Montag, 8. April 2024

Die Aufarbeiter: Dafür wegen dagegen

Die Ungeimpften waren unser Unglück, sie auch medial fest an die Kandare zu nehmen rettete unzählige Leben. Daran gibt es auch im Nachhinein nichts zu deuteln.


Wäre es nach denen gegangen, nach denen es demokratischen Regeln zufolge gehen muss, hätte alles bleiben müssen, wie es war. Still ruht der Seuchen-See, denn zu Corona, Grundrechten, Impferfolgen und Quertreibern ist alles gesagt. Deutschland, das hatte schon die letzte Kanzlerin abschließend festgelegt, war dank der Bemühung aller, ausgenommen derer, die sieh geweigert hatten, besser durch die Corona-Zeit gekommen als alle anderen Länder weltweit. 

Seit es dann vorüber war, ohne den "Freedom-Day", den Leugner und Verharmloser gefordert hatten, gab es erst recht keinen Grund für nichts mehr. Ja, ein Buch auf einer Bank lesen war nicht erlaubt. Aber doch, das war gut so, rettete es doch zahllose Leben. Nachtrabend rechten, was nun Recht und was übergriffig war, wie es manche tun, kann nur schaden, spalten, den Falschen in die Hände spielen.

Aktenkundiges Magazin

Dass das einschlägig aktenkundige Online-Magazin "Multipolar" dann interne Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) öffentlich machte, großflächig und geheimnisvoll geschwärzt, führte dann allerdings in aller Eile zu einem Umdenken. Obwohl der ARD-Faktenfinder (Ausgangssperren: Effektiv oder unverhältnismäßig?) den unerfreulichen Vorfall sofort als "Skandal, der keiner ist" einordnen konnte, stand im politischen Berlin plötzlich eine Legion an Aufarbeitern Spalier.

Robert Habeck wollte "Lehren aus der Pandemie" ziehen, Karl Lauterbach die "Corona-Pandemie transparent aufarbeiten". Die FDP drängte mehrere Minuten lang auf eine Enquete-Kommission des Bundestages. Die SPD wollte zumindest "über den Rahmen einer kritischen Aufarbeitung diskutieren", also schon nichts Verkehrtes tun, aber richtig. Selbst Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der die moralische Basis für Freiheitsbeschränkungen und Kontaktsperren geliefert hatte, räumte nun ein, dass es Bereiche gegeben habe, "wo man rückblickend hätte anders handeln können".   

Gefährliche Untiefen

Eine Gesellschaft auf dem Weg in gefährliche Untiefen, wie die "Zeit" sofort entdeckte. Dass damals wohl "überzogene, auch falsche Entscheidungen" getroffen worden seien, müsse konstatiert werden.  Doch Vorsicht sei geboten: "Wer von "Aufarbeitung" spricht, hat oft anderes im Sinn, als zu lernen." Und wo käme man denn da hin? Corona war nicht nur die erste weltweite Pandemie, die derzeit lebenden Menschen miterleben durften, sie war auch diejenige, die am schnellsten verschwand. Fast mit dem Tag des Beginns des russischen Angriffs auf die Ukraine verabschiedete sich die "Tagesschau" wortlos vom Thema Corona. Nur Stunden dauerte es, bis von Impfpflicht, Durchseuchung, Mutanten und Boostern nirgendwo mehr die Rede war.

So hätte es für immer bleiben könne. Und so wird es auch kommen. Der Sturm, der die Corona-Zeit mit zwei Jahren Verspätung noch einmal durchzurütteln drohte, er hat nach nur einer Woche wieder gelegt. Verstummt sind die Forderungen nach Aufarbeitung. Eingestellt alle Bemühungen, aus den RKI-Files nichts Falsches herauszulesen. Sämtliche großen Adressen hatten sich wie auf Verabredung von Anfang an geeinigt, kein großes Ding aus den Protokollen zu machen. 

Auf Recherchen im Inhalt wurde verzichtet, stattdessen gab es eine Vielzahl von Hinweisen darauf, wie wenig wichtig sei, was da von einem "Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers" (Der Spiegel) "freigeklagt" worden sei. Schon der Name ist hier Signal genug: "Multipolar" stellt die von der Wissenschaft nachgewiesene duale Polarität der Erde in Abrede zu stellen. Unverhohlen macht das "Magazin" damit auch Werbung für die von Putin erträumte Welt mit mehr als nur den beiden großen Kraftzentren in Washington und Brüssel.

Spiegel-Leser wissen mehr

Inzwischen wissen Spiegel-Leser mehr, mehr allerdings nur darüber, mit welcher Heimtücke in die Protokolle Zweifel an der Wirkung von Masken und an der Wirkung von Impfungen hineingedichtet wurden, nur weil sie während der schicksalhaften Beratungen des Gremiums geäußert worden waren.  Vorsicht ist die Mutter aller Verschwiegenheitsklauseln, die einzuhalten die großen Medienhäuser sich im Rahmen des Volkskrieges gegen das Virus stillschweigend verpflichtet hatten. 
 
Auch an ihnen war es in der Krise, Schaden vom deutschen Volk abzuhalten, der durch widersprüchliche Informationen hätte entstehen können. Unvergessen sind die Behauptungen von Verschwörungstheoretikern, dass der  Kapitalismus selbst Corona ausgelöst habe. Es handele sich, hieß es, um eine Autoimmun-Erkrankung eines an Populismus vorerkrankten Volkskörpers, die nur durch die Abschaffung des Wirtschaftssystems endgültig kuriert werden könne.
 

Aus der Boxer-Schule


In der Boxer-Vorschule wird jungen Faustkämpfern zuerst gelehrt, wie sie einem drohenden Schlag durch Mitgehen die Wirkung nehmen. Im politischen Geschäft entspricht das dem Manöver, sich stets an die Spitze jeder kritischen Bewegung zu stellen. Je mehr sie gegen einen selbst gerichtet sein könnte, umso entschlossener. Man ist dafür, weil man dagegen ist.
 
Der Umgang mit den ärgerlichen Protokollen wirkt eine Woche danach wie ein Lehrbeispiel: Nach der Enthüllung, wer die Papiere warum öffentlich hatte werden lassen folgte die Mitteilung, dass sie belanglos seien, kalter Kaffee, altbekannt, wenig überraschend, keine weitere Rede wert. Es folgte die kurze Phase, in der jeder, der gefragt wurde oder auch nicht versicherte, er sei natürlich sehr für "Aufarbeitung" (Lauterbach). Das Geräusch, das dabei zu hören war, klang schon wie das Niederfallen einer Grabplatte.

Unter der Grabplatte

Die liegt nun wieder, fest und sicher. Die Gefahr, etwas könnte hochkommen, Maßnahmen könnten infrage gestellt und Schulschließungen, Maskenpflicht und Lockdown als wenig hilfreich, aber auf jeden Fall schädlich verurteilt werden, ist nach nicht einmal zwei Wochen gebannt. Das nun "geeignete Vorgehen" (Lauterbach) wird das Krisenmanagement der beiden Regierungen während der Corona-Jahre eines - sicher sehr fernen - Tages kleinteilig untersuchen. Als Untersuchungsführer werden die fungieren, die den Untersuchungsgegenstand am besten kennen, weil sie es waren, die veranlassten, was ihnen unumgänglich schien. 
 
Neue Expertenräte werden im Rahmen einer "konstruktiven Aufarbeitung" (Lauterbach) bestätigen können, dass bei der Vorbereitung neuer Pandemien auf den Erfolgen vom letzten Mal aufgebaut werden sollte. Das Vertrauen in die Wissenschaft habe sich bewährt, die solidarische Begleitung durch verantwortungsvoll geführte Medien und der feste Schulterschluss zwischen Rechtsstaat, Ordnungsbehörden und staatlichen Kontrollorganen habe die Gesellschaft geeint und den Sieg über die Seuche erst ermöglicht. Nun fehle nur noch die Einsicht der Gesellschaft, dass es nicht anders ging, um "das Land an dieser Stelle wieder zusammenzuführen", wie Robert Habeck abschließend festgestellt hat.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Papier:
Deshalb auch meine Forderung, in einer Enquete-Kommission darüber zu beraten, wie man unter Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze, auch der demokratiestaatlichen Grundsätze, das Parlament, also die vom Volk gewählte Vertretung, stärker von Anfang an in die Entscheidungsprozesse einbeziehen kann.

Das kam genau so, weil 'die vom Volk gewählte Vertretung' nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen werden wollte. Keiner aus dem Listenpersonal der Parteien wollte mit irgendwelchen unabhängigen Meinungen auffallen, da man ganz schnell rechtsstaatlich und demokratisch aus den Listen radiert werden kann.

ppq hat gesagt…

papier meldet sich mit dieser vehemenz, weil es nicht mehr dabei ist.

Anonym hat gesagt…

OT URL der Woche
gefunden bei Vitzli

https://www.rnd.de/wissen/koennten-20-000-elefanten-aus-botswana-in-deutschland-ueberleben-ein-faktencheck-WSIKGX3OCZD7HERR45LWXWVB64.html

So einen News-Junk macht man natürlich gar nicht erst auf, die URL reicht völlig.

Der lachende Mann hat gesagt…

bei Vitzli gefunden

Da ist Ihnen was entgangen. War lustig zu lesen.