Dienstag, 9. Januar 2018

Kika-Love-Story: In der Altersfalle

Der eine bleibt ewig ein Teenager, obwohl alle sichtbaren körperlichen Merkmale eine gewisse Reife zeigen. Bei einem anderen kann das Alter nicht ermittelt werden. Und bei einem dritten kennt man es, aber kaum ist es bekannt geworden, geschieht ein naturwissenschaftliches Wunder, das Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie belegt, nach der jede Masse eine Krümmung von Raum und Zeit bewirkt, so dass sich bei ausreichendem Gewicht irgendwo in der Raumzeit Vergangenheit und Gegenwart begegnen.

Der Ort ist Erfurt, wo der Kinderkanal der ARD sitzt, ein skandalumwittertes Gebührengrab, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, in eine Doku-Soap namens "Malvina, Diaa und die Liebe" zu zeigen, wie interkulturelle Beziehungen funktionieren. Darsteller hier sind die 16-jährige Malvina, ein sichtlich bis über die Ohren verliebtes Mädchen mit wachem Verstand und einer Wandergitarre. Und Diaa, ein anfangs altersloser, aber 17-jähriger Syrer, der mit Vater und Schwester aus Aleppo geflohen ist, von Malvinas Familie als Patenkind angenommen wurde und sich die Zeit beim zum Eintreffen von Mutter, kleinem Bruder und kleiner Schwester am Filmende mit Rasiertwerden, Haaregeschnittenbekommen, Fitnessstudio, Einkaufen, Kochen und Küssen vertreibt.

Wie viele Flüchtlinge ist Diaa auf seiner Reise nach Deutschland früh gealtert. Er trägt nicht nur einen Bart, der so lang ist, dass er schon mit 15 zu wuchern begonnen haben muss. Nein, der Teenager hat auch wild wucherndes Brusthaar und zusammengewachsene Augenbrauen wie ein Twen.

Das verwundert nicht weiter, denn schließlich war der 17-jährige Diaa vor 14 Monaten schon mal 18, als die Patenschaft von Malvinas Familie zum ersten "Austausch auf Augenhöhe" (MK) zwischen dem jungen Mann und der damals noch 15-jährigen Malvina führte. Ein Jahr danach war das Mädchen dann 16, das ist naheliegend. Ihr inzwischen zum fester Freund aber hatte ein wenig von der Last des Alters abgelegt und war jünger geworden. Passt auch besser, als 17-Jähriger mit einer 16-Jährigen zusammenzusein. Da klingt es auch eher nach jugendlichem Spleen, wenn er seiner Freundin kurze Röcke und Umarmungen mit Freunden verbietet, sie fragt, ob sie nicht ein Kopftuch tragen und zum Islam konvertieren wolle. Und lächelnd ankündigt, er werde Malvina baldmöglichst heiraten, um sie dann ganz für sich zu haben. „Sie gehört mir und ich gehöre ihr. So ist die Regel bei mir.“

Nicht der liebevolle Zusammenprall zweier Kulturen, nicht die paar Kliedervorschriften und sanften Umgangsverbote, sondern das für Diaa ausgewiesene Alter brachte den Kika in schwere Erklärungsnöte. Zusammengefasst also: Diaa war 2016 18 Jahre alt, Malvina war. 2017 wurde sie 16 und er 17. 2018 ist sie immer noch 16, aber er nun 19.

Eben noch 17, auf einmal 19? Zeitreisen? Turboalterung? Nein, es handele sich nur um "einen Fehler in Bildunterschriften": Malvina sei zum Zeitpunkt des Drehs "zu Beginn 2017" (Kika) 16 Jahre gewesen, Diaa 19. Beider Beziehung dauerte da "schon 17 Monate" (Kika), muss also spätestens im Herbst 2015 begonnen haben, obwohl Diaa und Malvina doch nach diesem Bericht im Dezember 2016 erst seit "Kurzem" ein Paar waren. Wäre das falsch und stimmte die Kika-Behauptung, ist Diaa damals also 17 gewesen. Malvina dagegen war 13 oder 14, als das Paar ein "Paar" (Kika) wurde, um "Kindern ein Bewusstsein für komplexe Themen zu eröffnen und ihnen Rüstzeug für kritisches, mündiges und eigenverantwortliches Handeln an die Hand zu geben" (Kika).

Gut, dass der jugendliche Held der Doku trotz Bart und Brustbehaarung nun doch nur 19 Jahre alt geworden ist und nicht 21.

In der nächsten Folge der Doku-Reihe besucht das Filmteam ein weiteres interkulturelles Paar: Kevin (20) ist der Sohn eines Wiesbadener Supermarktbesitzers und seit drei Jahren verliebt in Aishe (16), die Tochter eines Kfz-Schlossers aus Damaskus.

Wer ist Heiko Maas: Der liebeskranke Minister

Vor seiner mutmaßlichen Verwandlung in einen liebeskranken Mann mit Hormonüberschuss verteidigte Heiko Maas die Meinungsfreiheit vehement.
"Sperren von Twitter und Facebook ist nicht unser Verständnis von Meinungsfreiheit", schrieb Bundesjustizminister Heiko Maas seinem türkischen Amtskollegen bei einem Treffen ins Stammbuch. Deutschland, der kluge Führer aller Völker, wusste damals, im Jahr 2014, ganz genau, was die türkische Regierung falsch machte. Andersdenkende daran hindern, ihre Meinung zu sagen? Geht nicht. Soziale Netzwerke zensieren? Unmöglich! Heiko Maas ließ keinen Zweifel daran, dass „jede Unterdrückung von kritischer Berichterstattung ist mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar“ ist.

Eine "gutgemeinte Unterdrückung abweichender Meinungen kann daher keine Option sein, so schwierig das auch sein kann", stellte Maas fest. Eine Demokratie "lebt davon, dass man friedlich miteinander streiten kann", glaubte der Minister. Nur das Strafrecht setze der Meinungsfreiheit klare Grenzen und in ganz Deutschland gehe die Justiz deshalb immer öfter und immer schneller gegen Hetzer im Internet vor, die gegen Strafrechtsparagraphen verstoßen und die Grenzen zulässiger Kritik überschritten hätten.

Früher war Meinungsfreiheit ein hohes Gut


Eine klare Sprache, die einen Mann auf Ballhöhe zeigt: Heiko Maas bezieht glasklar Stellung, trotz seiner Mitgliedschaft lässt er keinen Zweifel daran, dass sich "bei uns jeder auf die Meinungsfreiheit berufen darf - das ist ein hohes Gut." In vorderster Linie verteidigt von Heiko Maas, einem Politiker, der seine Karriere dem Umstand verdankt, dass er im Saarland drei Landtagswahlen verlor und deshalb irgendwo in Berlin untergebracht werden musste.

Aber ist der Heiko Maas, der heute in Berlin amtiert, derselbe Mann, der seinerzeit als Verteidiger der freien Rede, von Meinungsstreit und Pressefreiheit auftrat? "Demokratie ist Herrschaft durch Diskussion" , versicherte jeder alte Maas damals, auch im Netz dürfe den geistigen Brandstiftern nicht das Feld überlassen werden. "Gegenrede ist wichtig. Beleidigungen und Gewaltaufrufe dürfen nicht ohne Widerspruch bleiben", forderte Maas.

Maas setzte auf Gegenrede


Nicht Sperrungen, nicht das Blocken von Inhalten im Inland, nicht eine Hassmeldepflicht, die Millionen zu freiwilligen Helfern der Meinungspolizei macht und nicht Strafen für das Verbreiten von Fake News, wie Maas selbst in die Welt setzte, als er behauptete, dass die Mehrheit der nach Deutschland geflohenen Syrer seien "überhaupt gar keine Muslime, sondern Christen".

Ansichten, die sich bis heute gewandelt haben. Heiko Maas gilt inzwischen als Totengräber der Meinungsfreiheit, die von ihm geschaffenen Löschgesetze haben ihn mittlerweile sogar selbst gezwungen, einen auch im strafrechtlichen Sinne kriminellen Tweet zu löschen, in dem er seinen SPD-Genossen Thilo Sarrazin einen "Idioten" genannt hatte.

Was aber hat den 50-Jährigen, zart und fast schon zwergenhaft klein, so verwandelt? Wie konnte aus einem Kämpfer für die Meinungsfreiheit ein Mann werden, der alles riskiert, um amerikanische Konzernen in Genehmigungsbehörden für das zu verwandeln, was die Deutschen öffentlich schreiben dürfen? Wie konnte sich ein begnadeter Charismatiker wie Maas zuletzt vor laufender Kamera von einem einfachen Bild-Chefredakteuer nackt ausziehen und blamieren lassen?

Liebeskrank und hormongesteuert?


Nun, der Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle, der Maasens Wirken seit Jahren beobachtet, sieht die neue Liebe des Justizministers zu einer recht bekannten Schauspielerin als möglichen Auslöser dessen, was er "die Wandlung" nennt.Maas habe früher für die Meinungfreiheit eingestanden, heute schränke er sie ein wie es seit DDR-Zeiten niemand mehr gewagt habe. "Ursache sind hier chemische Prozesse im Hirn", schließt der Medienbiologe.

"Selbst wenn immer dem Herzen der Sitz der Liebe zugesprochen wird", beschreibt der Forscher, "gesteuert wird auch dieses Gefühl von der Kommandozentrale des Körpers, dem Gehirn". Hormone und Botenstoffe verknüpften dort Anblick und Geruch des geliebten Menschen mit Glücksgefühlen, ein Mechanismus, der gerade im höheren Alter noch einmal einen Umbau von Gehirnstrukturen bewirken könne. Während die Liebe die Belohnungszentren beflügelt, hemmt sie Areale, die im normalen Leben für vernünftiges Handeln sorgen, dem Menschen quasi Maß und Mitte geben. Achtelbuscher: "Deshalb sagt man auch „Liebe macht blind“.

Gesteuert von Hormonen, verschalten sich Regelkreise so, dass sich Veränderungen auf das gesamte System auswirken. Der Zustand des Verliebtseins, den Achtelbuscher bei Heiko Maas als "positive Stressreaktion" charakterisiert, lässt die Ausschüttung von Hormonen wie Oxytocin, Adrenalin, Testosteron und Vasopressin steigen. Dadurch werden die Genitalorgane stärker durchblutet, das Hirn aber leidet unter Sauerstoffunterversorgung, die sich als rauschhafter Zustand äußert.


Viele Beobachter, berichtet der bekannte Medienmechaniker, hätten zunehmende jähe Änderungen in Maas' Argumentationskette bemerkt: „Früher war er für freie Rede, jetzt möchte er, das auch nicht-strafbare Meinungsäußerungen als ,rechtswidrig`gelöscht werden.“ Auch soll der Justitminister eigene frühere Wortmeldungen zum Thema nicht wiedererkannt haben. Das befeuert Spekulationen über die gesundheitlichen Befähigung des Saarländers, in einer neuen Bundesregierung weiter für sein ressort zuständig zu bleiben.

Rauschhaft zur Weltherrschaft


"Die Betroffenen glauben", schildert Achtelbuscher, "dass sie alle Probleme der Welt mit ein paar Federstrichen lösen können." Weil zugleich Nervenbotenstoffe wie Serotonin auf ähnliche Werte wie bei Zwangskranken sinken, sie Erkrankte gezwungen, immer wieder die gleichen Handlungen wiederholen müssen. "Daher wohl die strikte Verteidigung des NetzDG durch Herrn Maas", folgert der Wissenschaftler. der Minister sei nicht mehr er selbst, oder doch jedenfalls nicht mehr derselbe, der seinerzeit so verhement für grundlegende Freiheitsrechte eingetreten sei. "Man darf ihm das aber nicht nachtragen", warnt Hans Achtelbuscher, "denn er weiß es in seinem derzeitigen Zustand einfach nicht besser."


Montag, 8. Januar 2018

"Idiot": Hunderte Anzeigen gegen twitternden Justizminister

Maas' umstrittener "Idiot Sarazin"-Tweet ist inzwischen gelöscht worden.
Die Staatsanwaltschaft erhält nach einem umstrittenen Tweet von Justizminister Heiko Maas immer mehr Strafanzeigen. Die Parteiführung der SPD äußerte sich bislang nicht.

Wegen einer als beleidigend kritisierten Twitter-Nachricht bekommt Justizminister Heiko Maas offenbar massiven Ärger mit der ihm unterstellten Justiz. Staatsanwaltschaften überall im Land sollen nach unbestätigten Mitteilungen inzwischen hunderte Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Beleidigung erhalten haben. Aus Berlin hieß es, aus dem ganzen Bundesgebiet seien Anrufe von Behörden eingegangen, um das Aktenzeichen zu erfragen, unter dem die Anzeigen gesammelt werden. Wie viele Strafanzeigen eingehen werden, konnten Ministeriumssprecher noch nicht sagen.

Der derzeit noch geschäftsführend amtierende Justizminister hatte hatte sich in einem Tweet zu seinem Parteigenossen Thilo Sarrazin geäußert und den früheren Berliner Senator dabei als "Idiot" bezeichnet. Nach ersten Beschwerden war Maas' Tweet nicht mehr zu lesen. Der SPD-Politiker äußerte sich allerdings nicht nur Löschung, so dass nicht klar ist, ob er selbst oder einer seiner Trolle die Eintragung vorgenommen und später gelöscht hatte oder ob Twitter hier nach dem neuen NetzDG gegen Hetze, Hass und Beleidigungen eingeschritten war.

Heiko Maas hatte nach einem Bericht des Bild-Chefredakteurs kurze Zeit zuvor klargestellt, dass Beleidigung nicht unter die Meinungsfreiheit falle. Weil es sich dabei aber nicht um ein Offizialdelikt, sondern um eine Straftat handelt, die nur auf Antrag verfolgt wird, schätzen Rechtsexperten Maas' Chancen gut ein, ohne empfindliche Bestrafung davonzukommen. Eigentlich würde die ihn die nach eigener Einschätzung vom Recht auf freie Rede nicht gedeckte Schmähkritik an Sarrazin, der deutlich erkennbar ist, obwohl er ihn wohl in Unkenntnis der korrekten Schreibweise als "Sarazin" bezeichnet, nach ständiger Rechtssprechung 15 bis 30 Tagessätze kosten.


Maas selbst pädierte zuletzt dafür, hier keine Kompromisse zu machen. "Wer strafbare Inhalte im Netz verbreitet, muss von der Justiz konsequent zur Rechenschaft gezogen werden", forderte er. Nach Angaben aus Justizkreisen wird die Staatsanwaltschaft nun zunächst prüfen, ob sie für die Klärung der Vorwürfe gegen den SPD-Politiker örtlich zuständig ist.

Bei sogenannten Netzwerktaten gilt das Ortsprinzip. Dort, wo der Handelnde tätig war, müsse auch geprüft werden. Das sei Berlin, Maas aber tweetete eigenen Angaben zufolge wohl aus Saarbrücken. Zurzeit sei man noch in Gesprächen mit anderen Behörden. In einem zweiten Schritt werde dann die letztlich zuständige Strafverfolgungsbehörde den Vorwurf der Beleidigung inhaltlich prüfen. Voraussetzung für eine mögliche spätere Einleitung förmlicher Ermittlungen gegen Heiko Maas wäre die Aufhebung ihrer Abgeordnetenimmunität durch den Bundestag.

Grundlage für den Tatbestand der Beleidigung ist der Paragraf 185 Strafgesetzbuch, der im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vorsieht.

Bitte unterstützen Sie die Bundesregierung im Kampf gegen Fake News und teilen Sie diese Warnung!

GroKo-Sondierung: Chefkellner ist optimistisch

Heinz Schmidt (Mitte) ist seit 40 Jahren Chefkellner, früher im "Palast der Republik", wo er unter anderem Erich Honecker auftat. Derzeit bedient er die Unterhändler von SPD, CDU und CSU bei den Sondierungsgesprächen in Berlin.
Heinz Schmidt ist seit 40 Jahren Chefkellner, nach einer Lehre im Erzgebirge und einer harten Schule in mehreren FDGB-Heimen auf Usedom und Rügen startete der gebürtige Stendaler Ende der 70er Jahre durch und wurde zuerst Kellner, dann Maitre im "Palast der Republik" der DDR, wo er unter anderem Erich Honecker, Erich Mielke, Gustav Husack, Michael Gorbatschow und Oskar Lafontaine auftat. Schmidt hat sich über die Jahrzehnte im Dunstkreis der Macht eine gütige, stets gelassene Art zugelegt, mit den großen Dingen umzugehen, die bei Tisch zwischen Rehkitz auf Preiselbeeren und veganer Guacamole besprochen werden.

Der 61-Jährige ist hellhörig und verschwiegen zugleich, er hat nie darüber gesprochen, welche Spitzenpolitiker er bei Techtelmechteln im Toilettenvorraum und in der Besenkammer mit wem erwischt hat oder welche Einzelheiten der hochrangigen Gespräche über die Deutsche Einheit und welche Tricks ihm zu Ohren kamen, um rechtzeitig rechtliche Hintertüren in den laufenden Einheitsprozess einzubauen. Derzeit bedient Heinz Schmidt, Vater zweier Töchter und Großvater von sieben Enkeln, die Unterhändlervon SPD, CDU und CSU bei den Sondierungsgesprächen in Berlin.

PPQ sprach mit dem langjährigen Beobachter politischer Prozesse und heikler Verhandlungen über seine bisherigen Eindrücke aus dem innersten Kreis der Macht.

PPQ: Herr Schmidt, Sie haben jetzt zwei Tage lang hier im Konferenzsaal leichte Speisen und Getränke serviert, während sich Union und SPD eine außerordentlich interessante Debatte über die anstehenden Sondierungspunkte liefern. Was ist Ihr bisheriger Eindruck? Wird das was mit der Groko?

Heinz Schmidt: Ich halte es für nicht ausgeschlossen. Eines der bis jetzt entscheidendsten Ergebnisse ist aus meiner Sicht, der ich ja nur beim Servieren dies und das höre, dass sich die drei Parteien grundsätzlich darüber einig sind, dass sie gern weiterregieren möchten. Da geht es ja auch um viele Posten, um Lebensplanung, um Familie, um Wohnungen, Kinder, die anderenfalls aus ihren Schulklassen und Freundeskreisen gerissen würden. Das wird schon sehr breit diskutiert.

Daraus folgt die Notwendigkeit einer friedlichen Koexistenz, das heißt, Forderungen nach totaler Umsetzung eigener Vorhaben lassen sich nur stellen, wenn man andererseits Vorhaben des Gegenübers auch umzusetzen bereit ist. Dazwischen steht die Lösung aller Konflikte und Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln, der Auflösung von persönlichen Animositäten, wie ich sie zwischen einigen Teilnehmer wahrgenommen habe. Man beargwöhnt sich, das sieht man ja auch schon daran, dass abwechselnd auf fremden Territorien getagt wird.

PPQ: Haben Sie etwas von Streitpunkten mitbekommen, also davon, worum gestritten wird?

Heinz Schmidt: Natürlich hat es in dem einen oder anderen Punkt bisweilen auch unterschiedliche Auffassungen gegeben. Aber wenn man sich rückblickend die Reden der einzelnen Teilnehmer noch einmal ins Gedächtnis ruft, so zeigt sich doch eine weitgehende Übereinstimmung in der Frage, dass jeder ausreichend Ministerposten für seine Entourage haben möchte und selbstverständlich ausreichend Geld, um seine Wähler zu beschenken. Dass in Grundfragen keine Liebe zueinander da ist, mag man sich denken können, auch wenn man nicht Würstchen und Gebäck für Herrn Schulz, Herrn Spahn und Herrn Dobrindt heranschleppt. Ziel- und Interessengleichheit besteht meiner Meinung nach immer dort, wo es darum geht, gemeinsam gegen etwas anzugehen, was man als bedrohlich empfindet, also zum Beispiel Neuwahlen.

PPQ: In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die größte Frage auf. Was wird denn angedeutet, wenn man sich nicht einigen kann?

Heinz Schmidt: Das ist offenbar keine Option. Ich habe noch niemanden auch nur andeutungsweise von dieser Möglichkeit sprechen hören. Es gibt keinen Plan B, jedenfalls keinen, der auf dieser Konferenz im Mittelpunkt oder auch nur am Rande steht. Man setzt aufeinander und wird, so denke ich, zusammenkommen.

Neu und außerordentlich positiv ist dabei, dass alle drei Parteien nicht direkt in Verhandlungen eingetreten sind, sondern ersteinmal ausgiebig sondieren. Dadurch gewöhnt man sich aneinander, bekommt ein Gefühl davon, dass man nicht der einzige Wahlverlierer vom September ist, sondern einer unter vielen, die nun auf Gedeih und Verderb gegen die Gewinner regieren müssen. Das ist wie ein täglicher Appell, sich zusammenzusetzen, um durch Verhandlungen eine Lösung herbeizuführen. Ich hoffe, die richtige Politik unserer Regierung setzt sich am Ende mehr und mehr durch, weil sie die einzig reale ist, wie die Kanzlerin gleich zum Auftakt gesagt hat.

PPQ: Spielt denn die Realität hier in den Gesprächen eine Rolle?

Heinz Schmidt: Gewiss, das kommt ja auch in der immer wieder gestellten Forderung zum Ausdruck, dass alle Parteien ihre Wähler mit irgendetwas bedienen müssen. Das Memorandum der SPD an die Sondierungsrunde spricht von Reichensteuer, die CSU will geschlossene Grenzen, die Union Merkel als Kanzlerin. Damit werden sie alle leben können, und diese Überlegung hat die Forderungen der drei künftigen Partner aneinander in einem gewissen Sinne schon vorab beeinflusst.

PPQ: Und wie sehen Sie den in der Öffentlichkeit noch so leidenschaftlich geführten Kampf um rote Linien?

Heinz Schmidt: Ich bediene dort jetzt die dritte Schicht und erlebe den Prozess ganz anders. Es gibt keine klare Abgrenzung, sondern ein Aufeinanderzugehen. Die Fronten sind deutlich erkannt worden, zuvor und intern. Die Dinge werden nun nicht mehr beim Namen genannt. Ein Symptom dieser Entwicklung war die Rede des CSU-Vertreters, der leidenschaftlich und präzise mehrere Forderungen der SPD lobte. Das ist für mich ein Beweis, dass da zusammenwächst, was zusammengehört.

Es besteht übrigens bei allen Konferenzteilnehmern ein großes Interesse an leichten Speisen, vegetarisch und bio, nicht nur bei den Leuten von der SPD. Auch das zeigt, dass viele Klischees nicht taugen. Ich meine also, man darf den bisherigen Konferenzverlauf positiv einschätzen. Wir können, wie es ja auch in der Grußbotschaft Angela Merkels am Anfang gesagt wurde, eine weitgehende Übereinstimmung in vielen Fragen feststellen. Deutschland wird eines Tages wieder ein Regierung haben und das freut mich dann auch, obwohl es ja für uns hier im Team bedeutet, dass die prominenten Gäste wegbleiben. Aber ich habe schon viele von denen kommen und gehen sehen. Ich weiß inzwischen, die Merkels, Schulzens, Seehofers und wie diese Gabriels, Spahns und Dobrindts alle heißen, kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt.

Sonntag, 7. Januar 2018

Fire & Fury: Ist das endlich das Aus für Trump?

Frühere Enthüllungen in anderen Büchern überstand Donald Trump mit viel Glück.
Sagenhafte 48 Mal hat er im vergangenen Jahr gegen Donald Trump angeschrieben, er hat ihn einen Heuchler genannt, unberechenbar, irre, schädlich, einen Loser, einen Lügner, einen Colatrinker und Fernsehgucker, ein großes Unglück für die Welt und eine Bedrohung für den Weltfrieden. Bald, so orgelte es aus jedem Kommentar des FR-Amerikakorrespondenten Karl Doemens, werde Donald Trump abgesetzt, aus dem Amt gejagt und dann bestimmt noch angeklagt.

Sehnsüchte, die sich nicht erfüllt haben. So durchsichtig eindimensional der frühere Hessen-Korrespondent der Frankfurter Rundschau auch Leser von Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Freier Presse in Chemnitz und die Kleiner Zeitung in Wien über Trumps tägliche Untaten informiert, der Mann im Weißen Haus tut, als merke er es nicht.

Zum Glück für Doemens aber gibt es immer neue Anlässe, den "Multimilliardär" (Doemens) anzuklagen. Jetzt gerade ist es ein Buch, eine Art Kampfschrift gegen den Präsidenten, augenscheinlich angefüllt mit Klatsch und Tratsch aus der Verwaltungsfluren, den der Autor nach Gesprächen mit "200 engen Mitarbeitern" zu einem Buch verdichtet hat, das nicht mit neuen Enthüllungen, aber mit einer flotten Zusammenstellung aller alten aufwartet.

Michael Wolffs „Fire and Fury - Inside The White House“ ist für Karl Doemens eine Sternstunde. Neue Hoffnung auf das seit Monaten herbeigeschriebene Impeachment! Es wäre die erste, die durch einen Thriller bewirkt wurde! Da wirft der Korrespondent alles in die Waagschale, was er hat: "Das Schlafzimmer im zweiten Stock des Weißen Hauses ist sein Rückzugsort. An der Tür ließ Donald Trump angeblich gegen den Protest seiner Personenschützer ein Schloss anbringen. Für das Personal gelten strenge Regeln: Niemand darf seine privaten Sachen anfassen – vor allem nicht seine Zahnbürste. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat eine phobische Angst vor Keimen. Wenn sein Bettzeug gewechselt werden soll, zieht er die Laken selber ab", entreißt der Text zum neuen Trump-Skandal schon im ersten Absatz die allerletzten feuchten Flecke auf der Matratze des Präsidenten der strikten Geheimhaltung.

"Phobische Angst vor Keimen", "zieht die Laken selber ab" und "niemand darf seine privaten Sachen anfassen".  „Fire and Fury" scheint wirklich voller Sprengstoff zu sein, der die Präsidentschaft des Immobilienunternehmers in die Luft jagen könnte. Denn hier finden sich noch weitere Hinweise darauf, dass Trump eine Gefahr für die ganze Welt ist. "Zusätzlich zu dem vorhandenen Fernseher wurden zwei weitere TV-Monitore installiert", heißt es weiter über das Schlafzimmer des Präsidenten. In dem schlafe Trump zudem "als erster Präsident seit John F. Kennedy getrennt von seiner Frau". Wegen der Mätressen wie der Vorgänger? Das bleibt geheim, aber "wenn er keine Abendtermine hat, macht er es sich gemütlich: Dann legt er sich öfter um 18.30 Uhr ins Bett, isst Cheeseburger, schaut fern und telefoniert mit alten Freunden."

Ungeheuerlich. Ist das nun endlich das Aus für Trump? Ja, arbeitet Doemens heraus, "es sind saftige Schilderungen wie diese, die im winterlichen Washington derzeit den vereisten Boden beben lassen." Denn "das alles liest sich unglaublich süffig", heißt es weiter.

Wobei "unglaublich" wohl keine lustige Anspielung auf den unterhaltenden Charakter des Werkes sein soll.

Ein ganz eigener Blick: Die SPD und die Meinungsfreiheit

Erstmal einsperren, die Unschuldigen können ja später wieder entlassen werden - Eva Högls Vorstellungen vom Rechtsstaat Stalinscher Prägung.
Eva Högls entgleiste Gesichtszüge nahmen das Ende vorweg. Im August 2017, einen Monat vor der schlimmsten Wahlniederlage der deutsche Sozialdemokratie seit der Gründung der SPD vor anderthalb Jahrhunderten, vergaß die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion bei einem öffentlichen Auftritt, bei dem mal wieder Beileid mit den Opfern eines Terroranschlages geheuchelt werden sollte, dass nach außen stets die Form zu wahren ist. Statt betroffen zu schauen, grinste sich die erfahrene Parteiarbeiterein - seit ihrem 18. Lebensjahr Sozialdemokratin und seit ihrem 40. Mitglied des Deutschen Bundestages - durch ihren Auftritt.

 Ein Debakel.


Das Högl nicht geschadet hat. Zwar verlor die Frau aus Osnabrück ihr Stellvertreteramt in der Partei. Aber kein halbes Jahr nach dem denkwürdigen Schauspiel ist die Karrieristin aus dem "reformsozialistischen Juso-Flügel" (Wikipedia) schon wieder da, bereit, guten Rat zu verteilen und die Art, in der ihre Partei den Bürgerinnen und Bürgen beim leben helfen will, zu verteidigen.  Bei der Verteidigung des Meinungsfreiheitsschutzgesetzes NetzDG etwa zeigt sich Högl voll auf Parteilinie: "Man möchte doch diese ekelhaften Dinge nicht länger im Netz sehen", entgegnet sie auf Vorwürfe, das Gesetzeswerk ihres Genossen Heiko Maas führe zu privater Vorzensur. Wenn etwas "strafrechtlich relevant" (Högl) sei, müsse es erstmal verschwinden, quasi bis zum Beweis des Gegenteils. "Wenn es nicht zu einem Strafverfahren geführt hat, kann es wieder draufgestellt werden", sagt Eva Högl.

Erstmal einsperren, die wirklich Unschuldigen können ja später wieder entlassen werden - Eva Högls Vorstellungen vom Rechtsstaat deuten auf eine Stalinsche Prägung. Die Frau hat Jura studiert und einst als Beamtin auf das Grundgesetz geschworen, von dem sie so viel verstanden hat wie eine Parkbank, ein Brotlaib oder ihre Berliner Genossin Sawsan Chebli, die kürzlich neuen Ruhm als Opfer einer Verbalvergewaltigung sammelte.

Tröstlich: Zwei Monate nach dem schweren "Schock" (Chebli) wegen der sexistischen Beleidigung als "jung" und "schön" wagt sich Sawsan Chebli wieder an die Öffentlichkeit. Erschütternd: Es scheinen Schäden zurückgeblieben, denn die bekennende Muslimin, derzeit besetzt als "Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales", glaubt nunmehr, folgenlos ihre Verachtung für die Grundrechte herausposaunen zu dürfen. "Meinungsfreiheit schützt man nicht, wenn man alles sagen darf", schreibt sie bei Twitter, grammatikalisch etwas wüst, inhaltlich aber durchaus verständlich.

Sie meint "Meinungsfreiheit schützt man nicht, wenn man alle alles sagen lässt". Das ist SPD-Linie, dafür steht auch Christopher Lauer, ein Genosse, der von sozialen Netzwerkes träumt, die direkt vom Staat betrieben und ebaufsichtigt werden. Und der Twitteraccount @deine_spd, dessen Mitarbeiter androhen, sie würden "Hassrede" sofort löschen, ohne auf Befragen sagen zu könne, wie sich "Hassrede" deutschen Gesetzen zufolge definiert.

Wo das Grundgesetz die Grenzen des Sagbaren allein in den "Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre" sieht, glauben SPD-Mitglieder sie von den eigenen Gefühlen gesetzt, unter Vorbehalt gestellt und völlig zurecht der Willkür von juristisch schnellbesohlten Meinungsfreiheitsschutzkommandos ausgeliefert.


"Debatte um #NetzDG erinnert mich an Sarrazin, genetisch dumme Muslime & Gerede über „das wird man wohl noch sagen dürfen”", schreibt Chebli mit der frohlockenden Ergänzung "Man durfte". Und darf, so glaubt die Engagementsbeauftragte offenbar, nun nicht mehr, dank NetzDG.

Mehr Irrtum, mehr Glaube an die eigene Sendung und mehr Verachtung für die Grundrechte als sie sich in den zufällig gleichzeitig erfolgenden Äußerungen aus der SPD zeigt, ist kaum vorstellbar.

Heiko Maas, Vater des erweiterten Meinungsfreiheitsschutzes, testete die neuen Grenzen eben selbst aus: "Beim Besuch der islamischen Gemeinde Saarbrücken ist mir gerade wieder klar geworden, was für ein Idiot Sarazin ist", ließ er eine seiner Sockenpuppen twittern. Zwar ist "Sarazin" falsch geschrieben, aber "Idiot" zweifelsfrei eine Beleidigung, für die 15 bis 30 Tagessätze fällig werden -
völlig unabhängig von Maas' Netzwerkreinhaltungsvorschriften. Vielleicht deshalb hat der Minister seinen Hass-Tweet mittlerweile auch wieder gelöscht: Im Falle von Maas, der so sparsam ist, dass er seine Wohnung von einem Möbelhersteller sponsorn ließ, wären das rund 11.500 Euro. So viel wert war ihm die der Kampf gegen "Sarazin" denn wohl doch nicht.

Zehn Jahre nach Kurt Becks Edikt, dass Internetforen, "die erkennbar Funktions- und Mandatsträger diffamieren, unzulässig" sind, und zwei nach Angela Merkels Mitteilung an die Bevölkerung, dass Meinungsfreiheit stets hinter die Religionsfreiheit zurücktreten müsse, bestimmt ein privatwirtschaftliches Unternehmen aus den USA, wie weit Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland reichen. Reguliert wird das Ganze von einer Firma, die unter einer früheren deutschen Diktatur Millionen mit dem Druck von wehrwillensstärkenden Landserheftchen verdiente. Und dem Verein einer ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin, die bis heute der Ansicht ist, dass die Freiheit, eine Meinung zu äußern, beschränkt werden muss auf die, die ihrer Meinung sind.

Die gewesene und künftige Regierungspartei SPD aber, die früher "Freiheit" stets als ersten Grundwert vor "Gleichheit" und "Brüderlichkeit" nannte, applaudiert dazu.

Samstag, 6. Januar 2018

Erster Leak: Auftakt der Groko-Sondierung abgehört



Frankfurter Rundschau will Moraltyrannei abschaffen


Erst Alexander Dobrindt mit seiner konservativen Revolution, dann Willy Orbans ungenehmigter Vorstoß nach Bayern, flankiert von einem Angriff Recep Erdogans auf Paris. Und nun meldet sich auch noch die renommierte "Frankfurter Rundschau", die im eher konservativen politischen Klima der Nachkriegszeit stets entschlossen linke Positionen vertreten hatte, mit einem flammenden Plädoyer für eine "Abschaffung der Moraltyrannei" zu Wort. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wagt sich Autor Udo Olbrecht an Eingemachte des politischen Alltagsgeschäfts: "Die Unzufriedenen in Deutschland wollen das Land verändern", heißt es da unumwunden. "Doch die Gründerelite verteidigt den Status quo." Das werde nicht ewig funktionieren, glaubt der Autor, dessen Leitartikel PPQ nachfolgend dokumentiert.

Proteste unterdrückt


Wie man Proteste seines Volkes unterdrückt und Kritiker mundtot macht, damit kennt sich die Berliner Politik aus. Als vor drei Jahren Bürgerinnen und Bürger in Dresden auf die Straße gingen, um ihre Unzufriedenheit mit der deutschen Russland-Politik, der Eurorettung und - später - der Strategie der Einwanderungspolitik kundzutun, wurde der lokal begrenzte Unmut mit einer Mischung aus Beschimpfung durch Spitzenpolitiker, Abschaltung von Kirchenbeleuchtung, mediale Bloßstellungen und Schauprozesse eingehegt. Auch als Pegida in der AfD eine Partei fand, die schnell so viel Zulauf bekam, dass die Bundesregierung nach und nach alle Forderungen der Straße zu ihren eigenen machen musste, blieb es bei der harten Linie und den alten Rezepten der Repression.

Als Kontrapunkt organisierte das Establishment eigene Demonstrationen, begleitet von medialen Lobeshymnen über "Europas Hoffnungsmacher" – untermalt von geharnischten Freitagspredigten und wüsten Drohungen gegen die, die die nicht aufhören wollten, "Pack" (Gabriel) zu sein. Wer von einem Ende der Regierung Merkel träume, polterte ein Hauptstadtblatt, sei ein "rechter Claquer", denn "kaum ein Demokrat kann und will sich künftig mit einer solchen Parole noch gemein machen."

Rezeptur der Repression


Doch ob diese jahrzehntelang praktizierte Rezeptur der Repression auch diesmal wirkt, muss sich erst zeigen. Zu tief sitzen Frustration und aufgestauter Ärger des Nachwuchses über die selbstvergessenen Machtspiele und Großmachtvisionen ihres politischen Establishments, während der eigene Alltag immer unerträglicher wird. Und so wirken alle Seiten, die ultraorthodoxen Status-Quo-Bewahrer um Merkel und Schulz genauso wie die Moderaten um FDP-Chef Lindner, überrascht von der Wucht und der Breite der anhaltenden Eruption von Unmut. Anders als nach der letzten Bundestagswahl kämpfen nicht mehr nur Abgehängte, Hartzer, Ostdeutsche und randständige westdeutsche Nazis gegen eine Wiederauflage der Großen Koalition, nein, die Unzufriedenheit hat - inmitten stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse - die Mitte der Bevölkerung erreicht.

Was fehlt, sind Namen, sind personelle Alternativen. Die sich großer Beliebtheit zumindest in einem Teil der Bevölkerung erfreuenden grünen Alt-Ikonen Roth, Trittin, Künast und Özdemir sind in den gegenwärtigen Revolte-Nächten nicht zu hören. Ebensowenig scheint eine Bevölkerungsmehrheit neuen Krawallgestalten wie Gauland, Weidel oder Höcke zuzutrauen, mehr zu sein als ein Ärgernis für die Etablierten.

Zorn gegen die politische Klasse


Stattdessen richtet sich der Zorn gegen die gesamte politische Klasse, weil sie ihre Machenschaften und Intrigen nur noch auf dem Rücken der Gesellschaft austrägt. Nicht mehr nur in Sachsen, diesem mystischen und mörderischen Landstrich, sondern im ganzen Land rebellieren die Leute, still in Dorfkneipen, in Facebook-Gruppen oder einfach dadurch, dass sie nicht einmal mehr so tun, als erwarteten sie in den kommenden Jahren auch nur eine Regierungsbildung. Auch in Dörfern, abgelegenen sächsischen Städtchen und den ärmeren Vierteln der Metropolen, die sich bisher klaglos mit dem einfachen Leben an der Seite neuer Nachbarn arrangiert haben, bleibt es verhängnisvoll still. Doch auch sie haben die Nase voll von ökonomischem Dauerstress bei rekordniedriger Arbeitslosigkeit, von zerfallenden Schulen, dem Angstgefühl nachts im Park, den niedrigen Zinsen, die das Sparen für die Rente unmöglich machen, und der Staatsverrottung, die sich selbst in den Gefängnissen zeigt.

Die Menschen sind die kostspieligen Kriegsabenteuer in Afghanistan, Mali und auf dem Balkan satt, obwohl sie schon seit einem Jahr nicht mehr beziffert wurden. Genauso stinken vielen wie die ständigen Gängeleien ihres Privatlebens, die Verbotsorgien und das bigotte Vorspielen eigener moralischer Überlegenheit.

Gesellschaftliche Lethargie


Wirtschaftlich läuft es, doch gesellschaftlich geht schon seit Jahren nichts richtig voran. Immer enger scheinen die Bande staatlichen Vorgaben zu werden, durch das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz sind viele nun sogar daran gehindert, ihre Kritik an bestimmten Erscheinungen öffentlich zu äußern. Jeder Tweet kann zu einem Nervenkrieg mit Netzaufsehern, Justiz und Polizei führen. Selbst wer in seinen eigenen vier Wänden eine harmlose Tanzparty feiert, muss damit rechnen, dass revolutionäre Moralwächter die Polizei rufen und die Gäste mit Hilfe erfundener Nazi-Vorwürfe auseinandertreiben lassen. In der Provinz wiederum fehlen nicht nur die Arbeitsplätze, auch Jugendclubs, Freizeitangebote und Kinos. Hier vergehen die Tage und Abende mit Herumlungern, Mopedrennen und Drogenkonsum.

Entsprechend vielschichtig, diffus und flächendeckend ist der Ärger in dem 80-Millionen-Volk, der sich auch durch härtere Repression nicht mehr so leicht zum Schweigen bringen lässt. Andererseits wird Deutschlands politische Elite trotz aller internen Feindschaften keinen offenen Bruch untereinander riskieren, der die bisher so gut funktionierende Republik zum Einsturz bringen könnte.

Letzter Ausweg Groko


Und so bleibt nur der Ausweg, Zuflucht in einer neuen Großen Koalition zu suchen und dann mehr als bisher so zu tun, als sei man bereit, auf das eigene Volk zu hören. Dazu müsste das Staatsbudget künftig wohl noch weiter aufgebläht werden, damit alle Klientelgruppen mit Wohltaten bedacht werden können. Ob die betagten und hochbetagten Gründereliten der Generation nach Kohl und Schröder, überwiegend bereits seit zwei, drei Jahrzehnten im Amt, die immer noch alle wichtigen Schalthebel der Macht in der Hand halten, zu einem solchen Pakt der Vernunft sind, bleibt unklar. Und so werden sie vielleicht ein letztes Jahrzehnt über ihrem frustrierten und unruhigen Volk thronen, bis sie am Ende ihren Traum von einem Platz im Geschichtsbuch mit ins Grab nehmen.

Freitag, 5. Januar 2018

Zitate zur Zeit: Löschen und löschen lassen


Nach Hause rennen, petzen und zur Belohnung eine Tracht Prügel.

Nele Neuhaus, Taunuskrimi, "Im Wald"

Mehr Zitate zur Zeit: Reise nach Jerusalem

Staatsfunk: Die Tagesthemen und der Pimpf

Es war noch das alte Jahr, als WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich kurzzeitig die inhaltliche Betreuung des Twitter-Accountes der "Tagesthemen" übernahm. Die 66-Jährige, erfahren im Kampf gegen Hetze, Hass und Zweifel, spielt selbst schon länger auf Twitter mit, immer wieder erhebt sie hier routiniert ihre Stimme, wo es gegen Donald Trump, die AfD, Reiche, Manager und white suprematics gehen muss

Als Twitterer der Spätnachrichtensendung hatte Mikich im Dezember nun die Chance, ihre bislang noch deprimierende Reichweite zu erhöhen. Und sie nutzte sie: Mikich, die das virtuelle Spiel mit Verleumdung, Gehässigkeit und Hitlervergleichen virtuos beherrscht, ließ nicht lange auf ihren ersten Scoop warten: Mit dem wunderbar fiesen Satz "Warum sieht der da vorne wie ein Pimpf aus?" kommentierte sie die Vorstellung des neuen österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz.

"Pimpf" war der Mannschaftsdienstgrad der Mitglieder des Deutschen Jungvolks, Hitlers Jugendorganisation für die Erziehung der Jugend zu Führertreue und unbedingtem Gehorsam. Sonia Mikich, einst politisch engagiert bei den Internationalen Marxisten, der deutschen Ortsgruppe der trotzkistischen 4. Internationale, weiß genau, wo sich ein Hitlervergleich anbietet: Kanzler, Österreicher, jung und in Berlin alles andere als beliebt. Warum also nicht?

Das Aufsehen lohnte den Aufwand, zumal sich Mikich schon kurz ihrer hetzerischen Bemerkung bei allen entschuldigte, die ihre Ironie nicht verstanden hatten. Gleich auch im Namen der Kanzlerin erklärte die Staatsjournalistin, dass ihr Nazivergleich kein Nazivergleich sei. "Gleichzeitig verzeihe ich auch alle Beleidigungen gegen eigene Person, Journalismus, Merkel, Tagesthemen, die ich gelesen habe.“

Wie ernst das gemeint ist, machen die "Tagesthemen" zwei Wochen später klar. Mikich ist wieder auf ihren eigenen Twitter-Account gewechselt, ihr Nazi-Tweet aber ist geblieben. Nur dass nun die staatlichen "Tagesthemen" sind, die die Pimpf-Frage stellen: Die Hauptnachrichtensendung der von Angela Merkels früherem Sprecher Ulrich Wilhelm - ihr derzeitiger Sprecher kommt vom ZDF - geführten Senderfamilie bezeichnet den Regierungschef eines EU-Partnerstaates als Nazi-Jungen.



Donnerstag, 4. Januar 2018

Meinungsfreiheitsschutz: Hinter den Grenze zur Hetze

Heribert Prantl war in einem früheren Leben Jurist. Der heutige Chefkommentäter der Süddeutschen Zeitung kennt das Leben im Gerichtssaal und er hat trotzdem noch nie ein Hehl aus seiner Auffassung gemacht, dass es jenseits des geltenden Rechts eine Art höhere Gerechtigkeit gibt, die immer dann zur Anwendung kommen muss, wenn etwas nicht so läuft, wie es ihm gefällt.

Das NetzDG genannte neue und exklusive deutsche Zensurrecht, das erstmals seit dem Ende der DDR wieder ins Belieben von Nicht-Juristen stellt, was strafbar und was sagbar ist, hat Prantl deshalb auch immer nur halbherzig kritisiert. Irgendwie schien ihm schon gut, dass Leute, die nicht seiner Meinung sind, künftig das Wort verboten bekommen können. Auch wenn, daran ließ die Edelfeder aus München keinen Zweifel, es schon irgendwie, naja, nicht ganz rechtsstaatlich aussieht, dass künftig schnellbesohlte studentische Hilfskräfte und selbsternannte Tugendwächter mit Stasi-Vergangenheit darüber entscheiden, ob ein "Pack" eine zulässige Meinungsäußerung, ein Galgen Satire oder die Bezeichnung eines Präsidenten als "Vollidiot" doch vielleicht eine unzulässige Schmähkritik ist.

Andererseits: "Recht und Rechtsschutz müssen auch im Internet gewährleistet sein", grantelt Prantl nun, wo Twittersperren wie aus heiterem Himmel auf deutsche Zeitungshäuser niederkommen. Satire darf alles, das NetzDG darf entscheiden, was. Fürchterliche Vorstellung: Morgen Heute könnte Prantl betroffen sein! Vielleicht, wenn er mal wieder von "Entrechtlichung" schreibt? Vielleicht auch, wenn
er mal wieder nie gesagte Aussagen "berichtigend so ausgelegt" (Prantl) hat, wie sie ihm passen?

"Entscheiden sollte darüber die Justiz", meint der Kommentator nun. Wobei für ihn klare Ausnahmen gelten: Wird Beatrix von Storch gesperrt, ist das lehrsam für die AfD-Frontfrau, denn die begreift so vielleicht, dass "ein Bundestagsmandat nicht die Lizenz für Pöbelei und Volksverhetzung" ist.

Dass es für Pöbelei keiner Lizenz bedarf, weil der Begriff im deutschen Strafrecht gar nicht vorkommt, stört den selbsternannten Oberrichter über die neuen Netzwerksperren wenig. Heribert Prantl, seines Zeichens Träger des "Gebrüder-Grimm-Preises", weiß zwar, dass "die Meinungsfreiheit auch für Gemeinheiten und Bösartigkeiten" gilt. Aber, schreibt Prantl, "wenn die Gemeinheit und die Bösartigkeit zur Hetze wird, endet der Schutz der Meinungsfreiheit".

Entscheiden darüber, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen zulässiger, auch überspitzer, Kritik und "Hetze", einem weiteren Begriff, den kein deutscher Strafrechtsparagraph enthält oder gar erklärt, das macht im Endeffekt dann wohl Heribert Prantl, das Münchner Ein-Mann-Gericht, der schreibende Staatsanwalt mit der Lizenz zum Löschen. Er weiß, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz als "nicht der Weisheit letzter Schluss" (Prantl) ist, weil es "nicht die Aufgabe von Privatunternehmen, sondern Aufgabe der Justiz ist, die Grenzen der Meinungsfreiheit zu ziehen". Den neuen Meinungsfreiheitsschutz durch jene Privatunternehmen - Prantl-Code "Wasserpest" - und ihre und ihre Löschkommandos voller Laienrichter aber dann irgendwie doch gut findet, weil er erstmal die Richtigen trifft.

Kriminalität: Als sich "Flüchtlinge" in "Zuwanderer" verwandelten

So schrecklich wandeln sich die Zeiten, wenn die Angst vor dem Auflagenverlust obsiegt: Auf einmal sind aus Flüchtlingen "Zuwanderer" geworden.
Über Jahre hinweg verfing die Wahrheit nicht. So oft auch engagierte Mitarbeiter der Leitmedien offizielle Behördenzahlen herunterbeteten, nach denen Flüchtlinge weniger Straftaten begehen als andere, kaum Längerhierlebende unter den Opfern sind und allenfalls junge Männer als gefährlich anzusehen sein, nicht aber die Nochnichtsolangehierlebenden, die von Rechtspopulisten und russischen Trollen gesäten Zweifel daran blieben, ob nicht doch Flüchtlinge diejenigen sind, die Probleme bereiten.


Sebnitz-Experte wieder im Einsatz


Jetzt allerdings hat der bekannte Kriminalexperte Christian"Töpfchen" Pfeifffffer im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend eine Studie über die Gewaltkriminalität von Flüchtlingen erstellt. Am Beispiel der Fallzahlen von Niedersachsen ermittelte der Experte, der einst federführend bei der Erfindung des Nazi-Mordes im Sebnitzer Freibad war, dass bei "fast jeder achten Gewalttat" ein Flüchtling als Täter verdächtigt wird.

Durch Flüchtlinge sei es im Gegensatz zu bisherigen Behauptungen über die angeblich "begrenzte Aussagekraft von Kriminalstatistiken" (Die Zeit) und Fake News über die "unterproportional" wachsende Kriminalität bei Flüchtlingen (Süddeutsche) seit dem Jahr 2014 zu einem "spürbaren Anstieg" von Gewalttaten in Deutschland gekommen - und das nach einem Rückgang der Zahlen bei Mord, Totschlag und Raubdelikten, der bereits seit den 90er Jahren anhielt.

Mehr als zehn Prozent des Anstieges der Fallzahlen seit 2015 gingen auf das Konto "Neuzuunsgekommener" (Merkel), so Pfeifffffer. Diese seien damit "zu mehr als 90 Prozent verantwortlich" für das Ende des Trends zu sinkenden Zahlen bei der Gewaltkriminalität, so die Studie des Populärkriminologen.

Wasser auf Wutbürger-Mühlen


Wasser auf die Mühlen vertierter Hetzer und merkelhassender Wutbürger, die seit Jahren unbeeindruckt von amtlichen Nachrichten über ein buntes und friedliches Zusammenleben darauf beharren, dass sie einen deutlichen Anstieg von Gewalttaten spüren, obwohl der amtlich stets dementiert, dass Flüchtlinge deutlich häufiger als Verdächtige von Gewalttaten auffallen, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Doch beim genaueren Blick auf die Fakten zeigt sich zum Glück, dass die Lage nicht annähernd so schlimm ist, wie sie die Rechtspopulisten malen wollen, die aus Angst vor weiter abbröckelnden Auflagen und Zuhörerzahlen nun auch bei engagierten Blättern wie der SZ, dem staatlichen "Deutschlandfunk" oder dem "Tagesspiegel" das Zepter übernommen haben. In der "Süddeutschen" etwa verwandeln sich die "Flüchtlinge" von eben nun plötzlich in "Zuwanderer", ein Begriff, den das Blatt aus München noch vor einem Jahr um diese Zeit gar nicht kannte. Doch die Auflkage sinkt, die Leser verlieren das Vertrauen. Da sind auch unorthodoxe Maßnahmen wie die Wahrheit auf einmal opportun.

Warum auch nicht. Die Zahlen sind schlimmer als die Wirklichkeit: Angesichts von 1,5 Millionen neuen Bürgerinnen und Bürgern, die allein 2015 nach Deutschland kamen, gefolgt von jeweils fast 200.000, die 2016 und 2017 die Einladung annahmen, in das letzte wirklich von einer höheren Moral regierte Land der Erde umzuziehen, sind zehn Prozent so gut wie nichts.

Umgerechnet auf die absolute Zahl der neuen Bürger ergibt sich eine Zahl neuer Straftäter, die weiter viel geringer ist als die Zahl neuer Mitbürger insgesamt. Oder wie die Süddeutsche Zeitung demnächst errechnen wird: Die Zahl der Tatverdächtigen unter den Geflüchten ist fast um das Dreieinhalbfache gewachsen, die Zahl der Geflüchteten insgesamt aber stieg seit 2014 nur auf das Doppelte. Schlussendlich sind damit immer noch weit weniger Zuwanderer kriminell als Kriminelle in Deutschland deutsche Pässe haben.

Minister und BKA mit Fake News


Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) würde, wenn er das nicht längst getan hatte, dazu  in Berlin erklären: "Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung. Der Großteil von ihnen begeht keine Straftaten, sie suchen vielmehr in Deutschland Schutz und Frieden."

Und das BKA könnte, wäre das nicht bereits geschehen, versichern, dass "Flüchtlinge keine größere Gefahr für uns" sind, also für die beamten und Angestellten des Amtes. Die sehen keine wachsende Zahl von Straftaten aufgrund von Flüchtlingen, ja, sie lehnen sich noch weiter aus dem Fenster: „Zuwanderer sind nicht krimineller als Deutsche!"

Künftig Probleme für de Maiziere und das BKA in Frankreich: Emmanuel Macron kündigt Gesetz gegen Fake-News an

Mittwoch, 3. Januar 2018

Verdammte Klimakatastophe: Schon wieder Eisbär tot!

Verfluchter Klimawandel: Wieder stirbt ein Eisbär und die Welt muss zuschauen.
Ein Foto der Berliner Lokalausgabe der Bild-Zeitung geht viral: Zu sehen sind laut der Redaktion die letzten Sekunden im Leben eines Eisbären. Mit der Veröffentlichung will das Blatt „die Mauern der Apathie“ im Hinblick auf den Klimawandel einreißen.

Die schon immer auch in Klimadingen engagierte Redaktion hat auf ihrer Youtubeseite eine Aufnahme hochgeladen, die mittlerweile fast 5000 mal aufgerufen worden ist. Zu sehen ist ein im Berliner Zoo sterbender Eisbär, der noch winzig klein aussieht. Schnee ist weit und breit nicht zu sehen, das winzige Tier taumelt durch die karge Landschaft, wühlt nach Essen, spielt mit einem Keks und sinkt schließlich entkräftet zu Boden. Wie Zoo- und Tierpark-Direktor Dr. Andreas Knieriem sagte, starb das Tier den Videoaufnahmen zufolge gegen 3.30 Uhr in der Nacht. Im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) wird es jetzt obduziert, um nachzuweisen, dass auch hier wieder der verdammte Klimawandeldie Todesursache war.

Es ist bereits der zweite tote Eisbär in kurzer Zeit. Im Dezember erst war ein anderes Tier ebenfalls an Klimawandel gestorben. Nun der kleine Berliner Bär, nach nicht einmal 26 Tagen auf der Welt hörte sein kleines Herz auf zu schlagen. „So sieht es aus, wenn man verhungert. Es ist ein langsamer und schmerzvoller Tod“, schreibt der Fotograf und Biologe Paul Nicklen angesichts der erschütternden Bilder.

Der Gründer der Umweltschutzorganisation „Sea Legacy“ hatte bereits im kanadischen Teil der Arktis mit seinem gesamten Team mit den Tränen gekämpft, als der andere von derzeit weitweit rund 30.000 Eisbären starb und er die Kamera draufhalten musste. Gut, dass diesmal die Bild-Zeitung die Aufgabe übernehme, die herzzerbrechenden Seiten der Natur zu zeigen, um "die Mauern der Apathie niederzureißen.

Nicklen, der dreimal den „World Press Photo Award“ für Naturfotografie gewonnen hat, bestätigt, dass das Problem der an Klimawandel sterbenden Bären nicht zu lösen sei, indem man einzelne Eisbären füttere. „Wenn die Erde sich weiter erwärmt, werden wir Bären und ganze polare Ökosysteme verlieren. Und wenn Wissenschaftler sagen, dass Eisbären in den nächsten 100 Jahren aussterben werden, denke ich an die weltweite Population von jetzt noch 24.998 Bären, die auf diese Weise sterben.“


Fake News: Missbrauch des Nachrichtenonkels

Ein fast völlig freierfundener Satz, den die ARD als Friedrichs-Zitat ausgibt.
Kaum ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft getreten, setzt sich die "Tagesschau" der ARD an die Spitze des zivilen Widerstandes gegen den regierungsamtlichen Versuch, Hetze, Hass und sogenannte "Fake News" mit Hilfe von weitreichenden und womöglich grundgesetzwidrigen Zensurmaßnahmen zu unterbinden.

Die Hauptnachrichtensendung des Staatssenders greift dazu beim Kurznachrichtenportal Twitter gewitzt auf ein gezielt verbreitetes Falschzitat zurück, das die Redaktion der Journalistenikone Hanns Joachim Friedrichs unterschiebt. Der habe einst gesagt, „einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“ und das sei seitdem "zu einem Leitsatz für Journalisten geworden".

Große Worte, die Friedrichs so allerdings nie gesagt hat. Als er im März 1995 das "Spiegel"-Interview gab, aus dem die "Tagesschau" den betreffenden Satz zu zitieren behauptet, war weder von guten noch von schlechten Journalisten die Rede. Friedrichs sagte vielmehr nur, er habe in seinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein".

Friedrichs, der "Nachrichtenonkel" (Spiegel), hatte keinen Lehrsatz prägen wollen, er empfahl seine Erfahrungen nicht als "Leitsatz" (ARD) für Nachwuchsschreiber- und Kommentatoren, er berichtet allein aus seiner eigenen Lebenswelt. Er spricht nicht von Journalisten, nicht einmal von guten. Und woran man sie "erkennen" kann, glaubt er auch nicht, weitergeben zu müssen. Alles andere ist erfunden, nachträglich hinzugedeutet, ausgedacht und es wurde zur Beglaubigung der vermeintlichen Authentizität in Gänsefüßchen gepackt.

Dabei sind neun der 20 angeblich zitierten Worte nachträglich hinzugefügt worden.

Methoden, die bei einer Nachrichtensendung wie der "Tagesschau", die sich erklärtermaßen allein auf Fakten stützt, niemals zufällig verwendet werden. Warum also greift die angesehene Sendung, der Millionen von Zuschauern vertrauen, auf sie zurück? Nun, hier sollte wohl die Produktion leicht zu erkennender Fake News dazu dienen, eine Sperrung des eigenen Twitter-Accounts wegen Verbreitung von Fake News zu provozieren, um eine breite gesellschaftliche Diskussion um die unmittelbaren Auswirkungen des NetzDG loszutreten.

Es wäre der "Tagesschau" zuzutrauen, das sie bereit ist, ihren durchaus noch vorhandenen Restruf als seriöse Nachrichtensendung für diesen guten Zweck in die Waagschale zu werfen. Die ganze Geschichte, so will uns die "Tagesschau" offenbar lehren, ist ein beunruhigendes Beispiel dafür, wie kompliziert der Umgang mit echten oder vermeintlichen Fake News ist. Es ist ungemein schwer, der Wahrheit nahezukommen, und extrem leicht, eine unüberprüfte Geschichte weiterzuverbreiten – selbst wenn man die ARD ist und nun einer harten Bestrafung durch die Meinungsschutzbehörden entgegensieht.

Dienstag, 2. Januar 2018

Meinungsfreiheitsschutz: Behörden planen Hassmeldepflicht

Seit gestern gilt es nun endlich, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das in Deutschland einen erweiterten Meinungsfreiheitsschutz durch eine größere Engführung
angemessener und damit öffentlich zulässiger Äußerungen bringen soll. Das Missverständnis, Meinungsfreiheit sei die Freiheit, seine Meinung unentwegt sagen zu dürfen, ja, zu müssen, wird konsequent ausgeräumt und von einer kollektiv empfundenen Einsicht ersetzt, dass wahre Freiheit in der Einsicht in die Notwendigkeit besteht, nicht zugelassene Äußerungen zu unterlassen.

Dazu wurde im Bundesamt für Justiz, das bisher nur als Zentralstelle für Registeraufgaben und Leitstelle für den internationalen Rechtsverkehr fungierte, den neuen Stabsbereich Ü (wie Überwachung des deutschen Netzverkehrs) eingerichtet. Hier sind seit gestern 12.300 scharf geschulte Überwachungsmitarbeiter mit hochmoderner Technik dabei, 24 Stunden am Tag für Sauberkeit und Ordnung im deutschen Internet zu sorgen. Vorerst sitzt die Stabsstelle Ü noch in aufgegebenen Räumlichkeiten an der früheren Normannenstraße. Der Bau eines eigenen Behördengebäudes ist allerdings in Planung, aus Zinssparüberschüssen stehen 476 Millionen Euro für ein sechsgeschossiges Gebäude mit Kellergewölben zur Verfügung, das vom spanischen Stararchitekten José Angelos gestaltet wurde.

Für die Umsetzung der umfangreichen neuen Aufgaben sind die Mitarbeiter von Ü auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen - ohne Anzeigen der Bürgerinnen und Bürger und deren sachdienliche Hinweise auf mutmaßlich rechtswidrige Inhalte ist das Bundesamt für Justiz bei der proaktiven Suche nach hetzerischen, hassenden oder zweifelnden Beiträge auf sich allein gestellt. Angesichts der Vielzahl der täglich bei Facebook, Twitter und anderen Plattformen anfallenden Kommentare eine kaum positiv zu gestaltende Aufgabe.

Im Internet bitten die Behörden derzeit schon um Mithilfe, doch im politischen Berlin gilt aus ausgemacht, dass erweiterter Meinungsfreiheitsschutz dauerhaft nur durch erweiterte Mitwirkungspflichten der Bürger zu haben ist. Mit der 2. Novelle des NetzDG, die noch vor der parlamentarischen Sommerpause von den Parteien des demokratischen Blocks verabschiedet werden soll, ist deshalb eine Meldepflicht für rechtswidrige Inhalte vorgesehen. Wer unzulässigen nicht-strafbare Inhalten in Internet-Netzwerken verbreitet oder Kenntnis von unzulässigen nicht-strafbaren Inhalten in Internet-Netzwerken besitzt oder erlangt, ist danach verpflichtet, taggleich Meldung beim Bundesamt für Justiz zu machen. Im Weigerungsfalle wird der Verweigerer mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.

Für Verunsicherung sorgt in der Anlaufphase noch die Frage, wie der meldewillige Bürger ermitteln kann, inwieweit der Inhalt eines ihm verdächtig erscheinenden Inhaltes bei einem sozialen Netzwerk tatsächlich nicht-strafbar rechtswidrig ist. Die Stabsstelle Ü hat dazu inzwischen eine hilfreiche Handreichung veröffentlicht, nach der die Würde des Menschen "unhassbar" ist. daraus folge zwingend, dass der flüchtige Gedanke daran, dass es jemanden geben könnte, der meinen könne, ein bestimmter Inhalt könnte nicht strafbar, aber rechtswidrig sein, ausreiche, um den Verdacht zu begründen, dass der fragwürdige Inhalt wirklich rechtswidrigen Charakter habe. Dann, so das BfJ, greife künftig automatisch die neue Hassmeldepflicht.

Künstliche Intelligenz: Streitapfel Altersfeststellung

Abdul D. lebt als 15-Jähriger in Deutschland, Rechtspopulisten aber halten ihn aus Hetzzwecken für älter.
Nach dem als "Bluttat von Kandel" (Rheinpfalz) bekanntgewordenen Mord an einer 15-Jährigen haben Rechtspopulisten zu Ablenkungszwecken eine Diskussion um notwendige neue Alterermittlungsgesetze für Flüchtende, Flüchtlinge und Geflüchtete losgetreten. Tatverdächtig im Fall der Schülerin Mia ist ein Ex-Freund, der sich bei den deutschen Behörden als 15-Jähriger ausgegeben hatte. Bilder des gebürtigen Afghanen hatten Zweifel an seinen Angaben geweckt, die durch fotoforensische Untersuchungen mit Hilfe einer KI (Künstliche Intelligenz) verstärkt worden waren. Eine KI des Internetkonzerns Microsoft (oben) hatte das wahrscheinliche wirkliche Alter des tatverdächtigen Abdul D. mit 34 Jahren angegeben.

Wäre der mutmaßliche Täter volljährig, müsste er sich nach dem Erwachsenenstrafrecht verantworten - Abdul D. drohte damit eine Haftstrafe, die beim von der Staatsanwaltschaft bislang angenommenen Totschlagsdelikt bei fünf bis 15 Jahren liegen könnte. Die großen Betreiber von KI-Technik weigern sich allerdings, bei der Klärung des wirklichen Alters von Flüchtlingen zu helfen. "Es gibt heutzutage keine wissenschaftliche Methode, die erlauben würde, das Alter eines 15- bis 20-Jährigen genau zu bestimmen und sicher zu entscheiden, ob er voll- oder minderjährig ist", behaupten die zumeist aus dem amerikanischen Silicom Valley stammenden führenden Unternehmen im Bereich KI, der im Englischen nach dem Fachbegriff Artifizielle Intelligenz mit AI abgekürzt wird.

Systeme wie Microsofts How-old-net oder Rekognition von Amazon können nach neuen Erkenntnissen des britischen "Guardian" zwar aufgrund von Fotos bei Datingseiten ermitteln, wie schwul oder nicht schwul ein Mensch ist. Doch die Ermittlung des Alters eines Menschen sei auch mit dessen Hilfe unmöglich, heißt es in einem Erwiderungsschreiben auf Altersermittlungswünsche aus der deutschen Politik.

Auch der deutsche AI-Experte Heinz Westerfeld betont, dass etwa die Gesichtserkennung, wie sie die NSA benutze, nicht nur das Alter von Personen aus grobkörnigen Überwachungsvideos herauslesen kann, sondern sogar in der Lage ist, einzelne Individuen zu identifizieren, selbst wenn sie sich mit Bärten oder Hüten tarnen. selbst die unterbezahlte und unterbesetzte Berliner Polizei verfügt über automatisierte Systeme, die unbekannte Gefährder künftig vor einem geplanten Anschlag erkennen und melden sollen. Der Konzern Apple setzt bei seinen iPhones auf eine Software zur Entsperrung, die Smartphonebesitzer identifiziert, auch wenn diese sich in einem dunklen Raum befinden und Bart oder Sonnenbrille tragen.

Trotzdem sei das Signal, das automatisierte KI-Alterstests aussenden würden, verheerend, so Westerfeld. Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse sei nicht hundertprozentig und sie könne deshalb keinen verlässlichen Altersnachweis liefern. Deshalb müsse sie unterbleiben, auch wenn etwa Identitätsausweise fehlen und eine glaubhafte Darlegung des Alters nicht erfolge. "Es gibt heutzutage keine wissenschaftliche Methode, die es erlauben würde, das Alter eines 15- bis 20-Jährigen genau zu bestimmen und sicher zu entscheiden, ob er voll- oder minderjährig ist", klärt der AI-Spezialist auf.

Da ein Asylbewerber ab dem Alter von 18 Jahren kein Anrecht mehr auf Betreuung oder auf Schulbildung habe, könne eine gestörte Entwicklung die Folge einer zu hohen Alterseinschätzung sein, begründen die weltweit führenden Anwender von KI und AI ihre Position. In einem Zeitalter, in dem menschen ihre geschlechtliche Identität nicht mehr an einer fragwürdigen Ausstattung durch die Natur festmachen müssen, sei es zudem nur natürlich, wenn auch die Wahl des eigenen Alters durch den Gesetzgeber freigestellt würde. "Statt lascher und fehlerhafter Kontrollen eines vermeintlichen Lebensalters sollte jeder sein Alter erfinden können und so akzeptiert werden, wie er sich fühlt", begründet Heinz Westerfeld seinen Vorstoß.

Schweden sei hier schon ein Stück weiter, wie eine aktuelle Untersuchung zeige. "Viele Asylbewerber haben dort ihr Alter nach unten korrigiert", lobt Westerfeld. Mit durchweg positiven Folgen für die Binnenwirtschaft: Damit stünden sie dem Arbeitsmarkt länger zur Verfügung, die Zeit der Beitragszahlungen in die Sozialkassen dauere länger und es folge ein späterer Renteneintritt.

Montag, 1. Januar 2018

Meldeformular für Blockwarte: Handreichung für Verstöße gegen das NetzDG

Übersichtlich gestaltet, machen die neuen Bundesblogwart-Formulare die Mitarbeit an der Reinhaltung des Internets leicht.
Das Bundesamt für Justiz (BfJ) stellt mit dem Jahresbeginn 2018 ein formloses Meldeformular für Hinweise auf mutmaßliche Verstöße gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz online. Damit wird Bürgerinnen und Bürgern erstmal Gelegenheit gegeben, durch aktive Mitwirkung beim erweiterten Meinungsfreiheitsschutz sicherzustellen, dass  das deutsche Internet kein rechtsfreier Raum bleibt.

Bis Ende 2017 hatten für die sozialen Netzwerke noch Übergangsfristen gegolten, die es nahezu vollständig ins Belieben von Internetkommentatoren und Forennutzern stellen, welche beiträge dort verfasst wurden. Ab dem 1. Januar 2018 gilt nun jedoch ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement für den Umgang mit rechtswidrigen oder staatsfeindlichen Inhalten (Hass, Hetze, Zweifel, Meckerei über Merkel  und andere nichtstrafbare Inhalte). Für vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) überwachte soziale Netzwerke gilt, dass sie verpflichtet sind, angezeigte Verstöße gegen die Maas-Gesetze zu löschen und den behörden Meldung über die Urheber zu machen. Dazu müssen die persönlichen Daten der Nutzer - Name, Adresse, persönliche Verbindungen - bereitgehalten werden.

Virtuelle Hausbuchführer


Nutzerinnen und Nutzer, die sich in die Bundesblogwartliste eingetragen haben und als virtuelle Hausbuchführer in sozialen Netzwerken ehrenamtlich arbeiten, können zweifelhafte und fragwürdige Inhalte damit schnell und einfach melden. Das Netzwerk muss die eingegangene Beschwerde unverzüglich zur Kenntnis nehmen und offensichtlich angezeigte Beiträge auch dann innerhalb von 24 Stunden entfernen oder für die in Deutschland lebende Benutzergruppe sperren, wenn es sich nicht um strafbare Inhalte im Sinne früherer Gesetzgebung handelt. Der vermutete staatsfeindliche Inhalt kann dabei schriftlich aufgeführt werden, es ist aber auch möglich, eine Zeichnung oder ein Foto des Tatverdächtigen an die Meinungsfreiheitsschutzbehörden zu übermitteln.

In allen anderen Fällen gilt grundsätzlich eine Frist von sieben Tagen. Wird ein derartiges Beschwerdeverfahren nicht, nicht richtig oder nicht vollständig vorgehalten, prüft das BfJ, ob ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist.

Alle betroffenen Nutzerinnen und Nutzer können dem BfJ mitteilen, dass trotz ihrer Beschwerde beim sozialen Netzwerk ein von ihnen als Laienstaatsanwalt und Laienrichter für rechtswidrig gehaltener Inhalt innerhalb der genannten Fristen weder gelöscht noch gesperrt wurde. Diesen Hinweis können alle Betroffenen über das vom Bundesamt auf seinen Internetseiten bereitgestellte Onlineformular übermitteln. Die Behörden werden daraufhin umgehend mobile Einsatzgruppen zum Tatort senden, um für Verstöße verwendete Rechentechnik sicherzustellen.


Systemische Mängel aufgedeckt


"Den Bürgerinnen und Bürgern wird mit dem Formular ein einfacher und schneller Weg geboten, uns Hinweise auf Verstöße gegen das NetzDG zu melden" erklärt der Präsident des Bundesamts, Heinz-Josef Friehe. Vorerst müssten sich die Nutzerinnen und Nutzer zunächst zwar noch beim jeweiligen sozialen Netzwerk beschweren. Das Bundesamt selbst kann keine Löschungen oder Sperrungen vornehmen, sondern prüft die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen systemischer Mängel im Beschwerdemanagement ", betont Friehe.

Das Meldeformular steht ab 1. Januar 2018 auf der Internetseite www.bundesjustizamt.de unter dem Pfad Themen - Bürgerdienste - Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken - Spitzelservice - Formulare zur Verfügung.

Rückblick aus dem Jahr 2032: Deutschland, Vorbildstaat ohne Regierung

Vom Absterben des Staates träumte Lenin, so einfach aber, wei es dann wurde, hat der Urvater des Versuchs, den Kommunismus herbeizumorden, sich  das nicht vorgestellt. Im September des Jahres 2017 wurde in  Deutschland ein allerletztes Mal gewählt, dann gab es Probleme, eine Mehrheit zu finden, die nicht beim ersten Beisammensein am Kabinettstisch mit Fäusten und Stuhlbeinen aufeinander losgegangen wäre. Die Minister, die vom letzten Mal noch im Amt waren, amtierten deshalb einfach weiter, ein Notkabinett, das sich insofern grün war, als dass alle Beteiligten mehr Angst vor erneuten Wahlen als vor einem stabilen "Weiter-so-.weit-schaffen-das" hatten.

Angst vor der nächsten Wahl


Dann kam der Advent,  dann war Weihnachten und nach Neujahr hatten sich 82 Millionen Bundesbürger, Längerhierlebende wie Neuzuunsgekommene, auch schon irgendwie an den herrschaftsfreien Zustand ohne gewählte Regierung gewöhnt. der Staat, wie Ältere ihn noch kannten, war abgestorben. Und kaum  jemand hatte es bemerkt.

Walter Steinmeier, in der jüngeren deutschen Geschichte der erste gerichtlich anerkannte Verfassungsbrecher, der als Bundespräsident fungiert, tröstete die wenigen, die noch Zweifel hatten. "Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht", versprach er und schaute dabei schüchtern an der Kamera vorbei. Das Grundgesetz, erfuhren staunende Wähler, sehe weder eine Begrenzung der Amtszeit einer geschäftsführenden Regierung noch eine Frist zu Bildung einer neuen vor.

So kam es dann auch. Angela Merkel, nicht mehr ganz so beliebt wie auf dem Höhepunkt ihrer Macht, doch immer noch unangefochtene Lieblingspolitikerin der Deutschen, blieb einfach Kanzlerin, wie sie es versprochen hatte. Die SPD wiederum brach ihr Versprechen nicht, in die Opposition zu gehen. Sie ging, beließ ihre am Wahlabend von Parteichef Martin Schulz zurückgezogenen Minister aber dennoch bis auf weiteres in der Regierung. Deutschland brauche Stabilität, versicherten alle Beteiligten, gerade wegen Trump, wegen Europa, wegen Putin, wegen des Klimawandels, des Euros und der offenen Frage der Durchsetzung der Elektromobilität zur Rettung der Erde, die wir nur von unseren Enkeln geborgt haben.

Amtsinhaberin ist erst 63


Angela Merkel war 63 Jahre alt, als sie von der gewählten Bundeskanzlerin zu fungierenden Amtsinhaberin wurde. Heute, im Jahre 2032, ist die Frau, die sie die "ewige Kanzlerin" nennen, 78 Jahre alt, nur fünf Jahre älter als Konrad Adenauer bei seiner ersten Vereidigung als Bundeskanzler.

Merkel, die die Regierugnsgeschäfte als "Fungierende" oder "Amtierende", wie es das politische Berlin später nennen wird, mit noch ruhigerer Hand führt als früher, hat gemessen an Adenauer noch fast ein ganzes prächtiges Jahrzehnt im Amt vor sich - bis nach 2040 könnte sie amtieren, wenn die Gesundheit mitspielt. Insgesamt käme Angela Merkel dann auf 35 Jahre im Amt, das in dieser Zeit um sie herumgewachsen ist wie ein Kokon: So wie aus dem Namen "Cäsar" der "Kaiser" wurde, ist aus Merkel Stand 2040 der "Merkel" geworden, ein Amtsinhaber, von dem niemand mehr weiß, wie und warum er existiert, wie er dorthin gelangte, wo er ist, und wie ein Leben ohne ihn sein könnte.

Das sind vielleicht keine demokratischen, aber es sind stabile Verhältnisse, die das Land nicht zuletzt der hetzerischen AfD verdankt. Deren verfassungsfeindliche Drohungen, Deutschland verändern und die Regierung jagen zu wollen, ließen Neuwahlen in den Jahren nach 2017 einfach nicht zu. Zu groß wäre das Risiko gewesen, dass die Falschen gewinnen und eine Regierungsbildung nur umso komplizierter wird. Und je länger man zauderte, es dennoch darauf ankommen zu lassen, desto größer wurde es.

Dann lieber gar keine Regierung im herkömmlichen Sinne, sondern eine amtierende Verwaltung, die eine Auge darauf hat, dass die Dinge ihren verfassungsmäßigen Gang gehen. Das tun sie, rückblickend aus dem jahr 2032 nun seit mehr als 15 Jahren. Angela merkel sei dank. Und ein langes, langes Leben bei voller Schaffenskraft gewünscht.