Dienstag, 25. Mai 2021

Überraschend schnell: Das Comeback der Rasse

Bei Katzen findet man sie gelegentlich noch, die Rassen. Im Grundgesetz bald nicht mehr.


E
s ging ganz schnell, dann war es vorüber. Im März erst beschloss das Bundeskabinett, dass es künftig keine Rassen mehr geben wird, wenigstens nicht im Grundgesetz. Die Große Koalition folgte damit einem Vorschlag der Linkspartei, die mit der Streichung des Begriffs aus Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 die rassistische Diskriminierung beseitigen wollte, die „auf der Vorstellung der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschengruppen“ aus dem 18. Jahrhundert beruht.  

Rasse weg, rassisch neu

Aus „niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ soll ein einschiedenes "niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden“ werden - für die Große Koalition ein großer Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit, für alle anderen demokratischen Parteien ein must have jeder modernen Verfassung. 

Bisher dauert es zwar trotzdem noch bis zur Umsetzung, der Bundestag ist zu allem entschlossen, hat aber offenbar noch immer nicht beschließen können. Ganz anders dagegen beim neuen Strafgesetz zur Einführung des Straftatbestandes der "verhetzenden Beleidigung", einer Art Mischung aus Hassrede im eigene Badezimmer oder Autofahrersitz und der Coronaleugnung per Querdenkermarsch. 

Rätselhafte Herkunft

Der neue Paragraf 192a definiert die brandneue Sonderform der staatsgefährdenden Delegitimerung einzelner Staatsbürger als die Verbreitung eines "Inhalts, der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein". 

Sprachlich, grammatikalisch und inhaltlich zweifelos eine der stärksten Aneinanderreihungen von 67 Worten in einem Satz, die jemals in Deutschland gezauberwürfelt wurden. Wer den neuen Paragrafen von vorn bis hinten liest, weiß zweifellos nicht mehr, worum es geht, was gemeint ist oder wer hier wen, wie Lenin gesagt hätte. was ist eine "böswillige" Verächtlichmachung? Und ist eine nicht-böswillige Verächtlichmachung damit nun wirklich erlaubt? Wie muss die aussehen? Und warum versucht der Gesetzgeber hier eigentlich, eine bekanntlich durch ihre krude Weltanschauung bestimmte Gruppe wie die AfD vor der unerwünschten Konfrontation mit kritischen Inhalten zu schützen, nach denen die Gruppenzugehörigen bestimmt nicht verlangen?

Übles Osterei der Rassisten

Das sind Rätsel, die Gerichte klären werden. Aufmerksame Zeitgenossen aber haben in der neuen Strafvorschrift noch viel Übleres entdeckt. Vermeintlich gut versteckt zwischen "national", "religiös" und "ethnisch" steht dort ein Bezug, der so gar nicht geht: Die "rassische Herkunft", die künftig vor Verhaltensweisen schützen soll, die weder vom Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB noch von dem der Beleidigung nach § 185 StGB erfasst werden, hebt ab auf den überkommenen Rassebegriff aus dem Grundgesetz, das "seit dem 18. Jahrhundert als Rechtfertigung von Sklaverei und kolonialer Herrschaft“ gedient hat.

Ein Konstrukt, denn im Unterschied zur bunten und vielfältigen Welt der Hunde, der Pferde und der Kaninchen gibt es beim Menschen keinerlei Rassen. Wo aber keine Rasse ist, wie kann dann jemand eine "rassische Herkunft" haben? Was muss da im Gesetzgebungsverfahren in der Großen Koalition und dem von der SPD-Doppelministerin Christine Lambrecht geführten Justizministerium schiefgelaufen sein, um einen derart innert volksverhetzenden, rückschrittlichen und beleidigenden Begriff noch vor seiner endgültigen Streichung aus der Verfassung per Federstrich über einen neuen scharfen Strafvrechtsparagrafen wieder hoffähig zu machen? Welche dunklen Kräfte wirken da im neuen Ka­bi­nett­aus­schus­ses zur Be­kämp­fung von Rechts­ex­tre­mis­mus und Ras­sis­mus? Und wer steckt dahitler und weswegen?

Störung des öffentlichen Friedens

Fragen, die der Bundestag zu stellen hätte, um einer absehbaren Störung des öffentlichen Friedens durch einen Strafrechtsparagraphen zuvor zu kommen, der selbst den Tatbestand der Beleidigung ohne konkreten Bezug zu betroffenen Personen erfüllt. Schon seit dem Ende des Humangenomprojekt im Jahr 2003 ist bekannt, dass alles Menschen auf allen Erdteilen etwa 99,9 Prozent ihres Erbguts gemeinsam haben - selbst ein rassischer Unterschied zum nächsten Verwandten des Menschen, dem Schimpansen, ist im Erbgut nicht auszumachen, denn die Gemeinsamkeit beträgt auch hier noch mehr als 98,5 Prozent.

Eine Tatsache, die bei der Abwägung der Formulierung im Justizministerium offenbar keine Rolle gespielt hat. Stattdessen wird der fragwürdige Begriff in fünf Zeilen Paragrafenkauderwelsch versteckt, der nicht einmal Platz lässt für eine oberflächliche Definition dessen, was er meinten soll. Beschimpfen, böswillig verächtlich machen, Verleumden , aber eben nur "aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu durch Eigenschaften bestimmten Gruppe", mit denen eben nicht Schalke-Fan, ostdeutsch, Glatzkopf, adipös  oder binär gemeint ist, sondern unter anderem eine "rassische Herkunft", die dann doch wieder nicht genauer beschrieben wird.

Die sexuelle Identität wurde vergessen

Wer schreibt solche Gesetze? Und wozu? Weshalb fehlt die sexuelle Identität, die doch längst realer Gegenstand der gesellschaftlichen Debatte ist? Während die "Rasse", fast ebenso lange ins Reich der Fantasie früherer Generationen verdrängt, in der Aufzählung auftaucht, als sei die bunte Bundesrepublik des Jahres 2021 noch das Kaiserreich von 1910. Die Frage ist bisher unbeantwortet, da sie von den großen Medienhäusern nicht gestellt wird. Womöglich ist das neue Gesetz dort nur noch nicht ausreichend studiert, gewogen und für gut befunden worden. Vielleicht aber fehlt es am Ende eines langen Pandemiejahres auch einfach an Energie und Dynamik, zwischen "national", "religiös" und "ethnisch" ein "rassisch" zu finden und das "sexuell" zu vermissen.


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Fun fact: In der Anglophonie gehören Haustiere keinen Rassen an, man spricht von breed', was man grob mit Zucht(-linie) übersetzen kann. Ich frage mich, wozu wir eine Armee von Sprach- und (Anti-)Rassentheoretikern bezahlen, wenn man diesen neuen Sieg über Rassendenke nicht sieht. Einem, der das aufgriffe, wären Artikel und Interviews fast sicher.

Die Anmerkung hat gesagt…

@anonym

Das Problem daran ist Google. Gleich der erste Treffer in groß und eingerahmt und mit der würde von 500 Jahren Sprachrassismus ausgezeichnet:

englisch Deutsch

breed Rasse

Übersetzungen von breed

Substantiv
die Rasse

Anonym hat gesagt…

re Anmerkung

Völlig richtig, aber wenn ich einen Quatschabschluss von der Lorem Ipsum Uni in Rassengender hätte, würde ich mich nicht um Fakten kümmern. Fakten sind ja strukturell systemisch.

Hase, Du bleibst hier ... hat gesagt…

Ein Zebra wird zum Haflinger, wenn 2/3 der Haflinger sagen, ja du bist ein Haflinger. Außerdem gibt es nur noch Paarhufer. Also auch keine Haflinger mehr.

Ich, als PwC, Gringo oder Langnase bin ja auch nur Mensch. So zumindest der staatlich autorisierte Zeitgeist.

Jodel hat gesagt…

Zusätzlich haben alles diese wunderschönen neuen Gesetze einen mit Zaubertinte und nur unter Schwarzlicht zu sehenden Anhang:
"Alle diese Paragraphen gelten zum einen nur für schon länger Hierlebende. Neuankömmlinge dürfen das alles komplett anders sehen. Zum anderen sind geistig oder örtlich in Dunkeldeutschland beheimatete Personen von jeglicher Schutzmaßnahme auszuklammern."

Tschingderassebumm hat gesagt…

Wir haben 1984 längst hinter uns, denn der Staat fragt uns täglich neu: Wie viele Finger?

Aber die Nutzviehhorde kapieret mal wieder nix. Alle latschen glücklich zur Maloche, um für die paar Kröten, die sie dafür netto bekommen, etwas SChnickschnack kaufen zu können.

Welch ein Fortschritt: Früher konnte ein einfacher Arbeiter seine oft große Familie ernähren und dazu ein Haus bauen. Heute muss er Importfachkräfte aller möglichen Nichtrassen durchfüttern und hat selber kaum noch was für sich, seine Kinder und Enkel.

Eine wahrlich schöne neue Welt.

Vom Weltrettervolk jedoch sturheilsüchtig selber bestellt.

Mein Mitleid hält sich also in Grenzen, wenn es Teilhabe-Randale ohne die Armlänge Abstand gibt.

Für mich wird es nicht nur bei Tieren darum weiterhin Rassen mit sehr unterschiedlichen körperlichen und geistigen Ausprägungen geben, denn für mich hat eine normale Hand weder vier noch sechs, sondern fünf Finger.

Ob das jedoch eine barbarische Folter übersteht, weiß ich nicht.

Der lachende Mann hat gesagt…

Gestern saß ich in der Straßenbahn neben einem, der lautstark behauptete, es gebe hochwertige und minderwertige Menschenrassen. Als er sah, daß ich mein Handy zückte, stieg er eilig aus.