Mittwoch, 6. Januar 2021

Geburtstag des Präsidenten: Die Schneeeule im Schloss Belevue

Faszinierende Szenen im Original-Schnitt der Tagesschau: Walter Steinmeier hört sich selbst bei einer Rede zu.

So ist das bei einem Bundespräsidenten von Format: Wenn sie erst mal angekommen sind im höchsten Amt des Staates, dann erinnert sich kaum noch jemand an sie. Dass Walter Steinmeier schon einmal fast Bundeskanzler geworden wäre, dass er als die "Schneeeule der Sozialdemokratie" gerühmt und als Verfassungsbrecher verurteilt wurde - vergeben, vergessen. Das gesamte frühere Leben des Mannes, der auch im überparteilichen Amt stets Demokrat blieb, wenn auch sein Parteibuch ruht, scheint ausgelöscht, seit Steinmeier am Ziel angekommen ist. 

Ganz oben, dort, wo der Mann mit den prächtigen weißen Haaren schon hingewollt hatte, als er noch halbunsichtbar im Schatten seines Förderers Gerhard Schröder über das politische Parkett schlich. Nie in seiner einzigartigen Laufbahn hat Walter Steinmeier jemals eine Wahl gewonnen, dennoch ist er dort angekommen, wo er nie hingewollt hatte: Sogar Bundespräsident statt nur Bundeskanzler. Für jemanden, der als Spitzenkandidat das bis dahin schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl für seine eben noch erfolgverwöhnte Partei geholt hatte  gar nicht so schlecht.

Aber der gebürtige Ostwestfale weiß, dass Beharrungsvermögen in der Politik dazugehört. Er begann als Tischlersohn in ganz kleinen Verhältnissen, in Brakelsiek im Kreis Lippe, die Mutter , so würde heute in den Hauptstadtredaktionen geschrieben, war nur Fabrikarbeiterin und leider auch Heimatvertriebene. Steinmeier machte trotzdem Abitur, er leistete damals auch noch Wehrdienst und durfte trotz der mangelnden Chancengerechtigkeit Jura studieren. Mittendrin rutschte er in verfassungsfeindliche Kreise, entschloss sich aber dann doch, die Staatslaufbahn anzustreben. Und dieser Staat verzieh seinen Feinden damals noch, das war als nicht nur denkbar, sondern möglich.

Steinmeier begann in der dritten reihe, rutschte unter Schröder eins rauf mit Mappe und wurde unter Angela Merkel ein Außenminister, wie ihn sich jede Kanzlerin nur wünschen kann. Beliebt, aber nicht bedrohlich, an den Hartz-Reformen und der Agenda 2010 beteiligt, aber willfährig auch dabei, sich von ihnen jederzeit zu distanzieren. Vorher, unter Schröder, hatte Steinmeier Krieg geführt und Foltern lassen, dabei aber immer darauf geachtet, im richtigen Moment wegzuschauen. "Der Steinmeier ist für jedes politische Amt geeignet", hieß es damals schon bewundernd im Dunstkreis der Macht. Alle die berühmten Sekundärtugenden des machtausübenden Deutschen, der zugleich Macht weiter transportieren soll, er verfüge darüber.

Erst später, als die Partei zunehmend unzufrieden damit wurde, wie ihre letzte noch aus den 90er Jahren hinübergerettete Führungsformation tatenlos zuschaute, wie alles immer mehr zugrundeging, musste eine Anschlussverwendung auch für Walter Steinmeier gesucht werden. Und wegen des präsidialen Habitus, seiner weißen Haare und der Art, mit Wählern und Bürgern langsam und überdeutlich wie zu Kindern zu sprechen, war schnell klar: Walter Steinmeier ist ein typischer Bundespräsident, ein Mann, der die Bürde der Macht des Wortes so tragen würde wie der große Weizsäcker, der sich nicht einmischte, sondern mahnte und lobte, wo immer ihn seine Protokollabteilung vor eine Kamera schob.

Als Bundespräsident ist Walter Steinmeier seitdem unsichtbar, so lange er nicht pflichtgemäß zu jeder vollen Krise einmal übersehbar oder überhörbar aus seinem Kämmerlein im Schloss Bellevue getreten kommt, um die passenden Worte und den richtigen Ton in aller Öffentlichkeit ungeschminkt auszusprechen. Wechselweise ergreift ihn dann Zorn, er ist erschüttert oder entsetzt, er fühlt tief in sich tiefe Betroffenheit und manchmal auch große Freude - Beobachter haben mitgezählt, dass die viele Ruhe und der gute Schlaf im Schloss Steinmeier befähigen, seine Gefühle im Viertelstundentakt zu wechseln.

Und der Sport natürlich. Walter Steinmeier ist einer, der für Kameras auch mal aufs Rennrad steigt, ohne Maßanzug und Leibwache, ein Bürgerpräsident, der im lockdown zwei Tage lang, drei Tage lang, so genau wusste er es gar nicht mehr, seinen Keller aufgeräumt hat. Bleibt Zeit übrig und steht es so im Terminplaner, besucht er auch mal ein leeres Impfzentrum oder er spricht persönlich mit genesenen Covid-19-Patienten - augenzwinkernd übt der SPD-Mann, der seine Niederlage gegen Angela Merkel bis heute nicht wirklich verwunden hat, damit auch Kritik an der Bundeskanzlerin, die es in elf Monaten Pandemie-Krise nicht nur nicht geschafft, sondern es tunlichst vermieden hat, irgendwo in einer Maskenfabrik, auf einer Seuchenstation oder auch nur in einem Polizeirevier aufzukreuzen.

Das Amt des Bundesmutmachers bleibt so an Walter Steinmeier hängen, an seinem großen Körper, seit Jahrzehnten ungebeugt, richten sich die Deutschen auf, ja, die Europäer und die Welt sogar. An seinem 65. Geburtstag, für einen Mann seines Jahrgangs fast schon ein Anlass, über den Ruhestand und die dort erwartbaren Bezüge nachzudenken, hat Walter Steinmeier gar nicht groß gefeiert. Beim Lesen der Glückwunschartikel, die aus allen großen Pressehäusern hereinflatterten, war er wohl gerührt, so heißt es im politischen Berlin. Aber auch entschlossen, den Deutschen weiter viel Mut zu machen: "Wir werden diese Krise überwinden - das muss gelingen und es wird gelingen." 

 

"Der Präsident von nebenan - Väterchen Stalin wird 65" - zum Download der Eloge der "Tagesschau" hier Download der Audiodatei


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Unter Schröder konnte er sich so eine Flitzpiepenhaftigkeit sicher nicht leisten, aber ab Außenminister war ihm erkennbar alles nur noch scheiegal.

Der tagesschau-Schreibknecht hat sich merklich einen abgekrampft um die Zeilen zu schaffen.

Anonym hat gesagt…

Steynmeyer wäre sicherlich auch ein guter Sozialnationalist - nun ist er einfach nur ein ganz gewöhnlicher Sprechmensch der wirklich gut für das politische System funktioniert .

Happy Birdsday hat gesagt…

Es gehört nun mal zu einer respektablen gespaltenen Unpersönlichkeit, sich selber beim Quatschen zuschauen und belauschen zu können.

Darum dürfen auch nur solche Psychospezialisten in hohe Ämter, weil ein Normalbürger daran kläglich scheitern würde, denn der kann entweder reden oder zuhören, aber nicht beides zugleich.

Sein wir also dankbar, solch einen prädestinierten Buntespräsidenten zu haben, der zudem auch noch Feine Sahne Fischfilet köstlich findet.

Wenn schon sonderbegabt, dann auch richtig.