Montag, 16. August 2021

Taliban: Kommen, sehen, siegen

Mit der schwäbschen Eisenbahn fuhrn wir zu den Taliban. Nun sind wir zurück. Ein Glück.*

Der Eroberungsfeldzug der Taliban überrascht die Welt. Niemals zuvor hat eine Zwergenarmee von nicht einmal 100.000 Mann, gekleidet in Lumpen, unrasiert, ungewaschen und ohne schwere Waffen, ein Land von der doppelten Größe Deutschlands in nur sechs Wochen komplett übernommen. Kaum ein Schuss fiel während der Attacke der Turbanmänner aus den Bergen, denen ein Heer von 300.000 Regierungssoldaten gegenüberstand, ausgestattet mit beinahe allem, was westliche Verteidigungstechnik hergibt. Im Vergleich der Kampfkraft nach dem Global Firepower Index liegt die afghanische Armee nur knapp geschlagen hinter der deutschen Bundeswehr, einem ihrer großen Lehrmeister. Ein theoretischer Wert, den im ersten Moment, indem sie hätte zurückschießen sollen, brach die Truppe auseinander wie der Bundestag im Juni angesichts der Frage, ob Deutschland afghanische Hilfskräfte vor der Ermordung durch die Gotteskrieger retten solle.

Kein Schuss zurück

Das war nicht nötig, befand die Union, so dramatisch sei das Lage doch nicht, bekräftige die SPD. "Wenn man beispielsweise auf das Vordringen der Taliban schaut, erkennt man: Das betrifft vielleicht 10 Distrikte von 400 Distrikten in Afghanistan", wusste der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei zu berichten. Nur die Ruhe: 20 Jahre Ausbildung durch die Bundeswehr, das ergibt zweifelsfrei eine Streitmacht von beeindruckender Abwehrkraft. Auf der anderen Seite die Taliban, ein typisches Lumpenheer auf Pickup mit improvisierten MG-Ständen, numerisch unterlegen, ohne die Feuerkraft einer regulären Armee und im Gefecht selbst Bundeswehreinheiten nicht gewachsen, die jederzeit Luftunterstützung anfordern können.

Eingerichtet in der Einbildung, die als "Aufgabe" für den Pflichteinsatz an der Seite der Amerikaner erfundene "Ausbildungsmission" verfolge irgendeinen Zweck und habe somit zweifellos auch irgendeinen Nutzen, glaubten offizielle deutsche Politik und protokollführende Medien selbst dann noch nicht an ein schnelles Ende des Afghanistan-Abenteuers, als Pickup-Kolonnen des Kalifats ungebremst von Stadt zu Stadt fuhren. Kurzer Halt, ein paar Schüsse in die Luft und das, was an lokalen Autoritäten überhaupt so lange geblieben war, überreichte den Halsabschneidern die Goldenen Schlüssel zum Rathaus.

Kampflos in den Schoß

Die Afghanen begriffen die Taliban als die legitimen Herren des Landes, deren Rückkehr sich ohnehin nicht für immer verhindern lassen würde. Und die Taliban begriffen nach dem Ende der Amtszeit von Donald Trump, dass ihnen das Land in Kürze kampflos in den Schoß fallen würde: Hatte Trump noch erfolgreiche Friedensverhandlungen zur Vorbedingung für einen Abzug gemacht, gab Joe Biden umgehend Befehl zum Hasenpanier. Nur noch weg, nur noch raus, koste es, was es wolle, hieß es nach dem Ultimatum der Dschihadisten, die mit neuen Anschlägen drohten, wenn nicht der Abzugstermin auch ohne erfolgreiche Friedensverhandlungen eingehalten werde.

Die deutsche Streitmacht schaffte es gerade noch so, wenigstens einen 27 Tonnen schweren Gedenkstein an die eigene heldenhafte Mission vom Hindukusch nach Hause zu holen, damit er nicht von den künftigen Herren des Landes beschmutzt und missbraucht werden kann. Keine einfache Sache, denn 27.000 Kilogramm in einem Brocken sind selbst für einen Airbus A400M etwas anderes als 350 Hilfskräfte vom selben Gewicht: Die ließen sich in der Not auf Sitze verteilen, der Gedenkstein aber war "so zu verpacken, dass er sich während des Transportes nicht selbstständig macht, sondern gut gesichert in der Maschine sein wird" (T-Online). 

Beeindruckende Rückzugsfähigkeiten

Ein beeindruckender Ausweis für die Rückzugsfähigkeiten der Truppe: Das schwierige Rettungsunternehmen gelang, der Stein, versehen mit einer Gedenktafel und einer Art Grubenlampe, kann beim Einsatzführungskommando in Potsdam aufgestellt werden und dort ungestört für immer erinnern an die Befreiung Afghanistans vom Joch der Mudschaheddin.

Ein Erfolg, der nun allerdings an der Heimatfront mehr und mehr zerredet wird. Der Wunsch von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, dass das deutsche Desaster am Hindukusch ebenso aus dem Wahlkampf herausgehalten werden möge wie die Pandemiepolitik, die europäische Flüchtlingslösung und die Frage, wie all die vielen hübschen europäischen Klimaziele sich kaum umsetzen lassen werden, geht nicht in Erfüllung. Die "Flucht des Westen aus der Verantwortung" (FAZ) für ein Volk, das aus 20 Jahren westlicher Verantwortung zu großen Teilen den Schluss gezogen zu haben scheint, dass die Verantwortung bei den Steinzeitkriegern der Koranschulen besser aufgehoben ist, überstrahlt für einen Moment sogar die Pandemie. Selbst Joe Biden, der bisher sakrosant war vor jeder Kritik, steht erstmals im Feuer, wenn auch die deutschen Beobachter straff an der Legende festhalten, Deutschland sei auf dem Kriegsschauplatz etwas anderes gewesen als ein Zählkommando, so symbolisch wie der Fleischschutzschirm, den die Nato im Baltikum gespannt hat.

Todbringendes Versagen

Das "todbringende Versagen in Berlin" wird dort angeprangert, wo der Start der ersten deutschen Soldaten zum Einsatz out of area vor 19 Jahren noch mit vibrierender Vorfreude auf spannende Schlachten und ruhmreiche Siege vermerkt worden war. Der militärische "Zwerg" (n-tv) Bundesrepublik müsse wachsen, hieß es damals, als eine rot-grüne Koalition regierte, und Afghanistan sei ein guter Boden mit vielen Nährstoffen für eine krisenfeste Armee. Knappe zwei Jahrzehnte später gilt der Einsatz als "gescheitert, mit unwürdigem Ende" (SZ), wenn auch die Bundesverteidigungsministerin  darauf beharrt, dass "das Ziel des Militäreinsatzes in Afghanistan erreicht" worden sei. 

Alles andere konnte niemand wissen, kein Geheimdienst, kein Außenministerium. Dass man wohl in Kürze die Beine in die Hand nehmen müsse, um noch wohlbehalten über die Grenze zu kommen, hat Heiko Maas noch vor Tagen in Abrede gestellt. Diese Annahme habe ja „zur Grundlage, dass in wenigen Wochen die Taliban das Zepter in Afghanistan in der Hand haben werden", warnte Deutschland größter Außenpolitiker bei Twitter: "Das ist nicht die Grundlage meiner Annahmen". Sie wurde es erst, als die Kacke kochte. Nun aber zeigt sich, dass Maas ruhig Blut behält. Er gehe davon aus, "dass die Taliban verstanden haben, dass es nur eine politische Lösung der Konflikte geben kann", zeigte sich der Saarländer zufrieden mit dem Gang der Dinge. Eine Zufriedenheit, die parteiübergreifend ist: Der "weitere Prozess zwischen Regierung und Taliban" sei nun "eine innerafghanische Angelegenheit", hat Annegret Kramp-Karrenbauer mittlerweile umrissen, wie die deutsche Strategie aussehen wird.

Afghanistan, wo fast 20 Jahre lang die deutsche Freiheit verteidigt wurde, ist nun wieder nicht mehr die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert. Und die deutsche Regierung nur noch gehalten, "nicht eines Richteramtes zu walten, sondern deutsche Politik zu treiben".

*Vers eines erzgebirgischen Schützen aus dem Poem "Staub, Sterne und Geschütze",  geschrieben 2018 - 2021 in Masar i Sharif


13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sauber, der erste ehrliche Artikel den ich seit Jahren in den deutschen Medien zum Thema Afganistan gelesen habe. Danke das es das auch noch gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Frank aus Hannover

Anonym hat gesagt…

Die Flucht des Westens aus der Verantwortung
EIN KOMMENTAR VON ANDREAS ROSS (FAZ)-ke


Erstens wurde nur das Militär abgezogen. 'Der Westen' hält sich sicher schonmal Termine für eine zünftige Geberkonferenz frei, wo die Taliban gegen vage, langfristige Versprechen kurzfristig echte Valuta einsammeln.

Man kann den Artikel nicht ganz lesen, da er klugerweise hinter der Bezahlwand versteckt wird. Man kann nur mutmaßen, welche Vorschläge der Mann mit dem Stirnvorhang gemacht hat. Ich gehe davon aus, dass es in Richtung Bombenteppiche und Napalm geht, da ja militärisch nicht mehr allzuviele Optionen übrig waren.

Pantoffelhelden hat gesagt…

Afghanistan ist nicht nur doppelt so groß wie D, es ist auch eine teils hochgebirgige Wüste mit außerhalb der Städte nur rudimentärer Infrastruktur.

Darum findet sich ein heimischer unrasierter Lumpenträger mit fast fabrikneuem Waffenarsenal und tonnenweise Munition auf Eselskarawanen dort dann sicherlich besser zurecht als unsere wohlstandsverwöhnt geschniegelten Exerzierplatzschnösel, die in der Pampa ohne eigenes Bier nicht kampffähig schienen.

Aber jetzt sind alle unsere Militärexperten wieder perplex, denn es konnte von diesen hoch besoldeten Fachkräften ja niemand ahnen oder gar wissen, dass diese Wilden es ratzfatz bis in die Westenklave Kabul schafften. Nicht zuletzt durch genau jene Ausrüstung, mit denen die USA die Mujaheddin gegen die Russen aufrüsteten und auch die jetzt überrannte reguläre Armee belieferte. Geschenkberge für das baldige Kalifat zwischen Iran und Pakistan.

Dazu fällt mir sofort Vietnam ein. Dasselbe auf ignoranter Arroganz basierende Pech-, Pannen- und Pleitenfiasko ohne den geringsten Lerneffekt in den USA und hier. Und wieder müssen jene dafür büßen, die auf westliche Hilfe vertraut haben und dann im Stich gelassen wurden.

Ein Beweis kompletter Idiotisierung der BRD ist, wenn wir unsere Soldaten zur dortigen Landesverteidigung schicken, deren Fahnenflüchtige aber jubelnd als Flüchtlinge hier aufnahmen. Ok, die etwa 50 toten Berufssoldaten waren freiwillig dort, weil ja auch viel Geld lockte, sind also quasi selber schuld, aber die Milliarden, die dieses Absurdistan-Abenteuer verschlang, die wurden unseren friedlichen Bedürftigen aus militärischem Größenwahn vorenthalten. Was mag sich allein der geflüchtete Präsident von unseren Hilfen in seine Taschen gesteckt haben?

Mein Mitgefühl mit den Folgeschäden in dieser Gurken- und nicht Gurkatruppe hält sich also in Grenzen, und wenn der Michel es so toll findet, zu seinen exotischen Dauergästen nun auch noch eigene traumatisierte Seelenkrüppel lebenslang zu alimentieren, will ich ihm dieses Malochervergnügen nicht vermiesen.

Aber keine Sorge, unsere dortigen Verluste an der nun leider unverteidigten Hindukuschfront werden durch weitere Afghanenimporte sicher schnell mehr als ausgeglichen.

Wir tragen schließlich geschichtliche Verantwortung bei der globalen Weltrettung.

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich tippe ja ganz stark darauf, dass sich der Russe (mit freundlicher Unterstützung der Chines:innen) für die damalige amerikanische Unterstützung der Mudschahedin bedankt hat. Eben nur auf seine Weise.

Volker hat gesagt…

Der Hauptgrund ist wohl, dass das propagandistisch falsch angepackt wurde.

Wir hätten von Anfang an klarstellen sollen, dass auch wir die Heteronormativität ablehnen, für Genderfluidität eintreten und ein zuverlässiger Verbündeter im Kampf gegen die Homophobie sein werden.

Aber so? Das musste ja schiefgehen!

Anonym hat gesagt…

Die Chinesen werden Afghanistan einfach kaufen, wie sie Pakistan mittels lukrativer Projekte gekauft haben, bei denen für jeden Klan etwas abfällt. Die Chinesen haben auch keine politischen oder moralischen Skrupel, es geht, was Dividende bringt, und was der Dividende schadet, kriegt auf diie Mütze.

Anonym hat gesagt…

Anon-Ali bei rtl : " das Auswärtige Amt hat sich nicht bei mir gemeldet - ich sitze hier fest . gib viele gibs und Flugticket"

Anonym hat gesagt…

Das wichtigste Thema überhaupt: WIESO TRAGEN DIE TALIBAN KEINE MASKEN? SIND DAS QUERDENKER?

Anonym hat gesagt…

Man sollte sich nichts vormachen, die Taliban würden Deutschland genauso reibungslos übernehmen wie sie Afghanistan übernommen haben. Die Bundeswehr wäre sicher nicht unglücklich, endlich all diesen Leyen-Karrenbauer Bull5hit wieder loszuwerden.

Anonym hat gesagt…

Zum zichten Male: Schon Rosenfeld sagte, daß es in der "Pulletick"(Friseur Kleinekorte) keine Zufälle gäbe, sondern, was da abgeht, auch so geplant war.

Anonym hat gesagt…

>Schon Rosenfeld sagte

Na seit wann vertrauen wir denn dem, was ((die))) sagen.
lol kriegt mal eure psychosen auf die Reihe

Anonym hat gesagt…

Erbsensuppe mit fettem Schweinefleisch 16. August 2021 at 21:36

Dem grünen antideutschen ***MOD: gelöscht*** Kretschmann und ...
Ich frage mich wo der Hass dieser Politiker herkommt, alles deutsche zu zerstören?
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Von der eigentümlichen Rechtschreibung abgesehen: Die Frage ließe sich durchaus beantworten.

Anonym hat gesagt…

lol kriegt mal eure psychosen auf die Reihe ...

Unbewegt ist meine Seele und hell wie das Gebirge am Vormittag (Nietzsche) - und geistige Gesundheit ist keine Frage der Mehrheit (Orwell).