht mehr so viel wie früher, meinen 35 Prozent, die meisten von ihnen sind allerdings überzeugt, dass das "auch am Bier" liege: In der DDR sei das nicht nur billiger gewesen, sondern man habe auch ungleich mehr davon zu sich nehmen können, ohne betrunken zu werden.

Viele frühere Großbetriebe, in denen sich Millionen Ostdeutscher seinerzeit jeden Montag gemütlich zur Parteiversammlung trafen, sind abgerissen, die 1400 Kilometer lange Grenze, an der zehntausende junger Männer Arbeit und Brot als Wachmann, Minenspezialist oder Elektriker gefunden hatten, ist verschwunden. Durch die kolonialwarenartig organisierte Zulieferung von Gas-Brennwertkesseln und Ölheizungen der Marke Buderus gingen nicht nur beim Braunkohlehandel tausende Arbeitsplätze, sondern den ostdeutschen Städten auch das spezielle DDR-Luftaroma verloren.

Das schönste am Mauerfall sei so immer noch der Film "Sonnenallee" gewesen, meinen 77 Prozent der Ostdeutschen. Auch im Westen sehen nur 40 Prozent ihre Lage als besser an, mehr als die Hälfte findet, das alles viel schlimmer geworden ist als während der Massenstreiks in Montanindustrie und den Großdemos gegen den Nato-Doppelbeschluß, als Großkapital und Manager dem kleinen Mann wenigstens noch die Angst vor dem Atomkrieg gelassen hatten.

So sieht das auch der Osten mehrheitlich. Jeder vierte Ostdeutsche meint angesichts neuer Autobahnen, eines erneuerten Fahrzeugparkes, sanierter Straßen und mit Filtern versehener Chemiefabriken, dass es den Menschen in den fünf neuen Bundesländern heute schlechter gehe als vor 1989. Ehemals süße Babys seien zu störrischen jungen Männern und jungen Frauen gewachsen, die teure Handyrechnungen püroduzierten. Damals habe es noch Freundschaft und Liebe gegeben, zahlreiche inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit passten auf Schrit und Tritt auf jeden Menschen auf und weil es keine Handys gab, musste man sich auch nur eine eigene Telefonnummer merken. 0900er Nummern seien zudem noch nicht eingeführt gewesen, auch Tele5 und Das Vierte hätten noch nicht gesendet, so dass sich die ganze Familie ohne Streit immer wieder um den Sender DDR2 versammeln und den schönen Marx-Film "Die jungen Jahre" anschauen konnte. Heute hingegen komme man bei Gewinnspielen auf DSF oder Neunlive häufig nicht durch, obwohl man die Lösung ganz genau wisse. Außerdem sei es unsicher, mit Kreditkarte zu zahlen, weil rumänische Banden die weggeworfenen Quittungen aus Tankstellenpapierkörben stühlen. Auch im Internet lauerten zahlreich Fallen, die es zu DDR-Zeiten noch nicht gegeben habe. 47 Prozent aller Befragten gaben an, sich beim Surfen schon einmal einen Virus eingefangen zu haben, 87 Prozent versichern sogar, ihnen sei unverlangt Viagra-Werbung zugesand worden, 47 Prozent davon behaupten, sie hätten die englischsprachigen Mails gar nicht lesen und somit auch nicht verstehen können, seien aber gerade deshalb beunruhigt gewesen. Das sei ihnen in der DDR nie passiert.

Nur 39 Prozent der Menschen im Osten zählen sich deshalb explizit zu den Gewinnern der Einheit. «Die Euphorie, die nach dem Mauerfall herrschte, ist weitgehend verflogen», begründet Forsa-Chef Manfred Güllner die überraschenden Zahlen. Auf beiden Seiten der früheren Grenze sei die Enttäuschung spürbar, dass der Himmel auf Erden noch nicht errichtet worden sei. «Die Westler haben das Gefühl, nur für den Osten bezahlen zu dürfen», so Güllner. Die Ostdeutschen wiederum glaubten, sie seien nur ausgenutzt worden, weil der Westen scharf auf einmalige Errungenschaften wie den Haushaltstag oder die Lizenzschallplatte gewesen sei.

Montag, 2. März 2009

König, wer die Bauern schlägt

Sie sind wie die Montagues und die Capulets. Wie die Beatles und die Stones. Wie Merkel und Merz, Bohlen und Pop. Feuer und Wasser, Pauken und Trompeten. Himmel und Hölle. Magdeburg und Halle, die beiden kleinen größten Städte des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, trauen sich nicht über den Weg. Sie tun sich gegenseitig weh, wo sie können, sie sind eifersüchtig aufeinander und beargwöhnen den jeweils anderen als Metropole mit so großen Minderwertigkeitskomplexen, dass nur die Feindschaft zur eigenen, unübersehbaren Größe einen Rest Selbstbewusstsein zu mobilisieren schafft. "Bauer" ist jeder, der in und um Magdeburg lebt, wenigstens für alle aus Halle. Hallenser hingegen, ein zu allen Landsmannschaften ringsum eigentümlich unzugehöriger Menschenschlag, gelten den schon leicht altmärkisch und braunschweigisch geprägten Magdeburgern als "Sachsen".

Einst hatten beide Städte ihre eigenen Bezirke, aus denen heraus sie einander mit Abscheu ignorieren konnten. Die Wiederherstellung des bis dahin nur für ein geschichtliches Augenzwinkern lang existierenden Landes Sachsen-Anhalt aber sperrte die Bauern und die Sachsen zusammen hinter eine Landesgrenze. Halle, numerisch gesehen größte Stadt im Bindestrichland Sachsen-Anahlt, verlor dann auch noch die Würde der Landeshauptstadt an die kleinere Elbestadt im Norden, weil die aus Niedersachsen herüberströmenden Aufbauhelfer ihre künftigen Ministerien lieber etwas näher an den Eigenheimen in Celle, Braunschweig und Hannover errichtet haben wollten.

Seitdem ist aus Mißgunst gegenseitige Verachtung geworden. Kümmert sich schon sonst niemand um Sachsen-Anhalt, den weißen Fleck auf der grauen Ostlandkarte, so kümmern sich die Sachsen-Anhalter, von Auswärtigen gern "Sachsen-Anhaltiner" genannt, eben selbst um Distinktionsgewinn durch Abgrenzung. Tief unten im Bergwerksschacht sieht zum Schichtschluß der nur dunkelbraun Verschmierte am hellsten aus. Hier ist König, wer unwesentliche Popbands wie Tokio Hotel zu seinen Hervorbringungen zählen kann wie Magdeburg. Oder wer grellstählerne Museumsbauten über alte Burggemäuer gewölbt bekommt wie Halle.

Dass Magdeburg auf der virtuellen Weltkarte von Google Earth grüner aussieht als Halle, halten die Einwohner der sich unterdessen wenigstens trotzig "Kulturhauptstadt" nennenden "Diva in grau" für eine von langer Hand geplante Verschwörung. Die Behörde, die die Satellitenbilder an Google verkauft hat, sitze in Magdeburg. Natürlich habe sie deshalb veranlasst, dass Halle dumpf und grau im Herbst, die Elbestadt aber im strahlenden Frühlinggrün fotografiert wurde. Naheliegend auch, dass eine ähnliche Verschwörung die Ursache dafür ist, dass Magdeburg eine große Handballhalle und einen Handball-Erstligisten besitzt, Halle dagegen nur eine meistensteils leerstehende Halle für Weitwurfwettbewerbe.

Und kein Zufall kann es so sein, dass der Fußballklub der Landeshauptstadt, in seinen guten Tagen Europacupsieger, in seinen schlechten Bittsteller beim Insolvenzgericht, in einer funkelnagelneuen Betonschüssel spielt. Während der Verein aus der früheren Chemiemetropole in einer Ruine zu Hause ist, die als "Mitteldeutsche Kampfbahn" in den 30er Jahren errichtet und seitdem nahezu im Urzustand erhalten wurde. Weil Halle im Gegensatz zu Magdeburg im Zweiten Weltkrieg nicht zerbombt wurde. "War es nicht wert", sagen die einen. "Daran haben die doch gedreht, um Magdeburg fertigzumachen", meinen andere.

Zuletzt haben die Hallenser zurückgeschlagen. Die Gebeine der Magdeburger Sagenfigur Editha konnten von einem aus dem Rheinland stammenden, aber in Halle amtierenden Museumsdirektor direkt aus einer Krypta unter einer Magdeburger Kirche an die Saale entführt werden. "Zu Untersuchungen" hieß es. Magdeburg, von den Hallenser störrisch "das Dorf" genannt, war entsetzt, empört, verletzt. Nachdem schon Tokio Hotel fortgezogen waren ein zweiter harter Schlag. Halle amüsierte sich. Die Kulturhauptstadt hat keine Popstars, die sie verlieren könnte, und keine Sagengestalten, die noch aufzufinden wären.

Das Rückspiel steigt nun am Wochenende, wenn der mit Steuermillionen gesund gefütterte 1. FC Magdeburg zum Regionalliga-Rückspiel nach Halle kommt. Dreimal hat der FCM zuletzt gegen die Überraschungsmannschaft aus Halle verloren, trotz größerem Etat, teurerer Mannschaft und höherer Ambitionen. Inzwischen stehen die Sachsen, die keine sind, in der Tabelle sogar vor den Bauern, deren früherer Trainer Heine von den HFC-Fans stets liebevoll mit dem Spruch "Heine, Heine, hüte Deine Schweine" gefeiert wurde. "Ihr seid alle asozial", riefen die in blau-weiß gehüllten Fans von der Elbe zurück, ehe sie weinend nach Hause gingen. Nach dem Pokalsieg pflanzte ein Spieler der Rot-Weißen aus Halle eine HFC-Fahne in den Mittelkreis des blau-weißen Stadions der Bauern, als wolle er den untoten Fußballfeind für alle Zeiten pfählen.

Aber da sind sie schon wieder, die Blau-Weißen auf Platz 3, die Rot-Weißen auf Platz 2 der Regionalliga Nord. Für Sachsen-Anhalt ist das Spiel, zu dem mehr als 10.000 Zuschauer erwartet werden, wie Bayern gegen Hamburg und Schalke gegen Dortmund an einem Tag, in einer Straßenbahn. Hier, wo sonst außer Zierfischbörsen und Rassekatzenschauen keinerlei öffentliches Leben mehr stattzufinden pflegt, geht die Angst um, die renitenten Rivalen könnten Halle, Magdeburg und alles dazwischen vor lauter Freude oder Zorn in Schutt und Asche legen. In der Vergangenheit wurde die Begegnung zur Zuschauervermeidung deshalb teilweise am Nachmittag mitten in der Woche angesetzt, teilweise wurde sie zwangsweise ins Magdeburger Stadion verlegt, das als sicherer gilt als die bröcklige Arena in Halle.

Diesmal aber gehen die Behörden volles Risiko, weil keine Ausrede zur Hand ist. Es geht um alles, für alle. Rache für den Editha-Raub. Vergeltung für Tokio Hotel. Drei Punkte als Ausgleich für den verlorenen Hauptstadttitel. Ein Heimsieg als Entschädigung für die gefälschten Google-Earth-Bilder. Feuer und Wasser, Pauken und Trompeten. Himmel und Hölle, am kommenden Sonntag auf den Traversen, vor denen die drei HFC-Sagenfiguren Frank Pastor, Werner Peter und Holger Krostitz von 31 Jahren ein historisches 5:1 gegen den ewigen Rivalen herausschossen. "Sturmtrio setzte Glanzlicher" titelte die DDR-Fußballgazette "FuWo" seinerzeit.

Dieses Wochenende tritt der HFC nur mit einem Stürmer an, der aussieht und spielt wie Marius Müller-Westernhagen im Film "Theo gegen den Rest der Welt". Hinter Thomas Neubert aber, einem gebürtigen Cottbusser, der lange in Sachsen spielte, wird die beste Abwehr der Liga stehen. Die Bauern hingegen kommen mit dem zweitbesten Sturm und dürfen nicht verlieren. Halle muss nicht gewinnen. Tief unten im Bergwerksschacht ist zum Schichtschluß der am hellsten, der nur dunkelbraun verschmiert ist. Tief unten im Fußball-Armenhaus Sachsen-Anhalt, aus dem es noch nie eine Mannschaft in die erste Liga geschafft hat, ist König, wer die Bauern schlägt.

Wer hat es gesagt - und wohin führt es?

"Die Besitzer des Kapitals werden die Arbeiterklasse dazu ... drängen, immer teurere Kredite aufzunehmen, bis ihre Schulden nicht länger tragbar sind. Diese unbezahlten Schulden werden zu Konkursen bei den Banken führen, die dann verstaatlicht werden müssen, und der Staat wird dann den Pfad einschlagen, der irgendwann zum (...) führen muss."

Hoffen auf Hafen

Sonntag, 1. März 2009

Wer hat es gesagt?

"Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt."

Pilgern zur Pappmauer


Marx wusste noch, dass sich alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen zweimal ereignen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. 150 Jahre später sind die Deutschen natürlich schlauer. Sie wissen jetzt, dass alle "großen weltgeschichtlichen Tatsachen" sich dreimal ereignen: Einmal als Tragödie, einmal als Farce und ein drittes Mal als großer ZDF-Zweiteiler. Oder doch zumindest als von der mitteldeutschen Medienförderung finanziertes kleines Fernsehspiel.

Das heißt dann zum Beispiel "Liebe Mauer", handelt in Abwandlung des Romeo&Julia-Plots von der großen Liebe zwischen Ost und West, und erfordert es, die Mauer wiederzuerrichten, die zu bauen niemals jemand die Absicht hatte und deren Fall sich dem Stotterer eines späteren Anzeigenblattredakteurs aus dem Hessischen verdankt.

Schauplatz der historischen Komödie ist der ausladende Hinterhof der inzwischen abgerissenen größten Fernsehfabrik der DDR, einer hügeligen Brache am Hinterausgang des früheren "Interhotel" der Stadt Halle. Aus Sperrholz, Nägeln und Latten errichtet, ist die etwa fünfzig Meter lange Pappmauer Pilgerstätte für Zeitzeugen und nachgewachsene Generationen gleichermaßen: "Das sieht aus wie echt", staunt ein Besucher, der dem Dialekt nach eigens aus Leipzig herübergekommen ist nach Halle. Drei ältere Damen aus der Nachbarschaft rätseln derweil über das Straßenschild, das die ihnen als Tollerstraße bekannte Ruinenzeile vorübergehend als "Prinzenstraße" ausweist.

Die liegt im Berlin der Vorwendetage - ein Platz, der sich zwei Jahrzehnte danach vielleicht nirgendwo so stimmig erhalten hat wie in der innerstädtischen Randlage der ehemaligen DDR-Industriemetropole Halle. Bröckliges Mauerwerk aus der Gründerzeit ringsum, es sieht aus, als rieche es nach Ofenheizung. Ein leerer blauschwarzer Wolkenkratzer, den die DDR seinerzeit von schwedischen Spezialisten in die Landschaft setzen ließ, nimmt mit originalen Sprayertags hallescher Grafitti-Künstler die Motive auf, die die Filmhandwerker mühsam auf die Westseite ihrer Pappmauer gesprüht haben. Am Horizont malen drei Hochhäuser die Szenerie perfekt weiter: Kein Klecks Farbe ist hier seit 30 Jahren verschwendet worden, es scheint, als hätten die betongrauen Kästen mit den blinden Balkonbrüstungen aus uringelbem Plastik sich bis heute auf diesen letzten großen Auftritt aufgespart.

Der Eindruck ist atemberaubend nicht nur, weil die Westseite der Mauer tatsächlich im Westen liegt und hinterm Stacheldraht im Osten eine riesige Plakatwand zum 40. Jahrestag der DDR gratuliert. Dabei handelt es sich ausweislich eines amtlichen Baustellenschildes jedoch beruhigenderweise nur um ein "Arbeitsgerüst nach EN 12811-1, Lastklasse 3", nicht um die Aufforderung an die Bundesregierung, mit ihrer konsequenten Politik zum Wohle des Volkes fortzufahren.

Alle sind sie da, außer Erich Honecka: Der Kübeltrabi, der W50 und der UAZ-Jeep, eine sowjetische Weiterentwicklung des während des 2. Weltkrieges per Land-Lease über Murmansk an die Sowjetarmee gelieferten amerikanischen Originals, dessen Häßlichkeit schon zu sozialistischen Zeiten bewies, dass Marx Recht hatte mit Tragödie und Farce.

"Und da durftet ihr nie rüber?", fragt eine vielleicht 12-Jährige ihre Mutter. Beide stehen am Drahtzaun, der zum Grenzübergang führt. Hinter dem liegt heute der Hotelparkplatz. Auf Schildern steht deshalb "Zufahrt für Gäste des Maritim-Hotels frei", davor ein Wächter mit grenztruppenuntypischer Warnweste. "Früher durfte man vom Westen aus wenigstens noch bis an den Grenzübergang ran", mault ein älterer Herr den Warnwestenmann an.

Der bleibt unbewegt, vielleicht hat er ja noch gedient. Das Sonnenstudio "City Fun" in der nunmehrigen Prinzenstraße weist darauf hin, dass es weiter geöffnet habe. "Denn Sonne ist Leben". Der Kiosk "Stichpimpuli" hingegen, der heute seinen Jahresumsatz hätte unter Dach und Fach bringen können, hat zu. "Liebe Mauer", heißt es auf einem Aushang am Eingang, den alle Haustüren rundherum abbekommen haben, erzähle "die tragikkomische Geschichte eines jungen Mannes, der 1989 seinen Dienst bei den Grenztruppen der DDR versieht". Dabei treffe er eine Frau aus dem Westen, man verliebe sich, wie das so geht, seit es Männer und Frauen gibt. Die Beziehung gerate dann "durch die politischen Wirren der Zeit in Gefahr". Dieses Schicksal droht diesem kleinen Fernsehspiel hier nicht. "Liebe Mauer" wird sicher genau so originell werden wie es der Filmtitel verspricht.

Immer mehr weniger

Was war das für ein grandioser Erfolg der sozialpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und ihrer agilen Familienministerin Ursula von der Leyen! Dank Elterngeld und immer besserer Kinderbetreuungsmaßnahmen wurden immer mehr Kinder geboren. Ein "Babyboom", jubelte die staatliche Nachrichtenagentur dpa, eine "Trendwende" sahen zahlreiche Kommentatoren, die zuvor nicht die Möglichkeit bekommen hatten, die regierungsamtlich verbreiteten Zahlen mit denen im eigenen Archiv zu vergleichen.

Ursula von der Leyen jedenfalls war stolz, Angela Merkel hatte alles richtig gemacht, Deutschland war gerettet. Leider nur zwei Wochen lang, denn nach nun vorliegenden neuen Geburtszahlen vom vergangenen Jahres sind in Deutschland anno 2008 nicht 3.400 Kinder mehr, sondern 4.000 weniger geboren worden. Der von der Leyen freihändig imaginierte "Trend zu mehr Geburten" war frei erfunden, ebenso wie die These, das Hereinbrechen der großen Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich auf die Geburtenzahlen nicht negativ ausgewirkt. In Wirklichkeit brach die Zahl der Geburten im Oktober 2008 um rund 8000 Kinder ein - mehr weniger war nie.

Pfand auf Phantombilder

Wenn das kein Beispiel für Zivilcourage ist! Die 19-jährige Rebecca aus Mittweida, die Ende 2007 für einige Wochen große mediale Begeisterung auslöste, indem sie sich ein Hakenkreuz in die Hüfte ritzte, hat ihren damit errungenen Preis für Zivilcourage zurückgegeben. PPQ hatte damals empört berichtet, dass die vier Neonazis, die die Schülerin auf dem Parkplatz eines Supermarktes überfallen hatten, ganz schlecht erfunden waren. Sowohl ihre "Jacken mit NSDAP-Aufnähern" als auch ihre mit den Buchstaben "HASS" tätowierten Finger fand unser kleines Hingucken-Board seinerzeit recht einfallslos beschrieben. Das Berliner Bündnis für Demokratie und Toleranz sah das nicht so eng und überreichte der offenbar wenig fantasiebegabten jungen Frau feierlich den "Ehrenpreis für Zivilcourage",. Rebecca durfte der Preisverleihung fotografiert und begeistert gefeiert werden. Die Vergabe des ihr verliehenen Preises wurde damit zum ersten und bislang einzigen Mal überhaupt öffentlich bemerkt.

Im Zuge der Aktion "Zuschauen statt Weggucken" hatten die Qualitätsmedien bundesweit sofort reagiert und berichtet, dass sie schon immer gewusst hätten, dass es sich bei Mittweida um ein Nazi-Nest sondergleichen handelt. Niemanden könne da noch verwundern, dass zahllose Mittweidaer der ruchlosen Tat auf dem Parkplatz von ihren Balkonen aus ungerührt zugesehen hätten. Rebecca war später dennoch wegen Vortäuschens einer Straftat zu 40 Arbeitsstunden verurteilt worden. Ein Schuldeingeständnis sei auch die Rückgabe des Preises nicht, sagte ihr Verteidiger der in Chemnitz erscheinenden «Freien Presse», ohne näher zu erläutern, was die Rückgabe sonst ist. Im Unterschied zur Verleihung fand die Rückgabe des Preises ohne die Anwesenheit von Fotografen statt.

Die gnadenlosen Hakenkreuzschnitzer von Mittweida betreiben derweil weiter ihr ekelhaftes Geschäft: Kürzlich erst ritzten sie einer Brasilianerin in Österreich fremdenfeindliche Parolen in die Haut. Wegen verblüffenden Ähnlichkeit der seinerzeit veröffentlichten Phantombilder zur Beschreibung des Täters im mutmaßlichen Mordfall Mannichl in Passau, der kurz vor dem Vorfall in Österreich stattfand, ist eine Verwicklung zumindest eines der vier NSDAP-Jacken-Männer in den Fall Mannichl nach exklusiven PPQ-Informationen nicht ausgeschlossen. Laut Google Maps liegt Passau direkt auf dem Weg von Mittweida in die Schweiz. Die Phantombilder aus Mittweida sind inzwischen unterwegs nach Passau, um dort bei der weiteren Fahndung eingesetzt zu werden. Die 19-jährige Rebecca wird ihre Sozial-Arbeitsstunden ab kommende Woche ebenfalls in Passau ableisten, sie hat sich der 50-köpfigen Sondereinsatzgruppe "Lebkuchenmesser" als Zeugin zur Verfügung gestellt.

Gewissen verrissen

Andrea Ypsilanti ist nicht mehr. Also Landesvorsitzende der SPD in Hessen. Die Ex-Fast-Landesmutter verabschiedete sich auf einem Parteitag von ihrem Schrebergartenverein - "unter Tränen" (dpa) und mit einem ihr angemessenen, nämlich überaus klopsigen Gedanken. Man dürfe - so formulierte sie mit Blick auf die "Abweichler" (dpa und alle anderen), die ihr die Nachfolge von Roland Koch verdarben - "demokratische innerparteiliche Mehrheiten" nicht von "beliebigen Gewissensentscheidungen" abhängig machen. Erich Mielke könnte auf die Heulsuse stolz sein.