Donnerstag, 22. Juli 2010

Mehr ist immer weniger

Vor sieben Jahren hatte der Arbeiterführer und Finanzminister Hans Eichel eine geradezu grandiose Idee. Um den maroden Staatshaushalt endlich zu sanieren, würde er die Tabaksteuer erhöhen. Zwei Effekte waren geplant: Einerseits würde die Zahl der Raucher zurückgehen. Andererseits würden die Steuereinnahmen steigen. "Die Mehreinnahmen in Milliardenhöhe", hieß es im Hauptquartier der später als Dienstwagenfahrerin bekanntgewordenen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stolz, "sollen in die Finanzierung der Gesundheitsreform fließen". "Ich habe den Eindruck, dass in der Bevölkerung akzeptiert wird, dass die Raucher hier einen Beitrag leisten", imaginierte die seinerzeit führende Grüne Krista Sager.

Damit nicht zu viele Menschen einfach mit dem Rauchen aufhören, hatte das rot-grüne Kabinett einen raffinierten Fahrplan ausgearbeitet. Eine "zeitliche Streckung" (Schmidt) würde verhindern, dass Raucher vermehrt zu Schmuggel-Zigaretten greifen und die Steuereinnahmen aus der erhöhten Steuer sinken. Modell Frosch im Kochtopf: Ins heiße Wasser geworfen, stirbt er. In kaltes gesetzt, das langsam erhitzt wird, ist er irgendwann zwar auch tot. Er merkt es aber nicht.

Es ging immerhin um jährliche Zusatzeinnahmen von 4,5 Milliarden Euro. Die nun trotzdem nicht nur ausgeblieben sind, sondern seit der Steuererhöhung beständig sinken. Deutschlands Raucher verweigern sich der Solidarität mit dem Staat: Nach der dritten Stufe der Tabaksteuererhöhung, die den Steueranteil pro Zigarette von 8 auf 14 Cent erhöhte, werden die Einnahmen aus der Tabaksteuer im Jahr 2010 bei etwa 13,6 Milliarden Euro liegen - und damit rund 400 Millionen Euro niedriger als vor der ersten Erhöhungsrunde im Jahr 2003.

Dass höhere Steuern automatisch zu höheren Einnahmen führen, darf damit ein weiteres Mal als erwiesen gelten, wenn auch in diesem Fall die Profiteure der klugen Maßnahme jenseits der deutschen Grenzen sitzen. Allein im zweiten Quartal 2010 ging der Umsatz im Tabakhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamt in Wiesbaden um sechs Prozent zurück, weil "immer mehr Raucher auf losen Tabak zum Selberdrehen und auf Schmuggelzigaretten umsteigen". Der steuerbegünstigte Drehtabak verkaufte sich um 5,3 Prozent besser, den fehlenden Rest liefern Moskauer Edelhersteller wie "Jin Ling" sogar ganz steuerfrei.

Alle fehlenden Einnahmen flossen in den wackligen Staatshaushalt von Eichel-Nachfolger-Nachfolger Schäuble. Konsequenterweise setzt dessen Finanzministerium nun "zur Sanierung des Bundeshaushaltes" auf bewährte Maßnahmen: Die Koalition erwägt derzeit eine
Erhöhung der Tabaksteuer.


8 Kommentare:

waulmurf hat gesagt…

Tja, vielleicht sollten die im Finanzministerium auch mal nach "Laffer-Kurve" googlen.

ppq hat gesagt…

googeln? was du aber auch verlangst

Anonym hat gesagt…

Naja, es gibt auch Hinweise auf einen geringeren Tabakkonsum im Drogen-und Suchtbericht 2009 sowie in der Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung 2009 -> externe Effekte im Gesundheitswesen und der Arbeitsproduktivität. Auch darfst du die positiven Einkommenseffekte von unversteuertem Konsum nicht vergessen, das eingesparte Geld verschwindet schließlich. Das alleinige Betrachten der Tabaksteuereinnahmen greift mMn zu kurz.

Anonym hat gesagt…

/korrektur
... verschwindet schließlich nicht.

ppq hat gesagt…

1) geringerer konsum - ja, klar. die illegal konsumierten mengen sind ja statistisch nicht erfassbar.

2) gesundheitsfördernder effekt? völlig fragwürdig. schau dir die selbstgedrehten an, die die gesamte nachwachsende generation sich reinqualmt. wer mir sagt, dass die nicht noch viel ungesünder sind als die fabrikkippen, die wir einst rauchten, der lügt, so wie der qualm da neben dem filter durchpfeift.

oder nimm sowas wie jin ling. das ist doch rattenkot, der da verbrannt wird.

positive einkommenseffekte durch den unversteuerten konsum kann es m.e. nicht geben, weil der konsum ja nicht wirklich was spart, sondern vor allem ausgleicht, was sonst an mehrkosten aufgewendet werden müsste. gespartes für konsumzwecke und abfließende mittel wegen einkäufen im ausland (guck nur mal auf einen polenmarkt an der grenze) dürften sich allenfalls die waage halten.

aber ich kenne leute, die haben hier in D seit jahren keine einzige schachtel mehr gekauft, rauchen aber jeden tag eine. das sind

Anonym hat gesagt…

zu 1) nat. sind die illegalen Mengen nicht erfassbar, deswegen wies ich auf den Bericht der Drogenbeauftragten und des Zolls hin. Beide sind Indiz für einen geringeren Konsum.
Ansonsten kann ich auch ein statistisch irrelevantes Einzelbeispiel aus meinem Bekanntenkreis nennen: das Pärchen rechnete 2005 ihre Tabakausgaben aufs Jahr hoch, geschockt litten sie zusammen ein paar Wochen unten dem Entzug und seitdem landet das eingesparte Geld in der jahrl. Urlaubskasse.

zu 2) externer Effekt, nicht gesundheitsfördernder da hast du mich mich missverstanden. Ich meine die geringeren Gesundheitskosten für einen Ex-Raucher und für das frühere Ableben eines "Rattenkot" rauchenden Menschen. Eine Win-Win-Situation für den nichtrauchenden aber beitragszahlenden Zyniker.

Ob unversteuerter Konsum nun Mehrkosten ausgleicht oder Ausgaben verringert (sparen ist der falsche Begriff) hängt doch von der Betrachtungsweise ab (ex ante, ex post).

ppq hat gesagt…

nönö, die drogenbeauftragte rechnet ihre berichte zum geringeren konsum doch aus dem umsatzzahlen, und die betreffen nur den offiziellen umsatz. beim zoll ist es genauso, deren zahlen taugen sowenig wie die drogenhändlerfangquoten der polizei. mehr aufgedeckte taten sprechen nämlich immer entweder für mehr versuchte taten oder für höheren fahndungsdruck. andersrum genauso - fängt der zoll weniger kippenschmuggler, kann das auch nur heißen, dass die kippenschmuggler häufiger am zoll vorbeikommen, ohne erwischt zu werden.

rlaubskase ist gut. nur die frage, wo der urlaub gemacht wird entscheidet, ob schäuble sich freut oder nicht.

geringere gesundheitskosten für nicht- oder exraucher stimmt so nicht, wenn ich mich richtig entsinne. am teuersten wird der mensch ja, wenn er ab 80 halbgesund immer älter wird. irgendwo las ich mal, dass die gesundheitskosten, die ein mensch bis dahin verursacht, dann zuerst in 10, ab 90 in fünf und ab 95 in 3 jahren anfallen. das passiert rauchern eher selten, die sind also eher solidarisch, indem sie rechtzeitig sterben.

Die Anmerkung hat gesagt…

Deutsche versteuern weniger Tabak. Das ist die Aussage. Aus der läßt sich nur ableiten, was sie selber schon sagt. Es wurde weniger Tabak versteuert. Alles andere ist Lesen im Kaffeesatz bzw. Herbeibemühung der berühmten Dunkelziffer.